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09.04.2019 · IWW-Abrufnummer 208213

Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 11.03.2019 – 9 K 593/18

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Hessisches Finanzgericht
9. Senat

11.03.2019

9 K 593/18

Urteil

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein vom Kläger zu 1 im Zusammenhang mit einem Geldwechsel erlittener Vermögensschaden in Höhe von 250.000,00 EUR als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen ist.

2

Der Kläger zu 1 war im Streitjahr 2016 bei dem Unternehmen A GmbH - als Arbeitnehmer in der Vertriebsabteilung beschäftigt. Laut seinem Arbeitsvertrag erhielt er für die Vermittlung von Verkäufen Provisionen. Im Februar 2016 bekundete ein Herr B (angeblich aus London) per E-Mail gegenüber der A GmbH sein Interesse an dem Ankauf diverser Maschinen. Im weiteren Verlauf wurden die Verhandlungen auf Käuferseite von einem Herrn C (angeblich Schweizer Staatsbürger) geführt. Im März 2016 fand ein erstes persönliches Treffen zwischen Herrn C, dem Kläger zu 1 und dessen Vorgesetzten, Herrn D, in Paris statt. Im Rahmen dieses Gesprächs teilte Herr C mit, dass er eine Investorengruppe aus mehreren Ländern vertrete, die als Vorbedingung für den Kauf der Maschinen ein Geldwechselgeschäft verlangten. Zur Begründung wurde angegeben, dass die Investoren nach einer Möglichkeit suchten, einer gerüchteweise insbesondere in Italien bevorstehenden Einziehung der 500-Euro-Banknote zuvorzukommen und sich durch das Geldwechselgeschäft ihres Bestandes der genannten Banknote entledigen zu können. Der Vorgesetzte des Klägers zu 1 teilte Herrn C daraufhin mit, dass ein solches Geschäft für die A GmbH nicht in Betracht komme. Falls Herr C bzw. die Investorengruppe weiterhin Interesse an den Maschinen haben sollten, werde sich der Kläger zu 1 unter der Wahrung der gesetzlichen Vorschriften darum kümmern.

3

In der Folgezeit führte der Kläger zu 1 mit Herrn C weitere Verkaufsverhandlungen, die schließlich in einen Vorvertrag mit einem Gesamtkaufpreis von ca. 1,8 Mio. EUR mündeten. Dieser Vertrag wurde von dem Vorgesetzten des Klägers zu 1 im Vorfeld eines Treffens zwischen dem Kläger zu 1 und Herrn C unterschrieben.

4

Das genannte Treffen fand am 25.05.2016 in Genua statt. Der Kläger zu 1 traf in einem dortigen Hotel auf Herrn C, der sich in Begleitung eines weiteren Mannes befand. Die beiden Männer wurden von einer Überwachungskamera des Hotels aufgezeichnet; ein entsprechendes Standbild findet sich in der Gerichtsakte (vgl. Bl. 52 der Gerichtsakte). Mit diesem anderen Mann begab sich der Kläger zu 1 auf Anweisung von Herrn C in einen Konferenzraum des Hotels, übergab ihm dort 250.000,00 EUR in 200-Euro-Banknoten und erhielt im Gegenzug ebenfalls 250.000,00 EUR, jedoch in 500-Euro-Banknoten. Das von dem Kläger zu 1 mitgeführte Geld stammte in Höhe von 180.000,00 EUR von einem privaten Sparbuch, in Höhe von 20.000,00 EUR aus einem privaten Bankschließfach und in Höhe von 50.000,00 EUR aus einem Privatdarlehen. Der Kläger zu 1 hatte seinen Vorgesetzten in seine Absicht, das Geldwechselgeschäft mit privaten Mitteln durchzuführen, nicht eingeweiht.

