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· Fachbeitrag · Vermögensverwertung

Elternunterhalt in der Praxis: Die 9 wichtigsten Fragen zu eigenen vermieteten Grundstücken

von RAin Dr. Dagny Liceni-Kierstein, RiOLG a. D., Berlin

| Wenn Kinder zum Elternunterhalt herangezogen werden und gleichzeitig eigene Immobilien vermieten oder Grundstücke verpachten, welche Werte zählen dann zu ihren Einkünften oder besteht sogar eine unterhaltsrechtliche Verpflichtung zu einer Vermögensverwertung? |

 

  • Beispiel: Unterhaltspflichtiger mit vermieteter Eigentumswohnung

Der unterhaltspflichtige S, dessen hilfsbedürftige Mutter in einem Pflegeheim untergebracht ist, bezieht (bei einem Bruttoeinkommen von 3.300 EUR) bereinigte Erwerbseinkünfte in Höhe von monatlich 2.000 EUR. Er bewohnt eine Mietwohnung und ist seit 5 Jahren Alleineigentümer einer vermieteten 2-Zimmer-Eigentumswohnung. Zur Finanzierung des Kaufpreises von 150.000 EUR für die Immobilie hat er einen Kredit aufgenommen, der noch viele Jahre läuft. Mieteinnahmen: 500 EUR, Ausgaben: 250 EUR Zinsen und 120 EUR Tilgung zuzüglich 150 EUR Hausgeld.

 

1. Mieteinkünfte

Die Mieteinnahmen eines Unterhaltspflichtigen zählen als Einkommen. Nach allgemeinen Grundsätzen werden sie unterhaltsrechtlich mit ihrem Nettowert in Ansatz gebracht. Die unterhaltsrechtlichen Einkünfte des S belaufen sich daher hier auf insgesamt 2.500 EUR.

2. Werden Abzüge für zusätzliche Altersvorsorge akzeptiert?

Das Einkommen aus einer vermieteten Wohnung ist weder sozialversicherungspflichtiges Einkommen noch stellt es Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit dar. Mieteinkünfte werden als Einkommen aus Vermögen gewertet. Für diese Einkommensart werden weder 5 % noch 25 % als zusätzliche Altersvorsorge anerkannt.

 

Beachten Sie | Anders wäre es, wenn jemand gewerbsmäßig mehrere Wohnungen vermietet und die Vermietung als Gewerbe angemeldet ist.

3. Abzugsposition Zinsen

Laufend noch zu zahlende Finanzierungskosten wie die Zinsen, sind von den Mieteinkünften unproblematisch in voller Höhe in Abzug zu bringen. Ggf. zu berücksichtigen sind auch sonstige Finanzierungskosten, die für einen Erwerbskredit aufgenommen worden sind und noch laufend gezahlt werden müssen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG). Im Beispiel kann S daher seinen monatlichen Zinsaufwand von 250 EUR einkommensmindernd ansetzen.

4. Abzugsposition allgemeine Hausunkosten

Hier sind abziehbare Werbungskosten zu berücksichtigen, soweit sie vom Vermieter bezahlt und nicht vom Mieter übernommen werden. Zu diesen Kosten gehört insbesondere das Hausgeld. S kann daher im Beispiel auch seine Aufwendungen für das Hausgeld von monatlich 150 EUR von seinen Mieteinkünften in Abzug bringen.

5. Abzugsposition Tilgung

Problematisch und vom BGH noch nicht geklärt ist die Abzugsfähigkeit von Tilgungsleistungen im Zusammenhang mit Miet- und Pachteinnahmen. Hier ist auf der einen Seite zu berücksichtigen, dass die Tilgungsleistungen in der Sache der Vermögensbildung des unterhaltspflichtigen Kindes dienen. Diese Sichtweise vertreten viele Sozialhilfeträger; sie lehnen deshalb einen Abzug der Tilgungsbeträge strikt ab.

 

Es kann jedoch auf der anderen Seite nicht unberücksichtigt bleiben, dass es ohne die Zins- und Tilgungsleistungen die Mieteinkünfte als zusätzliches Einkommen des unterhaltspflichtigen Kindes nicht gäbe. Es kommt hinzu, dass die Kreditverpflichtung häufig bereits zu einer Zeit eingegangen wurde, als das Kind noch nicht mit seiner Inanspruchnahme auf Elternunterhalt gerechnet hat. Vor diesem Hintergrund bietet sich eine differenzierte Behandlung der Tilgungsleistungen an, so wie sie der BGH in seiner Entscheidung vom 18.1.17 (XII ZB 118/16) für die selbstgenutzte Immobilie entwickelt hat.

