· Fachbeitrag · Unternehmensführung
„Wir sind gut aufgestellt“: So können Sie diese Aussage verifizieren
von Dr. Günter Lubos, Mitglied der Geschäftsleitung bei Dr. Wieselhuber & Partner
| „Wir sind gut aufgestellt“. Das haben Sie gegenüber Mitarbeitern (z. B. im Jahresgespräch), Kollegen, Geschäftspartnern oder Kunden sicher schon so gesagt. Aber worauf basierte diese optimistische Aussage? Auf Ihrem Gefühl? Ihrem Optimismus? Dem Stand des Bankkontos? Oder auf einer Summe von ergebnistreibenden Faktoren, mit denen Sie Ihr Büro systematisch bewertet haben? Der folgende Beitrag weist Ihnen den Weg zu dieser objektiven Analyse, die auch Optimierungspotenziale aufdecken hilft. |
Ist Ihr Architektur- oder Ingenieurbüro „wetterfest“?
Mit einer Handvoll von Kennzahlen, die wesentliche Risikotreiber abbilden, können Sie die Performanceposition Ihres Büros rasch und relativ sicher bestimmen. Zwölf Benchmarks helfen festzustellen, wo Sie stehen.
Wichtig | Machen Sie also den Lackmus-Test und setzen in die Tabelle Ihre Zahlen ein. Manche Kennzahlen bedürfen der Erläuterung; diese finden Sie im Anschluss an die Tabelle.
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Nr. | Performance- und Risikotreiber | Under-performer | Performer | Ihr Unter-nehmen | Risikoprofil Unternehmen | |||
Gering | Mittel | Hoch | ||||||
Umsatz | 1. | Reichweite des Auftragsbestands | < 3 Monate | > 6 Monate | ❒ | ❒ | ❒ | |
2. | Abstand Umsatzniveau zum Break Even | < 5 % | >15 % | ❒ | ❒ | ❒ | ||
3. | Anteil Neukundenumsatz | < 10 % | > 20 % | ❒ | ❒ | ❒ | ||
4. | Durchschnittlicher Stundensatz | < 60 Euro | > 100 Euro | ❒ | "❒ | ❒ | ||
Kosten | 5. | Höhe der Ebitrendite | > -5 bis 0 % | > 7 % | ❒ | ❒ | ❒ | |
6. | Personalkostenproduktivität (Faktor) | < 1,7 | > 2,0 | ❒ | ❒ | ❒ | ||
7. | Auslastung der Mitarbeiter | < 60 % | > 75 % | ❒ | ❒ | ❒ | ||
8. | Relation Gemeinkosten zu Umsatz | > 6 % | < 4 % | ❒ | ❒ | ❒ | ||
Kapital | 9. | Verbindlichkeiten/EBITDA | > 3,5 | < 2,5 | ❒ | ❒ | ❒ | |
10. | Eigenkapitalquote | < 20 % | > 30 % | ❒ | ❒ | ❒ | ||
11. | Reichweite Working Capital | > 60 Tage | < 45 Tage | ❒ | ❒ | ❒ | ||
12. | Burn Rate der Liquidität | < 3 Monate | > 6 Monate | ❒ | ❒ | ❒ |
Nr. 6: Personalkostenproduktivität
Die Personalkostenproduktivität ergibt sich aus der Relation von Rohertrag zu Personalkosten. Sie ermöglicht es u. a., Unternehmen mit unterschiedlicher Wertschöpfungstiefe und unterschiedlichen Personalkostenniveaus zu vergleichen.
Nr. 11: Reichweite Working Capital
Die Reichweite des Working Capital beschreibt, wieviel Tage Sie das Working Capital, bestehend aus Forderungen und Beständen abzüglich der Lieferantenverbindlichkeiten finanzieren müssen.
Nr. 12: Burn Rate der Liquidität
Im Verlustfall beschreibt die Burn Rate der Liquidität, wie viele Monate Ihr Cash-Flow ‒ auch unter Einbeziehung nicht ausgeschöpfter Kreditlinien ‒ reicht, um Ihr Büro zu finanzieren bzw. ab wann die Liquidität verbraucht ist.
Sind Sie Underperformer oder Performer?
Optimal aufgestellt sind Sie natürlich, wenn Sie bei allen zwölf Kennzahlen „performen“. Was aber, wenn Sie ‒ wie es wahrscheinlicher ist ‒ bei der einen oder anderen Kennzahl zu den „Underperformern“ zählen? Hier kommt es vor allem darauf an, die Kennzahlen zu verfolgen, die als besonders kritisch hervorstechen, mit dem Ziel, rechtzeitig Maßnahmen einzuleiten.
So leiten Sie Maßnahmen ab
Im ersten Schritt sollten Sie die Performancetreiber betrachten, die auf Umsatz, Kosten und Kapital wirken. Neben der Reichweite Ihres Auftragsbestands, der Neukundenquote und den realisierten durchschnittlichen Stundensätzen ist vor allem der Break-Even-Umsatz wichtig. Je größer der Abstand Ihres Ist- oder geplanten Umsatzes zum Break-Even-Umsatz ist, desto besser ist Ihr Büro auf Umsatzschwankungen und -rückgänge vorbereitet.
