Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Betreuung

Hierauf müssen Sie achten, wenn der Betreuer die Bezugsberechtigung ändern will

| Bei einer Lebensversicherung auf den Tod eines anderen muss in entsprechender Anwendung von § 159 Abs. 2 S. 1 VVG die versicherte Person schriftlich einwilligen, wenn die Bezugsberechtigung im Todesfall geändert werden soll. Entsprechend § 159 Abs. 2 S. 2 VVG kann jedenfalls der für den Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge bestellte Betreuer der versicherten Person diese bei Erteilung der Einwilligung nicht vertreten, wenn die Bezugsberechtigung zu seinen Gunsten geändert werden soll. Hierauf wies der BGH hin. |

 

Sachverhalt

Der Sohn des Beklagten (im Folgenden: Betreuter) hatte zwei Lebensversicherungen abgeschlossen und seine Ehefrau als Bezugsberechtigte für seinen Todesfall benannt. Im April 1993 fiel er infolge eines Unfalls ins Koma. Sein Vater wurde zu seinem Betreuer mit den Aufgabenkreisen „Sorge für die Gesundheit des Betroffenen einschließlich der Zustimmung zu ärztlichen Maßnahmen; Aufenthaltsbestimmung; Vermögenssorge sowie Geltendmachung von Ansprüchen auf Rente, Sozialhilfe und Unterhalt“ bestellt. Die Ehe des Betreuten wurde im August 1994 geschieden.

 

Daraufhin bat der Betreuer in seiner „Eigenschaft als Betreuer“ den VR unter Hinweis auf die Ehescheidung, ihn selbst bei den Lebensversicherungen als bezugsberechtigte Person einzutragen. Er erklärte, dass die Tochter des Betreuten nach Vollendung ihres 18. Lebensjahrs bezugsberechtigt sein solle. Der VR bestätigte dem Betreuer, ihn als widerruflich bezugsberechtigt vorgemerkt zu haben.

 

Der Betreute verstarb Ende des Jahres 2011. Alleinerbin ist seine Tochter. Der VR zahlte die Versicherungsleistungen an den Betreuten aus. 2013 verlangte die geschiedene Ehefrau des Betreuten vom VR die Auszahlung der Versicherungsleistungen. Dem kam der VR nach. Er verklagte daraufhin den Betreuer auf Rückzahlung der ausgezahlten Beträge. Das OLG verurteilte den Betreuer entsprechend.

 

Entscheidungsgründe

Der BGH bestätigte die Entscheidung (25.9.19, IV ZR 99/18, Abruf-Nr. 211813). Er stellte klar, der der VR einen Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB hat. Der Betreuer hat die Versicherungsleistungen ohne rechtlichen Grund erlangt. Ihm stand keine Bezugsberechtigung zu, da er die ursprünglich zugunsten der geschiedenen Ehefrau des Betreuten begründeten Bezugsrechte nicht wirksam dahin geändert hat, dass er bezugsberechtigt wurde.

 

Der Beklagte hatte in seiner Eigenschaft als Betreuer keine Befugnis, die Bezugsberechtigung zu seinen Gunsten zu ändern.

 

Die Änderung der Bezugsberechtigung war unwirksam, weil eine schriftliche oder notariell beurkundete Einwilligung des Betreuten fehlte (vgl. § 126 Abs. 3 BGB in der bis zum 31.7.01 geltenden Fassung).

 

Eine solche Einwilligung war hier in analoger Anwendung des § 159 Abs. 2 S. 1 VVG in der bis zum 31.12.07 geltenden Fassung (im Folgenden: VVG a. F.) erforderlich. Für neuere Vertragswerke gilt der wortgleiche § 150 VVG n. F.

 

  • § 159 Abs. 2 S. 1 VVG a.F. bestimmt, dass, wenn die Versicherung für den Fall des Todes eines anderen genommen wird und die vereinbarte Leistung den Betrag der gewöhnlichen Beerdigungskosten übersteigt, zur Gültigkeit des Vertrags die schriftliche Einwilligung des anderen erforderlich ist.
  •  
  • Diese Vorschrift ist hier nicht unmittelbar anwendbar, weil der Betreuer keinen Lebensversicherungsvertrag für den Fall des Todes des Betreuten abgeschlossen hat.

 

  • § 159 Abs. 2 S. 1 VVG a. F. ist jedoch über seinen Wortlaut hinaus anzuwenden, wenn sein Schutzzweck danach verlangt (BGHZ 219, 142). Das Einwilligungserfordernis zielt nach der Senatsrechtsprechung darauf ab, die Spekulation mit dem Leben anderer zu unterbinden. Es soll insbesondere der Gefahr entgegenwirken, die sich daraus ergeben kann, dass der VN oder ein sonstiger Beteiligter in der Lage ist, den Versicherungsfall herbeizuführen. Die zu versichernde Person soll sich der Gefährdung bewusst werden und das Risiko abwägen können, das sie mit der Einwilligung auf sich nimmt.

