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· Fachbeitrag · Testament

Widerruf von Testamenten: So geht es richtig

von RA Uwe Gottwald, VRiLG a.D., Vallendar

| Der Erblasser kann ein Testament sowie einzelne darin enthaltene letztwillige Verfügungen jederzeit widerrufen. Der Beitrag erläutert, worauf Sie dabei achten müssen bzw. wie Sie den Widerruf beseitigen können. |

1. Gegenstand des Widerrufs

Die Testierfreiheit beinhaltet das Recht des Erblassers, ein einseitiges Testament oder einzelne Anordnungen darin bis zu seinem Tod jederzeit zu widerrufen oder zu ändern, § 2253 BGB. Der Erblasser soll die Erbfolge neu bestimmen können. Ein Vertrag darüber, testamentarische Anordnungen nicht zu widerrufen, ist nichtig, § 2302 BGB. Der Widerruf eines Testaments ist ebenfalls eine letztwillige Verfügung mit Ausnahme der Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung, § 2256 BGB. Deshalb setzt er die Testierfähigkeit des Widerrufenden voraus (Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 2253 Rn. 2). Stellvertretung ist ausgeschlossen, § 2064 BGB.

 

Ist eine Bindung, wie z. B. beim gemeinschaftlichen Testament oder beim Erbvertrag möglich, ist der Widerruf im Einzelfall eingeschränkt (bei wechselbezüglichen Verfügungen nach §§ 2271, 2296 BGB, bei vertragsmäßigen Verfügungen nach §§ 2290 bis 2292 BGB). Beim Erbvertrag gelten besondere Rücktrittsvorschriften, §§ 2293 bis 2295 BGB.

 

Es können privatschriftliche oder öffentliche Testamente sowie die sog. Nottestamente widerrufen werden. Für gemeinschaftliche Testamente gilt, dass sie uneingeschränkt von beiden Erblassern gemeinschaftlich widerrufen werden können. Ein Ehegatte/Lebenspartner allein kann wechselbezügliche Verfügungen nur in der Form der §§ 2271, 2296 BGB wirksam widerrufen.

2. Wirkung des Widerrufs

Der wirksame Widerruf hebt das widerrufene Testament mit dem Zeitpunkt der Unterschrift auf. Endgültig wirksam wird er mit dem Eintritt des Erbfalls.

3. Arten des Widerrufs

Das Gesetz kennt verschiedene Arten des Widerrufs. Den Widerruf

  • durch Testament (§ 2254 BGB),
  • durch Vernichtung oder Veränderungen (§ 2255 BGB),
  • durch Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung (§ 2256 BGB) oder
  • durch späteres widersprechendes Testament (§ 2258 BGB).

 

MERKE | Diese Möglichkeiten sind abschließend. Ein Testament kann nicht konkludent widerrufen werden (MüKo/Hagena, BGB, 6. Aufl., § 2253 Rn. 2).

 

a) Widerrufstestament

Das Widerrufstestament kann sich darauf beschränken, das frühere Testament zu widerrufen, § 2254 BGB. Es unterliegt den allgemeinen Formerfordernissen eines Testaments, bedarf aber nicht derselben Form wie das widerrufene Testament. Ein notariell beurkundetes Testament ist durch ein privatschriftliches, ein privatschriftliches durch ein notarielles Testament widerrufbar. Bei Zweifeln ist der Widerrufswille durch Auslegung zu ermitteln (OLG Hamm Rpfleger 97, 529). Das Widerrufstestament ist formgültig, wenn der Wortlaut der Niederschrift aus dem Schriftstück selbst heraus ermittelt werden kann (KG ZEV 98, 387). Erforderlich ist, dass sich aus dem Widerrufstestament eindeutig ein Testier- sprich Aufhebungswille des Erblassers ergibt.

 

Hat der Erblasser sein Testament widerrufen, greift i. d. R. die gesetzliche Erbfolge. War durch das widerrufene Testament allerdings ein davor errichtetes Testament abgeändert bzw. widerrufen worden, führt der Widerruf des späteren Testaments im Zweifel dazu, dass das zuerst errichtete Testament erneut gilt, § 2257 BGB. Will der Erblasser dies nicht, muss er das im Widerrufstestament deutlich machen. Dabei braucht aber das Wort „Widerruf“ oder „Aufhebung“ nicht enthalten zu sein (BayObLG FamRZ 04, 224), ist allerdings zweckmäßig, um Auslegungen zu vermeiden. Erforderlich ist, dass der Erblasser ausdrücklich die Erbfolge anders als zuvor regeln wollte (BayObLG, a.a.O.).

