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13.02.2018 · IWW-Abrufnummer 199582

Oberverwaltungsgericht Saarland: Beschluss vom 23.11.2017 – 2 D 698/17

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


In dem Verwaltungsrechtsstreit
des Herrn A., A-Straße, A-Stadt,
- Kläger und Beschwerdeführer -
gegen
die Bundespolizeidirektion Koblenz, Bundespolizeiinspektion Bexbach, Saarpfalz-Park 5, 66450 Bexbach, - 31- 11 02 10 - A. -
- Beklagte -
wegen Entgegennahme von Postsendungen
hier: Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe
hat der 2. Senat des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes in Saarlouis durch den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts Bitz, den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Kiefer und den Richter am Verwaltungsgericht Körner
am 23. November 2017 beschlossen:
Tenor:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 4. August 2017 - 6 K 1799/15 - wird dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Josef Schirra, Lebach, zur Wahrnehmung seiner Rechte beigeordnet.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
[Gründe]

I.

Der Kläger hat in der Vergangenheit eine Vielzahl von Schriftstücken, darunter auch Strafanzeigen, an die Beklagte übersandt.(1) Am 7.10.2015 ging ein mit der Post übersandter Brief des Klägers bei der Beklagten ein, der folgende Anschrift enthielt:(2)

    "An die Bundespolizei

    Inspektion Bexbach

    Herrn W

    persönlich

    Saarpfalz-Park 5

    D-66450 Bexbach"

Die Annahme des Schreibens wurde, da es an Herrn W persönlich gerichtet war, von diesem verweigert und mit dem handschriftlichen Vermerk "bitte zurück an den Absender" versehen.(3) Am 19.10.2015 erhob der Kläger beim Verwaltungsgericht des Saarlandes Klage gegen die aus seiner Sicht "begründungslose Annahmeverweigerung" sowie Rücksendung seines Schreibens. Seinen gleichzeitig gestellten Antrag, der Beklagten im Wege einer gerichtlichen Eilentscheidung aufzugeben, dafür Sorge zu tragen, dass künftig Posteingaben von ihm nicht mehr ungeöffnet zurückgesandt werden, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4.2.2016 - 6 L 1800/15 - als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung ist in dem Beschluss ausgeführt, es bestehe kein Rechtsschutzinteresse daran, die Frage, ob und in welchen Fällen Behörden bzw. Behördenmitarbeiter berechtigt seien, Postsendungen an den Absender zurückzusenden, in einem Eilrechtsschutzverfahren vorläufig gerichtlich regeln zu lassen. Nachdem die Beklagte deutlich gemacht habe, dass die Rücksendung des fraglichen Schreibens allein dem Umstand geschuldet gewesen sei, dass diese zusätzlich zur Adresse den Vermerk "persönlich" beinhaltet habe, sei es für den Kläger ein Leichtes, künftige Post an die Beklagte in einer Weise zu adressieren, dass die Gefahr einer Rücksendung nicht bestehe.

