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· Fachbeitrag · Beeinträchtigende Schenkungen

So setzen Sie den Anspruch des Vertragserben gegen den Beschenkten erfolgreich um

von RA Uwe Gottwald, VRiLG a.D., Vallendar

| In der Praxis kommt es öfter vor, dass der Erblasser, der durch einen Erbvertrag den Erben bestimmt hat, sich mit diesem überwirft. Wenn er sich im Erbvertrag keinen Rücktritt vorbehalten hat, wird er geneigt sein, sein Vermögen zu Lebzeiten zu mindern, damit nur noch der Rest im Todesfall an den Erben fällt. Ein Mittel der Vermögensminderung ist die Schenkung von Gegenständen oder Grundstücken an Dritte. Der Beitrag zeigt, wie sich der Vertragserbe dagegen wehren kann. |

1. Allgemeines

Der Erblasser kann, auch wenn er einen Erbvertrag geschlossen hat, frei über sein gesamtes Vermögen durch Rechtsgeschäft unter Lebenden verfügen, es veräußern, belasten oder auch verschenken, § 2286 BGB. Damit er das Verbot einer den Erben beeinträchtigenden Verfügung von Todes wegen (§ 2289 Abs. 1 S. 2 BGB) nicht durch lebzeitige Verfügungen umgeht, gibt der Gesetzgeber dem Erben bei „Schenkungen in Beeinträchtigungsabsicht“ (sog. „böslichen Schenkungen“; vgl. Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl., § 2287 Rn. 1) einen Anspruch auf Herausgabe des Geschenks. Dieser Anspruch entsteht erst mit dem Erbfall, richtet sich nur gegen den Beschenkten und dazu nach den Regeln über die ungerechtfertigte Bereicherung (BGHZ 82, 274 = FamRZ 81, 1173).

 

Wegen der vergleichbaren Interessenlage ist nach der ständigen Rechtsprechung des BGH § 2287 BGB auf bindend gewordene wechselbezügliche Verfügungen von Todes wegen in gemeinschaftlichen Testamenten entsprechend anzuwenden, § 2270 BGB (vgl. BGH ZEV 16, 641 = FamRZ 16, 2004). Wenn Ehegatten sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben einsetzen und zum Schlusserben ihren gemeinsamen Sohn eingesetzt und bestimmt haben, dass diese Verfügungen wechselbezüglich sein sollen, ist der Schlusserbe nach dem Tod des Erstversterbenden gegen „bösliche Schenkungen“ des überlebenden Ehegatten nach § 2287 BGB analog geschützt. Dadurch wird der Anwendungsbereich der Vorschrift erheblich erweitert.

2. Voraussetzungen des Anspruchs nach § 2287 BGB

Bei § 2287 BGB sind als selbstständige Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen, ob eine Schenkung einerseits und die Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers andererseits vorliegen (BGH ZEV 16, 641 = s. o.).

 

a) Schenkung des Erblassers

Schenkung i. S. d. § 2287 Abs. 1 BGB ist eine solche i. S. v. § 516 BGB (BGH, a.a.O.). Dazu zählt im Regelfall auch die sog. „ehebedingte“ (oder „unbenannte“) Zuwendung unter Ehegatten (BGHZ 116, 167= NJW 92, 564; ZEV 96, 25). Eine Schenkung ist auch gegeben, wenn der Erblasser die Zuwendungen nicht aus dem Stamm seines Vermögens, sondern aus Zinserträgen, Mieteinnahmen oder seinen laufenden Einkünften gewährt (Staudinger/Kanzleiter, BGB, 2014, § 2287, Rn. 5). Schließlich fallen auch die gemischte Schenkung sowie die verschleierte Schenkung unter den Begriff der Schenkung in § 2287 Abs. 1 BGB (Palandt/Weidlich, a.a.O., Rn. 4), wobei es auch auf den Schenkungswillen des Erblassers ankommt (BGHZ 82, 274 = NJW 82, 43).

 

Wird ein Gegenstand vom Erblasser an einen Freund zu einem „Freundschaftspreis“ abgegeben, kann auch eine gemischte Schenkung ausscheiden (vgl. Palandt/Weidlich, a.a.O., Rn. 4).

