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· Fachbeitrag · Vermögensverwaltung

Diese Pflichten gelten, wenn der Betreuer ein Anlagevermögen verwalten muss

von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA FamR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen

| Bei vermögenden Betreuten kann es zu den Aufgaben von Betreuern gehören, Wertpapiervermögen nach wirtschaftlichen Grundsätzen anzulegen und Anlagen ggf. auch umzuwandeln. Hierbei stellt sich die Frage, welche Pflichten der Betreuer bei einer solchen Vermögensverwaltung zu beachten hat. |

 

Sachverhalt

Die Parteien streiten über Schadenersatz. Der Testamentsvollstrecker macht nach dem Tod der Betreuten Schadenersatz gegen die vormalige Betreuerin und deren Ehemann geltend, welcher von dieser entgeltlich mit der Vermögensverwaltung beauftragt war. Die Betreute verfügte im Wesentlichen über ein Immobilien- und Wertpapiervermögen (größtenteils Aktien) von jeweils rund 2 Mio. EUR.

 

Während des Betreuungszeitraums erteilten die beteiligten Betreuungsgerichte insgesamt sieben betreuungsgerichtliche Genehmigungen für Verkäufe von Teilen der Wertpapiere. Damit sollten Wertpapieranlagen umgeschichtet und Ausgaben bestritten werden. Hierzu gehörte auch die Vergütung des vermögensverwaltenden Ehemannes der für alle Angelegenheiten bestellten Betreuerin.

 

Das Vermögen der Betreuten ist aufgrund ganz erheblicher Verluste der jeweiligen Anlagen stark zusammengeschrumpft. Der Testamentsvollstrecker meint, dass Anlagen in mündelsichere Wertpapiere geboten gewesen wären. Wegen eines Verstoßes gegen diese Anlagegrundsätze sowie rechtsgrundloser Vergütungszahlungen für die Vermögensverwaltung an den Ehemann schulde die Betreuerin Schadenersatz.

 

Entscheidungsgründe

Das OLG Schleswig hat wie bereits die Vorinstanz die Klage abgewiesen (16.7.20, 2 U 7/19, Abruf-Nr. 218332). Dem Kläger stehe unter keinem Gesichtspunkt nach den § 1908i Abs. 1, § 1833 Abs. 1 BGB wegen fehlerhafter Verwaltung des Wertpapierdepots ein Schadenersatzanspruch zu.

 

Ein gerichtlich bestellter Betreuer sei für den aus einer Pflichtverletzung entstandenen Schaden verantwortlich, wenn ihm ein Verschulden zur Last fällt. Zwar werde im Falle einer feststehenden Pflichtverletzung das Verschulden des Betreuers vermutet. Eine Pflichtverletzung liege jedoch nicht vor. Der Betreuer habe die Angelegenheiten der Betreuten so zu besorgen, wie es deren Wohl entspricht. Es sei dagegen nicht Sinn der Betreuung, das Vermögen der Betreuten den Erben zu erhalten.

 

Nach den §§ 1806, 1807 BGB habe ein Betreuer das zum Vermögen des Mündels gehörende Geld verzinslich anzulegen, soweit es nicht zur Bestreitung von Ausgaben bereitzuhalten ist. Der Gesetzgeber habe bewusst davon abgesehen, besondere Vorschriften darüber aufzunehmen, wie der Vormund mit solchen Kapitalanlagen zu verfahren habe, die sich im Vermögen des Mündels bereits vorfinden.

 

MERKE | Ob eine Anlageform den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung entspricht, ist aufgrund einer umfassenden Prüfung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei ist auf ein angemessenes Verhältnis von Anlagesicherheit zum Zwecke der Vermögenserhaltung und Rentabilität im Sinne einer optimalen Renditeerzielung zu achten. Bei größeren Vermögen entspricht es den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung, eine Streuung auf verschiedene Anlagenarten vorzunehmen.

 

Dabei sei nach Ansicht des OLG auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Betreute seinen laufenden Lebensunterhalt aus anderen Einkünften bestreiten kann, oder auf die Verwertung der Anlagen angewiesen ist. Von Bedeutung seien zudem die in der Vergangenheit vom Betroffenen eigenverantwortlich getroffenen Anlageentscheidungen.

 

Es habe vorliegend angesichts des erheblichen Vermögens von über 2 Mio. EUR in jeder Hinsicht dem Wohl der Betreuten entsprochen, auch Kapitalanlagen in Form von Aktien, Rentenfonds, Immobilienfonds und Genussscheinen in Betracht zu ziehen, wie sie hier im Gesamtportfolio bereits enthalten waren.

