08.01.2010
Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 27.04.2004 – II 8/2003
Bei Unternehmern mit fast ausschließlichen Bargeschäften in mehreren Geschäftszweigen ist es erforderlich, die Entgelte getrennt aufzuzeichnen und die Aufzeichnungen aufzubewahren.Die nur summenmäßige tägliche Kassenbucheintragung ohne Einzelnachweis und ohne Grundaufzeichnungen stellt einen wesentlichen Buchführungsmangel dar.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Berechtigung, auf Grund der Feststellungen einer steuerlichen Außenprüfung die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer im Wege der Schätzung zu erhöhen.
Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer seit 1972 in S. den Gasthof A. mit Beherbergungsbetrieb und zudem in geringem Umfang den Ladenverkauf von Fleisch- und Wurstwaren. In dem Unternehmen arbeiteten die Ehefrau des Klägers als Gaststättenhilfe und deren gemeinsamer Sohn als Koch mit.
Für die Streitjahre erklärte der Kläger folgende Besteuerungsgrundlagen:
1994 | 1995 | 1996 | |
Erklärung vom | 06.11.1995 | 08.04.1997 | 23.01.1998 |
DM | DM | DM | |
Lieferungen und Leistungen zu 15 % | 292.012,00 | 319.341,00 | 316.637,00 |
Umsatzsteuerschuld | 2.727,60 | ./. 886,60 | 24.115,50 |
Das Finanzamt stimmte den jeweiligen Umsatzsteuererklärungen zu, so dass die Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen (§§ 168, 164 Abs. 1 Satz 1 AO).
Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung stellte der Betriebsprüfer fest, dass im Unternehmen des Klägers keine ordnungsgemäße Kassenführung vorgelegen habe. Für die Geschäftsbereiche Gastwirtschaft und Ladenverkauf (Metzgerei) sei nur eine Kasse geführt worden. Insbesondere seien Geldverschiebungen zwischen Metzgerei und Gastwirtschaft nicht festgehalten worden. Weiter bestünden Mängel in der Aufzeichnung der Warenbestände und des Wareneinkaufs. Da die sich aus den erklärten Betriebszahlen ergebenden Rohaufschläge unter denen der untersten amtlichen Richtsätze lagen, nahm er eine Nachkalkulation bestimmter Hauptgruppen des Wareneinsatzes vor. Daraus ergaben sich erhebliche Differenzen zu den erklärten Umsätzen. Im Rahmen einer Ergänzungsschätzung erhöhte er daher die Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen zu 15 % für 1994 um 24.000 DM, für 1995 um 29.000 DM und für 1996 um 30.000 DM jeweils ohne Umsatzsteuer. Der Kläger hatte sich Einwendungen gegen die Ergänzungszuschätzung vorbehalten.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Betriebsprüfers und änderte die Steuerfestsetzungen nach § 164 Abs. 2 AO mit Bescheiden vom 03.05.2000 wie folgt:
1994 | 1995 | 1996 | |
Lieferungen und Leistungen 15 % | 316.012 DM | 348.341 DM | 346.637 DM |
Die Umsatzsteuerschuld erhöhte es auch wegen anderer, hier nicht streitiger Feststellungen, für das Streitjahr 1994 auf 6.682 DM, für 1995 auf 3.818 DM und für 1996 auf 28.970 DM.
Der Kläger beschränkte seine Einsprüche gegen die geänderten Steuerbescheide nur auf die Berechtigung der Hinzuschätzung.
Auf Grund der Mitteilung der Feststellungen des Betriebsprüfers leitete die Bußgeld- und Strafsachenstelle des zuständigen Finanzamtes A. am 14.02.2001 gegen den Kläger ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Einkommen- und Umsatzsteuerhinterziehung für die Jahre 1994 bis 1996 ein. Mit Schreiben vom 15.05.2001 teilte es dem Kläger mit, dass es das Steuerstrafverfahren gem. § 396 AO bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens ausgesetzt habe.
