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· Fachbeitrag · Sozialhilferegress

Verteidigungsstrategien des Beschenkten

von RA Uwe Gottwald, Vorsitzender RiLG a.D., Vallendar

| Angesichts leerer Kassen ist der Sozialhilferegress nach § 528 BGB, § 93 Abs. 1 S. 1 SGB XII für die Sozialhilfeträger eine wichtige Einnahmequelle. Muss der Schenker in ein Pflegeheim und kann er aus eigenen Mitteln die Kosten dafür ganz oder teilweise nicht aufbringen, kommt es zum bösen Erwachen beim Beschenkten. Der vorliegende Beitrag stellt Strategien vor, mit denen er sich gegen den Regress des Sozialamts verteidigen kann. |

1. Einwendungen gegen die Überleitungsanzeige

Die Überleitungsanzeige kann mit der Klage vor dem Sozialgericht (§ 51 Nr. 6a SGG) angegriffen werden. Den übergeleiteten Anspruch selbst kann das Sozialgericht nicht prüfen.

 

  • Gegen die Überleitungsanzeige könnte vor dem Sozialgericht geltend gemacht werden, dass es an der tatsächlichen Leistungserbringung seitens des Sozialhilfeträgers fehlt. Ob die Leistungserbringung Voraussetzung der Überleitung ist oder ob eine Bewilligung von Sozialhilfe genügt, ist umstritten (Ludyga, NZS 12, 122, der die Leistungserbringung als eine Grundvoraussetzung für die Überleitung ansieht).

 

  • Umstritten ist ebenfalls, ob die Rechtsmäßigkeit der Sozialhilfeleistung eine Überleitungsvoraussetzung ist. Die wohl h.M. verneint die Rechtmäßigkeit als Voraussetzung der Überleitung (anders Ludyga, a.a.O. S. 123, 124, der auch die Rechtmäßigkeit der Leistungsgewährung als eine Voraussetzung für eine wirksame Überleitung ansieht).

 

PRAXISHINWEIS | Da die bisherige Rechtsprechung insoweit durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu § 90 BSHG (Vorgänger des § 93 SGB XII) geprägt ist, wäre es in der Tat eine Möglichkeit, die beiden letztgenannten Fragen vor den Sozialgerichten mit der überzeugenden Argumentation von Ludyga klären zu lassen. Eine Klage vor dem Sozialgericht gegen die Überleitungsanzeige dürfte nur in den allerwenigsten Fällen Erfolg versprechen.

 

2. Einwendungen gegen den Anspruch

Einwendungen gegen den Anspruch aus § 528 Abs. 1 S. 1 BGB selbst prüft das Zivilgericht.

 

a) Bestreiten einer Schenkung i.S. des § 516 BGB

Je nach dem Einzelfall kann es angezeigt sein als in Anspruch genommener zu bestreiten, dass eine Schenkung vorliegt. Dabei ist zu prüfen, ob die Zuwendung objektiv unentgeltlich erfolgte und die Beteiligten subjektiv eine unentgeltliche Zuwendung beabsichtigten.

 

In der Praxis tritt dies häufig bei Zuwendungen von pflegebedürftigen Personen an Angehörige oder Dritte auf, die als Gegenleistung für erbrachte Pflegeleistungen erfolgen. Ob Zuwendungen unentgeltlich erfolgen oder als „Gegenleistung“ für die Pflegeleistungen anzusehen sind, hängt sehr vom Einzelfall ab. So hat das OLG Oldenburg (FamRZ 99, 123) entschieden, dass die Pflege und Versorgung der Schenkerin nicht als Gegenleistung angesehen werden könne, weil die Vertragsschließenden diesen Gesichtspunkt nicht in die Urkunde aufgenommen und damit bewusst die Entscheidung getroffen hätten, Pflege und Versorgung zur Übereignung nicht in ein Gegenseitigkeitsverhältnis zu stellen. Die Abrede zur Pflege habe vielmehr ersichtlich auf einer familienrechtlichen Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung beruht und keinen schuldrechtlichen Charakter annehmen sollen. Andererseits hat das OLG Hamm (FamRZ 93, 1435) erkannt, dass die Überlassung eines Geldbetrags, die als Schenkung bezeichnet wurde, nicht unentgeltlich erfolgt sei, sondern im Rahmen eines Betreuungsvertrags oder auf dem Boden einer solchen Betreuungsabsicht als Geschäftsgrundlage.

 

PRAXISHINWEIS | Werden von Verwandten oder Dritten Pflegeleistungen (auch im weitesten Sinn) erbracht und hierfür Geldbeträge zugewendet oder gar Grundstücke übertragen, bedarf es einer Vereinbarung, die die Unentgeltlichkeit der Pflegeleistungen ausschließt. Das kann eine Regelung sein, die klarstellt, dass die Zuwendungen als Gegenleistung für die Pflegeleistungen erfolgen oder eine umfassende Pflegevereinbarung im notariellen Übereignungsvertrag. Wer hier keine Klarheit schafft, läuft Gefahr, dass Zuwendungen als unentgeltlich angesehen werden mit der Folge einer möglichen Rückforderung.

