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· Fachbeitrag · Wohnformen im Alter

Entscheidungsfindung und gesetzliche Grundlagen

von RA Dr. Hans Reinold Horst, Hannover/Solingen

Bis 2030 wird jeder vierte Deutsche älter als 65 sein, 2050 soll die Zahl der über 80-jährigen auf gut 10 Mio steigen. Der demografische Wandel wird Auswirkungen auf die Angebots- und Nachfragesituation auf dem Wohnungsmarkt haben. Neue Wohnformen im Alter sind daher gefragt. In diesem Beitrag stellen wir die gesetzlichen Grundlagen vor.

1. Entscheidungsprozess

Zunächst einmal muss entschieden werden, welche Wohnform für einen selbst im Alter die Richtige ist. Besonders ist dies veranlasst, wenn mit dem Auszug der Kinder oder dem Versterben des Ehepartners „zu viel Wohnraum“ zur Verfügung steht. Spätestens dann stellen sich folgende Fragen:

Checkliste / Wohnen im Alter: Die wichtigsten Fragen

Zur Wohnung: 

  • Ist die Wohnung zu groß - Werden alle Zimmer noch benötigt?
  • Lässt sich die Wohnung alleine pflegen?
  • Können Miete und Nebenkosten auch alleine noch getragen werden?
  • Ist die Wohnung seniorengerecht oder muss sie baulich verändert werden?
  • Wenn der Mieter sie selbst ändern möchte, was kostet dies?

Zum sozialen Beziehungsgeflecht:

  • Wie sind die Kontakte zu den Mitmietern im Haus?
  • Gibt es im Mehrfamilienhaus die Bereitschaft, sich gegenseitig zu helfen?
  • Gibt es unterstützende Angebote z.B. Pflegedienste oder Essen auf Rädern?

Zum Wohnumfeld:

  • Lassen sich Einkäufe zu Fuß oder mit dem Rollator erledigen?
  • Gibt es soziale Begegnungsstätten wie Cafés und Restaurants?
  • Gibt es eine Sparkasse / eine Bank / eine Postfiliale in der Nähe?
  • Wie sieht es mit der ärztlichen Versorgung aus?
 

2. Heimgesetz des Bundes und der Länder

In ordnungsrechtlicher Hinsicht ist das HeimG des Bundes, abgelöst durch die HeimG der Bundesländer, zu beachten. Nur in Sachsen und Thüringen existiert kein eigenes HeimG. Hier gilt das HeimG des Bundes fort.Den Anwendungsbereich des Gesetzes umschreibt § 1 Abs. 1, 3 und 5 HeimG Bund (§ 1 Abs. 2 und 5 NHeimG) und trifft damit die Grundaussage für den Geltungsbereich für Heime und für verwandte Institutionen. Danach sind Heime Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere Menschen oder Pflegebedürftige oder behinderte Volljährige aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Grenzbereiche zum Mietrecht sind in § 1 Abs. 2 HeimG beschrieben.

  • Wortlaut des § 1 Abs. 2 HeimG

Die Tatsache, dass ein Vermieter von Wohnraum durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise sicherstellt, dass den Mietern Betreuung und Verpflegung angeboten werden, begründet allein nicht die Anwendung dieses Gesetzes. Dies gilt auch dann, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste oder Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und das Entgelt hierfür im Verhältnis zur Miete von untergeordneter Bedeutung ist. Dieses Gesetz ist anzuwenden, wenn die Mieter vertraglich verpflichtet sind, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen.

 

3. Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz

Korrespondierend zu dieser öffentlich-rechtlichen Regelung des Heimwesens hat der Bund die zivilrechtlichen Vorgaben für Verträge über Wohnraum in Verbindung mit Pflege- und Betreuungsdienstleistungen im Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) gebündelt. Über die geltenden zivilrechtlichen Regeln hinaus will der Gesetzgeber mit dem WBVG den Verbraucherschutz in einem Feld stärken, in dem weitreichende Entscheidungen für das tägliche Leben von Hilfebedürftigen getroffen werden. Deswegen hat das Gesetz halbzwingenden Charakter: Zum Nachteil des Verbrauchers kann von seinen Vorgaben nicht abgewichen werden (§ 16 WBVG).

 

Sein Anwendungsbereich erschließt sich zunächst aus § 1 Abs. 1 S. 1 WBVG: Danach gilt das Gesetz für einen Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem volljährigen Verbraucher, in dem sich der Unternehmer zur Überlassung von Wohnraum und zur Erbringung von Pflege- oder Betreuungsleistungen verpflichtet, die der Bewältigung eines durch Alter, Pflegebedürftigkeit oder behinderungsbedingten Hilfebedarfs dienen.

