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· Fachbeitrag · Betreuungsrecht

Wann ist ein Betreuer zu entlassen?

von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FOM Hochschule Bremen

| Wann sind Fehler eines Betreuers so gravierend, dass sie seine Entlassung erforderlich machen? In einer neuen Entscheidung erklärt der BGH, worauf es hierbei ankommt, und stellt klar: Nicht jede Verfehlung führt dazu, dass eine Eignung für die konkrete Betreuung abzusprechen ist. |

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens ist die Entlassung einer Betreuerin, die seit einigen Jahren als Berufsbetreuerin der Betroffenen bestellt ist. Ihr Aufgabenkreis umfasst unter anderem die Vermögenssorge. Die Betreuungsbehörde hat einen Betreuerwechsel angeregt. Zur Begründung wird ausgeführt, es seien in zahlreichen anderen Betreuungsverfahren Probleme mit der Berufsbetreuerin aufgetreten, die die Rechnungslegung und andere Elemente der Vermögenssorge betreffen.

 

Das AG hat der Anregung entsprochen und unter Anordnung der sofortigen Wirksamkeit die Entlassung vorgenommen und einen anderen Berufsbetreuer bestellt. Auf die Beschwerde der entlassenen Berufsbetreuerin hat das LG den Beschluss des AG aufgehoben. Hiergegen richtet sich die hier gegenständliche Rechtsbeschwerde der Betreuungsbehörde, die die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung zum Ziel hat.

 

  • 1. Für die Entlassung eines Betreuers genügt jeder Grund, der ihn ungeeignet im Sinne des § 1897 Abs. 1 BGB macht. Eine konkrete Schädigung des Betroffenen oder seiner finanziellen Interessen braucht noch nicht eingetreten zu sein. Vor der Entlassung sind durch das Betreuungsgericht aber in der Regel die Mittel der Aufsicht und des Weisungsrechts einzusetzen.
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  • 2. Erkenntnisse, die den Schluss darauf rechtfertigen, dass die Eignung des Betreuers nicht mehr gewährleistet ist, können sich nicht nur aus dem konkreten Betreuungsverfahren, sondern auch aus Vorgängen im Zusammenhang mit der Führung anderer Betreuungen ergeben.
 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde blieb ohne Erfolg (BGH 15.9.21, XII ZB 317/21, Abruf-Nr. 225681). Die Entscheidung des Landgerichts sei revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Entlassung der Berufsbetreuerin nicht vorgelegen haben.

 

§ 1908b BGB regelt die Entlassung des Betreuers

Gemäß § 1908b Abs. 1 BGB habe das Betreuungsgericht den Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt. Die Beurteilung, ob eine bestimmte Person als Betreuer eines konkreten Betroffenen weiterhin geeignet ist, erfordere die Prognose, ob sie voraussichtlich die sich aus der Betreuungsführung folgenden Anforderungen erfüllen kann. Diese Prognose müsse sich jeweils auf die aus der konkreten Betreuung erwachsenden Aufgaben beziehen.

 

Beachten Sie | Eine tatsächliche Schädigung des Betroffenen oder seiner finanziellen Interessen brauche noch nicht eingetreten zu sein.

 

MERKE | In der Regel wird das Gericht vor der Entlassung aber die Mittel der Aufsicht und des Weisungsrechts einzusetzen haben. Jedenfalls ist eine Gesamtschau all derjenigen Umstände vorzunehmen, die für und gegen eine Eignung sprechen. Erkenntnisse, die den Schluss darauf rechtfertigen, dass die Eignung des Betreuers nicht mehr gewährleistet ist, können sich auch aus Vorgängen im Zusammenhang mit der Führung anderer Betreuungen ergeben.

 

LG hat rechtsfehlerfrei geprüft

Vorliegend habe das LG sich rechtsfehlerfrei mit den der Berufsbetreuerin zur Last gelegten Pflichtwidrigkeiten befasst und hierzu eine Gesamtschau vorgenommen. Diese Fehler seien ins Verhältnis zu der Zahl der geführten Betreuungen gesetzt und zutreffend als nicht gravierend genug eingeschätzt worden, um die Eignung zu verneinen.

Relevanz für die Praxis

Der Zwölfte Senat stellt klar, dass die Maßstäbe für eine Entlassung eines Betreuers denen seiner Auswahl entsprechen. Entscheidend ist stets das Vorliegen der Eignung des Betreuers. Diese muss im Zeitpunkt der Bestellung zum Betreuer genauso gegeben sein, wie in deren weiteren Verlauf. Den § 1897 Abs. 1, § 1908b Abs. 1 BGB liegt die gleiche gesetzgeberische Wertung zugrunde. Ziel ist jeweils der Schutz des Wohls des Betroffenen.

 

Beachten Sie | Dem steht das Interesse des Berufsbetreuers an der Durchführung der Betreuung als Ausdruck seiner grundgesetzlich geschützten Berufsausübungsfreiheit gegenüber. Das führt dazu, dass nicht jede Verfehlung zu einer fehlenden Eignung führen kann.

 

Gesamtschau von Verfehlungen

Auch eine Gesamtschau einzelner Verfehlungen in verschiedenen Betreuungen führt nur dann zu einer fehlenden Eignung, wenn es sich um grobe, insbesondere strafrechtlich relevante Verfehlungen handelt. Gleichwohl müssen erfolgte Verfehlungen für die Frage der Geeignetheit auch in anderen Verfahren mit herangezogen werden. Denn hat ein Betreuer bereits in anderen Betreuungen Eignungsmängel in persönlicher oder sachlicher Hinsicht gezeigt, kann das Betreuungsgericht diese Umstände nicht unberücksichtigt lassen. Das folgt zwingend aus dem vorgenannten gesetzlichen Zweck des Schutzes des Betroffenenwohls.

 

Leichte Versäumnisse reichen nicht

Der Betreuungssenat des BGH stellt aber auch klar, dass leichte Versäumnisse wie etwa

  • die verspätete Erstellung der Schlussabrechnung,
  • ein Zahlungsverzug bei der Begleichung von Rechnungen eines Betroffenen oder
  • die unterlassene Kündigung nutzloser Verträge über geringe Summen

 

allenfalls in dem jeweiligen Verfahren zur Entlassung führen können.

 

PRAXISTIPP | Eine Entlassung des Betreuers kann auch nur dann erfolgen, wenn die Verfehlungen wiederholt und auch nach entsprechender Abmahnung auftreten. Der Schluss auf eine grundsätzlich fehlende Eignung zur Führung von Betreuungen kann daraus nicht abgeleitet werden.

 

Die Betreuungspraxis muss daher stets alle fachlichen und persönlichen Umstände zur Bewertung der Eignung eines Betreuers heranziehen und einer wertenden Gesamtbetrachtung zuführen. Nur ganz ausnahmsweise wird diese zum Ergebnis haben, dass einem Berufsbetreuer die Eignung wegen bereits erfolgter Verfehlungen in anderen Verfahren abzusprechen ist. Kommt es zu Verfehlungen im konkreten Verfahren, sind regelmäßig zunächst mildere Mittel zu prüfen, da die Entlassung das letzte Mittel darstellt.

 

Quelle: Ausgabe 01 / 2022 | Seite 2 | ID 47779678