· Wirtschaftlichkeitsprüfung
Häufige Beanstandungen der Prüfungsstelle vermeiden (Teil 13) ‒ Nachbehandlungen

| Die Prüfgremien können in Wirtschaftlichkeitsprüfungen im Rahmen ihrer „Annexkompetenz“ (siehe AAZ 06/2019, Seite 2 ff.) auch sachlich-rechnerische Berichtigungen vornehmen. Deshalb ist es wichtig, mit konsequenter Anwendung der Abrechnungsbestimmungen Prüfverfahren zu vermeiden. Was Prüfgremien bei der Abrechnung von Nachbehandlungen nach chirurgischen Eingriffen bei den BEMA-Nr. 36, 37 und 38 häufig beanstanden und wie Sie dem begegnen können, erfahren Sie nachfolgend. |
Nachbehandlungen nach chirurgischen Eingriffen
Nachbehandlungen nach chirurgischen Eingriffen werden in Prüfverfahren häufig beanstandet. Oft werden sie nicht vertragsgerecht abgerechnet, Abrechnungsbestimmungen zum Teil nicht beachtet oder Leistungen werden der falschen BEMA-Ziffer zugeordnet. Zudem beanstanden Prüfgremien regelmäßig, dass nach ihrer Auffassung Nachbehandlungen durchgeführt wurden, obwohl sie medizinisch nicht notwendig waren.
Als Nachbehandlungsmaßnahmen kommen infrage
- das Stillen einer übermäßigen Blutung (BEMA-Nr. 36 ‒ Nbl1),
- das Stillen einer übermäßigen Blutung durch Abbinden oder Umstechen (BEMA-Nr. 37 ‒ Nbl2),
- die Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff (BEMA-Nr. 38 ‒ N),
- chirurgische Wundrevisionen (BEMA-Nr. 46 ‒ XN),
- eine Knochenresektion am Alveolarfortsatz (BEMA-Nr. 58 ‒ KnR) sowie
- die Resektion der Alveolarfortsätze (BEMA-Nr. 62 ‒ Alv).
Stillen von übermäßigen Blutungen (Nbl1 und Nbl2)
Die Abkürzung „Nbl“ wird von „Nachblutungen“ hergeleitet. Sie können für das Stillen von nahezu jeder übermäßigen Blutung abgerechnet werden ‒ und somit auch für übermäßige Blutungen, die beispielsweise durch einen Unfall verursacht wurden. „Übermäßig“ heißt: Es muss sich um besonders starke, das normale Maß erheblich übersteigende Blutungen handeln. Dies bedeutet auch, dass das Stillen einer üblicherweise im Rahmen eines chirurgischen Eingriffs entstehenden Blutung mit der Gebühr für den chirurgischen Eingriff abgegolten ist; sie gehört zur primären Wundversorgung.
Im zeitlichen Zusammenhang mit einem chirurgischen Eingriff ist die Berechnung der BEMA-Nrn. 36 (Nbl1) oder 37 (Nbl2) nur möglich, wenn ein zusätzlicher Zeitaufwand erforderlich ist.
Das zeitaufwendige Stillen einer übermäßigen Papillenblutung im Zusammenhang mit Präparationen für Füllungen oder Kronen ist mit der BEMA-Nr. 12 (bMF) abgegolten.
Nbl1 oder Nbl2 ‒ das ist eine Frage der eingesetzten Technik
Ob BEMA-Nr. 36 (Nbl1 ‒ 15 Punkte) oder die fast doppelt so hoch bewertete Nr. 37 (Nbl2 ‒ 29 Punkte) berechnet wird, hängt von der eingesetzten Technik ab. Daher unterscheiden sich die Leistungsinhalte der BEMA-Nrn. 36 und 37 wesentlich:
- Sickerblutungen lassen sich durch die Anwendung von Druck beherrschen (z. B. Kompression des Gebiets, Aufbisstupfer, Druckverbände, Verbandplatten). Diese Maßnahmen können unter der Nbl1 abgerechnet werden.
- In der Leistungsbeschreibung der BEMA-Nr. 37 ist das „Abbinden oder Umstechen eines Gefäßes oder Knochenbolzung“ enthalten. Beim „Abbinden“ wird ein blutender Gefäßstumpf gefasst und mit einer Fadenligatur verschlossen. Davon unterscheidet sich das „Umstechen“, das auch noch das Gewebe in der unmittelbaren Umgebung des blutenden Gewebes in die Ligatur einbezieht. „Knochenbolzung“ ist der Verschluss eines Gefäßes im Knochen.
