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· Fachbeitrag · Prozesskostenhilfe

PKH für erweiterte ambulante Physiotherapie

| Die Prozesskostenhilfe im Sozialrecht wird zum Problem, wenn Gerichte keine Erfolgsaussicht für die Klage sehen. Das LSG Thüringen entschied: Die Erfolgsaussicht darf nicht allein deshalb verneint werden, weil eine Klinik für die Behandlung einer erweiterten ambulanten Physiotherapie keine Zulassung hat (24.9.19, L 1 U 29/19 B, Abruf-Nr. 214746 ). |

 

1. Klage auf Übernahme von Behandlungkosten

Die Klägerin hatte eigeninitiativ eine Klinik für eine 14-tägige erweiterte ambulante Physiotherapie (EAP) gewählt. Ihr Antrag war zuvor vom Unfallversicherungsträger abgelehnt worden. Sie klagte daher auf Übernahme der Behandlungskosten in Höhe von 846,40 EUR. Das SG lehnte ihren gleichzeitigen Antrag auf Prozesskostenhilfe ab. Das LSG Thüringen hob den Beschluss auf und bewilligte der Klägerin ratenfreie Prozesskostenhilfe.

 

2. LSG bestätigt: Klinik grundsätzlich für Behandlung qualifiziert

Nicht jeder zugelassene physiotherapeutische Leistungserbringer kann die medizinischen Ziele einer EAP erfüllen. Erforderlich sind oft spezielle, von den UV-Trägern vorgegebene personelle, apparative und räumliche Anforderungen. Ist eine Einrichtung allerdings fachlich qualifiziert, die berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung durchzuführen, sind nach Ansicht des LSG grundsätzlich keine Gesichtspunkte erkennbar, dass die Einrichtung nicht auch eine EAP durchführen darf. Der entscheidende Unterschied zwischen beiden Maßnahmen ist nur, dass eine EAP ambulant durchgeführt wird.

 

Der beklagte Unfallversicherungsträger hatte selbst eingeräumt, dass die von der Klägerin selbst gewählte Klinik nicht nur die Voraussetzungen für die berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung, sondern auch für die EAP erfüllt. Für das LSG war bei summarischer Überprüfung eine erstinstanzlich erfolgreiche Klage nicht ausgeschlossen. Insoweit müsse das Sozialgericht weiter ermitteln, ggf. mittels eines Gutachtens. Ob Kosten für selbst beschaffte Heil- und Reha-Leistungen erstattet werden, entscheidet sich nach § 13 Abs. 3 SGB V. Entscheidend ist, ob nach § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII eine solche Therapiemaßnahme medizinisch angezeigt war. Dies könne im aktuellen Fall jedenfalls offensichtlich nicht ausgeschlossen werden.

 

PRAXISTIPP | In Fällen wie diesen kann der Anwalt argumentieren, dass das SG den Sachverhalt zwingend genauer aufzuklären hat, bevor es die Erfolgsaussichten der Klage bewertet (SR 18, 150). Ist eine Klinik fachlich qualifiziert, eine berufsgenossenschaftliche stationäre Weiterbehandlung durchzuführen, ist sie grundsätzlich auch geeignet, eine EAP durchzuführen.

 

Weiterführende Hinweise

  • Prozesskostenhilfe: „Hinreichende Erfolgsaussicht“ - was heißt das?, SR 18, 150
  • Wiedereingliederung nach Reha: Fahrtkosten werden erstattet, SR 19, 45
Quelle: Ausgabe 04 / 2020 | Seite 68 | ID 46358941