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· Fachbeitrag · Pflege

Die häusliche Laienpflege: Ein Spagat zwischen Wunschvorstellung und Alltagsrealität?

von Alexander Schrehardt

| Bereits bei Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung zum 1.1.95 hatte der Gesetzgeber den Vorrang der häuslichen Laienpflege erklärt (§ 3 SGB XI). Damit hat er durchaus den Nerv des Bürgers getroffen. Laut Pflegebericht für 2011 des Bundesamts für Statistik wurden von den ca. 2,5 Mio. pflegebedürftigen Bürgern ca. 48 Prozent von Privatpersonen im häuslichen Umfeld gepflegt. Allerdings sichern die Pflegegeldleistungen (§ 37 SGB XI) diesen Versorgungsfall regelmäßig nur sehr unzureichend ab. |

1. Leistungen der Pflegepflichtversicherung

Für den sehr häufigen häuslichen Pflegefall der Stufe 1 sieht das SGB XI ein monatliches Pflegegeld von 235 EUR vor. Wie auch die Leistungen für die Pflegestufen 2 und 3 wurde es zuletzt am 1.1.12 erhöht. Eine weitere Anpassung des Pflegegelds wie auch der Leistungen für eine Betreuung durch Pflegefachkräfte im häuslichen Umfeld eine teil- oder vollstationäre Pflege, sieht der Gesetzgeber aktuell nur im Rahmen einer Dynamisierung der Leistungen vor (§ 30 SGB XI). Erstmals in 2014 - und fortlaufend in Drei-Jahresintervallen - wird mit Blick auf die kumulierte Preisentwicklung in Deutschland eine mögliche Anpassung der Leistungsbeträge zum 1.1.15 geprüft werden.

 

Sofern dem Versicherten nur eine „Pflegestufe 0“, wegen des Erfordernisses einer Betreuung aufgrund einer eingeschränkten Alltagskompetenz (z.B. bei demenzieller Erkrankung) zuerkannt wurde, besteht neben dem unveränderten Anspruch auf Betreuungsgeld (§ 45b SGB XI) seit dem 1.1.13 auch ein Anrecht auf ein monatliches Pflegegeld von 120 EUR (§ 123 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI). Alternativ zum Pflegegeld können auch Pflegeleistungen bis zu 225 EUR/Monat abgerufen oder die Möglichkeit einer Kombinationsleistung in Anspruch genommen werden (§ 38 i.V. mit § 123 Abs. 2 Nr. 3 SGB XI).

 

Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz hat der Gesetzgeber für den Versichertenkreis der „Pflegestufe 0“ im Rahmen einer Übergangslösung auch einen erhöhten Leistungsanspruch für den Fall eines Zusammentreffens einer Betreuungsbedürftigkeit (i.S. von § 45a SGB XI) mit einer Pflegebedürftigkeit nach Pflegestufe 1 bzw. 2 eingeräumt. So erhöht sich das Pflegegeld für betreuungsbedürftige Personen bei Einstufung in die Pflegestufe 1 auf 305 EUR/Monat bzw. bei Einstufung in die Pflegestufe 2 auf 525 EUR/Monat.

 

PRAXISHINWEIS | Sofern sich der Versicherte bzw. die betreuenden Familienangehörigen für eine Pflegesachleistung entscheiden, sieht das Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz auch eine erhöhte Pflegesachleistung von 665 EUR/Monat für betreuungsbedürftige Versicherte der Pflegestufe 1 bzw. von 1.250 EUR/Monat für den Fall eines Pflegebedarfs nach Pflegestufe 2 vor. Auch in diesen Fällen besteht die Möglichkeit einer Kombination von Pflegegeld- und Pflegesachleistung.

 

 

2. Zuschuss für Pflegehilfsmittel und Verbrauchsmaterialien

Neben einer Auszahlung von Pflegegeld hat der pflegebedürftige Versicherte auch Anspruch auf weitere Leistungen aus der sozialen bzw. privaten Pflegepflichtversicherung. So können sowohl eine Kostenübernahme für Verbrauchsmaterialien bis zu 31 EUR/Monat (§ 40 Abs. 2 SGB XI) als auch eine leihweise Überlassung oder eine Kostenbeteiligung für die Anschaffung von Pflegehilfsmitteln beantragt werden. Sofern sich die Pflegekasse für eine Anschaffung von Pflegehilfsmitteln entscheidet (ausgenommen Verbrauchsmaterialien), trägt der Versicherte nach Vollendung des 18. Lebensjahrs einen Kostenanteil von 10 Prozent, höchstens jedoch von 25 EUR (§ 40 Abs. 3 S. 3 SGB XI).

