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· Fachbeitrag · Wohngebäudeversicherung

Wasseraustritt in der gefliesten Dusche ist ein Leitungswasserschaden

von RiOLG a. D. und RA Dr. Dirk Halbach, Köln

| Wasser ist aus mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen der Wasserversorgung bestimmungswidrig ausgetreten, wenn es in der Dusche am Fliesenspiegel herunterläuft und über den nicht versiegelten Fliesendurchgang der Duscharmaturen in die dahinter liegende Zwischenwand gelangt. |

 

Sachverhalt

Der VN macht nach einem Leitungswasserschaden Entschädigungsleistungen aus einer Wohngebäudeversicherung geltend. Er unterhält für das von ihm bewohnte Einfamilienhaus (Baujahr 2007) eine Wohngebäudeversicherung, die auch Leitungswasserschäden mitumfasst. In den zugrunde liegenden VGB 88 heißt es wie folgt:

 

  • Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88)

§ 4 Versicherte Gefahren und Schäden

  • 1. Entschädigt werden versicherte Sachen, die durch ...
  • b) Leitungswasser (§ 6) ...
  • zerstört oder beschädigt werden oder infolge eines solchen Ereignisses abhanden kommen.

 

§ 6 Leitungswasser

  • 1. Leitungswasser ist Wasser, das aus
  • a) Zu- oder Ableitungsrohren der Wasserversorgung,
  • b) mit dem Rohrsystem verbundenen sonstigen Einrichtungen oder Schläuchen der Wasserversorgung ….
  • bestimmungswidrig ausgetreten ist.

 

§ 9 Nichtversicherte Sachen und Schäden

...

  • 4. Der Versicherungsschutz gegen Leitungswasser erstreckt sich ohne Rücksicht auf mitwirkende Ursachen nicht auf Schäden durch
  • a) Plansch- oder Reinigungswasser; ...“.
 

Der VN bemerkte im August 2016 Nässeschäden im Wandbereich zwischen Wohnzimmer und Bad. Er zeigte den Schaden beim VR an. Der vom VR beauftragte Sachverständige stellte nach einem Ortstermin in seinem Gutachten vor allem im Bereich der Trennwand zwischen Bad und Wohnraum massive Rostansätze am Metallständerwerk, Nässeschäden im Bereich der Dämmung, Stockflecken und Schimmelbildung an der Innenseite der Außenwand im Bereich des Wohnzimmers neben dem Bad fest. Schadensursächlich war Wasser, welches im Bereich der Dusche am Fliesenspiegel herunterlief und durch den nicht versiegelten Fliesendurchgang der Duscharmaturen in die dahinter liegende Zwischenwand gelangte.

 

Der VR hat die Auffassung vertreten, der defekte Fliesenspiegel gehöre jedenfalls nicht mehr zu einer versicherten Einrichtung. Das Wasser sei auch nicht bestimmungswidrig ausgetreten. Es habe vielmehr den Duschkopf ordnungsgemäß verlassen. Das sei allein maßgeblich. Im Übrigen greife der Risikoausschluss für „Plansch- oder Reinigungswasser“.

 

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Schadensfall habe mit dem versicherten Zu- oder Ableitungssystem sowie den dazugehörigen Einrichtungen nichts mehr zu tun. Es liege vielmehr ein Schaden vor, der schlicht bei der Nutzung von Wasser entstanden sei. Dabei sei das schadensträchtige Wasser nicht bestimmungswidrig ausgetreten. Es habe bestimmungsgemäß seinen Gang gefunden.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung des VN hatte vor dem OLG Naumburg Erfolg (8.2.18, 4 U 67/17, Abruf-Nr. 207861). Der VR darf die geltend gemachte Entschädigungsleistung aus dem Versicherungsvertrag nicht versagen. Es liegt ein vom Versicherungsschutz umfasster bedingungsgemäßer Leitungswasserschaden nach den § 4 1.b), § 6 1.b) VGB 88 vor. Ein Risikoausschluss nach § 9 4.a) VGB 88 für Plansch- oder Reinigungswasser scheidet aus.

 

Nach einer gebotenen Auslegung der VGB 88 steht außer Frage, dass der nicht versiegelte, schadensträchtige Durchgang der Armaturen im Fliesenspiegel als Teil der Dusche unter eine mit dem Rohrsystem verbundene sonstige Einrichtung nach § 6 1.b) VGB 88 fällt. Der VN ist deshalb nach § 4 1.b) VGB 88 zu entschädigen.

 

  • Hierbei kommt in erster Linie dem Wortlaut einer Klausel Bedeutung zu. Berücksichtigt man, dass der Begriff „Einrichtung“ von seiner Formulierung her erkennbar abstrakt gehalten ist, so liegt nahe, ihn weit zu verstehen. Dann sind darunter alle in einem Haus üblicherweise vorhandenen Wasserverbrauchsstellen zu fassen, sofern ihnen Wasser über Zuleitungen zugeführt wird, welches in Ableitungen anschließend von dort wieder weggeführt wird.