Das beklagte Finanzamt minderte im Einspruchsverfahren zur Abgeltung aller Einwendungen und Schätzungsunschärfen die Ergänzungsschätzung der Betriebsprüfung um 50 %. Es ging nunmehr von einer Netto-Umsatzzuschätzung für 1994 i.H.v. 12.000 DM, für 1995 i.H.v. 14.500 DM und für 1996 i.H.v. 15.000 DM aus und setzte mit Einspruchsentscheidung vom 06.12.2002 die Umsatzsteuerschuld für 1994 auf 4.882 DM, für 1995 auf 1.643 DM und für 1996 auf 26.720 DM herab.
Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, die Änderungsbescheide vom 03.05.2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.12.2002 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuerschuld für 1994 auf 3.082,60 DM, für 1995 eine Umsatzsteuererstattung von 531,60 DM und für 1996 eine Umsatzsteuerschuld von 24.470,50 DM festgesetzt wird.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, es stünden allein die zugeschätzten Einnahmen im Streit. Eine Zuschätzung sei weder auf Grund eines äußeren Betriebsvergleiches noch auf Grund einer Nachkalkulation veranlasst.
Die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sei nicht zu beanstanden. Es seien zwar zwei Kassen geführt worden, die eine im Ladengeschäft für Fleisch- und Wurstwarenverkauf, die andere in der Gaststätte. Es handle sich dabei aber nicht um voneinander getrennte Gewerbebetriebe, so dass es ausgereicht habe, den Kassenbestand täglich in einem gemeinsamen Kassenbericht zu ermitteln. Die Kassensturzfähigkeit habe daher vorgelegen.
Die angeblichen Fehler im Warenbestand und beim Wareneinkauf seien von ihm mit Schreiben vom 20.06. und 20.10.2000 aufgeklärt worden.
Die an den Beweiswert einer Nachkalkulation (innerer Betriebsvergleich) zu stellenden strengen Anforderungen seien vom Finanzamt nicht beachtet worden. Denn der Betriebsprüfer habe nur für den Teilbereich Gaststätte für einige Warengruppen die Aufschlagsätze ermittelt. Für den Teilbereich Wurst- und Fleischverkauf habe er einen pauschalen Aufschlagsatz von 35 % zu Grunde gelegt. Es trage jedoch allein das Finanzamt die Feststellungslast zum Nachweis bestehender Kalkulationsdifferenzen.
Da die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses für sein Unternehmen weder durch die behaupteten und widerlegten Buchführungsmängel noch durch die fehlerhafte Kalkulation des Betriebsprüfers in Frage gestellt werden könne, sei auch die Zuschätzung auf Grund eines äußeren Betriebsvergleiches nicht zulässig. Im Rahmen des äußeren Betriebsvergleichs habe das Finanzamt die Besonderheiten seines Unternehmens nicht berücksichtigt. Denn Ende 1994 sei eine neue Küche für 160.000 DM installiert und der Sohn als Koch eingestellt worden. Damit habe die bisherige Dorfwirtschaft auf das Niveau einer Speisegaststätte herangeführt werden sollen. Es hätten daher im Einführungsjahr mehr Speisen und Lebensmittel vorgehalten werden müssen, was wegen der zunächst fehlenden Kundschaft zu einem hohen Warenverderb geführt habe.
Schließlich sei eine Zuschätzung auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil eine Geldverkehrsrechnung ohne Ergebnis geblieben sei.
Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt es im Wesentlichen Folgendes aus:
Der Kläger habe formal nur eine, tatsächlich jedoch mindestens zwei Geschäftskassen geführt. Die Einnahmen dieser formal einen Kasse seien nachträglich nach einem nicht mehr nachvollziehbaren Schlüssel auf die einzelnen Geschäftszweige aufgeteilt worden. Die Kassensturzfähigkeit sei damit zu keinem Zeitpunkt gegeben gewesen.
Auch die Ungeklärtheiten bei der Inventur seien bisher nicht beseitigt worden.
Der Betriebsprüfer sei gehindert gewesen, die Nachkalkulation ausschließlich anhand eines inneren Betriebsvergleiches durchzuführen, weil der Kläger den Wareneinsatz für die jeweiligen Betriebszweige nicht getrennt aufgezeichnet habe und er für das Ladengeschäft weder Verkaufslisten noch Kassenbons habe vorlegen können.