 

MERKE | Auch ein Widerrufstestament, das keine Erbeinsetzung ausspricht, ist nach den allgemeinen Bestimmungen zu eröffnen, § 348 Abs. 1 FamFG.

 

b) Widerruf durch Veränderung oder Vernichtung des Testaments

Vernichtet der Erblasser die Testamentsurkunde mit Widerrufswillen, ist das ein wirksamer Widerruf (z. B. dadurch, dass er das Testament zerreißt, BayObLG FamRZ 92, 1350). Hat der Erblasser ein Testament in Widerrufsabsicht (zur Absicht: vgl. OLG Hamm NJW-RR 02, 222) zerrissen, kann dieser Widerruf nicht widerrufen werden (hier: erneutes Zusammenkleben des Schriftstücks, BayObLG ZEV 96, 471; Hohmann, ZEV 96, 271).

 

Ehegatten können ein gemeinschaftliches Testament auch dadurch widerrufen, dass sie es einvernehmlich vernichten (BayObLG MDR 81, 933). Seine eigenen einseitigen Verfügungen kann jeder Ehegatte in der Form des § 2255 BGB widerrufen (ohne Zustimmung des anderen und auch noch nach dessen Tod), solange das Testament nicht an das Nachlassgericht abgeliefert worden ist (BayObLG a. a. O.). Ist dem Überlebenden im gemeinschaftlichen Testament der Widerruf einer wechselbezüglichen Schlusserbeneinsetzung vorbehalten, kann er das Widerrufsrecht nur ausüben, indem er ein weiteres Testament errichtet, nicht jedoch, indem er die Testamentsurkunde gem. § 2255 S. 1 BGB vernichtet (OLG Hamm, a.a.O.; OLG Stuttgart NJW-RR 86, 632; zu den Anforderungen an den Nachweis, dass der Erblasser das Testament vernichtet hat, wenn nur noch eine Kopie vorliegt (BayObLG FamRZ 98, 1469).

 

Hat der Erblasser das Testament vernichtet oder verändert, z. B. durch einen Ungültigkeitsvermerk, gilt die - widerlegbare - Vermutung, dass er das Testament bzw. die betreffende Bestimmung aufheben wollte, § 2255 S. 2 BGB.

 

Hat der Erblasser Verfügungen im Testament durchgestrichen, kann die Vermutung des Aufhebungswillens (§ 2255 S. 2 BGB) als widerlegt angesehen werden, wenn feststeht, dass dies nur dazu diente, ein neues Testament vorzubereiten, in dem inhaltlich wieder gleiche Verfügungen getroffen werden sollten (BayObLG BayObLGZ 97, 209 = ZEV 97, 453 = FamRZ 98, 258).

 

MERKE | Der Erblasser muss bei der entsprechenden Handlung testierfähig sein, § 2229 BGB.

 

c) Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung

Der Widerruf durch Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung gilt nur für das öffentliche (notarielle) Testament, nicht auch für das privatschriftliche, § 2256 Abs. 3 BGB.

 

Das öffentliche Testament darf dem Erblasser nicht ausgehändigt werden. Der Notar muss es vielmehr in die besondere amtliche Verwahrung geben, nachdem er es im Verwahrungsumschlag verschlossen hat, § 34 Abs. 1 S. 4 BeurkG. Erst wenn es dort gelangt ist, kann es durch die Rücknahme nach § 2256 Abs. 1 BGB widerrufen werden. Wie sich aus den Worten „gilt als widerrufen“ (§ 2256 Abs. 1 S. 1 BGB) entnehmen lässt, wirkt die Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung sogar gegen den Willen des Erblassers als Aufhebung. Voraussetzung ist dessen Rückgabeverlangen. Es bedarf keiner Form. Im Zeitpunkt der Rückgabe muss es persönlich gestellt sein. Die Rücknahme ist ein Rechtsgeschäft unter Lebenden und vom Gesetzgeber mit der Wirkung einer letztwilligen Verfügung ausgestaltet, obwohl deren Form nicht eingehalten ist.