 

b) Pflicht- oder Anstandsschenkung (§ 534 BGB) 

Schenkungen, durch die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprochen wird, unterliegen gemäß § 534 BGB nicht der Rückforderung. Nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 86, 1926) reicht es für die Annahme einer sittlichen Pflicht nicht aus, dass der Schenker dem Beschenkten nach den Geboten der Sittlichkeit aus Nächstenliebe hilft. Eine Rückforderung nach § 534 BGB ist vielmehr nur ausgeschlossen, wenn dem Schenker eine besondere Pflicht für die Zuwendung oblegen hat, wobei das Vermögen und die Lebensstellung der Beteiligten sowie ihre persönlichen Beziehungen untereinander zu berücksichtigen sind. Eine sittliche Pflicht ist nur zu bejahen, wenn das Handeln geradezu sittlich geboten ist (BGH NJW 84, 2089). Belohnende Schenkungen für Pflegeleistungen durch Verwandte werden nur als sittlich geboten angesehen, wenn besondere Umstände vorliegen, die ein Ausbleiben als sittlich anstößig erscheinen lassen (BGH NJW 86, 1926).

 

Anstandsschenkungen sind nach der Rechtsprechung nur kleinere Zuwendungen aus Dankbarkeit oder zu bestimmten Anlässen (BGH NJW 81, 111; OLG Köln FamRZ 97, 1113). Die Gabe größerer Vermögensgegenstände kann nur als Anstandsschenkung angesehen werden, wenn das Unterlassen des Geschenks zu einer Einbuße an Achtung führen würde. Hierbei ist auf die Anschauung des sozialen Umfelds des Schenkers abzustellen. Bei größeren Schenkungsobjekten insbesondere Grundstücken sind diese Voraussetzungen regelmäßig nicht gegeben (BGH NJW-RR 86, 1202).

 

PRAXISHINWEIS | Pflicht- und Anstandsschenkungen werden im Bereich des § 528 Abs. 1 S. 2 BGB nur selten vorkommen, da es hier meist um höhere Beträge geht und hierbei eher selten einer sittlichen Pflicht entsprochen wird. Stets sind die Umstände des Einzelfalls umfassend zu berücksichtigen. Bei größeren Zuwendungen muss in jedem Fall beachtet werden, dass nur bei besonderen Umständen eine Anstandsschenkung angenommen werden kann. Auch diese Fälle werden in der Praxis eher selten sein.

 

c) Ausschluss des Rückforderungsanspruchs nach § 529 BGB 

Der Beschenkte, der die Zuwendung erhalten und auf die Rechtsbeständigkeit des Erwerbs eingerichtet hat, ist schutzwürdig. Das findet in § 529 BGB seine Berücksichtigung. Danach ist der Anspruch auf Rückgabe des Geschenks ausgeschlossen, wenn

  • der Schenker seine Bedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat (z.B. Verschwendung, Spielsucht, etc.) (Abs. 1 1. Alt.),
  • zur Zeit des Eintritts seiner Bedürftigkeit seit der Leistung des geschenkten Gegenstandes zehn Jahre verstrichen sind (Abs. 1 2 Alt.) und
  • der Beschenkte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, das Geschenk herauszugeben (Abs. 2).

 

Merke | Die Bestimmung ist eng auszulegen und findet nur Anwendung, wenn der Schenker seine Bedürftigkeit nachträglich - nach der Zuwendung - herbeiführt und dies für den Beschenkten bei der Schenkung nicht vorhersehbar war (BGH NJW 03, 1384).

 

Bei § 529 Abs. 1 2. Alt. BGB muss die Erschöpfung des Vermögens (Eintritt der Bedürftigkeit) innerhalb der Zehn-Jahres-Frist eingetreten sein. Es genügt nicht, dass innerhalb dieser Frist die Bedürftigkeit erkennbar wird (BGH NJW 01, 1063). Für den Beginn der Frist kommt es nach wohl h.M. auf die tatsächliche Vollziehung der Schenkung, d.h. auf den Eintritt des Leistungserfolgs an (MüKo, BGB, 6. Aufl., § 529 Rn. 3). Betrifft die Herausgabepflicht ein Grundstück, beginnt die Frist mit der Eigentumsumschreibung im Grundbuch und nicht bereits mit dem Eingang des Antrags beim Grundbuchamt.

