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· Fachbeitrag · Verfahrenspflegschaft

Wann kann nach dem RVG abgerechnet werden?

von Rechtsanwaltsfachangestellter Christian Noe B.A., Leipzig

| Wird ein Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger bestellt, kann er unter Umständen seine Tätigkeit nach dem RVG abrechnen. Sind im Rahmen seiner Tätigkeit z.B. Mietverträge zu prüfen, bestimmt sich der Geschäftswert nach § 23 Abs. 3 S. 1 RVG i.V. mit § 25 Abs. 1 KostO bzw. § 99 GNotKG ( BGH 25.2.15, XII ZB 608/13, Abruf-Nr. 175955 ). Dieser Beitrag erläutert die Voraussetzungen für eine Vergütung nach dem RVG und fasst die Streitwertentscheidung des BGH zusammen. |

1. Nach FamFG/VBVG oder RVG abrechnen?

§ 277 Abs. 1 S. 1 FamFG bestimmt, dass jeder Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen gemäß § 1835 Abs. 1 u. 2 BGB erhält. Hierneben erhält er eine Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 1, 2 u. 3 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG), sofern die Verfahrenspflegschaft berufsmäßig geführt wird. Dies gilt auch für als Verfahrenspfleger bestellte Rechtsanwälte. Abweichend hiervon kann auch nach dem RVG abgerechnet werden. Allein die Übernahme einer Verfahrenspflegschaft genügt hierfür nicht. Die Voraussetzungen hat der BGH mit seiner aktuellen Entscheidung noch einmal genau benannt.

 

PRAXISHINWEIS | Erst wenn ein Rechtsanwalt im Rahmen seiner Aufgaben als Verfahrenspfleger eine oder mehrere rechtsanwaltsspezifische Tätigkeiten vornimmt, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde, kann er nach dem RVG abrechnen. Die Verfahrenspflegschaft muss von klassischen anwaltlichen Tätigkeiten geprägt sein.

 

Diese Merkmale gelten auch, wenn ein Anwalt als Ergänzungspfleger bestellt wird. Wird z.B. ein Vertrag hinsichtlich gesellschafts-, familien- und erbrechtlicher Folgen überprüft, ist eine anwaltsspezifische Tätigkeit offensichtlich. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Vertrag selbst durch einen anderen Anwalt erstellt wurde, während der jetzige Anwalt (als Ergänzungspfleger) ihn nur juristisch prüft (OLG Hamm 22.4.14, II-6 WF 190/13).

2. Was steht im Feststellungsbeschluss?

Stellt das Gericht bereits im Bestellungsbeschluss fest, dass der Rechtsanwalt eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausüben wird bzw. ihm konkrete juristische Aufgaben zufallen, ist diese Entscheidung für die spätere Kostenfestsetzung bindend und es kann nach Mandatsende nach dem RVG abgerechnet werden (BGH 23.7.14, XII ZB 111/14). Allerdings ist genau darauf zu achten, dass der Beschluss entsprechend formuliert ist. Wird z.B. ein Rechtsanwalt in einem Unterbringungsverfahren als Verfahrenspfleger bestellt und im Beschluss auch ausdrücklich „als Rechtsanwalt“ bestellt, zeigt dies die ausdrückliche Bezugnahme auf die notwendige berufliche Qualifikation als Jurist (BGH 15.5.13, XII ZB 283/12).

 

PRAXISHINWEIS | Es genügt nicht, wenn im Beschluss die Verfahrenspflegschaft als „berufsmäßig geführt“ bezeichnet wird, da dies allein nicht die Notwendigkeit anwaltsspezifischer Tätigkeiten ausdrückt (LG Stade, 31.1.14, 9 T 2/14; BGH, 23.7.14, XII ZB 111/14). Der Zusatz „berufsmäßig geführt“ hat lediglich zur Folge, dass überhaupt eine Vergütung beansprucht werden kann, allerdings nach dem VBVG. Eine Berechtigung zur Abrechnung speziell nach dem RVG ergibt sich hieraus aber nicht. Bindend hingegen ist die Bezeichnung „in Ausübung des Berufs“ (vgl. Grafik s.u.).

 

Ergibt sich die Erforderlichkeit der Anwaltstätigkeit nicht aus dem Beschluss, muss später genau dargelegt werden, dass die Tätigkeit anwaltstypische Aufgaben umfasste und wie sich dies genau dargestellt hat. Dies ist in der Regel nicht schwierig, sofern im Rahmen der Verfahrenspflegschaft juristische Beratungen oder Prüfungen (Durchsicht von Dokumenten, Beratung und Vorbereitung von Grundstücksverkäufen, Prüfung von Verträgen) notwendig waren. Das Gericht entscheidet aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Nur, wenn eine anwaltliche Tätigkeit notwendig bzw. der Vorgang rechtlich schwierig war, kann nach dem RVG abgerechnet werden (LG Saarbrücken, 15.7.13, 5 T 231/13).

 

 

3. Vorsicht bei Unterbringungsverfahren

Die vom BGH festgestellten Voraussetzungen gelten auch, wenn ein Rechtsanwalt in einem Unterbringungsverfahren als Verfahrenspfleger bestellt wird (§ 317 FamFG). Dabei spielt es keine Rolle, wenn Rechtsprechung und Literatur betonen, dass aufgrund der in diesen Verfahren erforderlichen Fach- und Rechtskenntnisse in der Regel ein Rechtsanwalt zu bestellen ist.