Die Höhe der Zuschätzung sei nicht willkürlich, sondern habe den Besonderheiten des Unternehmens des Klägers Rechnung getragen. Ergänzend werde auf die Begründung der Einspruchsentscheidung vom 06.12.2002 verwiesen.
Gründe
Die Klage hat keinen Erfolg, weil das Finanzamt zu einer Ergänzungsschätzung berechtigt war und die Höhe der Zuschätzung nicht zu beanstanden ist. Der Kläger ist daher durch die angefochtenen Verwaltungsakte nicht in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann (§ 162 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 AO). Für eine ordnungsgemäße Buchführung sind Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 AO).
Insbesondere ist ein Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus den Aufzeichnungen müssen die vereinbarten Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen zu ersehen sein. Dabei ist ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen. Weiter müssen aus den Aufzeichnungen zu ersehen sein die vereinnahmten Entgelte und Teilentgelte für noch nicht ausgeführte Lieferungen und sonstige Leistungen sowie die Bemessungsgrundlagen für den Eigenverbrauch (§ 22 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 2, Nr. 2 und Nr. 3 UStG 1993).
Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen. Dem Steuerpflichtigen ist es zur Erleichterung seiner Aufzeichnungspflichten gestattet, für seine Umsätze und für die an ihn ausgeführten Umsätze die jeweiligen Brutto-Beträge - einschließlich der Steuer - getrennt nach Steuersätzen aufzuzeichnen und am Schluss eines Voranmeldungszeitraumes insgesamt in Bemessungsgrundlage und Steuer aufzuteilen (§ 63 Abs. 1 und 3 UStDV 1993, A 258 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStR 1992).
Bei Anwendung dieser Rechtsnormen war das Finanzamt zur ergänzenden Schätzung der Besteuerungsgrundlagen ermächtigt, weil der Kläger die ihm von Gesetzes wegen auferlegten Aufzeichnungspflichten nicht erfüllt hatte. Denn der Kläger hatte die Einnahmen aus dem Ladenverkauf für Fleisch- und Wurstwaren und die Einnahmen in der Gastwirtschaft nicht nachvollziehbar getrennt erfasst und aufgezeichnet. Die umsatzsteuerlichen Aufzeichnungsvorschriften gehen vom Grundsatz der Einzelaufzeichnungen aus, denn es muss ersichtlich sein, wie sich die einzelnen Entgelte auf steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze und auf die verschiedenen Steuersätze verteilen (Wagner in Sölch/Ringleb, UStG-Kommentar, § 22 Rz. 48). Einen Antrag auf Erleichterungen bei der Trennung der Bemessungsgrundlagen nach § 22 Abs. 6 UStG, § 63 Abs. 4 UStDV hatte der Kläger weder gestellt noch das Finanzamt eine Genehmigung hierzu erteilt (vgl. Fritsch in Reis/Kräusel/Langer, UStG-Kommentar, § 22 Rz. 30). Bei nachträglicher Anfertigung der zunächst unterlassenen Aufzeichnungen fehlt es an der vollständigen und zeitgerechten Erfassung der Geschäftsvorfälle. Zwar kann das Finanzamt diese Nachbesserungen berücksichtigen, um Unsicherheiten auszugleichen ist es aber zulässig, auf der Einnahmeseite ergänzende Zuschätzungen vorzunehmen (vgl. Geist in Rau/Dürrwächter/Flick, UStG-Kommentar, 8. Aufl., § 22 Anm. 95).
