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18.08.2016 · IWW-Abrufnummer 188096

Landesarbeitsgericht München: Beschluss vom 16.06.2016 – 9 Ta 77/16

Die Prozesskostenhilfebewilligung war aufzuheben, da der Kläger eine wesentliche Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und eine Adressänderung nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse setzt nicht voraus, dass sich die Änderung auf die PKH-Bewilligung auswirkt. Das Tatbestandsmerkmal "absichtlich oder aus grober Fahrlässigkeit" bezieht sich auch in § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nur auf eine unverzügliche Mitteilung.


Tenor:

1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 28.01.2016, Az. 29 Ca 443/14, wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird für den Kläger zugelassen.



Gründe



I.



Mit Beschluss vom 03.11.2014 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung für eine Kündigungsschutz- und Zahlungsklage bewilligt. In der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Kläger angegeben, dass er kein Einkommen bezieht. Sowohl in dem von ihm unterschriebenen amtlichen Vordruck der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse als auch im gerichtlichen Schreiben vom 08.04.2015 war der Kläger unter drucktechnischer Hervorhebung der entsprechenden Textpassage darauf hingewiesen worden, dass er verpflichtet ist, wesentliche Verbesserungen seiner wirtschaftlichen Lage oder eine Änderung seiner Anschrift unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen, und dass im Falle eines Verstoßes gegen diese Pflichten die Prozesskostenhilfe aufgehoben werden kann.



Mit Schreiben vom 04.11.2015 wurde der Kläger unter Fristsetzung bis zum 15.12.2015 aufgefordert mitzuteilen, ob und ggf. in welchem Umfang eine Änderung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Mit Schreiben vom 14.12.2015 teilte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit, dass der Kläger die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch nicht zurückgesandt habe, und beantragte die Verlängerung der Frist bis zum 15.01.2016. Mit Schriftsatz vom 29.12.2015 legte der Kläger eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor, aus der hervorgeht, dass der Kläger zwischenzeitlich umgezogen ist und mittlerweile ein monatliches Einkommen in Höhe von 1.977,- € brutto bezieht. Der Kläger hat seit dem 05.04.2015 ein neues Arbeitsverhältnis. Der Umzug erfolgte im August 2015.



Mit Beschluss vom 28.01.2016, der Klägervertreterin zugestellt am 02.02.2016, hat das Arbeitsgericht die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO aufgehoben. Am 02.03.2016 legte der Kläger hiergegen Beschwerde ein. Er macht im Wesentlichen geltend, dass ein Fall grober Nachlässigkeit nicht vorliegt, jedenfalls ein atypischer Fall gegeben sei und sich im Übrigen die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegend auf die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nicht auswirke.



Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.



II.



1. Die Beschwerde ist nach § 127 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden.



2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Bewilligung der Prozesskostenhilfe zu Recht aufgehoben.



Nach § 124 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO soll das Gericht die Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei entgegen § 120a Abs. 2 S. 1 bis 3 ZPO dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat.



Nach § 120a Abs. 2 S. 1 ZPO hat die Partei innerhalb von vier Jahren nach Ende des Verfahrens dem Gericht unverzüglich mitzuteilen, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei wesentlich ändern oder sich ihre Anschrift ändert. Diese Pflichten hat der Kläger verletzt, indem er sowohl eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse als auch seine Adressänderung nicht, bzw. erst auf Aufforderung und mit einer Verspätung hinsichtlich der Änderung des Einkommens von zehn Monaten und hinsichtlich der Adressänderung von mindestens vier Monaten mitgeteilt hat.



2.1. Die Erhöhung des monatlichen Bruttoeinkommens von bei Antragsstellung 0,- € auf monatlich 1.977,- € ist eine wesentliche Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Das bisher zugrunde gelegte Bruttoeinkommen von 0,- € wird monatlich um ein Vielfaches des in § 120a Abs. 2 S. 2 ZPO angegebenen Grenzwerts von 100,- € überschritten.



