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· Fachbeitrag · Unterbringung

Zwangsweise Heilbehandlung: Behandelnder Arzt darf nicht als Gutachter bestellt werden

von RA Holger Glaser, Nordkirchen

In Verfahren zur Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme kann der behandelnde Arzt nur in eng begrenzten Ausnahmefällen mit der Erstattung des vor der Entscheidung einzuholenden Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme beauftragt werden (BGH 30.10.13, XII ZB 482/13, Abruf-Nr. 133489).

 

Sachverhalt

Die Betroffene leidet an paranoider Schizophrenie. Auf Antrag ihres Betreuers erteilte das AG die Erlaubnis zur Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer zwangsweisen Heilbehandlung. Im Beschwerdeverfahren hat das LG die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet und den behandelnden Oberarzt der Klinik, in der die Betroffene untergebracht war, zum Gutachter bestellt. Dieser hat die Erforderlichkeit der Unterbringung und der zwangsweisen Heilbehandlung bestätigt. Das LG hat die Beschwerde der Betroffenen daraufhin zurückgewiesen. Ihre Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Der BGH wies darauf hin, dass in Verfahren zur Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung nach § 321 Abs. 1 S. 5 FamFG der zwangsbehandelnde Arzt nicht zum Sachverständigen bestellt werden soll. Mit dieser durch das Gesetz zur Regelung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme mit Wirkung vom 26.2.13 eingeführten Vorschrift wollte der Gesetzgeber gewährleisten, dass der gerichtlichen Entscheidung über die Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung eine unvoreingenommene ärztliche Begutachtung durch einen Sachverständigen vorausgeht, der nicht mit der Behandlung des Betroffenen befasst ist (BT-Drucksache 17/12086 S. 11). Die gegenüber § 280 Abs. 1, § 321 Abs. 1 S. 1, 4 FamFG erhöhten Anforderungen an die Qualifikation des Sachverständigen und die Einführung eines „Vier-Augen-Prinzips“ (Dodegge, NJW 13, 1265, 1270) tragen dabei dem Umstand Rechnung, dass die Genehmigung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung bei dem Betroffenen zu einem zusätzlichen schweren Grundrechtseingriff führt, der über die mit der Unterbringung verbundenen Beschränkungen des Betroffenen hinausgeht.

 

Dass § 321 Abs. 1 Satz 5 FamFG trotzdem nur als „Soll“-Vorschrift ausgestaltet ist, beruht darauf, dass der Gesetzgeber eine fachlich fundierte Begutachtung erreichen, gleichzeitig aber durch die abgestuften Anforderungen den unterschiedlichen Verfahren und den Bedürfnissen der Praxis bei der Auswahl geeigneter Sachverständiger Rechnung tragen wollte (BT-Drucksache 17/12086 S. 11). Im Hinblick auf den genannten Schutzzweck der Vorschrift und die besondere Grundrechtsrelevanz einer medizinischen Zwangsbehandlung ist vor der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung regelmäßig die Begutachtung des Betroffenen durch einen neutralen Sachverständigen geboten. Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen - etwa bei besonderer Eilbedürftigkeit - kann das Gericht hiervon abweichen und im Einzelfall auch den behandelnden Arzt zum Gutachter bestellen (Grotkoop/Bahrenfuss FamFG 2. Aufl. § 321 Rn. 14; Jurgeleit/Diekmann Betreuungsrecht 3. Aufl. § 321 FamFG Rn. 4).

 

Praxishinweis

Soweit die Unterbringung der Betroffenen genehmigt werden soll, ist es zwar nicht zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht den behandelnden Arzt zum Sachverständigen bestellt hat. Nach § 329 Abs. 2 S. 2 FamFG soll das Gericht nur bei einer Unterbringung mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt hat. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass bei einer kürzeren Unterbringungsdauer der behandelnde Arzt zum Sachverständigen bestellt werden kann (BGH 15.9.10, XII ZB 383/10, FamRZ 10, 1726 Rn. 9).

 

Quelle: Ausgabe 03 / 2013 | Seite 39 | ID 42412569