Aus den vom Kläger erstellten Kassenberichten lassen sich die täglichen Bareinnahmen in keiner Weise im Einzelnen nachvollziehen. Denn der Kläger ermittelte die Tageseinnahmen in der Weise, dass er vom Kassenbestand bei Geschäftsschluss den Kassenbestand des Vortages in Abzug brachte, die Differenz ohne erkennbare Zuordnungskriterien betragsmäßig aufteilte und einen Betrag dem Konto 8550 für die Gastwirtschaft und einen Betrag dem Konto 8540, dem Ladengeschäft, zuwies (vgl. Ordner Kasse und Erlöskonten). Dem entsprechend hat der Kläger zum Beispiel die Bareinnahmen laut Kassenbericht vom 31.07.1994 so ermittelt, dass er von dem Kassenbestand bei Geschäftsschluss in Höhe von 46.516,86 DM eine Barentnahme von 3.000 DM und Lohnzahlungen von 1.215,25 DM und von 594,08 DM sowie den Kassenbestand des Vortages in Höhe von 50.557,59 in Abzug brachte und die Differenz von 786,60 DM als Brutto-Bareinnahme ohne weitere Aufschlüsselung auswies. Auf dem DATEV-Erlöskonto 8550 wurde dann der Netto-Betrag von 668,35 DM erfasst. Auffallend sind vergleichbar hohe Kassenbestände am 26.06.1995 mit 80.446,92 DM bzw. am 30.07.1996 mit 54.039,80 DM, wobei im Durchschnitt der Kassenbestand stets über 10.000 DM lag. Die einzelnen Tagesumsätze lassen sich nicht nachvollziehen, auch dann nicht, wenn sie vereinzelt überdurchschnittlich anfielen, wie etwa am Sonntag, den 25.06.1995 mit 12.640,10 DM bei sonst regelmäßigen Tageslosungen von unter 1.000 DM. Nicht überprüfbar ist auch die Aufteilung der Umsätze auf die Gaststätte oder auf das Ladengeschäft. So weist z.B. der Kassenbericht vom 14.03.1996 einen Endbestand von 31.399,98 DM und einen Bestand des Vortages von 30.285,78 DM. In der Zeile der Tageslosung finden sich nur zwei Zahlen mit dem Verweis „Gaststätte 905,80 DM” und „Laden 208 DM”. Auf welchen Grundaufzeichnungen die Aufteilung beruht, ist nicht erkennbar.
Die außergewöhnliche Höhe der täglichen Kassenbestände ist durch die Art des Unternehmens, einer Gaststätte, nicht erklärbar. Sie führt jedoch dazu, dass eine Überprüfung der Kasse auf mögliche Fehlbestände ohne Aussagewert bleibt.
Schließlich ist auch auffällig, dass das Schriftbild der Kassenberichtsaufzeichnungen in allen Streitjahren teilweise über längere Zeiträume hinweg keine Abweichungen erkennen lässt. Dies berechtigt zu der Vermutung, dass - unabhängig ob tatsächlich Grundaufzeichnungen vorgelegen haben - die Kassenberichte nicht täglich, sondern in einem Zug am Ende eines längeren Zeitraums nachträglich erstellt wurden.
Das Gericht verkennt bei seiner Würdigung nicht, dass von der Rechtsprechung und der Verwaltung nicht beanstandet wird, wenn Unternehmer mit allgemeinem Warenverkehr, insb. Verkauf über die Theke, die baren Einnahmen im Einzelnen nicht aufzeichnen (BFH-Urteile vom 12.05.1966 IV 472/60, BStBl. III 1966, 372 und vom 01.10.1969 1 R 73/66, BStBl II 1970, 45) und es auch nicht zu beanstanden ist, wenn Kasseneinnahmen im Einzelhandel täglich nur in einer Summe anhand eines Kassenberichts aufgezeichnet werden (BFH-Urteil vom 20.06.1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12). Jedoch ist es bei Unternehmen mit fast ausschließlichen Bargeschäften und mehreren Kassen bzw. Filialen unerlässlich, die Grundlagenaufzeichnungen zur Überprüfung der Bareinnahmen aufzubewahren (BFH-Urteile vom 30.11.1989 I R 225/84, BFH/NV 1991, 356 „Spielcasino”; vom 12.09.1990 I R 122/85, BFH/NV 1991, 573 „mehrere Gaststätten”; Beschluss vom 01.03.1989 V B 22/87, BFH/NV 1989, 746 „Aufzeichnungen zur USt”, FG Hamburg Urteil vom 04.12.1990 - 11 104/88 EFG 1991, 507 „Änderungsschneider mit drei Geschäftslokalen”; FG München Urteil vom 23.04.1991- 12 K 5/88, DATEV „Gastwirtschaft”).
