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· Fachbeitrag · Betreuungsverfahren

Im Betreuungsverfahren muss an den Betroffenen zugestellt werden

| Betroffene sind in allen mit einer Betreuung zusammenhängenden Verfahren verfahrensfähig. Daher ist auch an sie selbst zuzustellen, so der BGH. Dies gilt auch, wenn ein Betreuer bestellt ist, sich um die Post des Betreuten zu kümmern. Eine Beschwerdefrist beginnt daher erst zu laufen, wenn an den Betreuten zugestellt wurde. |

 

Sachverhalt

Eine 82-jährige Demenzkranke hatte ihrem Sohn eine Vorsorgevollmacht ausgestellt. Dabei war sie geschäftsunfähig. Im Dezember 2018 bestellte das AG für sie einen Berufsbetreuer. Dieser erhielt u. a. auch den Aufgabenkreis „Entgegennahme und Öffnen der Post“. Die Entscheidung wurde nur dem Betreuer zugestellt. Die Frau legte dagegen eine von ihrem Sohn gefertigte, nicht unterschriebene Beschwerde ein, die das LG abwies. Hiergegen richtete sich ihre Rechtsbeschwerde. Während des laufenden Verfahrens legte sie erneut eine Beschwerde ein, die diesmal unterschrieben war. Der BGH hob den angefochtenen Beschluss auf und wies die Sache an das LG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Der BGH stellte fest, dass zwar mangels Unterschrift keine wirksame Beschwerde eingelegt worden sei (26.6.19, XII ZR 35/19, Abruf-Nr. 210201). Das LG hätte jedoch binnen der Beschwerdefrist mit einem Hinweis Gelegenheit geben müssen, den Formmangel zu heilen. Eine nachgeholte Unterschrift hätte den Mangel auch rechtzeitig heilen können, denn die Beschwerdefrist war noch nicht abgelaufen.

 

Die Frist beginnt, indem sie dem Beteiligten bekannt gegeben wird (§ 63 Abs. 3 S. 1 FamFG). Zugestellt wurde der Beschluss jedoch an den Betreuer. § 170 Abs. 1 S. 1 ZPO (Zustellung bei nicht prozessfähigen Personen an gesetzlichen Vertreter) ist auf Betroffene im Betreuungsverfahren nicht anzuwenden. Diese sind ohne Rücksicht auf ihre Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig (§ 275 FamFG). Zwar vertrat der Betreuer hier die Betreute gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB). Eine Zustellung an den gesetzlichen Vertreter scheidet hier jedoch aus (vgl. BGH 4.5.11, XII ZB 632/10, Abruf-Nr. 111965). Die Frist zur Einlegung der Beschwerde gegen den am 3.12.18 ergangenen Beschluss begann daher mit Ablauf des 3.5.19 und endete mit Ablauf des 3.6.19 (§ 63 Abs. 3 S. 1 FamFG).

 

Relevanz für die Praxis

Fehlt es an einer Bekanntgabe, beginnt die Frist spätestens mit Ablauf von fünf Monaten zu laufen, nachdem der Beschluss erlassen wurde. Es spielt dabei auch keine Rolle, warum der Beschluss nicht bekannt gegeben wurde. (BGH 11.3.15, XII ZB 571/13, Abruf-Nr. 176052). Gerichte müssen in Fällen wie hier einen Hinweis und damit Gelegenheit geben, eine fehlende Unterschrift nachzuholen.

Quelle: Ausgabe 10 / 2019 | Seite 173 | ID 46138172