Es kann hier dabei dahinstehen, ob die Veränderung der wirtschaftlichen Situation des Klägers zu einer Änderung der Prozesskostenhilfe-Bewilligung führt. § 120a Abs. 2 ZPO stellt für die Frage, ob eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegt, an keiner Stelle auf die Frage ab, ob die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation kausal für die Prozesskostenhilfe-Bewilligung ist. Der Gesetzgeber hat vielmehr bei der Neuregelung in § 120a Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO das, was unter einer wesentlichen Änderung zu verstehen ist, durch Benennung eines konkreten Betrages definiert. Bei einer Erhöhung des Bruttomonatseinkommens um 100,- € oder bei einer Entlastung um 100,- € handelt es sich dabei keineswegs um eine Veränderung der wirtschaftlichen Situation, die regelmäßig zu einer Änderung der Prozesskostenhilfe-Bewilligung führt.



Insbesondere in den Fällen, in denen mehrere Unterhaltspflichten erfüllt werden oder sonstige Belastungen bestehen, wird die Prozesskostenhilfe-Bewilligung nicht beeinflusst werden. Gleichwohl hat der Gesetzgeber auch in diesen Fällen angeordnet, dass dem Gericht eine Überprüfungsmöglichkeit eröffnet werden muss. Der teilweise vertretenen Auffassung, dass hier mit Rücksicht auf den außer Kraft getretenen § 120 Abs. 4 S. 1 a.F. ZPO eine einschränkende Auslegung erforderlich ist (vgl. LAG Baden-Württemberg, 29.10.2015, 5 Ta 26/15; LAG Baden-Württemberg, 21.01.2016 - 17 Ta 36/15, Rn. 21), kann deshalb nicht gefolgt werden. Der Gesetzgeber hat zwar den bisher in § 120 Abs. 4 S. 1 a.F. ZPO enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff aufgegriffen. Er hat aber in der Neufassung bewusst eine feste Wertgrenze mit einem Bruttobetrag vorgegeben, damit für die Partei "einfach und ohne weitere Rechenschritte zu ermitteln" ist, ob es sich um eine relevante Änderung handelt. Die Prüfung, ob die Erhöhung des Bruttoeinkommens auch eine Änderung der Bewilligungsentscheidung veranlasst, hat nach der Gesetzesbegründung das Gericht in einem zweiten Schritt zu entscheiden (vgl. Bundestagsdrucksache 17/11472, S. 33 f.). Für eine einschränkende Auslegung ist deshalb weder nach dem Wortlaut der Regelung, noch nach dem Willen des Gesetzgebers Raum (ebenso LAG München, 25.02.2015 - 10 Ta 51/15).



Eine einschränkende Auslegung ist auch nicht wegen des Sozialstaatsgebots zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit der Norm geboten, weil ein Fehlverhalten, dass sich auf die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nicht auswirkt, nicht zu einer Sanktion führen dürfe (so LAG Baden-Württemberg, 4 Ta 26/15, Rn. 13). Die Frage, ob eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse vorliegt, betrifft die Frage der Voraussetzungen des Entstehens der Mitteilungspflicht. Die Frage der Verhältnismäßigkeit der Sanktion betrifft die Rechtsfolgeseite. Das Entstehen der Mittteilungspflicht, kann nicht davon abhängig sein, ob im Einzelfall eine Sanktion verhältnismäßig ist. Der Frage der Verhältnismäßigkeit hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er den neu gefassten § 124 ZPO als Soll-Vorschrift ausgestaltet hat. Die Frage der Verhältnismäßigkeit der Sanktion im Einzelfall ist deshalb auf der Rechtsfolgeseite im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines atypischen Falls zu beantworten (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, 09.12.2015 - 10 Ta 2169/15, Rn. 27).



2.2. Der Kläger hat auch die subjektiven Voraussetzungen der Mitteilungspflichtverletzung nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO erfüllt, da er weder die Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, noch die Änderung seiner Anschrift unverzüglich mitgeteilt hat. Auf die Frage, ob die Mitteilungen absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unterblieben, kommt es nicht an.