 

In Betracht kommen beim Erbvertrag nur solche Schenkungen, die der Erblasser nach dessen Abschluss und beim gemeinschaftlichen Testament nur solche, die der überlebende Ehegatten nach Eintritt der Bindungswirkung (durch Tod des Erstversterbenden) vornimmt.

 

b) Beeinträchtigungsabsicht als Missbrauch der Verfügungsbefugnis

Der Erblasser muss ferner in Benachteiligungsabsicht gehandelt haben. Nach der Rechtsprechung des BGH ist diese mit der Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, meist untrennbar verbunden und daher ‒ vielleicht von Ausnahmefällen abgesehen ‒ in einer solchen Lage praktisch immer gegeben (vgl. BGHZ 66, 8 = NJW 76, 749). Dennoch greift die Vorschrift nicht bei (fast) jeder Schenkung dieser Art ein. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen (§ 2286 BGB) missbraucht hat (BGHZ 59, 343 = NJW 73, 240; BGHZ 77, 264NJW 80, 2307; BGHZ 82, 274 = FamRZ 81, 1173).

 

MERKE | Es muss nach der BGH-Rechtsprechung darauf abgestellt werden, ob ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an seiner Vermögensdisposition anzuerkennen ist oder ob die Verfügung allein darauf angelegt ist, dass ein anderer als der Vertrags- oder Schlusserbe wesentliche Vermögensteile nach dem Tod des Erblassers ohne angemessene, in den Nachlass fließende Gegenleistung erhalten sollte.

 

Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers wäre etwa anzuerkennen, wenn es diesem darum ging, seine Altersversorgung zu sichern oder zu verbessern; es könnte auch in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung liegen, wenn der Erblasser mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten wollte.

 

Dagegen ist der spezifische Anwendungsbereich des § 2287 BGB gegeben, wenn die Verfügung des Erblassers ihrem Gehalt nach auf eine Korrektur des Erbvertrags oder des gemeinschaftlichen Testaments angelegt war. Das ist sie, wenn der Erblasser anstelle der bedachten Person einer anderen wesentliche Vermögenswerte ohne Gegenleistung zuwendet, nur, weil sie ihm genehmer ist (BGHZ 66, 8 = s. o.). Die Beweislast dafür, dass ein vom Beschenkten dargelegte lebzeitiges Eigeninteresse nicht vorlag, trägt der Vertrags- oder Schlusserbe (BGH ZEV 16, 641 = s. o.; BGHZ 82, 274 = s. o.).

 

c) Anfall der Erbschaft

Der Anspruch entsteht, wenn die Erbschaft dem Vertrags- oder Schlusserben anfällt, also mit dem Tod des Erblassers, §§ 1922, 1942 BGB. Schlägt der Vertragserbe oder der Schlusserbe die Erbschaft aus, gilt der Anfall an ihn als nicht erfolgt, § 1953 BGB. Daher gilt auch der Anspruch nach § 2287 BGB als nicht entstanden (Palandt/Weidlich, a.a.O., Rn. 10).

 

MERKE | Als persönlicher Anspruch des Vertrags- oder Schlusserben gehört der Anspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB nicht zum Nachlass (BGHZ 108, 73 = FamRZ 89, 961), weshalb auch der besondere bzw. erweiterte Gerichtsstand der Erbschaft nach den §§ 27, 28 ZPO nicht gegeben ist.

 

d) Gläubiger und Schuldner des Anspruchs

Gläubiger des Anspruchs ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe persönlich. Mehreren Vertrags- bzw. Schlusserben steht der Anspruch nicht zur gesamten Hand (§ 2032 BGB), sondern, sofern die Herausgabe eine teilbare Leistung darstellt, nach §§ 420, 741 ff. BGB nach Bruchteilen zu, und zwar jedem zu dem seinem Erbteil entsprechenden Bruchteil (BGHZ 108, 73 = NJW 89, 2389). Handelt es sich um eine unteilbare Leistung, sind die mehreren Berechtigten Mitgläubiger i. S. d. § 432 BGB. Ihr Anspruch ist auf Wertersatz beschränkt.

 

Schuldner des Anspruchs ist der Beschenkte.