 

Die Rückgabe muss an den Erblasser persönlich erfolgen, bei gemeinschaftlichen Testamenten an beide Ehegatten/Lebenspartner, § 2272 BGB. Das Nachlassgericht muss den Erblasser darüber belehren, wie die Rücknahme wirkt. Es muss die Belehrung auf der Testamentsurkunde vermerken, § 2256 Abs. 1 S. 2 BGB; beides ist auch in den Testamentsakten zu vermerken. Ein Verstoß hiergegen ändert jedoch nichts an der Widerrufswirkung, da es sich um eine Sollvorschrift handelt. Da der Erblasser testierfähig sein muss, muss das Nachlassgericht Anhaltspunkten mangelnder Testierfähigkeit nachgehen, wenn er sein öffentliches Testament aus der besonderen amtlichen Verwahrung zurücknehmen will. Wenn anzunehmen ist, dass er testierunfähig ist, ist die Rückgabe zu verweigern. Bei Rückgabe an den testierunfähigen Erblasser tritt die Widerrufswirkung nicht ein.

 

MERKE | Wie der Widerruf nach § 2255 BGB ist auch der Widerruf durch Rücknahme des öffentlichen Testaments aus der besonderen amtlichen Verwahrung nicht seinerseits rücknehmbar. Der Erblasser kann ein nach § 2256 BGB aufgehobenes Testament im Allgemeinen auch nicht durch einen Vermerk wieder in Kraft setzen, selbst wenn er diesen neu unterschreibt. Denn da das öffentliche Testament i. d. R. nicht eigenhändig geschrieben ist, fehlt bei Bezugnahme auf dessen Text die erforderliche Form. Ist das öffentliche Testament jedoch durch Übergabe einer eigenhändig abgefassten Schrift des Erblassers errichtet worden, kann ein darauf angebrachter Geltungsvermerk wie „Ist nicht widerrufen“ mit Unterschrift als neues Testament gültig sein.

 

Privatschriftliche Testamente, die in die besondere amtliche Verwahrung gegeben worden sind (§ 2248 BGB), kann der Erblasser jederzeit zurücknehmen, ohne dass dies deren Wirksamkeit berührt, § 2256 Abs. 2, 3 BGB.

 

d) Errichtung eines abändernden, widersprechenden Testaments

Der Widerruf kann durch ein widersprechendes Testament (§ 2258 BGB) erfolgen. Nach dieser Vorschrift wird ein früheres Testament durch ein späteres insoweit aufgehoben, als der Erblasser durch das spätere Testament die Erbfolge abschließend und ausdrücklich neu regelt, ohne dass das spätere Testament das frühere ausdrücklich widerruft. Es kommt hier auf die Testierfähigkeit und nicht auf den Aufhebungswillen des Testierenden an. Unerheblich ist, ob er an das frühere Testament gedacht hat (OLG München ZErb 10, 296).

 

Ob das später errichtete Testament dem früheren Testament widerspricht und ob durch das spätere Testament die Erbfolge abschließend und ausdrücklich neu geregelt werden soll, ist oft schwer festzustellen (vgl. u. a.: OLG Köln FamRZ 93, 242; BayObLG FamRZ 02, 1434; FamRZ 89, 441; BGH NJW 85, 969). Setzen sich z. B. Eheleute im gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben und Dritte zu (Schluss-)Erben nach dem Tod des überlebenden Ehegatten ein, steht dazu ein späteres Testament, das nur die gegenseitige Erbeinsetzung enthält, nur in Widerspruch, wenn feststeht, dass die Eheleute wollten, dass ausschließlich das spätere Testament gilt. Ob dies der Fall ist, muss durch Auslegung geklärt werden (BayObLG FamRZ 91, 866).

 

Problematisch kann es auch sein, wenn die neuen Regelungen den früheren Anordnungen nur teilweise widersprechen. Ob die früheren Anordnungen insgesamt aufgehoben sein oder teilweise weitergelten sollen, ist eine Frage der Auslegung, für die es keine gesetzliche Beweisregel gibt. Hat z. B. der Erblasser einen Freund zum Alleinerben eingesetzt und verfügt er im späteren Testament, dass seine Ehefrau zur Hälfte Erbe werden soll, wird zu ermitteln sein, ob die andere Hälfte dem Freund verbleiben oder nun nach § 2088 Abs. 1 BGB insoweit gesetzliche Erbfolge eintreten soll.