 

Den Ausgangspunkt bilden die tatsächlichen Mieteinkünfte. Hiervon sind zunächst die tatsächlichen Zinsaufwendungen sowie die allgemeinen Hausunkosten abzuziehen. Für die unterhaltsrechtliche Behandlung der vermögensbildenden Tilgungsleistungen ist anschließend zu differenzieren:

 

  • Verbleiben nach Abzug der Tilgungsleistungen positive Mieteinkünfte, ist deren Anrechnung unproblematisch. Das ist im Beispiel nicht der Fall, da den Mieteinnahmen des S von 500 EUR höhere Gesamtausgaben von 250 EUR + 120 EUR + 150 EUR = 520 EUR gegenüberstehen.

 

  • Gleiches hat zu gelten, wenn das Ergebnis 0 ist (wie es auch ohne die vermietete Immobilie der Fall wäre). Eine solche Situation läge im Beispiel vor, wenn sich z. B. die monatliche Tilgung des S auf nur 100 EUR belaufen würden, so dass sich Mieteinkünfte und Ausgaben gegenseitig aufheben.

 

  • Ist das Ergebnis ‒ wie im Beispiel ‒ negativ, kann der überschießende Tilgungsanteil ganz oder teilweise als zusätzliche Altersvorsorge behandelt werden. Er kann (nur) bis zur zulässigen Höhe von 5 % vom Erwerbseinkommen abgezogen werden. Bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 3.300 EUR könnte S im Beispiel 165 EUR monatlich für seine zusätzliche private Altersvorsorge (in beliebiger Anlageform) aufwenden. Somit kann er seine die Mieteinkünfte übersteigenden Ausgaben von 20 EUR von seinem Erwerbseinkommen in Abzug bringen. Das unterhaltsrelevante Einkommen des S beläuft sich deshalb nur noch auf 2.000 EUR ‒ 20 EUR = 1.980 EUR.

 

MERKE | Hätte sich S bei im Übrigen gleicher Lebenssituation zu höheren Zinszahlungen von 350 EUR und zu Tilgungsleistungen von 200 EUR verpflichtet, so würden sich für seine Immobilie Gesamtaufwendungen von (350 EUR + 200 EUR + 150 EUR =) 700 EUR ergeben. Diese übersteigen die monatlichen Mieteinkünfte (von 500 EUR) um 200 EUR. Hiervon kann S aber nur einen Betrag von 165 EUR von seinem Erwerbseinkommen in Abzug bringen, weil damit das ihm zustehende Altersvorsorgekontingent von 5 % vollständig ausgeschöpft wird. Die überschießenden 35 EUR fallen vollständig „unter den Tisch“. Das für den Elternunterhalt relevante Einkommen des S würde sich in diesem Fall auf 2.000 EUR ‒ 165 EUR = 1.835 EUR reduzieren.

 

6. Abschreibungen auf Immobilien

Steuerrechtlich zulässige Abschreibungen für die Abnutzung von Gebäuden berühren nach der Rechtsprechung des BGH bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen nicht. In der Praxis werden daher Abschreibungen regelmäßig nicht als Abzugsposten berücksichtigt, weil die zulässigen steuerlichen Pauschalen vielfach über das tatsächliche Ausmaß der Wertminderung hinausgehen. Außerdem werden sie häufig durch eine günstige Entwicklung des Immobilienmarkts ausgeglichen. Etwaige steuerliche Abschreibungen müssen deshalb unterhaltsrechtlich herausgerechnet bzw. im Rahmen der Einkommensberechnung einkommenserhöhend hinzugerechnet werden.

7. Gibt es fiktive Mieteinkünfte?

 

  • Abwandlung des Ausgangsfalls

Nach dem Auszug seines früheren Mieters überlässt S seine Eigentumswohnung mietfrei seiner langjährigen Freundin. Hat das unterhaltsrechtliche Folgen?

