Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

· Fachbeitrag · Arzthaftung

Grenzen der Aufklärungspflicht

| Ein Patient muss über Chancen und Risiken einer Operation „im Großen und Ganzen“ aufgeklärt werden, sagt der BGH. Ein unterschriebener Aufklärungsbogen reicht dazu nicht aus. Aber, nicht über alles und jedes muss aufgeklärt werden (OLG Dresden 9.5.17, 4 U 1491/16, Abruf-Nr. 194845 ). |

 

Sachverhalt

Dem Kläger wurde nach einem Trümmerbruch des Radiuskopfs eine Radiuskopfprothese implantiert. Vorausgegangen war ein ärztliches Aufklärungsgespräch. Der Kläger unterschrieb einen Aufklärungsbogen. Im weiteren Verlauf wurde eine zweite Operation in einer anderen Klinik notwendig, in der die Prothese gegen einen kleinere ausgetauscht wurde. Der Kläger forderte Schmerzensgeld, Schadenersatz und eine monatliche Rente, da der behandelnde Arzt

  • eine zu große Prothese eingesetzt,
  • ihn nicht über die Risiken für die Beweglichkeit aufgeklärt sowie
  • keine Anleitungen für eine notwendige Physiotherapie gegeben habe.

 

Nachdem das LG die Klage abgewiesen hatte, legte der Kläger Berufung zum OLG Dresden ein. Das LG habe falsch entschieden, da ein ärztlicher Aufklärungsbogen allein nicht genüge und ihm die möglichen OP-Maßnahmen hätten verständlich erklärt werden müssen. Das OLG wies die Berufung zurück.

 

Entscheidungsgründe

Die Operation war wegen der Verletzung des Klägers eindeutig angezeigt. Die Auswahl der Köpfchengröße des Implantats falle in das Ermessen des Operateurs. Ein sicheres Messverfahren gäbe es nicht und es sei üblich, dass während des Eingriffs entschieden werde, welche Größe gewählt wird. Selbst wenn nachträglich eine kleinere Prothese eingesetzt wird, bedeutet das nicht, dass der Operateur bei seiner Einschätzung ein zu großes Modell gewählt hat.

 

Die Nachversorgung war nicht zu beanstanden: Eine Ruhigstellung und anschließend, täglich zweimalige Bewegungsübungen standen im Arztbrief.

 

Auch hätte der Arzt nicht auf eine „fehlende Fachkompetenz“ hinweisen müssen, denn hierfür gab es keine Anhaltspunkte. Die durchgeführte Ellenbogen-OP ist zwar eine vergleichsweise seltene. Der beigezogene Sachverständige erklärte jedoch, dass es keine Spezialkliniken hierfür gäbe und die OP auch in anderen Kliniken jährlich nur vier- bis fünfmal vorkäme. Ein Behandlungsfehler war im übrigen weder bei der Indikationsstellung, der durchgeführten Operation, noch bei der anschließenden Behandlung festzustellen.

 

Relevanz für die Praxis

Mangelhafte ärztliche Aufklärung oder einen Behandlungsfehler nachzuweisen, ist und bleibt schwierig. Schriftliche Aufzeichnungen, ob und wie ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hat, sind dringend zu empfehlen. Fehlen solche Aufzeichnungen, darf dies aber nicht dazu führen, dass der Arzt regelmäßig beweisfällig für die behauptete Aufklärung bleibt (BGH 28.1.14, VI ZR 143/13). Das Gericht hat einen großen Spielraum, wenn es die Umstände rund um die ärztliche Aufklärung abwägen und einschätzen muss.

 

Der BGH betont aber auch, dass an die Substanziierungspflicht in einem Arzthaftungsprozess nur maßvolle Anforderungen zu stellen sind. Dem Patienten fehlt die genaue Einsicht in das Behandlungsgeschehen und das nötige Fachwissen, um den Konfliktstoff zu erfassen und darzustellen. Die Patientenseite darf sich deshalb auf einen Vortrag beschränken, der die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens des Arztes aufgrund der Folgen für den Patienten gestattet (BGH 14.3.17, VI ZR 605/15).

 

PRAXISHINWEIS | Beim Aufklärungsgespräch sollten ein oder besser mehrere Zeugen anwesend sein. Diese Aufgabe empfiehlt sich natürlich auch Betreuern, geschulten Bevollmächtigten oder einem Vorsorgeanwalt.

 

Vom Patienten darf verlangt werden, in einem zumutbaren Rahmen mitzudenken. So merkte das OLG hier an, dass nach einer solchen OP allgemein bekannt sein dürfte, dass anschließend Bewegungsübungen notwendig sind.

 

 

Weiterführende Hinweise

  • Ärztlicher Behandlungsfehler: Was tun?, SR 14, 69
  • Schmerzbild muss ärztlich nachgewiesen werden, SR 17, 75
Quelle: Ausgabe 07 / 2017 | Seite 115 | ID 44734242