Die BEMA-Nrn. 36 und 37 können mehrfach in derselben Sitzung abgerechnet werden, und zwar je Blutungsstelle. Sofern übermäßige Blutungen gestillt werden, die nicht in einem Gebiet liegen, beispielsweise in unterschiedlichen Quadranten, bleibt es jedoch bei der einmaligen Abrechenbarkeit je Blutungsstelle. Eine mehrfache Abrechnung ist also auch dann nicht zulässig, wenn das austretende Blut den Bereich mehrerer Zähne umfasst. Die Übermittlung einer mehrfachen Abrechnung am selben Zahn in derselben Sitzung an die KZV wird durch das KZBV-Abrechnungsmodul verhindert.
Abgrenzung „Nbl1“ und „Nbl2“ zu „N“ und „XN“
Der wesentliche Unterschied zwischen den BEMA-Nrn. 36 und 37 und den Nachbehandlungen im Sinne der Nrn. 38 (N) und 46 (XN) ist, dass die „N“ und die „XN“ nie im zeitlichen Zusammenhang mit einem chirurgischen Eingriff, sondern nur in getrennter Sitzung abgerechnet werden. Neben der „Nbl1“ und der „Nbl2“ ist die Abrechnung der „N“ und „XN“ nicht zulässig. Es gilt folgende Abgrenzung der Leistungsinhalte:
- Wird eine Wunde wegen dolor post operationem mit einem Streifen tamponiert, der ein antiseptisches Medikament enthält, erfüllt dies den Leistungsinhalt der BEMA-Nr. 38 (N). Wird die Tamponade zur Blutstillung eingesetzt, kann diese Maßnahme unter der „Nbl1“ abgerechnet werden.
- Wird in einer getrennten Sitzung nach einem chirurgischen Eingriff eine Wunddehiszenz durch eine oder mehrere Nähte versorgt, erfüllt dies den Leistungsinhalt der BEMA-Nr. 46 (XN); der Leistungsinhalt der BEMA-Nr. 36 ist erfüllt, wenn die Naht dem Stillen der Blutung dient.
Obwohl die BEMA-Nrn. 36 und 37 relativ wenig abgerechnet werden ‒ laut „Jahrbuch 2019“ der KZBV insgesamt nur 425.500-mal ‒, spielen sie in der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine bedeutende Rolle. Eine gute, möglichst detaillierte Dokumentation hilft in Verfahren vor den Prüfgremien (siehe AAZ 06/2019, Seite 5).
Nachbehandlung nach chirurgischem Eingriff (N)
Erfordert eine Operationswunde eine Nachbehandlung, ist die BEMA-Nr. 38 (N) abrechenbar. Die Leistungsbeschreibung fordert die „Behandlung“ nach einem chirurgischen Eingriff. Typische Leistungen, die unter der BEMA-Nr. 38 abgerechnet werden können, sind die Wundtoilette, das Legen, Wechseln und Entfernen eines Streifens oder einer Tamponade sowie die Nahtentfernung.
Eine postoperative Kontrolle oder Nachschau rechtfertigt keine Abrechnung einer Nachbehandlung, da der Leistungsinhalt nicht erfüllt ist. Dies ist der häufigste Fehler, den Prüfgremien im Zusammenhang mit der N feststellen. Allenfalls ist bei einer Kontrolle nach chirurgischem Eingriff die BEMA-Nr. Ä1 (Beratung) berechenbar, sofern die Abrechnungsbestimmungen erfüllt sind.
Die Nachbehandlung muss in einer besonderen Sitzung ‒ also getrennt vom chirurgischen Eingriff ‒ als selbstständige Leistung erfolgen. Es heißt allerdings nicht „alleinige“ Leistung. Das bedeutet: nicht in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit einer Extraktion oder Operation.
Die N ist je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich abrechnungsfähig. Die mehrfache Abrechnung je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich wird durch das KZBV-Abrechnungsmodul verhindert.
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18 | 17 | 16 | 15 | 14 | 13 | 12 | 11 | 21 | 22 | 23 | 24 | 25 | 26 | 27 | 28 |
N | N | ||||||||||||||
1 x Nr. 38 | |||||||||||||||
Kommentar: Die BEMA-Nr. 38 ist nur einmal ansetzbar, da die Nachbehandlungsmaßnahmen in derselben Sitzung nur einmal je Kieferhälfte abrechnungsfähig sind, auch bei getrennten Wundgebieten. |
Eine Leistung nach BEMA-Nr. 38 kann nicht neben Leistungen nach den BEMA-Nrn. 36, 37 oder 46 abgerechnet werden, soweit die Maßnahmen in derselben Sitzung an derselben Stelle erfolgen.
PRAXISTIPP | Allerdings ist es möglich, beispielsweise an Zahn 14 eine Nachbehandlung und am selben Tag in derselben Sitzung an Zahn 18 eine chirurgische Wundrevision (XN) durchzuführen. Beide Gebührenziffern sind dann abrechnungsfähig, obwohl die Leistungen zwar „in derselben Sitzung“, aber nicht „an derselben Stelle“ erfolgen. |
Eine Wundkontrolle ohne Behandlungsmaßnahme ist nicht nach BEMA-Nr. 38 abrechenbar. Auch wird teilweise die medikamentöse Behandlung einer Dentitio difficilis fälschlicherweise als N abgerechnet. Zutreffend wäre die Abrechnung der BEMA-Nr. 105 (Mu).