 

Vermietbarer Immobilienbesitz ist, wie sonstiges Vermögen, unterhaltsrechtlich in zumutbarer, Ertrag bringender Weise zu nutzen. Wer eine zumutbare Nutzung durch Vermietung unterlässt, dem ist der durchschnittlich erzielbare Ertrag (Mietzins) als fiktives Einkommen zuzurechnen. In allen Fällen einer fiktiven Zurechnung von Einkünften wegen unterlassener Vermietung oder Teilvermietung müssen allerdings im Rahmen einer Zumutbarkeitsprüfung die Belange des Berechtigten und des Verpflichteten unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen gegeneinander abgewogen werden.

 

Folglich müsste S ‒ sofern keine besonderen Umstände vorliegen, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen ‒ von seiner Freundin für die Wohnungsüberlassung einen Mietzins in einer Größenordnung, wie er ihn bisher tatsächlich erzielt hat, verlangen und im Fall ihrer Weigerung die Wohnung anderweitig vermieten. Geschieht das nicht, wäre S unterhaltsrechtlich eine fiktive Mieteinnahme (von 500 EUR monatlich) zuzurechnen.

 

MERKE | Sofern es dagegen nicht vorwerfbar erscheint, dass keine Mieteinkünfte erzielt werden, z. B. wenn der Mieter den Mietzins nicht leistet oder eine kurzfristige Vermietung nicht möglich ist und daher die Wohnung zeitweise leer steht, entfällt der Ansatz fiktiver Mieteinkünfte.

 

8. Schonvermögen

Das vermietete oder verpachtete Objekt selbst zählt zum Vermögen des unterhaltspflichtigen Kindes. Grundsätzlich ist das unterhaltspflichtige Kind gehalten, zur Erfüllung seiner Unterhaltspflichtverpflichtung nicht nur die Vermögenserträge, sondern auch den Stamm seines Vermögens einzusetzen. Allerdings wird ein „verzehrender“ Vermögenseinsatz nur insoweit gefordert, als dieser zumutbar ist. Daher wird auch im Bereich des Elternunterhalts ein Schonvermögen von der Verwertungspflicht ausgenommen. Hierzu zählt neben dem sog. Notgroschen das rechtlich geschützte Altersvorsorgevermögen, das der Sicherung der eigenen angemessenen Altersversorgung dient. Der rechtliche Schutz erfasst daher im Beispiel die vermietete Eigentumswohnung des S, solange sie ihrem Wert nach das ‒ pauschalierend und unter Berücksichtigung der bisherigen Lebensarbeitszeit zu berechnende ‒ höchstmögliche Altersvorsorgevermögen des S nicht übersteigt.

 

MERKE | Der BGH hat wiederholt hervorgehoben (z. B. BGH 18.1.17, XII ZB 118/16 und 7.8.13, XII ZB 269/12), dass der Vermögenswert einer selbstgenutzten Immobilie bei der Bemessung des Altersvorsorgevermögens eines auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen dagegen grundsätzlich unberücksichtigt bleibt.

 

Es besteht jedenfalls keine Verwertungspflicht, wenn es sich um den jeweiligen Verhältnissen angemessenes Wohneigentum handelt. Denn der Unterhaltspflichtige braucht bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt keine spürbare und dauerhafte Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus hinzunehmen.

 

9. Vermögensverwertung

Würde S neben seiner Eigentumswohnung über weiteres Altersvorsorgevermögen (z. B. Lebensversicherungen) verfügen, könnte der Fall eintreten, dass sein Altersvorsorgevermögen die Grenze seines rechtlich geschützten Schonvermögens übersteigt. Müsste S dann ggf. seine Eigentumswohnung veräußern?

 

Antwort: Eine tatsächliche Vermögensverwertungspflicht besteht für S nicht. Niemand kann ihn zwingen, sein Eigentum zu verkaufen. Sofern jedoch der Sozialhilfeträger zu dem Ergebnis kommt, dass S neben seinem Einkommen über anrechenbares Vermögen verfügt, wird ein entsprechender monatlicher Elternunterhalt (begrenzt durch die Höhe der monatlich für seine Mutter erbrachten Sozialhilfeleistungen) von ihm gefordert. Wie S diese Mittel dann konkret aufbringt, bleibt ihm überlassen.

Quelle: Ausgabe 11 / 2018 | Seite 188 | ID 45513238