5

Der Kläger zu 1 kontrollierte das erhaltene Geld direkt nach Übergabe mithilfe eines mitgeführten Gerätes auf seine Echtheit, woraufhin sich keine Auffälligkeiten zeigten. Der Kläger zu 1 trat sodann mit dem anderen Mann vor die Tür des Konferenzraumes, um wieder mit dem dort verbliebenen Herrn C zu sprechen. Dieser unterschrieb dann den Vorvertrag. Nachdem der Kläger zu 1 wieder allein in seinem Hotelzimmer war, erkannte er, dass das erhaltene Geld – von ihm unbemerkt – in offensichtliches Falschgeld ausgewechselt worden sein musste; so fand sich auf den Banknoten nunmehr z.B. der Aufdruck „DISNEYLAND“.

6

Die Ermittlungen der italienischen Polizei, die sich unter anderem auf die Auswertung der Überwachungskameras des Hotels stützen, führten nach Aussage des Klägers zu 1 bislang zur Ermittlung einer Reihe von Verdächtigen. Die italienische Staatsanwaltschaft entscheide derzeit über eine Klageerhebung. Der Kläger zu 1 erlangte für seinen Verlust keine irgendwie geartete Kompensation.

7

Die Kläger haben in ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr den Betrag von 250.000,00 EUR als Werbungskosten des Klägers zu 1 bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, hilfsweise als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht.

8

Der Beklagte erließ am 18.12.2017 den Einkommensteuerbescheid für 2016, ohne den Betrag von 250.000,00 EUR zu berücksichtigen. Zur Begründung führte er aus, dass keine berufliche Veranlassung gegeben sei, da das Geldwechselgeschäft nicht im Auftrag des Arbeitgebers des Klägers zu 1, sondern ohne dessen Wissen durchgeführt worden sei. Der Vorgesetzte habe sogar ausdrücklich gegenüber dem potentiellen Kunden ausgeschlossen, auf das Geldwechselgeschäft einzugehen. Dass sich der Kläger zu 1 aufgrund einer zu erwartenden Provision dennoch darauf eingelassen habe, sei daher seinem privaten Bereich zuzuordnen. Eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung scheide aus, da die Aufwendungen nicht zwangsläufig entstanden seien.

9

Die Kläger legten hiergegen am 27.12.2017 Einspruch ein. Der Kläger zu 1 habe sich mit seinem Privatvermögen nur deshalb auf das Wechselgeschäft eingelassen, um eine Provision erzielen zu können. Eine solche Provisionszahlung bei erfolgreichem Vertragsabschluss hätte der Beklagte aber ohne Zögern der Besteuerung unterworfen. Eine private (Mit-)Veranlassung liege nicht vor. Auf den fehlenden Auftrag des Arbeitgebers zur Durchführung des Wechselgeschäfts komme es nicht an. Weder die Beauftragung noch das Wissen des Arbeitgebers seien gesetzliche Voraussetzungen des Werbungskostenbegriffs. Es gebe außerdem eine Reihe von Urteilen des Bundesfinanzhofs - BFH - zur Anerkennung unfreiwilliger Aufwendungen in Form von Beschädigung, Verlust oder Zerstörung privater Wirtschaftsgüter, wenn derartige Ereignisse bei der beruflichen Verwendung einträten oder auf andere Weise durch die Einkünfteerzielung bedingt seien.

10

Mit Einspruchsentscheidung vom 16.03.2018 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Es fehle an dem erforderlichen objektiven wirtschaftlichen Zusammenhang der Aufwendungen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Auslösendes Moment für eine über den Bruttoarbeitslohn hinausgehende Provision sei einzig und allein der Abschluss des Kaufvertrages. Das Geldwechselgeschäft sei hingegen nur vorgeschaltet gewesen und eigenmächtig vom Kläger zu 1 getätigt worden. Es habe überdies auch wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn gemacht. Laut Vorvertrag sei zum Zeitpunkt des Wechselgeschäfts noch gar kein Geldfluss vorgesehen gewesen. Im Übrigen seien bei den Überschusseinkunftsarten Veränderungen im Vermögensbereich grundsätzlich unerheblich. Die von den Klägern angeführten Urteile beträfen Arbeitsmittel, Diebstahl und unfreiwillige Aufwendungen. Bargeld sei kein Arbeitsmittel; außerdem seien die Aufwendungen durch den Kläger zu 1 freiwillig erfolgt.

