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· Fachbeitrag · Pflegeheime und deren Beschäftigte

Ambulant tätige Pflegeperson als Erbin eingesetzt ‒ Testament wirksam?

von RA und Notar, StB, FA ErbR Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn

| Nach § 7 des Wohn- und Teilhabegesetzes (WTG) ist es Pflegeheimen und deren Beschäftigten untersagt, sich von Nutzern Geld oder geldwerte Leistungen über das vertraglich vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen. Ein Testament zugunsten eines solchen Leistungsanbieters ist nichtig. Das OLG Köln hatte in seinem Urteil vom 21.8.19 zu entscheiden, ob diese Vorschrift auch auf ambulante Dienste Anwendung findet. |

 

Sachverhalt

E war seit Anfang 2014 wegen seiner Parkinsonerkrankung körperlich pflegebedürftig. Im Gutachten der Pflegezentrale von Oktober 2015 wurde als pflegebegründende Diagnose u. a. eine „nicht näher bezeichnete Demenz“ angegeben. Ambulante Pflegeperson war Frau A. Im Mai 2016 suchte der jetzige Verfahrensbevollmächtigte von Frau A den späteren Erblasser mehrfach auf und beriet ihn wegen seines Nachlasses. In der Folgezeit errichtete E mit Datum „8.6.2016“ ein handschriftliches Testament, in dem er die A zu seiner Alleinerbin einsetzte.

 

Am 14.10.16 schloss E einen Heimvertrag und zog in ein Altenzentrum um. Den Heimvertrag unterschrieb der Erblasser, die Ermächtigung zur Verwaltung der persönlichen Barbeträge die A als seine Bevollmächtigte. Durch Beschluss vom 27.1.17 wurde sodann der jetzige Verfahrensbevollmächtigte der A zum Betreuer des Erblassers mit umfassendem Aufgabenkreis bestellt.

 

Nach dem Tod des E beantragte die A einen sie als Alleinerbin ausweisenden Erbschein auf Basis des handschriftlichen Testaments. Dem traten die beiden Kinder des E entgegen. Sie sind der Auffassung, der Erblasser sei infolge seiner Demenzerkrankung zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht mehr testierfähig gewesen. Jedenfalls aber sei die letztwillige Verfügung gemäß §§ 134 BGB, 7 WTG nichtig.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht ist der Auffassung, dass das Testament jedenfalls nicht nach §§ 134 BGB, 7 WTG nichtig ist (OLG Köln 21.8.19, 2 Wx 216/19 und 2 Wx 217/19, Abruf-Nr. 215390).

 

Dabei könne offenbleiben, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 WTG vorliegen, ob A also tatsächlich Leistungsanbieterin i. S. v. § 3 Abs. 2 WTG gewesen ist. Denn Leistungsanbieterin kann die A allenfalls in der Form eines ambulanten Dienstes gem. § 2 Abs. 2 Ziff. 4, § 33 WTG gewesen sein. Auf ambulante Dienste sind jedoch die §§ 4-10 WTG, also auch der hier „ins Feld geführte“ § 7 WTG, nicht anwendbar. Der Erblasser hat in der Zeit, in der er von der A betreut wurde, allein in seinem eigenen Haushalt und nicht in einer Wohngemeinschaft mit älteren oder pflegebedürftigen Menschen oder mit Menschen mit Behinderung gelebt.

 

Eine anderweitige Auslegung des § 34 S. 1 WTG kommt nicht in Betracht. Eine planwidrige, ausfüllungsbedürftige Regelungslücke ist nicht gegeben. Gegen eine solche Lücke spricht schon der eindeutige Wortlaut von § 34 S. 1 WTG.

 

MERKE | Der Gesetzgeber hat in § 34 S. 1 WTG und § 34 S. 2 WTG eindeutig zwischen ambulanten Diensten, die Leistungen in Angeboten nach § 24 Abs. 1 WTG erbringen, und allen anderen ambulanten Diensten unterscheiden wollen. Während auf ambulante Dienste der ersten Variante alle Vorschriften des 2. Kapitels, d. h. auch § 7 WTG, keine Anwendung finden sollen, wird für alle anderen ambulanten Dienste nur eine Vorschrift des 2. Kapitels ausdrücklich ausgenommen, und zwar § 9 WTG. Diese eindeutige Unterscheidung zwischen den verschiedenen ambulanten Diensten und das Herausgreifen einer konkreten Vorschrift zeigen, dass der Gesetzgeber hier offenbar bewusst unterschieden hat und dabei auch sämtliche Vorschriften des 2. Kapitels des WTG im Blick hatte. Eine unbewusste Regelungslücke kann somit ausgeschlossen werden.

 

Relevanz für die Praxis

Offensichtlich ist natürlich, dass der geschilderte Fall nicht ganz unproblematisch ist ‒ der heutige Verfahrensbevollmächtigte der Begünstigten berät den Erblasser bei einem Testament zugunsten einer Pflegeperson und wird zu allem Überfluss auch noch zu dessen Betreuer bestellt. Es muss allerdings gesehen werden, dass auch eine Anwendung von § 7 WTG auf alle ambulanten Leistungen nicht unproblematisch wäre. Die Abgrenzung von ambulanten Leistungen zu Hilfeleistungen von Nachbarn, Freunden und Verwandten für einen im eigenen Haushalt lebenden pflegebedürftigen Menschen würde zu Schwierigkeiten führen, die der Gesetzgeber offenbar vermeiden wollte.

Quelle: Ausgabe 07 / 2020 | Seite 113 | ID 46655386