 

Es kann schwierig sein festzustellen, ob der Erblasser eine frühere Bestimmung aufheben oder ergänzen wollte. Vermacht er dem Sportverein testamentarisch zunächst 2.000 EUR und später 1.000 EUR, kann er das Vermächtnis um 1.000 EUR verringern oder erhöhen wollen. Auch dafür gibt es keine gesetzliche Beweisregel. Das Gericht muss den Inhalt des zweiten Testaments durch Auslegung ermitteln (BayObLG FamRZ 02, 1434; BGH NJW 81, 2745).

 

  • Beispiele
  • 1. Erblasser E hat in einem privatschriftlichen Testament seinen Sohn S zum Erben eingesetzt und seinen Enkel N zum Nacherben berufen. Fünf Jahre später verfasst er erneut ein Testament, in dem S zum Erben eingesetzt wird und die Nacherbenstellung des N nicht mehr erwähnt ist. Die Nacherbfolge ist damit aufgehoben, § 2258 Abs. 1 BGB.

 

  • 2. Was würde gelten, wenn im obigen Fall die beiden Testamente ohne Datum wären und unaufklärbar wäre, welches später geschrieben wurde?
  • Fehlt das Datum, schadet das an sich nicht, § 2247 Abs. 2 BGB. Beide Testamente gelten als gleichzeitig errichtet und da sie sich gegenseitig widersprechen, heben sie sich gegenseitig auf. E und F erben nicht etwa je 1/2, sondern es tritt die gesetzliche Erbfolge ein.

 

  • 3. E hat 2001 ein privatschriftliches Testament errichtet und A zum Erben berufen; 2002 hat er in einem zweiten Testament B zum Erben berufen. 2004 streicht er im Testament von 2001 das Datum durch und ersetzt es durch „2004“, ohne erneut zu unterschreiben. Welches Testament gilt?
  •  
  • Das Ändern des Datums stellt einen Widerruf des Testaments aus 2002 dar. Damit gilt das Testament von 2001/2004, das A einsetzt, § 2258 Abs. 2 BGB. Einer erneuten Unterschrift des E bedarf es nicht.
 

PRAXISHINWEIS | Da maßgeblich die Anordnungen sind, die im letzten (jüngsten) Testament getroffen sind, sollten Sie dem Erblasser raten, in jedem Testament zumindest das Ausstellungsdatum anzugeben.

 

4. Widerruf des Widerrufstestaments

Wird ein Testament durch ein neues widerrufen (§ 2254 BGB), kann der Erblasser auch das Widerrufstestament widerrufen. Der Widerruf des Widerrufs ist ebenfalls eine letztwillige Verfügung (Palandt/Weidlich, a.a.O., § 2257 Rn. 1).

 

MERKE | Der nach § 2255 und § 2256 BGB erfolgte Widerruf ist unwiderruflich. Der Erblasser muss insoweit ein neues (identisches) Testament errichten.

 

5. Anfechtung des Widerrufs

Der Widerruf ist sowohl bei Widerruf einer Erbeinsetzung als auch bei Widerruf eines Vermächtnisses nach § 2078 BGB anfechtbar. Im ersten Fall durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht (§ 2081 BGB) und im zweiten Fall gegenüber dem Vermächtnisnehmer, §§ 143, 2147 BGB. Das gilt auch in den Fällen, in denen das Testament durch Vernichtung oder Veränderungen (§ 2255 BGB) oder durch Rücknahme aus der besonderen amtlichen Verwahrung (§§ 2256, 2272 BGB) widerrufen wurde.

 

Hat sich der Erblasser bei fehlender Belehrung oder auch trotz Belehrung über die Rücknahmewirkung geirrt, was im zweiten Fall kaum beweisbar sein wird, kann nach heute überwiegender Meinung die Rücknahme nach § 2078 Abs. 1 BGB angefochten werden. Daneben kommt eine Anfechtung nach § 2078 Abs. 2 BGB u. a. in Betracht, wenn der Erblasser sich vorgestellt hat, er könne den in der Rücknahme liegenden Widerruf durch Vermerk auf dem Testament wieder beseitigen, oder wenn er das Testament in der irrigen Vorstellung zurückgenommen hat, ein anderes, im wesentlichen inhaltsgleiches Testament formgültig errichtet zu haben. Der Erblasser kann ein in amtliche Verwahrung gegebenes Testament nicht dadurch widerrufen, dass er dessen Aushändigung an einen Bevollmächtigten veranlasst (OLG Saarbrücken NJW-RR 92, 586).

Quelle: Ausgabe 11 / 2016 | Seite 198 | ID 44355586