 

Auch für eine Verbesserung des Wohnumfelds des pflegebedürftigen Versicherten kann bei der Pflegekasse ein Zuschuss beantragt werden. Jede Maßnahme kann dabei mit maximal 2.557 EUR gefördert werden. Leben mehrere pflegebedürftige Versicherte z.B. in einer Wohngruppe zusammen, ist der Kostenzuschuss ebenfalls auf 2.557 EUR für jeden einzelnen Versicherten, insgesamt aber auf 10.228 EUR für eine Maßnahme beschränkt. Umfasst eine Wohngruppe mehr als vier pflegebedürftige Versicherte, so wird dieser Höchstbetrag anteilig unter Berücksichtigung der Personenzahl auf die Versicherungsträger der Anspruchsberechtigten aufgeteilt (§ 40 Abs. 5 SGB XI).

3. Gefördertes Altersvorsorgevermögen für Barrierefreiheit

Mit dem Altersvorsorge-Verbesserungsgesetz (AltvVerbG) hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.7.13 eine weitere Verwendungsmöglichkeit für gefördertes Altersvorsorgevermögen in das EStG aufgenommen. So kann der Versicherungsnehmer Altersvorsorgevermögen aus seinem zulagengeförderten Spar- oder Versicherungsvertrag für einen Umbau seiner Wohnung oder seines Eigenheims entnehmen. Die Rechtsnorm sieht allerdings vor

  • einen Mindestentnahmebetrag von 20.000 EUR,
  • eine Zweckbindung für das entnommene Kapital, sowie
  • ein im Altersvorsorgevertrag verbleibendes Mindestguthaben von 3.000 EUR.

 

Sofern die zum Umbau vorgesehene Immobilie innerhalb von drei Jahren vor Entnahme des geförderten Altersvorsorgevermögens erworben oder gebaut wurde, reduziert sich der Mindestentnahmebetrag auf 6.000 EUR (§ 92a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG). Für den Fall, dass der Vertragsinhaber seinen zulagengeförderten Spar- oder Versicherungsvertrag mit ungeförderten Beiträgen „überzahlt“ hat, kann das aus ungeförderten Altersvorsorgebeiträgen aufgebaute Versorgungskapital gleichermaßen entnommen und ohne Zweckbindung z.B. für einen Umbau der Immobilie des Vertragsinhabers eingesetzt werden. Hierbei muss allerdings beachtet werden, dass die Erträge des ungeförderten Altersvorsorgevermögens zum Zeitpunkt der Entnahme zu versteuern sind.

 

Das vom Zulagenberechtigten entnommene (geförderte) Altersvorsorgevermögen muss vorrangig (mindestens 50 Prozent des entnommenen Kapitals) für Maßnahmen nach den Vorgaben der DIN 18040 Teil 2 (Stand September 2011) eingesetzt werden. Hierbei handelt es sich z.B. um Vorgaben für die Anlage von Verkehrsflächen bei einer Nutzung durch Rollstuhlfahrer, die bautechnische Ausgestaltung von Treppen, Sanitäreinrichtungen usw. Der Rest des entnommenen (geförderten) Altersvorsorgekapitals muss für eine Verbesserung der Barrierefreiheit in oder an der Immobilie des Vertragsinhabers eingesetzt werden. Die zweckgerichtete Mittelverwendung ist nach Abschluss der Umbaumaßnahme durch einen Gutachter zu bestätigen.

 

Eine gleichzeitige Förderung der Umbaumaßnahme durch andere Zuschüsse, die Inanspruchnahme einer Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen (§ 35a Abs. 3 EStG) bzw. ein Ansatz von außergewöhnlichen Belastungen (§ 33 EStG) ist nicht zulässig. Die Erfassung des entnommenen (geförderten) Altersvorsorgekapitals auf einem Wohnförderkonto folgt den Bestimmungen für eine Entnahme bzw. den Einsatz von gefördertem Altersvorsorgekapital für z.B. die Gestehung einer Immobilie (ausführlich, Schrehardt, DStR 13, 1240).

 

PRAXISHINWEIS | Vor einer Entnahme von gefördertem Altersvorsorgevermögen sollte allerdings auch bedacht werden, dass ein zulagengeförderter Altersvorsorgevertrag in der Ansparphase zum Schonvermögen zählt (§ 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII), d.h. im Fall eines Antrags auf Sozialhilfeleistungen wird das angesammelte geförderte Altersvorsorgevermögen hiervon nicht berührt. Bei Bezug der Versicherungsleistungen werden diese allerdings dem für die Bedeckung der Pflegekosten einzusetzenden Einkommen des Pflegebedürftigen zugerechnet.

 

4. Häusliche Pflege in Wohngruppen

Mit dem Pflege-Neuausrichtungs-Gesetz hat der Gesetzgeber eine Förderung ambulanter Wohngruppen in das SGB XI aufgenommen. Unter Berücksichtigung der seit Jahren kontinuierlichen Zunahme von Single-Haushalten in Deutschland trägt diese Neuregelung der Bedarfssituation in der Gesellschaft Rechnung. Für die Einrichtung von ambulanten Wohngruppen hatte der Gesetzgeber eine Anschubfinanzierung von 2.500 EUR für jeden pflegebedürftigen Bewohner, maximal aber 10.000 EUR für eine Wohngruppe vorgesehen (§ 45e Abs. 1 SGB XI). Die vorgenannten Förderleistungen wurden in der Summe auf den Betrag von 30 Mio. EUR begrenzt, d.h. das Förderprogramm läuft bei Erreichen dieser Auszahlungssumme aus (§ 45e Abs. 2 SGB XI).

