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· Fachbeitrag · Häusliche Krankenpflege

An- und Ablegen eines Stützkorsetts ist keine Grundpflegeleistung und daher extra zu vergüten

| Eine Krankenkasse muss das Anlegen eines Stützkorsetts als Leistung der häuslichen Krankenpflege gesondert vergüten. Es handelt sich dabei nicht um eine Tätigkeit im Rahmen der Grundpflegeleistung der Pflegekasse (LSG Niedersachsen-Bremen 17.10.17, L 16 KR 62/17, Abruf-Nr. 197944 ). |

 

Sachverhalt

Geklagt hatte eine 87-jährige Frau, die an einer Verformung der Wirbelsäule und an fortschreitender Osteoporose leidet. Ihr Arzt hatte ihr ein Stützkorsett verordnet. Aufgrund von Schwindel und motorischer Schwäche konnte sie dieses nicht eigenständig an- und auszuziehen. Daher verordnete der Arzt ihr häusliche Krankenpflege. Die Krankenkasse lehnte die Kostenübernahme ab. Ihrer Ansicht nach liegt eine Tätigkeit der Grundpflege vor, die mit den Leistungen der Pflegekasse abgegolten ist. Sie vergleicht die Tätigkeit mit dem normalen Anziehen nach der Körperpflege. Jedenfalls sei sie nicht vergleichbar mit dem Anziehen von Kompressionsstrümpfen ab Kompressionsklasse II.

 

Entscheidungsgründe

Das LG Niedersachsen-Bremen gibt der Klage statt. Es läge eine „krankheitsspezifische verrichtungsbezogene Pflegemaßnahme“ (§ 37 Abs 2 S 1 SGB V) vor, die im Rahmen der Behandlungssicherungspflege von der Krankenkasse zu bezahlen ist. Trotz möglicher Überschneidungen mit der Grundpflege sei auch das An- und Ausziehen des Korsetts wegen der stützenden und stabilisierenden Funktion krankheitsspezifisch. Mit normaler Alltagskleidung sei es nicht zu vergleichen. Es müsse eng anliegen und beim An- und Ausziehen müssten mehrere Häkchen und ein Reißverschluss geschlossen werden. Dafür sei deutlich mehr Kraft erforderlich als bei normaler Kleidung. Die Klägerin könne das aufgrund fehlender Feinmotorik und Kraft in den Händen nicht mehr. Sie habe auch keine Hilfe durch Familienangehörige.

 

Relevanz für die Praxis

Das LSG weist darauf hin, dass dem die Regelungen in der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP-Richtlinie) nicht entgegen stehen. Im Leistungsverzeichnis der HKP-Richtlinie werden Leistungen der Grundpflege und der Behandlungspflege aufgelistet. An- und Ausziehen von Kleidung unterfällt danach der Grundpflege. Als Leistung der Behandlungspflege beschreibt das Leistungsverzeichnis unter Nr. 31 u. a. das An- oder Ausziehen von Kompressionsstrümpfen oder -Strumpfhosen der Kompressionsklassen II bis IV.

 

Beachten Sie | Nach der Rechtsprechung des BSG (16.7.14, B 3 KR 2/13 R) sind diese Regelungen jedoch nicht starr zu verstehen. Daher können Maßnahmen der Grundpflege auch als Maßnahmen der Behandlungspflege in Betracht kommen. Überschneidungsbereiche ergeben sich, wenn diese zugleich krankheitsspezifisch sind und der Behandlungssicherung dienen (BSG a.a.O., Rn. 25). Hier ist das An- und Ausziehen des Korsetts absolut vergleichbar mit der Unterstützungsfunktion der Kompressionsstrümpfe.

Quelle: Ausgabe 12 / 2017 | Seite 205 | ID 44988540