 

e) Inhalt des Anspruchs

Nach § 2287 Abs. 1 BGB kann der Vertrags- oder Schlusserbe ‒ nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist ‒ vom Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Regeln der ungerechtfertigten Bereicherung verlangen. Diese Regeln sind aber nur für den Umfang des Anspruchs maßgebend, nicht für seine Voraussetzungen, die in § 2287 BGB selbstständig geregelt sind. In Betracht kommen die §§ 818 bis 821 BGB. Die Verpflichtung zur Herausgabe ist also im Allgemeinen ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist, § 818 Abs. 3 BGB. Betreffend die Haftung für Nutzungen sowie im Hinblick auf Wert- und Schadenersatz vgl. § 818 Abs. 1, 2, 4, §§ 819, 820 BGB. Nach § 819 BGB haftet der Beschenkte verschärft, sobald er von den Tatsachen Kenntnis erhält, die seine Pflicht zur Herausgabe begründen (vgl. Staudinger/Kanzleiter, a.a.O., § 2287, Rn. 26).

 

MERKE | Überträgt der Erblasser einem seiner bindend zu Erben eingesetzten Söhne bei Lebzeiten mehr Grundstücke, deren Wert höher als dessen Erbteil ist, geht ein möglicher Anspruch des anderen Sohnes aus § 2287 BGB i. d. R. nicht auf Herausgabe von Grundstücken oder eines Anteils daran, sondern auf Wertersatz (BGHZ 82, 274 = s. o.).

 

Bei einer gemischten Schenkung, die einen Anspruch aus § 2287 Abs. 1 BGB ausgelöst hat, geht der Anspruch nur auf Herausgabe des geschenkten Gegenstands, wenn der unentgeltliche Charakter des Rechtsgeschäfts überwiegt (BGHZ 77, 264 = s. o. Bei der Beurteilung, ob es sich um eine gemischte Schenkung (mit Überwiegen des entgeltlichen oder unentgeltlichen Teils) handelt, kommt es ausschließlich auf die Umstände zum Zeitpunkt der Schenkung an (BGH FamRZ 64, 429).

 

f) Verjährung des Anspruchs

Der Anspruch verjährt innerhalb von drei Jahren, § 195 BGB. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Erbfall (§ 2287 Abs. 2 BGB). Es kommt deshalb auf den Zeitpunkt der Schenkung ‒ im Gegensatz zu § 2325 BGB ‒ nicht an. Da der Fristbeginn in § 2287 Abs. 2 BGB bestimmt ist, ist § 199 BGB nicht anwendbar. Es liegt somit kein Fall der sog. „Jahresendverjährung“ vor.

 

Checkliste / Anspruch nach § 2287 Abs. 1 BGB

  • Ist ein Erbvertrag wirksam errichtet und ist der Anspruchsteller auch Vertragserbe? alternativ:

 

  • Liegt ein wirksames gemeinschaftliches Testament mit wechselbezüglichen Verfügungen vor und ist der Anspruchsteller Schlusserbe?

 

  • Hat der Erblasser zu Lebzeiten nach Errichtung des Erbvertrags über sein Vermögen durch Schenkung verfügt? alternativ:

 

  • Hat der Erblasser (überlebende Ehegatte) nach dem Tod des Erstversterbenden über sein Vermögen durch Schenkung verfügt?

 

 

  • Ist der Erbfall durch den Tod des Letztversterbenden eingetreten?

 

  • Ist eine Schenkung i. S. d. der §§ 516 ff. BGB gegeben?

 

  • Handelt es sich um eine ehebezogene (unbenannte oder ehebedingte) Schenkung i. S. d. Rechtsprechung (vgl. BGH ZEV 96, 25)?

 

  • Ist im Erbvertrag ein Schenkungsvorbehalt enthalten? alternativ:

 

  • Ist im gemeinschaftlichen Testament ein Schenkungsvorbehalt enthalten?

 

  • Hat der Vertragserbe der lebzeitigen Verfügung des Erblassers zugestimmt? alternativ:

 

  • Hat der Schlusserbe der lebzeitigen Verfügung des Letztversterbenden zugestimmt?

 

  • Ist der Vertragserbe durch die Schenkung objektiv beeinträchtigt? alternativ:

 

  • Ist der Schlusserbe durch die Schenkung objektiv beeinträchtigt?

 

  • Handelte der Erblasser (als Vertragserblasser oder als Letztversterbender beim gemeinschaftlichen Testament) gelegentlich der Schenkung in Benachteiligungsabsicht? Das bedeutet i. S. d. Rechtsprechung des BGH in der Absicht, den Beschenkten zu begünstigen, was fast immer der Fall ist (BGH ZEV 16, 641 = s. o.; BGHZ 82, 274 = s. o.)?