5. Rechte pflegender Angehöriger

Nachdem der Gesetzgeber wie auch die meisten Betroffenen vorrangig eine häusliche Pflege durch Familienangehörige favorisieren, kommt der Absicherung dieser Laienpfleger eine besondere Bedeutung zu. In § 19 SGB XI hat der Gesetzgeber den Begriff der Pflegeperson ausgeführt. Sofern eine Privatperson einen oder mehrere pflegebedürftige Versicherte im häuslichen Umfeld nicht erwerbsmäßig mindestens 14 Stunden/Woche pflegerisch betreut, besteht ein Anspruch auf Leistungen zur sozialen Sicherung. Die pflegende Person unterliegt dabei der Rentenversicherungspflicht (§ 3 S. 1 Nr. 1a SGB VI i.V. mit § 44 Abs. 1 SGB XI) und hat einen Anspruch auf einen Beitragszuschuss zu ihrer Kranken- und Pflegepflichtversicherung (§ 44a Abs. 1 und 2 SGB XI). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Ansprüche von der Pflegeperson aktiv bei der Pflegekasse geltend gemacht werden müssen.

 

PRAXISHINWEIS | Aufgrund der gesetzlichen Versicherungspflicht hat die Pflegeperson auch einen unmittelbaren Anspruch auf Zulagenförderung (§§ 84 und 85 EStG) zu einem Spar- oder Versicherungsvertrag nach § 10a EStG (BMF-Schreiben vom 24.7.13, Rn. 78).

 

 

Für die Dauer ihrer Tätigkeit genießt die Pflegeperson auch den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 2 Abs. 1 Nr. 17 SGB VII). Diese deckt gleichermaßen die pflegerische Tätigkeit als auch Wegeunfälle, die im Zusammenhang mit einer Besorgung für die pflegebedürftige Person stehen ab (z.B. Weg zur Erledigung eines Bankgeschäfts, LSG Bayern 27.3.13, L 2 U 516/11).

 

Die Beiträge zur gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung sowie die Beitragszuschüsse zur Kranken- und Pflegepflichtversicherung der Pflegeperson werden von der Pflegekasse bzw. der privaten Krankenversicherung der pflegebedürftigen Person getragen (§ 347 S. 1 Nr. 10 SGB III).

 

PRAXISHINWEIS | Die vom Gesetzgeber geforderte nicht erwerbsmäßige Pflegetätigkeit schließt die Entgegennahme des an den Versicherten ausbezahlten Pflegegeldes, z.B. als Kostenausgleich bei Aufnahme des Pflegebedürftigen im Haushalt der Pflegeperson, nicht aus. Die Vereinnahmung kann dabei steuerfrei erfolgen, da Zahlungen in Höhe des Pflegegeldes nicht die Voraussetzungen für eine Erzielung von Einkünften erfüllen (BFH 14.9.99, IX R 88/95, § 3 Nr. 36 EStG).

 

 

Mit der pflegerischen Betreuung eines Angehörigen als „Naturalleistung“ kann ferner eine eventuell erforderliche Unterhaltszahlung (§ 1601 BGB) gemindert oder ganz vermieden werden (OLG Oldenburg 14.1.10, 14 UF 134/09).

 

Auch im Erb- oder Schenkungsfall können die von einem Familienangehörigen erbrachten pflegerischen Leistungen Berücksichtigung finden (ausführliche Darstellung: Brüggemann, Erbfolgebesteuerung 09, 274). Strittig kann dabei die Bewertung der erbrachten Pflegeleistungen sein. Das FG Rheinland vertrat hierzu die Auffassung, dass die Pflegeleistungen privater Laienpfleger weder nach den Sätzen für Pflegesachleistungen der Pflegekassen (§ 36 Abs. 3 SGB XI) noch unter Berücksichtigung der Abrechnungsgrundlagen von Pflegediensten ermittelt werden dürfen. Das Gericht unterstellte bei der Bemessung der Pflegeleistung eines Laienpflegers den Tariflohn von ungelernten Pflegefachkräften (FG Rheinland-Pfalz vom 23.3.07, 4 K 2892/04).

 

Für die Bewertung der Pflegeleistungen privater Laienpfleger bei Schenkungen mit Gegenleistungen haben die Finanzministerien der Länder auf die Pflegesachleistungen der Pflegepflichtversicherung (§ 36 Abs. 3 SGB XI) abgestellt. Für einen anerkannten Pflegefall der Stufe 1 würde sich somit der Jahreswert der Pflegeleistungen mit 450 EUR x 12 = 5.400 EUR berechnen (z.B. FinMin BW 9.9.08, 3-S 3806/37; FinMin Schleswig-Holstein 29.8.08, VI 353-S 3806-042).

Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 30 | ID 42491936