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· Fachbeitrag · Rehabilitation

Krankenkasse muss klare Ermessensentscheidung treffen

| Bei längerer Arbeitsunfähigkeit kann eine Rehabilitation angezeigt sein. Es steht im Ermessen der Krankenkasse, ob sie den Versicherten zu einem Reha-Antrag auffordert. Erklärt die Kasse, dass es „ihre Aufgabe“ sei, dass Versicherte den Antrag binnen zehn Wochen stellen, hat das mit einer Ermessensentscheidung nichts zu tun. Ist diese Frist verstrichen, kann die Kasse diesen Fehler auch nicht mehr korrigieren, so das LSG Baden-Württemberg. |

 

1. Krankenkasse erweckt falschen Eindruck

Die 70-jährige Klägerin war zuletzt als Altenpflegerin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 6.8.12 war sie fortlaufend krankgeschrieben und erhielt vom 14.8.12 bis 1.1.14 Krankengeld.

 

Der medizinische Dienst der Krankenkasse begutachtete die Klägerin und empfahl eine stationäre Rehabilitation. In ihrem Bescheid an die Klägerin schrieb die Krankenkasse:

 

  • Bescheid der Krankenkasse

„Des Weiteren ist es nach § 51 Abs. 1 SGB V eine Aufgabe der Krankenkasse, dafür Sorge zu tragen, dass Versicherte (…) innerhalb einer Frist von zehn Wochen einen Antrag auf Maßnahmen zur Rehabilitation stellen. Deshalb bitten wir Sie, innerhalb der nächsten zehn Wochen einen solchen Antrag zu stellen, und zwar auch dann, wenn Maßnahmen zur Rehabilitation zulasten des Rentenversicherungsträgers erst vor kurzer Zeit durchgeführt worden sind. Ein Antragsformular mit Zusatzfragebogen fügen wir bei.“

 

Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Klage: Die Aufforderung, einen Reha-Antrag zu stellen, setze die Ausübung von Ermessen voraus. Dies sei hier nicht der Fall, die Krankenkasse hätte ihren Bescheid in Form eines Standardschreibens verfasst. Das SG wies die Klage ab. Ihre Berufung zum LSG Baden-Württemberg hatte Erfolg (2.2.21, L 11 KR 578/20, Abruf-Nr. 222999).

 

2. Fehler lässt sich nicht mit Widerspruchsbescheid beheben

Zwar seien Krankenkassen berechtigt, Versicherte aufzufordern, einen Reha-Antrag zu stellen. § 51 Abs. 1 S. 1 SGB V sieht jedoch eine Ermessensentscheidung vor („kann“). Es steht also im Ermessen der Krankenkasse, ob sie dem Versicherten gemäß dieser Regelung eine Frist von zehn Wochen setzt, innerhalb der ein Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu stellen ist.

 

Das LSG stellt hierzu fest: Mit dem Wortlaut des Bescheides wurde kein Ermessen ausgeübt, sondern der Eindruck erweckt, als habe die Kasse gar keine Möglichkeit, anders zu handeln („Aufgabe der Krankenkasse“).

 

MERKE | Ohne ein Ermessen ist die Aufforderung, einen Antrag auf Reha nach § 51 Abs. 1 SGB V zu stellen, rechtswidrig.

 

Beachten Sie | Zwar sei die Ermessensentscheidung grundsätzlich nachholbar. Jedoch nicht dann, wenn dadurch ‒ wie hier ‒ nachträglich eine bereits zeitlich überholte Fristsetzung gerechtfertigt werden soll.

 

MERKE | Macht die Krankenkasse von dem ihr zustehenden Ermessen keinen Gebrauch, kann sie die Ermessensausübung nach Ablauf der Zehn-Wochen-Frist nicht mehr nachholen, auch nicht im Widerspruchsbescheid.

 

Eine Ermessensentscheidung wurde zwar mit Widerspruchsbescheid zulässig formuliert. Jedoch lag zwischen dem Bescheid, mit dem die Klägerin zum Reha-Antrag aufgefordert wurde, und dem Widerspruchsbescheid ein Zeitraum von rund sieben Monaten.

 

Die gesetzte Zehn-Wochen-Frist war daher längst verstrichen.

 

 

Weiterführende Hinweise

  • Rehasport neben Krankengymnastik: Welche Verordnungen sind möglich?, SR 20, 214
  • So ist der Zeitraum zwischen Krankengeldbezügen zu berechnen, SR 20, 166
  • Wenn sich die Krankenkassen Zeit lassen …, SR 20, 117
  • Mandant soll in Reha ‒ aber bestätigt das Gutachten dies klar genug?, SR 21, 104
Quelle: Ausgabe 07 / 2021 | Seite 125 | ID 47354545