Der Kläger hat diese Grundsätze aber bei seiner Kassenbuchführung durch einen täglichen Kassenbericht nicht beachtet, weil insbesondere nicht nachvollziehbar ist, welche Einnahmen in der Ladenkasse (USt 7%) und welche in der Kasse der Gaststätte (USt 15%) anfielen. Grundbelege für die Ladenkasse fehlen vollständig, solche für die Gaststätte sind nur vereinzelt vorhanden. Da somit die Einnahmen nicht leicht und einwandfrei nachvollziehbar sind, ist eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach eröffnet (vgl. Tipke/Kruse AO/FGO-Kommentar, § 146 AO Tz. 27 ff, § 162 AO Tz. 37). Denn die nur summenmäßige tägliche Kassenbucheintragung ohne Einzelnachweis und ohne Grundaufzeichnungen stellt einen wesentlichen Buchführungsmangel dar (vgl. BFH-Urteil vom 20.06.1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12 und BFH-Urteil vom 30. 11.1989 I R 225/84, BFH/NV 1991, 356; vgl. Tipke/Kruse, a.a.O. § 146 AO Tz. 62, § 162 AO Tz. 40). Ein Steuerbürger, der wie der Kläger seine Einnahmen nicht leicht und einwandfrei nachprüfbar aufzeichnet, kann sich auch unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit von Einzelaufzeichnungen der baren Betriebseinnahmen (vgl. BMF-Schreiben vom 24.02.2004, BStBl. I 2004, 419) nicht auf die Beweiskraft seiner Buchführung stützen, wenn wie im Streitfall Anlass besteht ihre Richtigkeit zu beanstanden (§ 158 AO).
Selbst wenn das Gericht davon ausgehen sollte, dass die vom Kläger vorgenommene Kassenführung formell nicht zu beanstanden sei, ergibt sich eine Schätzungsbefugnis des FA auf Grund der Ergebnisse der Nachkalkulation.
Grundsätzlich ist zwar eine Buchführung des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entspricht, der Besteuerung zu Grunde zu legen (§ 158 AO). Dies gilt aber nur soweit, als nach den Umständen des Einzelfalles kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden (vgl. BFH-Urteil vom 20.09.1989 X R 39/87, BStBl. II 1990, 109). Ihr Beweiswert kann aber auch durch eine Nachkalkulation erschüttert werden, durch die der Nachweis erbracht wird, dass die steuerpflichtigen Einnahmen trotz formell ordnungsgemäßer Buchführung nicht vollständig aufgezeichnet und damit der Besteuerung entzogen worden sind (vgl. BFH-Urteile vom 08.09.1994 IV R 6/93, BFH/NV 1995, 573 und vom 17.11.1981 VIII R 174/77, BStBl. II 1982, 430; vgl. Tipke/Kruse a.a.O., § 158 AO Tz. 21, § 162 AO Tz. 58 ff).
Denn durch die Überprüfung der betrieblichen Kosten kann der Nachweis geführt werden, dass das Unternehmen Betriebseinnahmen und Gewinne in der vom Finanzamt angenommenen Höhe auch abwerfen konnte. Die Nachkalkulation ist eine anerkannte Schätzungsmethode, die so zuverlässig ist, dass sie die Beweiskraft einer formell ordnungsmäßigen Buchführung widerlegen und in Höhe der errechneten Beträge nicht verbuchte Betriebseinnahmen nachweisen kann (BFH-Urteil vom 08.09.1994 a.a.O. m.w.N.). Die Nachkalkulation vollzieht anhand der Unterlagen des Steuerpflichtigen nach, welche Umsätze erzielt worden sind, und ermöglicht dadurch auch Rückschlüsse auf die erzielten Gewinne. Der nachkalkulierende Prüfer kann sich dabei auf die Angaben des Steuerpflichtigen stützen und zusätzlich eigene Ermittlungen anstellen. Kalkulationsgrundlage ist hauptsächlich der Wareneinsatz, der regelmäßig in so viele Gruppen aufzuteilen ist, wie verschiedene Aufschlagsätze im Betrieb verwendet werden. Die Anwendung der Rohaufschlagsätze auf den Wareneinsatz der verschiedenen Warengruppen ergibt in etwa den Soll-Umsatz, der während des Verprobungszeitraums erzielt worden ist. Weicht der erklärte Umsatz hiervon erheblich ab, ist regelmäßig die Annahme gerechtfertigt, dass die Umsatzdifferenz nicht erklärte Betriebseinnahmen sind.