11

Die Kläger haben am 18.04.2018 Klage erhoben. Sie wiederholen im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Bei dem Verlust aus dem Geldwechselgeschäft handele es sich um Werbungskosten i.S.d. § 9 Einkommensteuergesetz - EStG -. Die Aufwendungen seien beruflich veranlasst, da objektiv ein Zusammenhang des von den Geschäftspartnern geforderten Wechselgeschäftes mit den von dem Kläger zu 1 erwarteten steuerpflichtigen Provisionen bestanden habe und der Kläger zu 1 subjektiv die Aufwendungen zur Förderung seiner beruflichen Tätigkeit vorgenommen habe. Ein mittelbarer Zusammenhang reiche insoweit aus; der Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und dem Schadenseintritt dürfe nur nicht allzu lose und entfernt sein. Auch unfreiwillige Aufwendungen könnten Werbungskosten sein und es komme nicht darauf an, ob diese Aufwendungen notwendig, üblich oder zweckmäßig seien. Selbst schuldhaft veranlasste Aufwendungen führten nicht zur Versagung des Werbungskostenabzugs, da wegen der Wertungsfreiheit der Besteuerung das Verhalten des Steuerpflichtigen für die Anerkennung keine Rolle spiele. So fielen Werbungskosten auch dann an, wenn dem Steuerpflichtigen auf einer Dienstreise Geld gestohlen werde, das er für die Dienstreise selbst oder aber für die mit dieser Reise verfolgten Zwecke mitführe. Der Kläger zu 1 sei Vermögensopfer eines sehr geschickt angelegten, von Professionellen begangenen Wechselbetruges geworden. Da es sich bei dem durch das Tauschgeschäft entwendeten Geld nicht um das private Zahlungsmittel des Klägers zu 1 gehandelt  habe, sondern gerade dieses Geld Gegenstand des im Zusammenhang mit dem Vermittlungsgeschäft verlangten Geldwechsels gewesen sei, liege hier ein Umstand vor, der den Schaden der konkreten beruflichen Tätigkeit zuordnen lasse. Ergänzend weisen die Kläger auf das BFH-Urteil X R 10/16 vom 07.02.2018 hin.

12

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 2016 vom 18.12.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 19.04.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.03.2018 dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer der zusammen veranlagten Kläger für 2016 auf null und der vortragsfähige Verlust zum 31.12.2016 auf 86.959,00 EUR festgesetzt werden.

13

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Er wiederholt im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Darüber hinaus trägt er vor, dass der strafrechtliche Charakter des Wechselgeschäftes so offensichtlich gewesen sei, dass nicht nachvollzogen werden könne, wie der Kläger zu 1 zu der Annahme gekommen sei, damit einen Vertragsabschluss zu erzielen. Auch wenn der Kläger zu 1 kein Falschgeld erhalten hätte, sei die Wahrscheinlichkeit sehr hoch gewesen, dass das gewechselte Geld aus einer Straftat gestammt hätte (z.B. Geldwäsche, Hehlerei). Auch dann wäre es nie zum Vertragsabschluss über den Verkauf der Maschinen gekommen, da das einzige Interesse der potentiellen Geschäftspartner das Wechselgeschäft gewesen sei und nicht der Kauf der Waren. Insoweit habe beim Verlust des Geldes kein objektiver Zusammenhang mit den Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit bestanden.

15

Der Beklagte hat den angegriffenen Bescheid am 19.04.2018 aufgrund einer Mitteilung der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen in für die Klage nicht relevanten Teilen abgeändert.

16

Dem Senat hat die Einkommensteuerakte 2016 vorgelegen.

17

Am 11.03.2019 hat Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme stattgefunden, in welchem der Kläger zu 1 in Person angehört und sein Vorgesetzter als Zeuge vernommen worden ist. Wegen der Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

18

Die Klage ist begründet.

19

Der Einkommensteuerbescheid 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.