Ob sich die Tatbestandsmerkmale "absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit" allein auf die Fälle einer unrichtigen Mitteilung oder auch auf Fälle der unterlassenen Mitteilung einer Änderung beziehen, ist umstritten. Ein Teil der Rechtsprechung fordert, dass der subjektive Tatbestand nicht nur im Fall einer unrichtigen, sondern auch im Fall einer unterlassenen Mitteilung nicht nur die Verletzung des Gebots der Unverzüglichkeit, sondern auch mindestens Absicht oder grobe Nachlässigkeit voraussetzt. (LAG Baden-Württemberg, 10.06.2015 - 4 Ta 8/15, Rn. 17 ff., LAG Köln, 22.09.2015 - 1 Ta 294/15, Rn. 5; LAG Baden-Württemberg, 21.01.2016 - 17 Ta 36/15, Rn. 20ff.; LAG Berlin-Brandenburg, 05.01.2016 - 6 Ta 2302/15, Rn. 10ff.; LAG Köln, 09.10.2015 - 12 Ta 319/15, Rn. 18; LAG Schleswig-Holstein, 02.09.2015 - 5 Ta 147/15, Rn. 13). Diese Auffassung wird vor allem damit begründet, dass § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine Angleichung mit den Mitteilungspflichten des § 60 SGB I beabsichtige, Rechtsfolge der Verletzung dieser Mitteilungspflicht nach § 66 Abs. 1 SGB I aber nicht der Entzug, sondern nur die Zurückhaltung der Leistung bis zur Erfüllung der Mitteilungspflicht sei. Die in § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO geregelte Sanktion sei deshalb nicht mit § 66 Abs. 1 SGB I vergleichbar, sondern vielmehr mit der Aufhebung begünstigender Verwaltungsakte nach § 48 Abs. 2 S. 2 SGB X. Dieser setze für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes aber voraus, dass der Betreffende für ihn nachteilige Änderungen vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht mitgeteilt habe (vgl. v.a. LAG Baden-Württemberg, 10.06.2015 - 4 Ta 8/15, Rn. 17 ff).



Die Gegenmeinung ist der Ansicht, dass allein die nicht unverzügliche Mitteilung bereits den Entzug der Prozesskostenhilfe rechtfertigt, und sich die Tatbestandsmerkmale "absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit" allein auf unrichtige Mitteilungen beziehen. (so Musielak/Voit-Fischer, ZPO, 13. Aufl., § 124, Rn. 8a; LAG München, 25.02.2015 - 10 Ta 51/15; LAG Düsseldorf, 01.03.2016 - 2 Ta 79/16, Rn. 11ff.; LAG Sachsen, 23.02.2016 - 4 Ta 285/15, LS.; LAG Düsseldorf, 03.02.2016 - 5 Ta 38/15, Rn. 5ff) Hier wird vor allem darauf abgestellt, dass hinsichtlich des Unterbleibens der Mitteilung mit der Tatbestandsvoraussetzung "unverzüglich" bereits ein subjektives Element vorhanden sei, keine Hinweise dafür ersichtlich seien, dass die Legaldefinition von "unverzüglich" durch die Erwähnung von Vorsatz und grober Nachlässigkeit eingeschränkt werden sollten und auch die Gesetzesbegründung zu § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO auf § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO verweise, wo von unverzüglicher Mitteilung nicht die Rede sei. Schließlich spreche für diese Auslegung auch, dass das entscheidende Gericht häufig wohl nicht beurteilen könne, ob eine unterlassene oder verspätete Mitteilung aus Absicht oder aus grober Nachlässigkeit erfolgt sei.