 

Merke | Tritt innerhalb der Frist dauerhafte Bedürftigkeit ein (z.B. Unterbringung des Schenkers im Pflegeheim), ist der Anspruch nach § 528 Abs. 1 S. 1 BGB auch nach Fristablauf nicht nach § 529 Abs. 1 2. Alt. BGB ausgeschlossen.

 

§ 529 Abs. 2 BGB führt zu einem Ausschluss des Rückforderungsrechts des Schenkers, wenn der „angemessene“ (nicht „standesmäßige“, vgl. BGH NJW 05, 3638) Unterhalt des Beschenkten oder die Erfüllung der ihm kraft Gesetzes obliegenden Unterhaltspflichten gefährdet wird. Das bedeutet, dass diese Umstände nicht bereits eingetreten sein müssen, sondern es muss ernsthaft damit gerechnet werden (BGH NJW 01, 1207). Zur Bemessung des angemessenen Unterhalts sind die jeweils einschlägigen familienrechtlichen Bestimmungen und die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Maßstäbe auch im Rahmen des § 529 Abs. 2 BGB heranzuziehen (BGH, a.a.O.). Das bedeutet zugleich, dass der Beschenkte u.U. verpflichtet sein kann, sich Mittel für seinen Unterhalt zu beschaffen und einzusetzen sowie einer Erwerbstätigkeit nachzugehen (BGH NJW 05, 3638; NJW 03, 1384).

 

Merke | Die Beweislast für die eigene Bedürftigkeit trägt der Beschenkte (OLG Düsseldorf FamRZ 97, 769). Nach h.M. handelt es sich hier um Einreden und nicht um Einwendungen (BGH NJW 01, 1207; 05, 3638). Sie müssen im Prozess erhoben werden und werden nicht von Amts wegen geprüft.

 

d) Schonvermögen

Dem Rückforderungsanspruch des Schenkers - geltend gemacht durch den Träger der Sozialhilfe - steht nicht entgegen, dass das Geschenk Teil seines Schonvermögens i.S. des § 90 Abs. 2 SGB XII war. Die Überleitungsanzeige nach § 93 Abs. 1 SGB XII bewirkt, dass der Sozialhilfeträger hinsichtlich der übergeleiteten Ansprüche in die Gläubigerposition des Schenkers eintritt. Der Anspruch selbst erfährt keine Änderung. Er ist auch nicht durch Regelungen beschränkt, die denjenigen des SGB XII vergleichbar wären (BGH NJW 05, 670).

 

e) Ersetzungsbefugnis des Beschenkten (§ 528 Abs. 1 S. 2 BGB)

Nach § 528 Abs. 1 2 BGB kann der Beschenkte die Herausgabe des Geschenks durch die Zahlung des für den Unterhalt erforderlichen Betrags abwenden. Dies gilt nicht, wenn die Zuwendung in Form eines Geldbetrags erfolgte.

 

f) Anspruchsumfang

Dem in Anspruch genommenen Beschenkten bleibt die Möglichkeit, den Umfang des geltend gemachten Anspruchs zu bestreiten. Der Schenker (bzw. der Träger der Sozialhilfe bei übergeleiteten Ansprüchen) muss darlegen und beweisen, wie hoch sein Unterhaltsbedarf ist. Über seine Bedürftigkeit hinaus kann er keinen Anspruch verfolgen. Die weitere Begrenzung des Anspruchs ist der Wert der Zuwendung. Die Frage der Bedürftigkeit ist nach dem geltenden Unterhaltsrecht zu bestimmen. So besteht dann kein Notbedarf, wenn der Schenker eine nahe liegende Erwerbsmöglichkeit nicht nutzt.

 

Merke | Der Begriff der Angemessenheit des Lebensbedarfs i.S. von § 528 Abs. 1 S. 1 BGB bemisst sich objektiv. Der Schenker kann auf einen Unterhalt verwiesen werden, der nicht zwingend seinem bisherigen Lebensstil entspricht, sondern der objektiv seiner Lebensstellung nach der Schenkung angemessen ist. Er soll nicht so gestellt werden, als habe er die Schenkung nicht gemacht und könne deswegen seinen gewohnten Lebensstil ohne jede Einschränkung beibehalten (BGH NJW 03, 1384).

 

Checkliste /  Verteidigungsmöglichkeiten

  • Einwendungen gegen die Überleitungsanzeige (im Regelfall erfolglos)
  • Einwendungen gegen den Anspruch aus § 528 Abs. 1 S. 1 BGB
    • Bestreiten einer Schenkung i.S.v. § 516 BGB
    • Einreden nach § 534 BGB (Pflicht- und Anstandsschenkung)
    • Einreden nach § 529 BGB
    • Schonvermögen
    • Ersetzungsbefugnis, § 528 I 2 BGB
    • Umfang des Anspruchs (bei übergeleiteten Ansprüchen meist erfolglos)
    • Einrede der Verjährung
Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 26 | ID 42389461