20

1. Der Änderungsbescheid vom 19.04.2018 ist gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden.

21

Der Senat geht im Rahmen der von § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO gebotenen Erforschung des wirklichen Klagebegehrens davon aus, dass der Kläger allein die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung auf null begehrt und nicht zusätzlich auch noch die Festsetzung eines vortragsfähigen Verlustes. Nach Aktenlage wurde ein solcher Antrag von dem fachkundig vertretenen Kläger im Verwaltungsverfahren nicht gestellt, geschweige denn erging über einen solchen Antrag eine Einspruchsentscheidung. Insoweit wäre die Klage deshalb gemäß § 44 Abs. 1 FGO unzulässig. Dem Senat erscheint es gleichwohl erforderlich, in den Tenor der Entscheidung die Höhe der zusätzlich anzuerkennenden Werbungskosten explizit aufzunehmen, da die Einkommensteuerfestsetzung gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG den Charakter eines „Quasi-Grundlagenbescheides“ für die Feststellung des Verlustvortrages hat, sodass der Beklagte auf einen entsprechenden Antrag der Kläger auf Verlustfeststellung hin verpflichtet sein wird, den vortragsfähigen Verlust entsprechend der im vorliegenden Urteil anerkannten zusätzlichen Werbungskosten festzustellen (vgl. zu Möglichkeiten der Tenorierung in § 10d-EStG-Fällen Finanzgericht - FG - Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.04.2016 - 3 K 3106/15, EFG 2016, 1091).

22

2. Der bei dem Geldwechsel erlittene Vermögensschaden des Klägers zu 1 ist bei dessen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit als Werbungskosten zu berücksichtigen.

23

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Maßgeblich ist nach ständiger Rechtsprechung die Veranlassung der Aufwendungen durch den Beruf des Steuerpflichtigen. Aufwendungen sind beruflich veranlasst, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und sie subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (vgl. nur BFH-Urteil vom 11.07.2013 - VI R 37/12, BStBl. II 2013 815 m.w.N.). Das subjektive Element ist jedoch kein zwingendes Merkmal des Werbungskostenbegriffs (BFH-Urteil vom 11.01.2007 - VI R 52/03, BStBl. II 2007, 317). Es ist ausreichend, wenn die Aufwendungen den Beruf des Arbeitnehmers im weitesten Sinne fördern (BFH-Urteil vom 04.12.2002 - VI R 120/01, BStBl. II 2003, 403).

24

Führen Aufwendungen nicht zum beabsichtigten Erfolg, bleibt hiervon ihre Abziehbarkeit als Werbungskosten unberührt (BFH, Beschluss des Großen Senates vom 04.07.1990 - GrS 1/89, BStBl. II 1990, 830). Aufwendungen i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG können auch Substanzverluste sein, die den Arbeitnehmer unfreiwillig treffen (BFH-Urteil vom 13.01.1989 - VI R 51/85, BStBl. II 1989, 382). Allerdings ist in diesen Fällen eine ausreichende berufliche Veranlassung nur gegeben, wenn der Verlust des Wirtschaftsguts entweder bei der beruflichen Verwendung eingetreten ist oder die Einwirkung aus in der Berufssphäre liegenden Gründen erfolgt ist (BFH, a.a.O.).

25

Auf das Verschulden, die Strafbarkeit oder das moralische Verhalten des Steuerpflichtigen abzielende Wertungen sind im Übrigen für die Einordnung von Aufwendungen als Werbungskosten unbeachtlich (BFH, Beschluss des Großen Senates vom 28.11.1977 - GrS 2-3/77, BStBl. II 1978, 105). Gemäß § 40 Abgabenordnung - AO - ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Es kommt nur darauf an, ob das Fehlverhalten im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung liegt und nicht auf privaten Umständen beruht, die den beruflichen Zusammenhang aufheben (vgl. Krüger, in: Schmidt, EStG, 37. Aufl. 2018, § 9 Rn. 92 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

26

Bei Anwendung dieser Maßstäbe kann den Klägern ein Werbungskostenabzug für den erlittenen Verlust aus dem Geldwechselgeschäft nicht versagt werden. Der erlittene Verlust ist allein beruflich veranlasst; für eine private (Mit-)Veranlassung ist nichts ersichtlich.

