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· Fachbeitrag · Angemessener Selbstbehalt

Familienunterhalt bei Heimaufenthalt: Ehegatte ist nur bei Leistungsfähigkeit unterhaltspflichtig

von RA Thomas Stein, FA Erbrecht und Familienrecht, Limburg/Lahn

| Der BGH hat kürzlich entschieden: Wird eine Ehegatte stationär pflegebedürftig, dann kann er grundsätzlich Anspruch auf Zahlung von Familienunterhalt von dem anderen Ehegatten verlangen. Der so Pflichtige muss aber leistungsfähig sein, ihm ist der sogenannte eheangemessene Selbstbehalt zu belassen. |

Sachverhalt

Die Ehefrau der Beteiligten ist aufgrund einer schweren Erkrankung pflegebedürftig. Die monatlichen Pflegekosten werden im Wesentlichen aus Sozialhilfeleistungen bestritten. Ein gewisser Eigenanteil der Ehefrau ist davon nicht abgedeckt. Diesen Eigenanteil errechnet der Sozialhilfeträger auf dem Wege, dass er bei der Ermittlung seiner Leistungen sozialhilferechtlich das Einkommen des Ehemanns einbezieht und auf diesem Wege den Eigenanteil von 132,56 EUR monatlich errechnet. Der Ehemann ist Rentner und hat Renteneinkünfte von 1.042,82 EUR.

 

Vertreten durch ihre Betreuerin macht die Ehefrau Familienunterhalt in Höhe von 132,56 EUR geltend. Das AG hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde des Ehemanns hat das OLG den zu zahlenden Betrag auf monatlich 43 EUR herabgesetzt. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau, die ihre Ansprüche in voller Höhe weiterverfolgt hat. Der BGH hat die Entscheidung des OLG bestätigt. Seine Leitsätze lauten:

 

  • 1. Wird ein Ehegatte stationär pflegebedürftig, so entsteht ihm ein besonderer persönlicher Bedarf, der vor allem durch die anfallenden Heim- und Pflegekosten bestimmt wird. In diesem Fall richtet der Familienunterhaltsanspruch ausnahmsweise auf Zahlung einer Geldrente.
  • 2. Ein solcher Unterhaltsanspruch setzt die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners voraus. Der dem Unterhaltsschuldner mindestens zu belassene Eigenbedarf kann zulässigerweise nach dem in der Düsseldorfer Tabelle unter den Leitlinien der OLG ausgewiesenen sogenannten eheangemessenen Selbstbehalt bemessen werden.
 

Exkurs: Was ist Familienunterhalt?

Üblicherweise hat man es mit Trennungs- oder nachehelichen Unterhalt zu tun. Familienunterhalt wird bislang als Zahlungsanspruch in der Praxis nur selten geltend gemacht.

 

Regelung im BGB

Er ist geregelt in § 1360 BGB, die Vorschrift gibt jedem Ehegatten innerhalb bestehender Familie sowohl einen Anspruch als auch eine Verpflichtung, einen angemessenen Beitrag zum bestehenden Lebensbedarf der gesamten Familie einschließlich der Kinder zu leisten. In der Doppelverdiener-Ehe erfolgt dies durch gemeinsame Finanzierung entstehender Kosten und Erledigung der Haushaltstätigkeit. In der Haushaltsführungs-Ehe sorgt ein Ehegatte für die nötigen Geldmittel, der andere verrichtet gleichwertig die Haushaltsaufgaben. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich dies üblicherweise im Stillen und ohne Einschaltung von Gerichten vollzieht.

 

Bei all dem orientiert sich der Familienunterhalt an den ehelichen Lebensverhältnissen, insbesondere an den erzielten Einkünften. Die Grundsätze und Grundlagen, die für den Getrenntlebenden- und Geschiedenenunterhalt feststehen, können für die Ermittlung des Familienunterhalts herangezogen werden.