Diese Falschabrechnungen können von der Abrechnungsabteilung der KZV nicht erkannt werden; die Prüfgremien können die Abrechnungsfehler im Wege der Annexkompetenz miterledigen (siehe AAZ 06/2019, Seite 2 ff.).
Nicht selten wird festgestellt, dass die Nachbehandlung aus Sorge um den Patienten oder aus Unsicherheit zu häufig durchgeführt wird, sodass eine „vernünftige“ Wundheilung nicht möglich ist bzw. unterbrochen wird. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass statistische Auffälligkeiten bestehen und die Prüfgremien deshalb Honorarkürzungen vornehmen.
PRAXISTIPP | Da jede Zahnentfernung und die daraus ggf. folgenden Nachbehandlungen individuell zu bewerten sind, gibt es keine Verhältniszahl dazu, bei wie vielen Extraktionen und Operationen eine bestimmte Anzahl an Nachbehandlungen noch wirtschaftlich ist. Allerdings sollten Sie sich in einem Prüfverfahren wehren, wenn Ihre Nachbehandlungen lediglich mit dem KZV-Durchschnitt verglichen werden. Es ist denkbar, dass Sie mehr chirurgische Leistungen erbringen als der Durchschnitt Ihrer Vergleichsgruppe. Das hat natürlich zur Konsequenz, dass Ihre Nachbehandlungen den KZV-Durchschnitt überschreiten c‒ es sei denn, es handelt sich nahezu ausnahmslos um die Leistung nach BEMA-Nr. 43 (X1). |
Wenn Sie alle Extraktionen und Operationen alio loco bei einem Oral- oder Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgen durchführen lassen und die Nachbehandlungen selbst vornehmen, wird das Verhältnis Ihrer Nachbehandlungen zu den Extraktionen und Operationen nicht „stimmen“. Hier sollten Sie auf jeden Fall in der Patientenakte genau dokumentieren, dass beispielsweise bei einem größeren Eingriff die erste Nachbehandlung beim Operateur durchgeführt wurde. In der Regel helfen dabei auch Ihre Überweisung und ein Arztbrief des Chirurgen. Die Überweisung erfolgt auf Muster 16 („Rezept“).
Statistik-Zahlen zu Nachbehandlungen
Die Zahl der Nachbehandlungen zu den Zahnentfernungen ist nahezu 1:1. Laut dem Jahrbuch 2019 der KZBV entfielen auf 12,4 Mio. Zahnentfernungen im Jahr 2018 in Deutschland 11,3 Mio. Nachbehandlungen. Dabei erfolgte etwa die Hälfte der Zahnentfernungen nach den BEMA-Nrn. 43 bis 45 (X1 bis X3). Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der überwiegende Teil der Nachbehandlungen bei den BEMA-Nrn. 43 bis 45 erforderlich war. Es wurden im Jahr 2018 ca. 14 Mio. chirurgische Eingriffe abgerechnet. Das bedeutet, dass nicht nach jedem chirurgischen Eingriff eine Nachbehandlung durchgeführt wurde. Gleichwohl ist die Frage der medizinischen Notwendigkeit einer Nachbehandlung von Fall zu Fall zu entscheiden.
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Ein Zahnarzt rechnete regelmäßig nach jeder Extraktion oder jedem chirurgischen Eingriff drei Nachbehandlungen ab. Die Patientenakte enthielt keine schlüssige Begründung für diese Vorgehensweise. Eine stereotype Abrechnung der N nach jeder Zahnentfernung ist auf jeden Fall unwirtschaftlich und schlägt sich in der Statistik mit Überschreitungen nieder. Da in dem konkreten Fall nicht eindeutig feststellbar war, welche Nachbehandlungen unwirtschaftlich bzw. bei welchen Nachbehandlungen der Leistungsinhalt nicht erfüllt wurde, hat die Prüfungsstelle eine Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlung vorgenommen. Dies ist auch zulässig. Laut Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist eine „randscharfe“ Abgrenzung und Trennung zwischen Wirtschaftlichkeitsprüfung auf der einen und sachlich-rechnerischer Richtigstellung auf der anderen Seite oftmals gar nicht möglich. Daher könnten Prüfgremien zu einer Honorarkürzung gelangen (BSG, Urteil vom 20.09.1995, Az. 6 RKa 56/94). |
Weiterführender Hinweis
- Im nächsten Teil der Serie geht es um häufige Beanstandungen der Prüfgremien bei Nachbehandlungen im Sinne der BEMA-Nrn. 46 (XN), 58 (KnR) und 62 (Alv).