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· Fachbeitrag · Betreuungsverfahren

Wann der Anwalt eine Wiedereinsetzung erreicht

| Ein nicht bestellter Verfahrenspfleger ist grundsätzlich kein Wiedereinsetzungsgrund. Soll ein umfassender Einwilligungsvorbehalt angeordnet werden, ist ein Verfahrenspfleger aber die Regel. Begründet das Gericht nicht, warum es keinen bestellt, liegt ein schwerer Verstoß vor. Dann ist bei einer versäumten Frist eine Wiedereinsetzung zu gewähren. |

 

Sachverhalt und Entscheidungsgründe

Für die Mandantin war eine Berufsbetreuerin bestellt. Für den Bereich der Vermögenssorge war ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Das AG verlängerte die Betreuung und legte als Zeitpunkt für die Entscheidung über die Aufhebung oder Verlängerung von Betreuung und Einwilligungsvorbehalt den 14.5.20 fest. Die Beschwerde der Betroffenen hiergegen wurde vom LG zurückgewiesen und die beantragte Verfahrenskostenhilfe abgelehnt. Verspätet mandatierte die Betroffene einen beim BGH zugelassenen Bevollmächtigten, dessen Rechtsbeschwerde Erfolg hatte. Der BGH gewährte Wiedereinsetzung (2.12.20, XII ZB 456/17, Abruf-Nr. 219834).

 

Zwar sieht § 275 FamFG vor, dass Betroffene in allen betreuungsrechtlichen Verfahren ohne Rücksicht auf ihre Geschäftsfähigkeit als verfahrensfähig zu behandeln sind. Damit sind auch Zustellungen an sie wirksam, ohne dass der gesundheitliche Zustand eine Rolle spielt. Auch kann ein Verfahrenspfleger selbst keine Rechtsmittel einlegen, da er keine Vertretereigenschaft besitzt. Eine Wiedereinsetzung ist zudem i. d. R. nicht schuldlos versäumt, wenn eine psychische Krankheit vorliegt, die eine bedürftige Betreuung begründet. Allerdings waren die Entscheidungen der Vorinstanzen verfahrensfehlerhaft. Bei dem hier anzuordnenden umfassenden Einwilligungsvorbehalt bezüglich Vermögenssorge ist ein zu bestellender Verfahrenspfleger die Regel.

 

MERKE | Eine Anhörung ohne mögliche Beteiligung eines Verfahrenspflegers ist fehlerhaft. Das Gericht hätte nachträglich die Betroffene anhören und dem Verfahrenspfleger ermöglichen müssen, an der Anhörung teilzunehmen. Dieser Fehler des Gerichts ist ein schwerwiegender Grundrechtseingriff und rechtfertigt daher die Feststellung nach § 62 FamFG.

 

Relevanz für die Praxis

Ein Verfahrenspfleger ist nicht Vertreter des Betroffenen. Auch wenn das Gericht fehlerhaft einen solchen nicht bestellt, muss der Betroffene trotzdem selbst auf laufende Fristen achten. Begründet aber eine Erkrankung eine Betreuung, ist dies im Falle eines umfassenden Einwilligungsvorbehalts zu beachten. Der BGH entschied kürzlich ähnlich, wenn der Betroffene in einer Unterbringungssache nicht persönlich angehört wird (2.12.20, XII ZB 291/20).

 

Weiterführende Hinweise

  • Hier muss ein Verfahrenspfleger bestellt werden, SR 19, 205
  • Gericht muss Vorwürfen gegen den potenziellen Betreuer nachgehen, SR 19, 57
Quelle: Ausgabe 03 / 2021 | Seite 45 | ID 47107432