Den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 4.8.2017 - 6 K 1799/15 - wegen Fehlens der erforderlichen Erfolgsaussichten der Klage zurückgewiesen. Gegenstand des Klageverfahrens sei allein die Frage, ob die Beklagte bzw. ihre Bediensteten die Pflicht hatten, die fragliche Postsendung entgegenzunehmen. Nur unter diesem Gesichtspunkt sei überhaupt eine Zuständigkeit der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit denkbar. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Entgegennahme seiner mit Posteingangsstempel vom 7.10.2015 versehenen Postsendung durch die Beklagte nicht zu. Der Bedienstete der Beklagten, an den die Postsendung persönlich gerichtet gewesen sei, sei wegen der besonderen Form der Adressierung der Postsendung im Ergebnis berechtigt gewesen, diese ungeöffnet an den Kläger zurückzusenden. Zwar dürften Behörden entsprechend dem Rechtsgedanken aus § 24 Abs. 3 VwVfG die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet halten. An eine konkrete Behörde gerichtete Eingaben müssten von dieser grundsätzlich zur Kenntnis genommen werden. Dies gelte unabhängig davon, ob die angerufene Behörde tatsächlich für das Begehren zuständig sei, da es für die behördliche Prüfung der Zuständigkeit notwendigerweise Voraussetzung sei, den Inhalt des Schriftstücks zu kennen. Indes setze all dies voraus, dass es sich bei dem konkreten Schriftstück tatsächlich um eine amtliche, an die Behörde gerichtete Eingabe handele. Insoweit bestehe ein Unterschied zwischen persönlicher, lediglich an die amtliche Adresse eines bestimmten Bediensteten gerichteter Post und amtlicher Post. Ein an einen konkreten Bediensteten "persönlich" adressiertes Schreiben sei nicht von vornherein als behördliche/amtliche Post einzuordnen. Letzteres könne der Adressat nämlich erst erkennen, wenn er die an sich "persönlich" adressierte Postsendung geöffnet und ihren Inhalt zur Kenntnis genommen habe. Das bedeute, dass den betreffenden Bediensteten bis zu diesem Zeitpunkt in Bezug auf das fragliche Schriftstück noch keine amtlichen Pflichten träfen und er bis dahin keinen amtlichen Bindungen unterliege, wie er mit dem Schriftstück zu verfahren habe. Folgerichtig sei er bis dahin auch berechtigt, die Annahme der Eingabe zu verweigern. Dafür, dass dies im Geschäftsbereich der Beklagten grundsätzlich anders gehandhabt würde und die Bediensteten angewiesen wären, jegliche, auch als "persönlich" adressierte Post wie amtliche Post zu behandeln, spreche nichts. Auch seien der Klage außer diesbezüglichen Vermutungen und Befürchtungen keine gerichtsverwertbar tragfähigen Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass Rücksendungen von persönlich adressierten Postsendungen ausschließlich und zielgerichtet nur zum Nachteil des Klägers erfolgen würden. Allerdings sei dem Kläger zuzugestehen, dass angesichts dessen, dass seine Person als Absender auf dem Schriftstück vermerkt gewesen sei, für den Bediensteten, an den das Schreiben "persönlich" gerichtet war, einiges dafür gesprochen haben dürfte, dass die Eingabe ungeachtet ihrer Adressierung an ihn persönlich in der Sache amtlichen Charakter haben würde. Dennoch verdiene die formale Sichtweise, nachdem es für die Abgrenzung amtlicher und persönlicher Post ausschließlich auf die Art der Adressierung ankomme, den Vorzug. Sie allein biete den Vorteil eines eindeutigen Abgrenzungskriteriums.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II.

Die Beschwerde des Klägers gegen die durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 4.8.2017 - 6 K 1799/15 - erfolgte Versagung von Prozesskostenhilfe hat Erfolg.

Nach der vorliegenden Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist der Kläger mit Blick auf seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§§ 166 VwGO, 114 ZPO).

Die Klage bietet auch eine für die Gewährung von Prozesskostenhilfe hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 Satz 1 ZPO).

Bei dieser auf den Streitgegenstand des jeweiligen Rechtsstreits bezogenen Beurteilung dürfen die Anforderungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit Blick auf die gesetzliche Zielsetzung des Prozesskostenhilferechts, Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten zu ermöglichen,(4) nicht überspannt werden. Die Bewilligung ist, da es nicht Sinn des Prozesskostenhilfeverfahrens sein kann, den Rechtsstreit durch eine weitgehende rechtliche Vorausbeurteilung des Streitgegenstands quasi "vorwegzunehmen", dann gerechtfertigt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für vertretbar hält und bei Aufklärungsbedarf in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der Möglichkeit der Beweisführung in seinem Sinne überzeugt ist.(5)