Betrachtet man den Wortlaut von § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO so ergibt sich, dass ein Entzug der Prozesskostenhilfe bereits dann möglich ist, wenn die Partei die Änderungen nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Auf Vorliegen von Vorsatz und grobe Nachlässigkeit kommt es nur bei unrichtigen Angaben an. Hätte der Gesetzgeber den Verschuldensmaßstab der groben Fahrlässigkeit und des Vorsatzes auch für die Fälle des Unterlassens einer Mitteilung einführen wollen, wäre das "unverzüglich" in § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO n.F. überflüssig. Der Gesetzgeber hätte formulieren können "absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht mitgeteilt hat." Die Regelung wäre einfacher gewesen und hätte den hier unterstellten gesetzgeberischen Willen klar und deutlich zum Ausdruck gebracht. Der Gesetzgeber hat sich aber dafür entschieden, bei der unterlassenen Mitteilung darauf abzustellen, ob die Partei die Änderung nicht unverzüglich mitgeteilt hat. Er hat hier für das Unterbleiben der Mitteilung einen eigenen Verschuldensmaßstab eingeführt (vgl. LAG München und LAG Düsseldorf, a.a.O.). Die zum Teil vertretene Kombination beider Verschuldensmaßstäbe, die davon ausgeht, die Regelung sei zu lesen als "absichtlich oder grob nachlässig nicht unverzüglich mitgeteilt", übersieht, dass "unverzüglich" über die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 S. 1 BGB einen eigenen Verschuldensmaßstab enthält, und die Kombination beider Verschuldensmaßstäbe widersprüchlich ist. Voraussetzung für die Aufhebung der Bewilligung wäre in diesem Fall, dass die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit, mit schuldhaftem Zögern, die Änderungsmitteilung unterlassen hätte. Das Tatbestandsmerkmal "unverzüglich" wäre in diesem Fall inhaltsleer, da ja auch die strengeren subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sein müssten.



Auch eine systematische Betrachtung des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO spricht für dieses Ergebnis. § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO regelt die Rechtsfolge eines Verstoßes gegen § 120a Abs. 2 ZPO, d.h. hier nach h.M. die Sanktion für die Verletzung der Pflicht, eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse oder der Anschrift unverzüglich mitzuteilen. Für den Fall einer zwar erfolgten, aber unrichtigen Mitteilung greift § 124 Abs. 1 Nr. 4 n.F. mit "absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig" die Formulierung aus § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO n.F. auf, die sich dort eindeutig nur auf unrichtige und nicht auch auf unterlassene Angaben bezieht.



Dies hat auch der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht, in der ausgeführt wird, dass die Einschränkung auf absichtliches und grob nachlässiges Verhalten, den subjektiven Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO n.F. entspreche. (Bundestagsdrucksache 17/11472, S. 35). Auch die Gesetzesbegründung spricht deshalb dafür, dass die erhöhten Sorgfaltsanforderungen nur für die Fälle unrichtiger Angaben gelten sollen (vgl. LAG München und LAG Düsseldorf, a.a.O.).



Der Auslegung, dass es beim Unterbleiben einer Änderungsmitteilung allein auf den Maßstab der Unverzüglichkeit ankommt, steht auch nicht entgegen, dass die Mitteilungspflicht des § 120a Abs. 2 ZPO der Mitteilungspflicht des § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I nachgebildet ist. Beide Normen regeln die Voraussetzungen der Mitteilungspflicht in ähnlicher Weise. Dabei ist für § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I anerkannt, dass ein schuldhaftes Zögern des Verpflichteten immer dann vorliegt, wenn er die Änderung in den Verhältnissen, die Leistungserheblichkeit der Tatsachen und die daraus entstehende Verpflichtung erkannte oder erkennen konnte (vgl. Kassler Kommentar zu Sozialversicherungsrecht/Seewald, (§ 60 SGB I, Rn. 25, m.w.N.). Aus der Tatsache, dass die Voraussetzungen der Mitteilungspflicht angeglichen wurden, kann aber nicht geschlossen werden, dass auch die Rechtsfolgen einer Verletzung der Mitteilungspflicht entgegen dem Wortlaut des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gleich sein müssen oder an den gleichen Voraussetzungen anknüpfen müssen. Dass der Gesetzgeber in § 48 Abs. 2 Nr. 2 SGB X für die Verwaltungsakte mit Dauerwirkung strengere Anforderungen gestellt hat, als sie mit der Formulierung "unverzüglich" zum Ausdruck kommen, bedeutet nicht, dass die Sorgfaltsanforderungen in § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO durch die in § 48 Abs. 2 Nr. 2 SGB X verdrängt werden.



2.3. Der Kläger hat seine Pflicht, unverzüglich die Verbesserung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und die Änderung seiner Anschrift mitzuteilen, verletzt.



