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· Fachbeitrag · Praxisfall

Rückforderung von Schenkungen durch den Sozialhilfeträger: Gemischte Schenkung

von RiOLG Dr. Dadny Liceni Kierstein, Brandenburg

| Eine mögliche Pflegebedürftigkeit der Eltern und die damit verbundenen hohen Kosten bedeutet immer eine Gefahr für das Familienvermögen. Hier ein Beispielfall zur gemischten Schenkung mit Lösung. |

1. Beispielfall

Der Träger der Sozialhilfe T macht einen übergeleiteten Anspruch auf Herausgabe einer Schenkung wegen Verarmung des Schenkers geltend. S ist der einzige Sohn seiner im Jahr 2013 verstorbenen Mutter M. Diese war Eigentümerin eines mit einem Wohnhaus und Gewerberäumen bebauten Grundstücks. In dem Wohnhaus wohnten der S mit seiner Familie und zunächst auch die M. Ab 1990 wurden an den Gebäuden - auch an den Wohnräumen des S - mehrfach umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten vorgenommen. Der S und seine Ehefrau unterstützten die M durch im Einzelnen streitige finanzielle Zuwendungen und Eigenleistungen. Den Wert dieser Maßnahmen beziffert S auf 220.000 EUR und T auf 110.000 EUR.

 

Im Jahr 2005 übertrug die M dem S die gesamte Liegenschaft. Im notariellen Vertrag wurde die Übertragung als „vorweggenommene Erbfolge“ bezeichnet und der M ein Wohnrecht für die Wohnung im Erdgeschoss eingeräumt. Der S verpflichtete sich zu alters- und gesundheitserforderlichen Pflegeleistungen. Anfang 2009 zog die M in ein Pflegeheim. Ein Jahr später verkaufte der S das Grundstück zu einem Kaufpreis von 250.000 EUR, nachdem zuvor das Wohnrecht gegen Zahlung von 18.000 EUR gelöscht worden war. T gewährte der M von April 2010 bis September 2012 Sozialhilfeleistungen i. H. von insgesamt 45.000 EUR und will jetzt den S in dieser Höhe aus übergeleitetem Recht auf Herausgabe des Werts des übertragenen Grundstücks gerichtlich in Anspruch nehmen (angelehnt an BGH 18.10.11, X ZR 45/10, Abruf-Nr. 114241).

2. Problemlösung

Der Fall beschreibt im Ausgangspunkt eine in der Praxis häufig auftretende Situation. T musste für die infolge Schenkung verarmte M zunächst Sozialhilfeleistungen erbringen und versucht nun, sich mit Hilfe des übergeleiteten (§ 93 SGB XII) Rückforderungsanspruchs der M gemäß § 528 Abs. 1 S. 1 BGB schadlos zu halten. Dieser Anspruch aus § 528 BGB setzt eine Schenkung voraus. Es kann sich dabei auch um eine gemischte Schenkung handeln. Hierbei tauchen Abgrenzungsprobleme auf. Bei einer gemischten Schenkung ist es wichtig, sorgfältig den objektiven Tatbestand des § 516 BGB, d.h. den Gegenstand der Schenkung - hier: das von M übertragene Hausgrundstück oder nur die Wertdifferenz mit einer von S erbrachten oder versprochenen Gegenleistung? - und den konkreten Umfang der eingetretenen Bereicherung herauszuarbeiten.

 

a) Objektiver Tatbestand

Für den objektiven Tatbestand des § 516 BGB genügt im Ansatz jede Wertdifferenz zwischen dem von M zugewendeten Vermögen und dem Wert der Gegenleistung des beschenkten S. Weder muss der unentgeltliche Charakter des Geschäfts gegenüber dem entgeltlichen überwiegen noch muss ein bestimmter mathematisch errechenbarer Mindestanteil am Gesamtwert für die Annahme einer gemischten Schenkung gegeben sein.

 

b) Subjektiver Tatbestand

Für den subjektiven Tatbestand der teilweisen Unentgeltlichkeit ist nicht die von M und S gewählte Bezeichnung als „vorweggenommene Erbfolge“ entscheidend. Diesen Worten mag zwar mit Blick auf den allgemeinen Sprachgebrauch eine gewisse Indizwirkung für eine (teilweise) Schenkung beizumessen sein. Maßgebend ist jedoch die in jedem Einzelfall erforderliche Feststellung, dass M und S sich bei Vertragsabschluss überhaupt einer Wertdifferenz bewusst und sich insoweit darüber einig waren, den überschießenden Leistungsteil dem beschenkten S unentgeltlich und nicht nur zu einem gewollt günstigen Preis („Freundschafts- oder Familienpreis“) zuzuwenden. An dieser Stelle tauchen erkennbar neue Abgrenzungsprobleme auf.

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Die Beweislast für den Schenkungswillen trägt dabei der, der sich auf das Vorliegen einer Schenkung beruft, hier also der T. Allerdings wird die Beweislast durch die widerlegbare Vermutung erleichtert, dass bei einer auffälligen Diskrepanz zwischen dem Wert der Zuwendung und der Gegenleistung ein Schenkungswille anzunehmen ist. Der subjektive Tatbestand des Schenkungswillens muss tatrichterlich aufgrund der Gesamtumstände festgestellt werden. Dafür gewinnen neben der objektiven Bereicherung weitere Gesichtspunkte Bedeutung, wie etwa hier die verwandtschaftliche Beziehung. Daneben ist zu berücksichtigen, ob M und S „im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre“ den Wert von Zuwendung und Gegenleistung subjektiv anders bewertet haben, als dies bei objektiver Betrachtung geboten wäre. Dieses Recht zu eigenen Äquivalenzwertungen kann M und S (in den Grenzen von sachlich vertretbaren Wertspannen) nicht abgeschnitten werden.