Dies ergibt sich aus folgenden Gründen:

27

Ausweislich § 4 Abs. 2 Buchstabe b des Arbeitsvertrages des Klägers zu 1 (vgl. Bl. 72 der Gerichtsakte) erhält dieser von seinem Arbeitgeber Verkaufsprovisionen für den Abschluss von Verkäufen über die vom Arbeitgeber angebotenen Maschinen. Wenn der Verkauf der Maschinen an die angebliche Investorengruppe, für die Herr C auftrat, zustande gekommen wäre, hätte der Kläger zu 1 von seinem Arbeitgeber eine entsprechende Provision erhalten. Dies hat der Vorgesetzte des Klägers zu 1 in seiner Zeugenvernehmung bestätigt. Nach Überzeugung des Senats machte Herr C den Abschluss des Vertrages auch von dem Geldwechselgeschäft abhängig. Der Vorgesetzte des Klägers zu 1 konnte sich zwar in seiner Zeugenvernehmung nicht mehr an den genauen Verlauf des Gesprächs mit Herrn C in Paris erinnern, sondern konnte nur noch von dem generellen Wunsch des Herrn C nach einem Geldwechselgeschäft berichten. Der Kläger zu 1 hat aber in seiner persönlichen Anhörung überzeugend dargelegt, dass Herr C den Geldwechsel zur Vorbedingung des Vertrages machte und den entsprechenden Vorvertrag im Hotel in Genua auch erst dann unterschrieb, nachdem der Geldwechsel in einem anderen Raum des Hotels stattgefunden hatte. Wenn man dem Kläger zu 1 insoweit keinen Glauben schenkte, liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, dem Kläger zu 1 ein kollusives Zusammenwirken mit Herrn C und dessen Adjutanten zu unterstellen, wofür jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich sind. Der Kläger zu 1 nahm somit nach Überzeugung des Senats das Geldwechselgeschäft in der Absicht vor, die Provision zu erlangen. Sein Handeln im Rahmen des Wechselgeschäfts war demnach allein auf die Erlangung von Arbeitslohn gerichtet. Die von dem Beklagten dagegen vorgebrachten Argumente, die auf eine private Mitveranlassung des Geschäfts hinauslaufen, greifen nicht durch:

28

Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass der Kläger zu 1 das Geldwechselgeschäft eigenmächtig ohne die Zustimmung seines Vorgesetzten vorgenommen habe, ist dieser Einwand unbeachtlich. Der Vorgesetzte hat in seiner Zeugenvernehmung eine entsprechende Weisung an den Kläger zu 1, das Geldwechselgeschäft auch nicht mit dessen privaten Mitteln vorzunehmen, nicht bestätigt. Im Gegenteil, der Kläger zu 1 hätte vielmehr bei erfolgreichem Vertragsabschluss von seinem Arbeitgeber eine Provision erhalten, worauf der Kläger zu 1 auch vertraut hatte. Weiter bringt der Beklagte vor, dass auslösendes Moment für eine über den Bruttoarbeitslohn hinausgehende Provision einzig und allein der Abschluss des Kaufvertrages über die Maschinen gewesen sei, wohingegen das Geldwechselgeschäft nur vorgeschaltet gewesen sei. Dies lässt die berufliche Veranlassung des Wechselgeschäfts jedoch nicht entfallen, da es zwar dem Vertragsschluss nur voranging, aber gleichwohl von dem angeblichen Interessenten zur Vorbedingung des Vertragsschlusses gemacht wurde. Die für den Werbungskostenabzug erforderliche Kausalität des Geldwechselgeschäfts für die Erlangung der Provision liegt demnach vor.