Auf der Kostenseite signalisieren die Personalkostenproduktivität, die Auslastung der Mitarbeiter und der Anteil der Gemeinkosten am Umsatz wie gut die Cost Performance Ihres Büros ist. Vor allem bei rückläufigen Umsätzen und sinkender Auslastung kommt es darauf an, die Gemeinkosten im Griff zu behalten. Andernfalls besteht die Gefahr, dass sich die Relation von direkten, auf ein Projekt verrechenbaren, Kosten zu Gemeinkosten stetig verschlechtert und Sie die Gemeinkosten nicht mehr decken können.
Im Bereich der kapitalrelevanten Performancetreiber zeigt die Relation von Verbindlichkeiten zu EBITDA, wie lange es dauert, zinstragende Verbindlichkeiten aus Ihrem EBITDA zurückzuzahlen. Diese Kennzahl findet sich häufig in Kreditverträgen als Covenance und sollte daher besonders beobachtet werden, wenn Sie in größerem Umfang auf Fremdfinanzierung zurückgreifen. Die Eigenkapitalquote und die Reichweite des Working Capital sind weitere wichtige Finanzkennzahlen. Im Falle einer Verlustperiode, sei es aufgrund generell fehlender Ertragskraft oder infolge noch nicht abgerechneter Projekte, ist die sog. Burn Rate der Liquidität besonders wichtig. Sie sagt aus, wie lange die Liquidität Ihres Büros angesichts der Verluste ausreicht.
Härtegrad der Maßnahmen auf Ihre Situation ausrichten
Nach einer Bestandsaufnahme der Performance müssen Sie in einem zweiten, wichtigeren Schritt Maßnahmen einleiten, um Risiken zu reduzieren und die Performance zu verbessern. Diese können unterschiedliche Härtegrade aufweisen und reichen von der Ergebnissicherung mittels kurz- und mittelfristiger Maßnahmen bis hin zur Redimensionierung Ihres Geschäftsmodells auf Basis langfristiger oder strategischer Maßnahmen.
Kurzfristmaßnahmen zur Ergebnissicherung
Typisch für eine Ergebnissicherung sind vor allem kurzfristige Cost Cutting Aktivitäten. Kapazitäten werden angepasst und auf die aktuelle Situation ausgerichtet, nicht zwingend erforderliche Aktivitäten und damit vermeidbare Kosten reduziert. Büros, die Corona-bedingt unterausgelastet waren oder sind, nutzen hier die Kurzarbeit.
Wichtig | Kurzarbeit ist kein Instrument, um langfristig ausbleibende Aufträge (= und damit Unterauslastung) zu kompensieren und damit Ihr Ergebnis nachhaltig zu sichern. Kurzarbeit dient dazu, für einen überschaubaren Zeitraum Verluste zu begrenzen und die Liquidität zu sichern. Sobald diese Phase überwunden ist, bedarf es weiterer Schritte und Aktivitäten, um die Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens zu erreichen.
Strategische Maßnahmen zur Redimensionierung
Maßnahmen zur Redimensionierung sind umfassender und greifen deutlich stärker in Ihr Unternehmen ein. Eine zunächst begrenzte Redimensionierung zielt ähnlich wie die Ergebnissicherung darauf ab, Kosten zu reduzieren. Anders als bei reinen Cost Cutting Aktivitäten steht jedoch
- die Neugestaltung von Prozessen und
- die Veränderung von Aufgaben im Vordergrund.
Die Stichworte und Maßnahmen, die hier im Raum stehen, sind Ihnen wohl bekannt. Wichtig ist, dass Sie Prozesse verändern und Aufgaben und Strukturen in deren Folge anpassen. Das Ergebnis muss in der dauerhaften Absenkung der (Gemein)kosten und damit einer Neuausrichtung von Funktionen bestehen. Eine derartige Redimensionierung geht oft mit Investitionen in Mitarbeiter, Methoden und Systeme einher. Das macht deutlich, dass Zeit- und Kostenaufwand einer derartigen Redimensionierung deutlich höher ist als beim reinen Cost Cutting. Noch eine Stufe weiter geht eine umfassende Redimensionierung. Hier greifen Sie noch tiefer in Ihre Strukturen ein.
FAZIT | Das Gefühl, „gut aufgestellt“ zu sein, mag beruhigen und schafft Optimismus, auch schwierige Phasen gut durchzustehen. Besser ist es, dieses Gefühl mit harten Fakten zu untermauern. So entsteht einerseits Sicherheit, andererseits bietet sich die Gelegenheit, dort gezielt anzusetzen, wo bislang nicht gesehene und / oder nicht gehobene Potenziale existieren. Mit einer Handvoll Kennzahlen können Sie schnell ermitteln, ob und wo in den Bereichen Umsatz, Kosten und Kapital Handlungsbedarf besteht. Nutzen Sie das als Basis für gezielte Maßnahmen. |