 

  • Dementsprechend ist § 159 Abs. 2 S. 1 VVG a. F. analog anzuwenden, wenn die versicherte Person zwar zugleich VN, am Vertragsschluss aber nicht unmittelbar beteiligt ist (BGHZ 140, 167). Dies ist etwa der Fall, wenn der Lebensversicherungsvertrag durch den Bezugsberechtigten als Vertreter des VN, dessen Leben versichert werden soll, abgeschlossen wird, oder wenn ein solcher VN den Versicherungsantrag blanko unterschreibt. Auch bedarf jede spätere gewillkürte Änderung des Begünstigten im Todesfall der Einwilligung der versicherten Person, da eine solche Änderung ihr Risiko betrifft (BGHZ 219 142).

 

  • Aus diesem Grund ist § 159 Abs. 2 S. 1 VVG a. F. auch in der hier in Rede stehenden Konstellation analog anzuwenden. Die von dem Beklagten als Betreuer zu seinen Gunsten vorgenommene Änderung der Bezugsberechtigung für den Todesfall betraf das Risiko des Betreuten, dessen Leben versichert war, weil die Person des Bezugsberechtigten geändert werden sollte.

 

Die danach erforderliche schriftliche Einwilligung des Betreuten lag nicht vor. Dieser selbst erteilte keine solche Einwilligung. Ob der schriftliche Antrag des Betreuers, die Bezugsberechtigung abzuändern, als Einwilligungserklärung im Sinne des § 159 Abs. 2 S. 1 VVG a. F. zu qualifizieren ist, kann offenbleiben. Diese Erklärung wirkt nämlich gemäß § 164 Abs. 1 S. 1 BGB nicht für und gegen den Betreuten. Der Beklagte konnte als Betreuer den Betreuten insoweit nicht wirksam vertreten. Das folgt im Streitfall jedenfalls aus einer entsprechenden Anwendung des § 159 Abs. 2 S. 2 VVG a. F., sodass nicht entschieden werden muss, ob die Erteilung einer Einwilligung nach § 159 Abs. 2 S. 1 VVG a.F. überhaupt in den Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ des Betreuers fiel.

 

Relevanz für die Praxis

§ 159 Abs. 2 S. 2 VVG a. F. beschränkt die Vertretungsmacht des Betreuers nach § 1902 BGB a. F. Danach kann der VN den Versicherten bei der Erteilung der Einwilligung unter anderem dann nicht vertreten, wenn für den anderen ein Betreuer bestellt ist und die Vertretung in den seine Person betreffenden Angelegenheiten dem VN zusteht.

 

Wie § 159 Abs. 2 S. 1 VVG a. F. bezweckt die Bestimmung, die versicherte Person vor der Gefahr zu schützen, die sich daraus ergeben kann, dass der VN oder ein sonstiger Beteiligter in der Lage ist, den Versicherungsfall herbeizuführen. § 159 Abs. 2 S. 2 VVG a. F. soll sicherstellen, dass der gesetzliche Vertreter der versicherten Person von der Vertretung unter allen Umständen ausgeschlossen ist, wenn er selbst als VN beteiligt ist und daher ‒ in Ermangelung eines anderen Bezugsberechtigten ‒ vom Todesfall profitieren würde.

 

Dieser Schutzzweck gebietet es, § 159 Abs. 2 S. 2 VVG a. F. im Streitfall über seinen Wortlaut hinaus anzuwenden. Der Betreuer würde durch die wirksame Änderung der Bezugsberechtigung aus den Lebensversicherungen begünstigt. Wenn er nicht für alle denkbaren, die Person des Betreuten betreffenden Angelegenheiten zu dessen Betreuer bestellt wurde, ist das nach dem Zweck des § 159 Abs. 2 S. 2 VVG a. F. unerheblich.

 

Für die Argumentation in entsprechenden Fällen müssen Sie zudem zwei weitere Punkte beachten, die sich in der Entscheidung finden:

 

  • Dem Rückforderungsanspruch des VR steht nicht entgegen, dass er die Bezugsrechtsänderung zunächst schriftlich anerkannt hat. Das gilt schon deswegen, weil dem Schreiben keine Erklärung entnommen werden kann, dass er auf Einwendungen gegen die Bezugsrechtsänderung verzichten wollte.

 

  • Der Betreuer kann den Rückzahlungsansprüchen nicht entgegenhalten, dass der VR verpflichtet wäre, ihm die zurückgeforderten Beträge im Wege des Schadenersatzes wegen Verletzung einer Hinweispflicht wieder zu erstatten. Der VR musste den Betreuer nicht darauf hinweisen, dass eine vormundschaftliche Genehmigung erforderlich sei. Auch ein Hinweis auf die entsprechend § 159 Abs. 2 VVG a. F. erforderliche schriftliche Einwilligung des Betreuten war nicht geboten. Diese Vorschrift bezweckt den Schutz allein der versicherten Person. Der Betreuer als von der Bezugsrechtsänderung potenziell Begünstigter steht außerhalb des Schutzbereichs der Norm. Daran ändert auch der von der Revision hervorgehobene Umstand nichts, dass der VR in seinem Schreiben mitteilte, den Betreuer als widerruflich bezugsberechtigt vorgemerkt zu haben.
Quelle: Ausgabe 01 / 2020 | Seite 10 | ID 46262448