29

Soweit der Beklagte anführt, dass das Wechselgeschäft wirtschaftlich keinerlei Sinn gemacht habe, der strafrechtliche Charakter des Wechselgeschäfts außerdem offensichtlich gewesen sei und deshalb nicht nachvollzogen werden könne, wie der Kläger zu 1 zu der Annahme gekommen sei, damit einen Vertragsabschluss zu erzielen, ist darauf hinzuweisen, dass eine etwaige Fahrlässigkeit des Steuerpflichtigen nach der Rechtsprechung – wie oben ausgeführt – für den Werbungskostenabzug unbeachtlich ist. So hat der BFH in einem Fall, in welchem der Steuerpflichtige einem Immobilienmakler mehrere Millionen DM bar übergab, weil dieser jenem vorspiegelte, mit dem Verkauf eines Grundstücks beauftragt zu sein, den Werbungskostenabzug mit den Argumenten anerkannt, dass es dem Steuerpflichtigen weder zuzurechnen noch anzulasten sei, dass er die Täuschung des Maklers nicht erkannt habe, und es deshalb auch unerheblich sei, ob der Steuerpflichtige bei der Hingabe des Geldes fremdüblich gehandelt oder gar die übliche Vorsicht außer Acht gelassen habe (BFH-Urteil vom 09.05.2017 - IX R 24/16, BStBl. II 2018, 168, Tz. 20). In einem weiteren Fall, in dem der Steuerpflichtige Zahlungen zum Erwerb von Blockheizkraftwerken leistete, der Vertragspartner seine Lieferbereitschaft aber nur vorgespiegelt hatte, führte der BFH aus: „Entsprechend hat die höchstrichterliche Rechtsprechung schon vielfach anerkannt, dass Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger im Hinblick auf eine künftige Einkunftserzielung leistet, einkommensteuerrechtlich auch dann abgezogen werden können, wenn die Aufwendungen infolge des betrügerischen Verhaltens eines Geschäftspartners verloren sind“ (BFH-Urteil vom 07.02.2018 - X R 10/16, BStBl. II 2018, 630, Tz. 33). Der BFH hat insoweit auch festgehalten, dass im Rahmen von Betrugsmodellen die Anwendung unterschiedlicher Maßstäbe nach objektiver oder subjektiver Betrachtung, je nachdem, ob die Besteuerung von Einnahmen oder die Abziehbarkeit korrespondierender Aufwendungen in Rede steht, ausscheidet (vgl. BFH, a.a.O., Tz. 35). Insoweit ist das Argument der Kläger, wonach der Beklagte bei erfolgreichem Geschäftsverlauf nicht gezögert hätte, die Provision als steuerpflichtigen Arbeitslohn zu erfassen, nicht von der Hand zu weisen.

30

Soweit der BFH einen Werbungskostenabzug in Fällen für ausgeschlossen erachtet hat, in denen die objektive Untauglichkeit der Aufwendungen für den Steuerpflichtigen erkennbar war (vgl. BFH-Urteil vom 09.05.2017 - IX R 45/15, BFH/NV 2017, 1036), liegt eine solche Erkennbarkeit in Betrugsfällen gerade nicht vor; es geht nicht darum, ob der Steuerpflichtige die Untauglichkeit hätte erkennen können (ebenso BFH-Urteil vom 09.05.2017 - IX R 24/16, BStBl. II 2018, 168, Tz. 23).

