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· Fachbeitrag · Unternehmen in der Krise

Generationenwechsel in schwierigen Phasen: Vorteile einer bewussten Handlungsoption

von Dipl.-Ökonom Marc Ackermann, Partner und RAin Andrea Eichholz, Managerin, beide AMB Aktive Management Beratung GmbH, Bottrop

| Befindet sich das zu übergebende Unternehmen aktuell in einer schwierigen Situation, führt dies im Rahmen eines Generationenwechsels zu einigen Besonderheiten: Der Übernehmer wird nicht bereit sein, für ein Krisenunternehmen einen hohen Kaufpreis zu zahlen. Gleichzeitig wird ‒ jedenfalls bei inhabergeführten KMU ‒ der Senior auf den Kaufpreis für seine Altersvorsorge angewiesen sein. Andererseits kann eine Übernahme in der Krise auch eine Chance für einen erfolgreichen Neuanfang sein. Dies hängt vor allem davon ab, in welchem Krisenstadium sich das Unternehmen befindet. |

1. Die fünf Krisenstadien

In der Praxis ‒ angelehnt auch an die Beschreibung der verschiedenen Krisenstadien im Standard S 6 zur Erstellung von Sanierungskonzepten des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) (vgl. grundlegend: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten [IDW S 6], Stand: 16.5.18) ‒ wird zwischen fünf Krisenstadien unterschieden:

 

  • 1. Stakeholder-Krise: In diesem Krisenstadium scheint das Unternehmen keine Probleme zu haben. Allerdings bestehen bereits Konflikte zwischen den Stakeholdern, also etwa Streitigkeiten unter den Gesellschaftern, Unruhe in der Belegschaft, Vertrauenseinbußen bei Banken oder Lieferanten.

 

  • 2. Strategiekrise: Dieses Krisenstadium bezeichnet eine Situation, in der das Unternehmen etwa den Markt und die weitere Entwicklung des Marktes falsch einschätzt und deshalb seine Unternehmensstrategie nicht zukunftsorientiert ausrichtet (z. B. Festhalten an der analogen Fotografie trotz allgemein fortschreitender Digitalisierung, Ausbau der Produktion von VHS-Videorekordern trotz erster Erfolge der DVD). In einem solchen Fall ändert sich das Nachfrageverhalten zunächst langsam, sodass der Unternehmer keinen unmittelbaren Veränderungsdruck verspürt.

 

  • 3. Produkt- und Absatzkrise: Von einer Produkt- und Absatzkrise spricht man, wenn ‒ oft auf eine strategische Krise folgend ‒ das Unternehmen unter rückläufigen Umsätzen leidet. Resultat sind hohe Lagerbestände, Unterauslastung beim Personal und schlussendlich sinkende Unternehmensergebnisse. Hier ist entscheidend, frühzeitig zu erkennen, dass der Nachfragerückgang das Unternehmen nicht nur temporär, sondern dauerhaft belasten wird.

 

  • 4. Erfolgskrise: Wird die vorausgegangene Produkt- und Absatzkrise nicht beseitigt, folgt unweigerlich auch die Erfolgskrise, also ein Gewinnrückgang oder sogar der Eintritt in eine Verlustzone. Spätestens jetzt wird die Krisensituation auch für Dritte (Banken, Kreditversicherer, Lieferanten) erkennbar. Problematisch ist, dass in diesem Stadium eine Restrukturierung schwieriger ist als in früheren Krisenstadien, insbesondere weil Finanzierer dem Unternehmen die für eine Restrukturierung oftmals notwendigen liquiden Mittel nunmehr nur noch zögernd zur Verfügung stellen werden.

 

  • 5. Liquiditätskrise
  • Können aufgrund der Erfolgskrise Verbindlichkeiten nicht mehr fristgerecht bedient werden, spricht man vom Eintritt in die Liquiditätskrise und damit von einer akuten Bestandsgefährdung für das Unternehmen. Damit steigt auch die Haftungsgefahr für die Geschäftsführung deutlich.

 

Ausgehend von den verschiedenen Krisenstadien bieten sich unterschiedliche Möglichkeiten, durch eine bewusst gewählte Unternehmensnachfolge die Krisenbewältigung und damit den notwendigen Restrukturierungs- oder Sanierungsprozess gezielt positiv zu beeinflussen.