 

  • Nach diesem Maßstab fällt eine Dusche unter den Versicherungsschutz. Sie wird über die Armaturen und den Duschkopf mit Frischwasser versorgt, welches nach dem Reinigungsvorgang über Ableitungsrohre entsorgt wird. Zu einer derartigen Duscheinrichtung wird man zwanglos all die Einrichtungsteile zählen, die für einen bestimmungsgemäßen Duschvorgang erforderlich sind. Hierzu gehören nicht nur die Duschwanne, sondern auch sämtliche Außenwände, welche den Austritt des Wassers während des Reinigungsvorgangs verhindern. Unerheblich ist dabei, ob sie den Ein- oder Ausstieg ermöglichen oder aber, wie hier, den Anschluss zum Gebäude herstellen und nach dort die Dusche über einen Fliesenspiegel abgrenzen.

 

  • Selbst wenn ein derartiges Verständnis nicht eindeutig sein sollte, müsste aufgrund dieser Unklarheit die für den VN günstigste Auslegungsmöglichkeit Anwendung finden. Danach ist der Wandfliesenspiegel, durch welchen die Duscharmaturen führen, als Teil der Duscheinrichtung mitversichert. Unter Zugrundelegung dessen, ist das schadensträchtige Wasser auch „bestimmungswidrig“ im Sinne der VGB 88 durch den nicht versiegelten Fliesenspiegel ausgetreten.

 

  • Für eine teilweise vertretene und von dem VR favorisierte abweichende Auffassung, das Wasser sei bestimmungsgemäß aus dem Duschkopf ausgetreten, weshalb es im Ergebnis nicht mehr auf einen späteren Austritt an anderer Stelle ankommen könne, bleibt danach kein Raum mehr. Der Duschkopf ist lediglich ein Teil der Duscheinrichtung. Wie sich das Wasser innerhalb der Duscheinrichtung bewegt, ist, wie auch sonst bei anderen Wasserverbrauchsgeräten, belanglos. Das Wasser hat sich nach dem Austritt aus dem Duschkopf zunächst weiterhin innerhalb der Dusche befunden. Diese Einrichtung hat es erst anschließend über den defekten Fliesenspiegel verlassen. Das ist zweifellos „bestimmungswidrig“ geschehen.

 

  • Bei dem hier aus dem Fliesenspiegel der Dusche ausgetretenen Wasser handelt es sich auch um kein „Plansch- oder Reinigungswasser“. Deshalb greift der Risikoausschluss nach § 9 4.a) VGB 88 nicht zugunsten des VR. Der Wasseraustritt durch den Fliesenspiegel beruhte nicht darauf, dass in der Dusche in besonderer Weise geplanscht oder gespritzt worden wäre. Er fand vielmehr gerade auch bei einer gewöhnlichen Nutzung der Dusche durch das am Fliesenspiegel herunterlaufende Wasser statt.

 

Die Höhe der Entschädigungsleistung ist unstrittig. Für ein grob fahrlässiges Verhalten des VN im Zusammenhang mit der Schadensentstehung ist nichts dargetan noch etwas ersichtlich. Der zulässige Feststellungsantrag ist gleichermaßen begründet. Denn nach einer späteren Reparatur der Schäden hat der VN entsprechend § 15 6.a) VGB 88 auch Anspruch auf die dann tatsächlich angefallene und entrichtete Mehrwertsteuer.

 

Relevanz für die Praxis

Das Gericht sieht zutreffend die geflieste Dusche insgesamt mit Armaturen und Duschkopf als aus den mit den Rohren verbundene sonstige Einrichtung an, aus der hier Wasser bestimmungswidrig ausgetreten ist (vgl. jetzt A.4.2.1. A.4.2.2 VGB 2016, A 5.2 1, A 5.2.2 VHB 2016).

 

  • Rechtsprechungsübersicht
  • Wenn Wasser in einer Dusch- oder Wannenecke eines Hauses „durch die Wand“ gelangt ist, liegt ein bestimmungswidriger und unmittelbarer Austritt von Leitungswasser aus mit den Zu- und Ableitungsrohren der Wasserversorgung verbundenen Einrichtungen vor. Damit besteht ein versicherter Nässeschaden (OLG Schleswig VK 15, 176 ‒ zu WGB F 01/08).

 

  • Ein vollständig gefliester Raum, der als Duschbereich in einem Fitness-Studio genutzt wird, ist nach dem Sprachgebrauch keine mit einem Rohrsystem fest verbundene Einrichtung der Wasserversorgung. Daher ist der Austritt von Leitungswasser durch undichte Fliesenfugen keine von der LW-Versicherung umfasste Gefahr (OLG München r+s 17, 527 ‒ zu § 1 Nr. 2 b AWB 87).

 

  • Es liegt kein Versicherungsfall in der LW-Versicherung vor, wenn Spülwasser auf den Boden einer Küche über unzulängliche Abdichtungen in den Bodenaufbau eingedrungen ist und dort Schäden angerichtet hat (OLG Schleswig ZfS 19, 99 ‒ zu ABIS- Industrie Sachversicherung).
 
Quelle: Seite 65 | ID 45815573