Diese Grundsätze hat der Betriebsprüfer bei der von ihm vorgenommenen Verprobung der erklärten Umsätze beachtet. Das Gericht schließt sich bei der rechtlichen Bewertung der Nachkalkulation den zutreffenden Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vom 06.12.2002 (Tz. 11.2) an. Die Nachkalkulation ist vom Ansatz her und im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Im Übrigen wird die Schätzungsbefugnis durch die Einleitung des Steuerstrafverfahrens nicht berührt (BFH-Beschluss vom 19.09.2001 XI B 6/01, BStBl. II 2002, 4; vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Tz. 17).
Auch die vom Finanzamt gewählte Schätzungsmethode und die Höhe der Ergänzungszuschätzung sind nicht zu beanstanden (vgl. Tipke/Kruse a.a.O. § 162 AO Tz. 52 ff).
Die Methode zur erforderlichen Ergänzungsschätzung konnte das Finanzamt nach seinem pflichtgemäßen Ermessen wählen und dabei äußeren und inneren Betriebsvergleich kombinieren (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 Tz. 52). Das Finanzgericht sieht keinen Grund, die angewandten Methoden zu verwerfen, da die gefundenen Ergebnisse nachvollziehbar und realistisch erscheinen. Dem Einwand des Klägers, eine Geldverkehrsrechnung habe keinen Fehlbetrag ergeben und damit sei eine Schätzungsbefugnis nicht eröffnet, kann das Gericht nicht folgen. Denn eine Schätzungsmethode wie die Geldverkehrsrechnung kann nicht dazu verwendet werden, eine erkennbar fehlerhafte Buchführung wie die des Klägers als im Ergebnis richtig zu bewerten und als beweiskräftig der Besteuerung zu Grunde zu legen (vgl. § 158 AO). Der Gesetzgeber hat nämlich den Beweis der Richtigkeit gerade an die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung geknüpft.
Schließlich ist auch die Höhe der Zuschätzung nicht zu beanstanden. Eine Schätzung hat den durch die Umstände des Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen zu beachten und muss in sich schlüssig und wirtschaftlich vernünftig sein (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, 16. Aufl., § 162 AO Tz. 79; BFH-Beschluss vom 20.07.1994 I B 11/94, BFH/NV 1995,198). Bei der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durfte das Finanzamt zu Lasten des Klägers bis an die Obergrenze des zulässigen Schätzungsrahmens gehen. Im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung muss der Steuerbürger, der - wie hier der Kläger - Veranlassung zur Schätzung gibt, es hinnehmen, dass die im Wesen der Schätzung liegende Unsicherheit gegen ihn ausschlägt (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Tz. 45). Das Finanzamt hat spätestens in den Einspruchsentscheidungen allen Einwendungen des Klägers gebührend Rechnung getragen. Insoweit verweist das Gericht gemäß § 105 Abs. 5 FGO auf die zutreffenden Ausführungen des Finanzamtes in der Einspruchsentscheidung vom 06.12.2002 (Tz. 11.3).
Für die Rechtmäßigkeit des steuerlichen Schätzungsergebnisses genügt eine größtmögliche Wahrscheinlichkeit; sie ist nicht von einem Beweismaß abhängig, wie es für eine strafrechtliche Überzeugung des Gerichts erforderlich ist (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Tz. 16, 29).
Die Klage konnte somit unter keinem Gesichtspunkt Erfolg haben. Auf die Frage möglicher Fehler bei der Erfassung des Warenbestandes und des Wareneinkaufs, die auch nach den Feststellungen des Finanzamtes nur geringfügig waren (vgl. Einspruchsentscheidung vom 06.12.2000 Tz. 11.1.b), kommt es daher nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.