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· Fachbeitrag · Betreuungsrecht

Fehlende persönliche Eignung eines Berufsbetreuers

von RA Prof. Dr. Tim Jesgarzewski, FA FamR, Prof. Dr. Jesgarzewski & Kollegen Rechtsanwälte, Osterholz-Scharmbeck, FOM Hochschule Bremen

| Wann kommt ein Betreuer der ihm anvertrauten Person zu nahe, sodass er in persönlicher Hinsicht nicht für eine Betreuung geeignet ist? Der BGH stellt in einer neuen Entscheidung klar, dass diese Frage stets für den jeweiligen Einzelfall geprüft werden muss. |

Sachverhalt

Der Beteiligte wendet sich gegen seine Entlassung als Berufsbetreuer. Er wurde bereits 2011 für den Betroffenen mit einem umfassenden Aufgabenkreis zum Berufsbetreuer bestellt.

 

Im Jahr 2017 wurde bekannt, dass der Beteiligte mit zwei von ihm betreuten Frauen sexuelle Kontakte unterhalten hatte. Ein gegen den Beteiligten eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Betreuungsverhältnisses wurde wegen eingetretener Verjährung eingestellt. Das AG hat die bestehende Betreuung verlängert, jedoch den Beteiligten als Betreuer entlassen und einen anderen Betreuer bestellt.

 

Das LG hat die hiergegen gerichtete Beschwerde des entlassenen Berufsbetreuers zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde begehrt der Beteiligte, weiterhin zum Betreuer bestellt zu werden.

 

Ein Betreuer ist nur dann geeignet im Sinne des § 1897 Abs. 1 BGB, wenn er neben der fachlichen Qualifikation auch in persönlicher Hinsicht zur Führung der Betreuung geeignet ist.

(Abruf-Nr. 221236)

 

Entscheidungsgründe

Der BGH hat der Rechtsbeschwerde abgeholfen und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen (BGH 3.2.21, XII ZB 181/20, Abruf-Nr. 221236).

 

Erwägungen zum Fehlverhalten

Das LG habe den Wechsel des Berufsbetreuers damit begründet, dass dieser charakterlich nicht geeignet sei, Betreuungen zu führen. Dies ergebe sich daraus, dass er als Berufsbetreuer mit zwei von ihm betreuten Frauen mehrfach sexuelle Handlungen durchgeführt habe.

 

Damit habe er die Vertrauensstellung über einen längeren Zeitraum und mehrfach auch zur Befriedigung eigener Interessen genutzt. Da der Beteiligte sein Fehlverhalten nicht eingeräumt habe, könne nicht ausgeschlossen werden, dass er auch zukünftig vergleichbare Handlungen vornehmen werde.

 

Schlussfolgerungen rechtsfehlerhaft

Diese Erwägungen seien nicht frei von Rechtsfehlern. Zwar müsse die Verlängerungsentscheidung, die eine neue Entscheidung über die Anordnung einer Betreuung betrifft, auch als Entscheidung über die Person des Betreuers nach § 1897 BGB behandelt werden. Die Beurteilung, ob eine bestimmte Person als Betreuer eines konkreten Betroffenen fachlich und persönlich geeignet ist, erfordere aber eine Prognose. Diese Prognose müsse sich jeweils auf eine konkrete Betreuung beziehen und zu der Einschätzung führen, dass die in Aussicht genommene Person das Amt zum Wohl des Betroffenen führen wird.

 

MERKE | Für diese Prognose müsse sich das Gericht naturgemäß auf Erkenntnisse stützen, die in der Vergangenheit wurzeln. Für eine fehlende Geeignetheit müsste ein das Wohl des Betroffenen gefährdender Eignungsmangel auch für die Zukunft begründet werden können.

 

Keine negative Prognose für neue Betreuung

Eine solche Prognose sei vorliegend nach den bisherigen Feststellungen des LG nicht erkennbar:

 

  • Die sexuellen Beziehungen des Beteiligten mit den beiden von ihm betreuten Frauen hätten bereits mehr als zehn Jahre zurückgelegen.
  • Zwischenzeitlich seien keine weiteren vergleichbaren Vorfälle bekannt geworden.
  • Anhaltspunkte dafür, dass der Beteiligte in der Vergangenheit bei der Betreuung männlicher Personen seine Stellung als Betreuer zu seinem Vorteil ausgenutzt hat, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt.
  • Gegenüber diesen Umständen wiege die fehlende Einsicht des Beteiligten in sein früheres Fehlverhalten nicht so schwer, dass der Beteiligte auch zukünftig als ungeeignet zur Führung von Betreuungen jedenfalls für männliche Betreute angesehen werden könne.

Relevanz für die Praxis

Das Unterhalten sexueller Beziehungen eines Berufsbetreuers mit einem Betreuten ist eine schwere Verfehlung. Regelmäßig wird hieraus folgen, dass es an der persönlichen Eignung des Berufsbetreuers mangelt. Wer als Berufsbetreuer einer ihm anvertrauten Person derart nahe kommt, lässt es an der erforderlichen professionellen Distanz vermissen.

 

Beachten Sie | Ein rechtlicher Automatismus für die Feststellung fehlender Eignung besteht in dieser Hinsicht indes nicht.

 

Geeignetheit für den Einzelfall

Der Zwölfte Senat stellt klar, dass die Geeignetheitsprüfung nach § 1897 BGB eine Einzelfallprüfung ist. Erlangt das Betreuungsgericht derartige Kenntnisse, sind diese wertend auf die beabsichtigte Betreuungsentscheidung zu beziehen.

 

Ist hieraus die Prognose einer Gefährdung der Interessen des Betreuten abzuleiten, muss die fehlende persönliche Eignung festgestellt werden.

 

Beachten Sie | Dabei ist stets auch die Rechtsposition des Betreuers zu gewichten. Dieser ist in seiner Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG betroffen.

 

PRAXISTIPP | Wenn wie im vorliegenden Fall die Verfehlungen schon viele Jahre zurückliegen und der Berufsbetreuer in der Folge jahrelang persönlich und fachlich beanstandungsfrei seine Betreuungen durchgeführt hat, ist dies entsprechend anders zu gewichten als zeitnahe Verfehlungen. Auch ist zu differenzieren, ob es um intime Beziehungen zu Männern oder Frauen geht. Hat ein Berufsbetreuer sexuelle Kontakte zu weiblichen Betroffenen unterhalten, dürfte regelmäßig keine konkrete Gefahr für entsprechende Handlungen mit männlichen Betroffenen bestehen. Bloß abstrakte Gefahren rechtfertigen jedoch keine Prognose einer fehlenden persönlichen Eignung.

 

Weiterführende Hinweise

  • Diese Abwägungen gelten, wenn der Berufsbetreuer sein Amt niederlegt: BGH SR 20, 75
  • Bevor es einen neuen Betreuer bestellt, muss das Gericht umfassend prüfen: BGH SR 19, 150
  • Sonderausgabe: Leitfaden Betreuungsrecht

 

Quelle: Ausgabe 05 / 2021 | Seite 75 | ID 47317889