 

a) Abgrenzung zu Verträgen mit untergeordneten Zusatzleistungen

Das Gesetz gilt nicht für Verträge, die neben der Überlassung von Wohnraum lediglich die Erbringung von allgemeinen Unterstützungsleistungen vorsehen, wie z.B. die Vermittlung von Pflege- oder Betreuungsleistungen, Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung oder Notrufdienste. Das Gesetz gilt ferner nicht für Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Internate oder Berufsbildung- bzw. Berufsförderungswerke sowie im Falle von Leistungen nach § 41 SGB VIII („Hilfe für junge Volljährige, Nachbetreuung“) und ebenso nicht im Rahmen von Kur- und Erholungsaufenthalten (§ 2 WBVG). Erfasst werden sollen Vertragsverhältnisse, bei denen in einem Vertragswerk sowohl ein Mietverhältnis als auch ein Betreuungs- bzw. Pflegeverhältnis begründet wird. Gemeint sind also Vertragsverhältnisse, in denen der Hilfebedürftige einem Vertragspartner begegnet, der für die maßgeblichen Bedingungen des Daseins des Hilfebedürftigen verantwortlich ist, nämlich für seine Wohnung, seine tägliche Versorgung und zumindest teilweise für seine Gesundheit. Derartige Abhängigkeitsverhältnisse von Hilfebedürftigen sollen besonders geschützt werden.

 

Bietet der Vermieter von Wohnraum dagegen zusätzliche Leistungen an, die nur von untergeordneter Bedeutung sind, z.B. die Vermittlung oder die Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Überlassung des Wohnraums, ohne dass dabei der Charakter des Vertragsverhältnisses als Mietverhältnis verloren geht, sind die besonderen Verbraucherschutzregelungen des WBVG nicht erforderlich.

 

b) Betreutes Wohnen

Die Grenze ist beim Betreuten Wohnen zu ziehen. Hier ist der Anwendungsbereich des Gesetzes eröffnet, wenn die vorgehaltenen Betreuungs- oder Pflegeleistungen einen erheblichen Bestandteil des Vertragsverhältnisses ausmachen und über allgemeine Unterstützungsleistungen hinausgehen. Das Gesetz ist entsprechend anzuwenden (§ 1 Abs. 2 S. 1 WBVG), wenn

  • der Bestand des Mietvertrags vom Bestand des Vertrags über Betreuungs- oder Pflegeleistungen abhängig gemacht wird,
  • der Verbraucher über den Fortbestand des Mietvertrags nicht unabhängig vom Fortbestand des Betreuungs- oder Pflegevertrags disponieren kann, und schließlich
  • der Unternehmer den Abschluss des Mietvertrags vom Abschluss eines Pflege- oder Betreuungsvertrags tatsächlich abhängig macht.

 

Schließlich gilt das Gesetz in Fällen, in denen eine der genannten Konstellationen des Abs. 2 vorliegt und der Wohnraum und die Pflege- bzw. Betreuungsleistungen von verschiedenen Unternehmern geschuldet werden, diese aber rechtlich oder wirtschaftlich miteinander verflochten sind (§ 1 Abs. 2 S. 2 WBVG). Im Einzelnen enthält das Gesetz Vorschriften (§§ 3 bis 17 WBVG) zu:

 

  • Regelungsbereiche der §§ 3 bis 17 WBVG
  • Informationspflichten vor Vertragsabschluss
  • Vertragsabschluss und Vertragsdauer
  • Wechsel der Vertragsparteien
  • Schriftform und Vertragsinhalt
  • Leistungspflichten
  • Vertragsanpassung bei Änderung des Pflege- und Betreuungsbedarfs des Bewohners
  • Entgelterhöhung bei Änderung der Berechnungsgrundlage
  • Nichtleistung oder Schlechtleistung
  • Kündigung durch den Verbraucher
  • Kündigung durch den Unternehmer Nachweis von Leistungsersatz oder Übernahme von Umzugskosten
  • Sicherheitsleistungen
  • besondere Bestimmungen bei Bezug von Sozialleistungen
  • Unwirksamkeit abweichender Vereinbarungen
  • Übergangsregelungen für Vertragslagen, die vor seinem Inkrafttreten geschlossen worden sind.
 
Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 103 | ID 42716979