 

  • Deshalb ist einschränkend zu fragen: Hat der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht (vgl. BGH ZEV 16, 641 = s. o.)? Ein solcher Missbrauch (und damit die Voraussetzungen der Benachteiligungsabsicht) liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte (BGH ZEV 16, 641 = s. o.; BGHZ 82, 274 = s. o.; BGHZ 116, 167 = s. o.; BGHZ 59, 343 = NJW 73, 240).

 

  • Ist Verjährung eingetreten? (Beginn der Verjährungsfrist ist der Erbfall, § 2287 Abs. 2 BGB.)

 

  • Welches Gericht ist zuständig? Es gelten die allgemeinen Bestimmungen und nicht die §§ 27, 28 ZPO, weil der Anspruch sich nicht gegen den Nachlass richtet.
 

Musterformulierung / Klage auf Herausgabe des Geschenks nach § 2287 BGB

An das

Amts-/Landgericht [...]

 

Klage

 

des [...]

Klägers,

 

Verfahrensbevollmächtigte/r: Rechtsanwältin/Rechtsanwalt [...]

 

gegen

[...]

Beklagten,

Verfahrensbevollmächtigte/r: Rechtsanwältin/Rechtsanwalt [...]

 

wegen

 

Anspruch nach § 2287 Abs. 1 BGB auf Herausgabe

vorläufiger Streitwert: [...] EUR

 

Namens und in Vollmacht des Klägers erhebe ich Klage und werde beantragen:

 

den Beklagten zu verurteilen, den Pkw der Marke [...], mit dem amtlichen Kennzeichen [...] und der Fahrzeugidentnummer [...] an den Kläger herauszugeben und zu übereignen.

 

Es wird angeregt,

[...] das schriftliche Vorverfahren anzuordnen (§ 276 ZPO) oder

[...] einen frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen, § 275 ZPO.

 

Im Falle der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens wird bereits jetzt beantragt,

 

den Beklagten für den Fall der Versäumung der Frist zur Anzeige der Verteidigungsbereitschaft oder des Anerkenntnisses durch Versäumnis- oder Anerkenntnisurteil im schriftlichen Verfahren zu verurteilen.

 

Begründung:

Der Kläger ist aufgrund des vor dem Notar [...] in [...] am [...] beurkundeten Erbvertrags Alleinerbe des am [...] in [...], seinem letzten Wohnsitz, verstorbenen [...] geworden. Das wird unstreitig bleiben.

 

Beweis: beigefügter Erbvertrag vom [...] (URNr. [...]); Beiziehung der Akten des Nachlassgerichts beim Amtsgericht [...] (Az.: [...])

 

Bei der Sichtung des Nachlasses hat der Kläger festgestellt, dass der im Antrag näher bezeichnete Pkw nicht mehr vorhanden war. Auf Anfrage hat der Beklagte erklärt, dass der Erblasser ihm, seinem Skatbruder, vor Jahresfrist das wertvolle Fahrzeug geschenkt hat. Anlässlich eines Skattreffens hat der Erblasser zu Lebzeiten verlautbart, mit der Schenkung hat er den vorhandenen Nachlass zum Nachteil des Klägers beschränken wollen.

 

Beweis: Zeugnis des [...]

 

Die Übereignung des Pkw erfolgte damit in Benachteiligungsabsicht. Ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an der Schenkung ist erkennbar nicht gegeben.

 

Damit liegen die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 2287 Abs. 1 BGB vor.

 

Der Kläger hat den Beklagten vorprozessual schriftlich aufgefordert den Pkw an ihn herauszugeben und zu übereignen. Der Beklagte lehnte dieses Ansinnen mit Schreiben vom [...] ohne jegliche Begründung ab.

 

Beweis: beigefügte Korrespondenz zwischen Kläger und Beklagtem

Nach alledem bitte ich um antragsgemäße Entscheidung.

 

[...]

gez. Rechtsanwältin/Rechtsanwalt

 

Weiterführender Hinweis

  • Die obige Musterformulierung können Sie sich im Internet unter www.ee.iww.de, Abruf-Nr. 44454497 herunterladen
Quelle: Ausgabe 04 / 2017 | Seite 64 | ID 44615767