Dem Kläger war bekannt, dass seine wirtschaftlichen Verhältnisse für die Prozesskostenhilfe-Bewilligung erheblich sind und er zur Mitteilung einer Änderung verpflichtet ist. Er war wiederholt darauf hingewiesen worden. Ebenso war der Kläger darauf hingewiesen worden, dass er eine Änderung seiner Anschrift mitteilen muss. Der Kläger hat gleichwohl nicht nur über mehrere Monate hinweg eine derartige Mitteilung unterlassen. Er hat selbst als er vom Gericht über seine Prozessbevollmächtigten zur Erklärung über seine aktuellen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse aufgefordert wurde, die Erklärung nicht innerhalb der großzügig bemessenen Frist abgegeben, sondern diese wiederum um zwei Wochen überschritten, ohne dass hierfür nachvollziehbare Gründe ersichtlich wären.



Der Kläger hat sich selbst nach der gerichtlichen Aufforderung fast zwei Monate Zeit gelassen, bis er seine Erklärung abgab. Das ist nicht mehr unverzüglich.



2.4. Es ist vorliegend auch kein atypischer Fall gegeben, bei dem vom gesetzlichen Regelfall der Aufhebung der Prozesskostenhilfe abzusehen ist.



Selbst wenn man im Fall des Klägers die Belastungen durch den Umzug, der hier auch mit der Trennung von der Ehefrau verbunden war, als Umstand werten will, der es entschuldigt, dass der Kläger seine Anschriftenänderung nicht unverzüglich mitgeteilt hat, so erfasst dieser Entschuldigungsgrund nicht die unterbliebene Mitteilung der geänderten wirtschaftlichen Verhältnisse, die bereits Monate vor dem Umzug erfolgte. Darüber hinaus mussten dem Kläger spätestens durch das Schreiben des Gerichts vom 04.11.2015 seine Versäumnisse bewusst geworden sein. Obwohl zu diesem Zeitpunkt die akuten Belastungen durch Trennung und Umzug vorüber waren, ließ der Kläger sich gleichwohl noch fast zwei Monate Zeit bis er seine Mitteilungen machte.



Ein atypischer Fall ergibt sich auch nicht dadurch, dass vorliegend die Mitteilung nicht kausal für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe wäre. Es kann dahin stehen, ob eine fehlende Kausalität der Mitteilung einen atypischen Fall begründen kann (so LAG Berlin-Brandenburg, a.a.O.). Dagegen spricht allerdings bereits, dass die unterlassene Mitteilung einer geänderten Anschrift nie kausal für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist, der Gesetzgeber die Verletzung dieser Mitteilungspflicht gleichwohl mit dem Entzug der Prozesskostenhilfe sanktioniert hat. Vorliegend wäre die Mitteilung kausal für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gewesen. Nach den geänderten wirtschaftlichen Verhältnissen wären bei Nichtaufhebung der Prozesskostenhilfe Raten in Höhe von 124,00 € anzuordnen gewesen. Der Kläger kann sich nicht auf das Bestehen von Zahlungspflichten berufen, da er darauf keine Zahlungen leistet.



3. Gegen diesen Beschluss ist für den Kläger das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde gegeben (§§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ZPO), da die Entscheidung hinsichtlich der Frage der Auslegung des Begriffs der wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach § 120a Abs. 2 ZPO n.F. und hinsichtlich des bei Unterbleiben einer Mitteilung nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO n.F. grundsätzliche Bedeutung hat. Darüber hinaus weicht dieser Beschluss von Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte zu diesen Rechtsfragen ab und eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zu der hier entscheidungserheblichen Frage der subjektiven Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO noch nicht ergangen.

Dr. Förschner

Vorschriften§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPOVorschriften§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO, § 127 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO, § 124 Abs. 1 Ziff. 4 ZPO, § 120a Abs. 2 S. 1 bis 3 ZPO, § 120a Abs. 2 S. 1 ZPO, § 120a Abs. 2 S. 2 ZPO, § 120a Abs. 2 ZPO, § 120a Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO, § 120 Abs. 4 S. 1 a.F. ZPO, § 124 ZPO, § 60 SGB I, § 66 Abs. 1 SGB I, § 48 Abs. 2 S. 2 SGB X, § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 121 Abs. 1 S. 1 BGB, § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I, § 48 Abs. 2 Nr. 2 SGB X, §§ 78 S. 2, 72 Abs. 2 ZPO