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Erfolgsaussichten der Klage lassen sich nicht mit der für die Versagung von Prozesskostenhilfe nötigen Eindeutigkeit verneinen. Die entscheidungserhebliche Frage, ob die Beklagte verpflichtet war, die Postsendung des Klägers entgegenzunehmen, richtet sich maßgeblich danach, an wen das Schreiben gerichtet war. Wer als Adressat des fraglichen Schreibens anzusehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei es auf den objektiven Empfängerhorizont ankommt und die Begleitumstände einzubeziehen sind.(6) Im vorliegenden Fall deutet jedenfalls die Adressierung "An die Bundespolizei Inspektion Bexbach" samt der dazugehörigen Dienstanschrift darauf hin, dass die Beklagte Adressat des Schreiben sein sollte. Fraglich ist, ob sich aus der von dem Kläger beigefügten Ergänzung "Herrn W persönlich" mit der notwendigen Eindeutigkeit ergibt, dass das Schreiben an Herrn W als Privatperson gerichtet war. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es nicht selten vorkommt, dass auf einem an eine Behörde gerichteten Schreiben neben der Behördenbezeichnung und der dazugehörigen Adresse auch der Name des - dem Absender bekannten - Sachbearbeiters zu finden ist, damit das Schreiben tatsächlich und sogleich an die behördenintern zuständige Stelle gelangt. Es erscheint fragwürdig, ob sich allein aufgrund des Zusatzes "persönlich" und der Unterstreichung des Namens mit hinreichender Gewissheit ausschließen lässt, dass Herr W in seiner Eigenschaft als Amtsträger mit dem Inhalt des Schreibens befasst werden sollte. Der Gebrauch des Begriffs "persönlich" beinhaltet nach seinem Wortsinn nicht notwendig einen privaten Bezug, sondern könnte möglicherweise ebenso gut in dem Sinne von "(nur) an diesen (Amtsträger)" verstanden werden.

Ergeben sich - wie hier - Zweifel darüber, ob die Behörde oder aber der in dem Anschreiben genannte Amtsträger als Privatperson bei einer Auslegung nach dem Empfängerhorizont als Adressat des Schreibens anzusehen ist, so spricht - bei Anwendung des dem § 24 Abs. 3 VwVfG zugrundeliegenden Rechtsgedankens - durchaus einiges dafür, eine Pflicht der Behörde zur Entgegennahme anzunehmen. Nach § 24 Abs. 3 VwVfG darf die Behörde die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält. Diese Vorschrift ist eine einfachgesetzliche Konkretisierung des Grundrechts aus Art. 17 GG und will demjenigen, der sich an eine Behörde wendet, auch das Recht einräumen, dass die Eingabe entgegengenommen und geprüft wird. Die Norm ist ein notwendiges Korrelat zur umfassenden Ermittlungsbefugnis der Behörde und will eine verfahrensrechtliche Waffengleichheit insoweit herstellen, als der Behörde eine Auswahl durch Annahmeverweigerung bestimmter Erklärungen und Anträge untersagt wird.(7) Daraus lässt sich folgern, dass die Pflicht zur Entgegennahme weit und ihre Eingrenzung, d.h. das Recht der Behörde zur Annahmeverweigerung, eng auszulegen sind.(8) Für eine Pflicht zur Entgegennahme könnte im vorliegenden Fall außerdem sprechen, dass nichts dafür ersichtlich ist, dass der Kläger in einer persönlichen Beziehung zu Herrn W stand oder mit diesem privat Kontakt hatte. Beschränkten sich aber die Kontakte zwischen den genannten Personen auf das rein Berufliche, d.h. hatte der Kläger mit Herrn W allein in dessen Eigenschaft als Amtsträger zu tun, so lässt dies eine Auslegung als vertretbar erscheinen, dass die Beklagte - wie schon zuvor bei zahlreichen von dem Kläger verfassten Schriftstücken - als Adressat des fraglichen Schreiben anzusehen ist und Herr W ungeachtet des Zusatzes "persönlich" lediglich als nach der Einschätzung des Klägers behördenintern zuständiger Sachbearbeiter im Adressatenfeld genannt wurde.

Daher war der Beschwerde zu entsprechen.

Die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigen findet ihre Grundlage in den §§ 166 VwGO, 121 Abs. 2 ZPO.

Der Kostenausspruch beruht auf §§ 166 VwGO, 127 Abs. 4 ZPO. Eine Streitwertfestsetzung ist entbehrlich.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Vorschriften§ 166 VwGO § 114 S. 1 ZPO § 24 Abs. 3 VwVfG Art. 17 GG