 

PRAXISHINWEIS | Der mit einer Rückforderung durch den Sozialhilfeträger befasste Bearbeiter sollte also im Fall einer gemischten Schenkung sein besonderes Augenmerk auf die tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 516 BGB, insbesondere die Einigung zwischen den Vertragsparteien über die (teilweise) Unentgeltlichkeit der Zuwendung und ihren Umfang legen. Denn in diesem Zusammenhang besteht für den jeweiligen Interessenvertreter ein weiter Interpretations- und Argumentationsspielraum.

 

Bei der Bewertung der früheren Maßnahmen des S für die Immobilien der M als entgeltlicher Teil des Geschäfts, ist von dem Gesamtwert des übertragenen Grundstücks zunächst der Sachwert des der M eingeräumten Wohnrechts abzuziehen. Es stellt weder eine Gegenleistung des S noch eine Auflage dar, sondern mindert den Wert des zugewendeten Grundstücks. Dagegen sind die von S versprochenen Pflegeleistungen, die nach dem Vertrag lebenslänglich beabsichtigt waren, Teil seiner Gegenleistung. Die vorgesehene Pflege kann allerdings nach dem Umzug der M in ein Pflegeheim Anfang 2009 von S nicht mehr vorgenommen werden. Als Gegenleistung kann deshalb nur der objektive Wert der Pflegeleistungen in Ansatz gebracht werden, die S zwischen der Vermögensübertragung 2005 und dem Beginn der Heimpflege 2009 für M schon tatsächlich erbracht hatte.

 

Als Gegenleistung gewinnen vor allem die von S im Einvernehmen mit M für ihr Grundstück bis 2005 erbrachten finanziellen Zuwendungen und Eigenleistungen Bedeutung. Dabei wird in diesen Fällen von der Rechtsprechung angenommen, dass M und S hinsichtlich der von ihm unentgeltlich genutzten Wohnräume nach der beiderseitigen Interessenlage stillschweigend ein rechtlich verbindliches Leihverhältnis vereinbart haben, das mit der Grundstücksübertragung endete. Ferner ist zu berücksichtigen, dass S aus seinen Leistungen für M selbst Nutzen gezogen hat, indem er nicht nur seine eigene Wohnsituation verbessert, sondern auch mietfrei gewohnt hat. Dieser Umstand soll als reduzierender Faktor seinen Niederschlag finden.

 

Nach den Vorgaben des BGH müsste sich an dieser Stelle unter Heranziehung leihvertraglicher und bereicherungsrechtlicher Gesichtspunkte eine Bewertung der Gegenleistung des S bzw. seiner für den Rückforderungsanspruch nach § 528 BGB maßgeblichen Bereicherung anschließen. Für den „normal sterblichen“ Juristen dürfte eine solche höchst komplizierte Berechnung der „objektiven Bereicherung“ des S kaum zuverlässig zu bewerkstelligen sein. Der BGH verweist allerdings selbst bei der abgehandelten Bewertung von gemischten Schenkungen der vorliegenden Art am Ende seiner juristischen Gedankenakrobatik (die auch noch eine Abzinsung miteinschließt) auf die Schätzungsmöglichkeiten des Tatrichters gemäß § 287 ZPO.

 

PRAXISHINWEIS | Das schließt auf der einen Seite eine Vorhersehbarkeit der gerichtlichen Entscheidung nahezu aus. Auf der anderen Seite ergibt sich für den mit der Sache befassten Bearbeiter aber auch hier wieder die Möglichkeit, im jeweiligen Einzelfall sachgerechte Schätzungsgrundlagen aufzuzeigen und interessenorientiert zu argumentieren.

Eine Herausgabe des Grundstücks in Natur gegen Rückgewähr der Gegenleistung kann bei einer gemischten Schenkung nur verlangt werden, wenn der unentgeltliche Charakter des Vertrags überwiegt. Die Zuwendung des Schenkers muss also den doppelten Wert im Vergleich zur Gegenleistung aufweisen. Andernfalls kann nur Wertersatz in Höhe der Leistungsdifferenz zwischen Geschenk und Gegenleistung gefordert werden. Dieses Rechtsfolgenproblem stellt sich hier aber nicht. Nach dem Grundstücksverkauf 2010 kommt nur eine Geldzahlung infrage. Dieser Wertersatzanspruch dürfte außer Frage stehen. Schwerpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung wird der Wert der von S erbrachten Leistungen sein.

 

Weiterführender Hinweis

  • Auch wenn die Rückforderung eine Schenkung zwischen Mutter und Sohn betrifft, handelt es sich nicht um eine sonstige Familiensache i.S. von §  266 Abs. 1 Nr. 4 FamFG. Vielmehr sind die allgemeinen Zivilgerichte für die von T beabsichtigte Klage zuständig.
Quelle: Ausgabe 07 / 2015 | Seite 116 | ID 43394945