31

Im Hinblick auf ein etwaiges strafbares Verhalten des Klägers zu 1 ist darauf hinzuweisen, dass ein solches gemäß § 9 EStG, § 40 AO eine Versagung des Werbungskostenabzugs nach den oben genannten Maßstäben nur dann rechtfertigen könnte, wenn daraus zugleich ein Wegfall der beruflichen Veranlassung resultieren würde. Wenn der Kläger zu 1 z.B. die Vorstellung gehabt hätte, mit dem Geldwechselgeschäft eine Geldwäsche (§ 261 Strafgesetzbuch) zu begehen, wäre dies gleichwohl unbeachtlich, wenn er die Geldwäsche in Kauf genommen hätte, um damit die Provision zu erzielen. Anders wäre der Fall, wenn er mit den angeblichen Investoren kollusiv zusammengewirkt hätte, z.B. dergestalt, dass der Kläger zu 1 bei Herrn C privat veranlasste Schulden in Höhe von 250.000 Euro gehabt hätte, deren Rückzahlung mithilfe des Geldwechselgeschäftes verschleiert worden wäre. Für ein strafbares Verhalten des Klägers zu 1 sind jedoch so oder so keine Anhaltspunkte ersichtlich. Es ist zwar festzuhalten, dass der von Herrn C vorgebrachte Grund für das Geldwechselgeschäft (angeblich drohende Einziehung der 500-Euro-Banknote) dem Kläger zu 1 hätte unglaubhaft erscheinen müssen und der vom Kläger zu 1 in seiner persönlichen Anhörung vorgebrachte Ablauf des betrügerischen Austauschs des Geldes, wonach sich das Geld kurzzeitig in der Schublade einer in dem Konferenzraum befindlichen Anrichte befunden habe und sich in dieser Anrichte wiederum ein Mensch versteckt habe, der das echte Geld gegen Falschgeld ausgetauscht habe, zumindest schillernd erscheint. Aufgrund des gesamten vom Kläger vorgetragenen und unter Vorlage von Schriftwechsel mit Herrn C, Polizeiprotokollen der italienischen Polizei, in denen der Kläger zu 1 im Übrigen als Opfer geführt wird, und Standbildern der Hotelüberwachungskamera dargelegten Geschehensablaufs erscheint es dem Senat gleichwohl ausgeschlossen, dass der Kläger zu 1 den Beklagten und schlussendlich auch das Gericht täuschen und in strafbare Handlungen verstrickt sein könnte. Diesbezüglich ist nämlich auch festzuhalten, dass gegen den Kläger zu 1 weder in Italien noch in Deutschland ein Ermittlungsverfahren anhängig ist. Im Ergebnis ist der vorliegende Fall nach Überzeugung des Senats vielmehr nur eine Variante der aus der Tagespresse bekannten Betrugsmaschen, in denen die Opfer aufgrund der Hoffnung auf einen schnellen Vermögenszuwachs alle nach dem gesunden Menschenverstand zu erwartende Vorsicht fahren lassen.

32

Dem Beklagten vermag schließlich auch nicht der Verweis auf die Rechtsprechung zum Diebstahl von Geld zum Erfolg zu helfen. Diese Rechtsprechung bezieht sich auf Geldmittel, die einen eher geringen Bezug zur Arbeitstätigkeit des Steuerpflichtigen besitzen, nämlich private Mittel, die auf einer Dienstreise gestohlen werden (vgl. BFH-Urteil vom 04.07.1986 - VI R 227/83, BStBl. II 1986, 771) oder vom Arbeitgeber erhaltene Reisekostenvorschüsse (vgl. zum Diebstahl von solchen Vorschüssen aus der Wohnung des Steuerpflichtigen FG Hessen, Urteil vom 03.06.1986 - 7 K 370/84, EFG 1986, 597 und auf der Dienstreise selbst FG Köln, Urteil vom 29.10.1980 – I (VII) 584/79 E, EFG 1981, 128 und FG Hamburg, Urteil vom 13.10.1982 – II 392/81, EFG 1983, 344). Der berufliche Zusammenhang ist vorliegend jedoch um einiges enger. Der Verlust der beim Geldwechselgeschäft eingesetzten Privatmittel des Klägers zu 1 ist nicht nur anlässlich einer beruflich bedingten Reise eingetreten; vielmehr war die Hingabe des Geldes selbst beruflich veranlasst aufgrund der Erwartung des Klägers, damit eine Provision erlangen zu können. Der Werbungskostenabzug ist deshalb nicht ausgeschlossen (vgl. BFH-Urteil vom 04.07.1986 - VI R 227/83, BStBl. II 1986, 771 zum Unterschied zwischen beruflich veranlassten Zahlungen und bloßen Geldverlusten anlässlich von beruflich bedingten Fahrten).

33

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

34

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.