 

Angemessener Selbstbehalt

Eine Besonderheit des Familienunterhaltes ist nach bisheriger Rechtsprechung der Umstand, dass kein Ehegatte sich dem anderen gegenüber auf einen angemessenen oder notwendigen Selbstbehalt berufen kann. Die Ehegatten müssen alle verfügbaren Mittel miteinander teilen, da allein dies der ehelichen Lebensgemeinschaft entspricht (BGH NJW 06, 2404).

 

Aus § 1360a Abs. 2 S. 2 BGB ergibt sich, dass der erwerbstätige Ehegatte dem anderen ausreichende Barmittel in Form des Wirtschaftsgelds zur Verfügung zu stellen hat. Damit wird die Familie dann sozusagen betrieben. Der haushaltsführende Ehegatte hat dieses Geld treuhänderisch und bestimmungsgemäß zu verwenden, Rücklagen für sich selbst darf er nur mit dem Einverständnis des anderen bilden. Zum Anspruch auf Familienunterhalt zählt auch der Anspruch auf angemessenes Taschengeld, insofern ist ausnahmsweise ein Zahlungsanspruch gegeben.

Entscheidungsgründe

Der BGH arbeitet zunächst heraus, dass Familienunterhalt das Bestehen einer Ehegemeinschaft voraussetzt. Diese endet mit der Trennung. Lebensgemeinschaft ist für den BGH primär die wechselseitige innere Bindung, das häusliche Zusammenleben ist nur ein nicht notwendiger Teilaspekt der Gemeinschaft. Sind die Ehegatten räumlich getrennt, dann muss der subjektive Trennungswille deutlich zum Ausdruck gebracht werden, damit die häusliche Gemeinschaft als beendet bewertet wird.

 

Bei den Fällen des Heimaufenthalts greift der BGH seine bisherige Rechtsprechung auf, wonach es beim Familienunterhalt auf die Leistungsfähigkeit nicht ankommt. Er verlässt diese Linie aber, weil er den Fall notwendiger Heimunterbringung als Sonderfall beim Familienunterhalt ansieht. Bei unbeschränkter Unterhaltspflicht wären dem zurückgebliebenen Ehegatten die nötigen Mittel zum Leben entzogen. Er wäre gleichermaßen gezwungen, sich zur Trennung zu entschließen und diese nach außen zu dokumentieren. Ob ihm noch regelmäßige Besuche bei dem untergebrachten Ehegatten erlaubt wären, ohne die Trennung in Gefahr zu bringen, wäre fraglich. All dies will der BGH nicht, er setzt seine Erkenntnis in der Weise um, dass er dem pflichtigen Ehegatten einen Selbstbehalt gewährt, vergleichbar wie beim Trennungs- und nachehelichen Unterhalt.

Relevanz für die Praxis

Angesichts der demografischen Entwicklung dürfte die Entscheidung große praktische Relevanz haben. Die Fälle notwendiger Heimunterbringung des einen Ehegatten werden zunehmen. Der unterhaltspflichtige Ehegatte wird nicht gezwungen, zur Sicherung der eigenen Existenz die Trennung herbeizuführen, die beide Seiten im meist späten oder gar letzten Stadium des Lebens belasten würde.

 

Beachten Sie | Mit der Trennung verbunden wäre noch notwendigerweise die Wahl der ungünstigeren Lohnsteuerklasse ab dem auf die Trennung folgenden Kalenderjahr. Es sollte also in der Praxis niemals vorsorglich zur Trennung in den einschlägigen Fallgestaltungen geraten werden.

 

Der sogenannte eheangemessene Selbstbehalt liegt derzeit nach den Leitlinien der OLG bei 1.090 EUR für nicht erwerbstätige Unterhaltspflichtige. Dieser Selbstbehalt kann sich erhöhen, wenn der Unterhaltspflichtige den anderen im Heim regelmäßig besucht und ihm materielle und immaterielle Zuwendungen zukommen lässt.

 

Mit dieser Entscheidung des BGH dürfte der Familienunterhalt aus seinem Schattendasein herausgetreten sein. Der BGH hat mit seiner Entscheidung klare Vorgaben zu seiner Errechnung für die Praxis an die Hand gegeben.

 

Quelle: Ausgabe 07 / 2016 | Seite 112 | ID 44123418