 

Auch andere Berufsgruppen (z.B. Mediziner) verfügen über entsprechend notwendige Kenntnisse in solchen Verfahren. In einem Unterbringungsverfahren fallen nicht zwangsläufig anwaltstypische Tätigkeiten an, daher gilt auch hier: Die Erforderlichkeit anwaltstypischer Aufgaben ist im Bestellungsbeschluss zu benennen bzw. später vom Verfahrenspfleger nachzuweisen.

4. Streitwert und Vergütung bei Überprüfung von Verträgen

In seiner aktuellen Entscheidung hat der BGH die Anwendung des RVG bejaht, da der Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger Miet- und weitere Untermietverträge überprüfte, die ihm zur betreuungsgerichtlichen Genehmigung vorgelegt wurden.

 

Die BGH-Entscheidung im Kern zusammengefasst:

 

  • Für die Erteilung einer Genehmigung von Mietverträgen in einem anhängigen Betreuungsverfahren fällt keine Gebühr an, da die für die Betreuung zu erhebende Jahresgebühr (§ 92 KostO, jetzt: Nr. 11101 ff. der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GNotKG) die gesamte Tätigkeit des Betreuungsgerichts abdeckt. Daher findet § 23 Abs. 1 S. 1 RVG keine Anwendung.

 

  • Lediglich die Tätigkeit einer Überprüfung von Mietverträgen kann nicht Gegenstand eines gesonderten Gerichtsverfahrens sein (keine Anwendung von § 23 Abs. 1 S. 2 RVG). Vielmehr ist § 23 Abs. 3 S. 1 RVG für die Wertbestimmung heranzuziehen, der auch auf § 25 KostO verweist (jetzt: § 99 GNotKG).
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  • Demnach ist für die außergerichtliche Tätigkeit eines Rechtsanwalts hinsichtlich Erstellung und Überprüfung von Miet- oder Pachtverträgen die Höhe der vom Mieter während der gesamten Vertragslaufzeit zu erbringenden Mietzahlungen maßgeblich (§ 25 Abs. 1 S. 1 KostO). Dies gilt auch, wenn der Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger einen Mietvertrag prüft und die Voraussetzungen für eine RVG-Anwendung vorliegen.

 

  • Es ist nicht zwingend, dass inhaltlich an den Verträgen mitgewirkt wurde (Vertragsgestaltung), denn gem. der Vorbemerkung 2.3. zu Nr. 2300 VV RVG umfasst die Geschäftsgebühr im Rahmen der Mitwirkung auch die Überprüfung eines Vertrages. Die vorgenannte KostO-Vorschrift findet daher nur hinsichtlich der Bestimmung des Geschäftswertes Anwendung. Für die Überprüfung eines Vertrages durch einen Rechtsanwalt entsteht eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG (Gebührenrahmen 0,5-2,5).

 

  • Die Herabsetzung (einer hoch ausgefallenen) RVG-Vergütung kann nicht damit begründet werden, dass der Rechtsanwalt nicht zwingend nach dem RVG abrechnen muss. Sofern die Voraussetzungen für eine RVG-Anwendung vorliegen, hat dieser ein Wahlrecht, seine Vergütung nach dem RVG oder § 3 VBVG abzurechnen.

 

PRAXISHINWEIS | Im vorliegenden Fall hatte das LG auf der Grundlage eines Geschäftswerts von 6.783.000 EUR die Anwaltsvergütung auf 46.925,03 EUR festgesetzt (1,8-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, Auslagen, MwSt). Grundsätzlich war für die anwaltliche Prüfung der Miet- und Untermietverträge als Wert die Höhe der vereinbarten Miete während der gesamten Vertragsdauer anzusetzen. Allerdings sei lediglich die Hälfte der Miete zu berücksichtigen. Begründung:

 

  • Der Betroffenen (hälftige Miteigentümerin) könne nur die Hälfte der Mieteinnahmen zugerechnet werden.
  • Es käme auch nur auf den hälftigen Betrag aus den drei Hauptmietverträgen an, da nur diese genehmigungspflichtig waren.
  • Im Übrigen stelle die Prüfung der drei Verträge eine einheitliche Angelegenheit (§ 15 Abs. 1 u. 2 RVG) dar.

 

Die Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des LG richtete sich lediglich gegen die Höhe des Geschäftswertes und nicht gegen den angesetzten Gebührenrahmen (1,8).

 

Der BGH hat klargestellt, dass eine Reduzierung der gesetzlichen Anwaltsvergütung in besonderen Einzelfällen bzw. eine angemessene Beschränkung nach dem Erfolg nicht in Betracht kommt, da es hierfür keine gesetzliche Grundlage gibt. Das Anwaltsgebührenrecht stelle nicht auf den Umfang der geleisteten Tätigkeiten ab, sondern knüpfe an gebührenauslösende Tatbestände an.

 

Beachten Sie | Ein hohes Gebührenrisiko kann schon vor der Bestellung des Verfahrenspflegers durch das Gericht berücksichtigt und ggf. eine Gebührenvereinbarung getroffen werden (vgl. Grafik S. 81).

 

Weiterführende Hinweise

  • Verfahrenspfleger darf keinen Anwalt beauftragen, SR 15, 55
  • Rechtsanwalt als Verfahrenspfleger: Kopierkosten, SR 14, 00
Quelle: Ausgabe 05 / 2015 | Seite 80 | ID 43353938