 

Beachten Sie | Bei größeren Vermögen entspricht es im Allgemeinen wirtschaftlichen Grundsätzen, jedenfalls einen Teil des Anlagevermögens langfristig in Aktien zu investieren.

 

Schließlich sei auch die entgeltliche Beauftragung des Ehemanns der Betreuerin mit der Vermögensverwaltung nicht zu beanstanden. Aufgrund seiner Qualifikation als langjähriger Wirtschaftsberater bestünden keine Zweifel an seiner fachlichen Eignung. Die Höhe der Vergütung mit einem Stundensatz von 75 EUR sei gleichfalls nicht zu beanstanden.

 

Relevanz für die Praxis

Das OLG Schleswig hat sich mit der vorliegenden Entscheidung auf nicht weniger als 51 Seiten ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, in welcher Form die Anlage großer Wertpapier- und Sparvermögen durch den Betreuer zu erfolgen hat.

 

Anlass hat die im vorliegenden Einzelfall sehr ungünstige Entwicklung des Wertpapiervermögens der Betreuten gegeben, welcher durch die Betreuerin 2001 übernommen wurde. Spätestens mit dem Eintreten der Finanzkrise 2007/2008 mussten ganz erhebliche Verluste hingenommen werden. Als danach der Erbfall eintrat, war die Erbmasse entsprechend zusammengeschmolzen.

 

Beachten Sie | Der Testamentsvollstrecker musste daher richtigerweise die Frage nach Schadenersatzansprüchen aufwerfen.

 

Das für die Praxis wichtige Kernargument des Testamentsvollstreckers lag darin, dass die Betreuerin es unstreitig unterlassen hat, nach der Übernahme der Betreuung den erheblichen Anteil des Wertpapiervermögens an Aktien und anderen Risikopapieren in mündelsichere Anlagen umzuschichten.

 

Dieser Ansatz ist auch keinesfalls so fernliegend, wie es die klaren Ausführungen des OLG Schleswig erwarten lassen könnten. Zwar trifft es zu, dass eine Betreuung nicht auf den Vermögenserhalt für die Erben zu richten ist. Der Vermögenserhalt hat aber für den Betreuten zu erfolgen. Auch äußern sich die §§ 1806, 1807 BGB nur vage zur Art der Vermögensanlage. Alleine das Vorhandensein dieser Regelung und erst recht ihr Sinn und Zweck sind aber darauf ausgerichtet, Vermögenserhalt und Sicherheit für den Betreuten zu gewährleisten.

 

Die Argumentation des OLG Schleswig kann dahin gehend zusammengefasst werden, dass die Betreuerin die überwiegend risikoaffinen Anlagen der Betreuten fortsetzen durfte, weil sie diese Entscheidungen übernommen habe und aufgrund des sehr hohen Gesamtvermögens auch stets hinreichend Mittel vorhanden sein würden.

 

PRAXISTIPP | Diese sehr weitgehende Auslegung der §§ 1806, 1807 BGB begegnet Bedenken. Das Verhältnis von Sicherheit und Renditeerwartung kann zwar je nach den Umständen des Einzelfalls durchaus variieren, wobei bei hohen Vermögen Aktienbeimischungen nicht zu beanstanden sind. Wenn jedoch wie vorliegend der Anteil spekulativer Anlagen deutlich mehr als die Hälfte des liquiden Vermögens ausmacht, kann nicht mehr von einer Wahrung des wohlverstandenen Interesses des Betreuten ausgegangen werden. Für Betreuer sollte daher nur mit Zurückhaltung auf diesen Teil der vorliegenden Entscheidung reagiert werden.

 

Anders verhält es sich bei der entgeltlichen Vermögensverwaltung sehr hoher Vermögen. Die Hinzuziehung von Sachverstand ist hier geradezu geboten. Dass dieser in Abstimmung mit dem Betreuungsgericht auch angemessen zu vergüten ist, kann nicht beanstandet werden. Das gilt auch für den Fall einer Verwandtschaft zum Betreuer.

 

MERKE | Verfügt der Betreuer nicht über ausreichende Fachkenntnisse, ist es bei einer umfangreichen Vermögensverwaltung geboten, einen sachkundigen Dritten mit der Vermögensverwaltung entgeltlich zu beauftragen. Dies kann auch der sachkundige Ehepartner sein.

 
Quelle: Ausgabe 11 / 2020 | Seite 187 | ID 46864017