2. Krisenbewältigung durch Unternehmensnachfolge

Unabhängig von den genauen Krisenursachen stellt die Krisenbewältigung sowie die Umsetzung von definierten Restrukturierungs- und Sanierungsmaßnahmen, wie zuvor bereits angedeutet, an KMU generell besondere Herausforderungen. Sofern insbesondere bei schon länger bestehenden Krisenursachen das Vertrauen der weiteren Beteiligten ‒ gerade auch in die Person des selbst handelnden Familienunternehmers ‒ gelitten hat, kann die gezielte Überleitung der Maßnahmenumsetzung auf einen geeigneten und idealerweise mit Change-Prozessen erfahrenen Nachfolger ein vertrauensbildender Schritt sein. Dies gilt dabei nicht nur in Richtung der finanzierenden Banken und weiteren Gläubiger, sondern auch in Bezug auf die Mitarbeiter.

 

Auf der Finanzierungsseite führen länger andauernde Konsolidierungsphasen sukzessive zu einem zunehmenden Handlungsdruck. Spätestens wenn ein Firmenkreditengagement in der Intensiv- oder Sanierungsabteilung der betreuenden Banken eingruppiert wurde, wird bankenseitig der schnelle Erfolg der eingeleiteten (Sanierungs-)Maßnahmen eingefordert.

 

Sofern neben strategisch und operativ orientierten Maßnahmen die nachhaltige Gesundung des Unternehmens finanzielle Beiträge erfordert, stellt sich die Frage der Mittelherkunft.

 

Bankenseitig werden in diesem Zusammenhang regelmäßig auch Beiträge von Gesellschafterseite gefordert ‒ sei es durch zusätzliche Sicherheiten oder auch die direkte Einlage von freien Finanzmitteln. In Abhängigkeit von den in der Privatsphäre des Gesellschafters noch vorhandenen finanziellen Mitteln sind auch alternative Finanzierungswege in Betracht zu ziehen. Hierbei können im Rahmen einer Unternehmensübergabe ggf. zur Förderung von Nachfolgen bzw. Existenzgründungen zur Verfügung stehende öffentliche Kreditprogramme einen zusätzlichen Beitrag leisten. Sofern diese Mittel entsprechende Haftungsfreistellungen beinhalten, ergibt sich für das Gesamtobligo des Unternehmens gleichsam eine entsprechende Risikoreduzierung.

 

In den zuvor exemplarisch aufgezeigten Fällen von strategisch nicht mehr zukunftsorientiert ausgerichteten Produktsortimenten muss ein zur Krisenbewältigung hergeleitetes Maßnahmenpaket die Innovationsfähigkeit im betroffenen Unternehmen fördern und damit die Grundlage für die Entwicklung neuer und zeitgemäßer Technologien und Produkte legen. Insbesondere ein permanentes Hervorbringen von Innovationen stellt aufgrund damit verbundener teils hoher Investitionen und Kostenwirkungen in vielen Fällen für KMU eine große Hürde dar. Die Möglichkeit des „Zukaufs“ von technologischem Know-how und innovationsfördernden Führungsstrukturen durch die Aufnahme eines entsprechend qualifizierten, externen Nachfolgers kann auch in diesem Krisenkontext eine elegante und zielführende Lösung darstellen.

3. Sinnvolle Übertragungswege im Vergleich

Erfolgt die Übertragung zum Zweck, das Unternehmen grundlegend zu restrukturieren, ist ‒ wenn der Übernahmeinteressent gefunden ist ‒ über den Weg der Übertragung zu entscheiden. Grundsätzlich kommen die folgenden Übertragungsmöglichkeiten (eine Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile von Share Deal und Asset Deal findet sich u. a. auch in Roth, Daniel: „Unternehmensveräußerung an Dritte“ in Löhr, Wolfgang u. a. [Hrsg].: 9 Wege zur optimalen Unternehmensnachfolge, S. 123 f.) in Betracht:

 

  • Erwerb der Anteile (Share Deal)
  • Erwerb der Vermögenswerte (Asset Deal)
  • Erwerb aus einem Insolvenzverfahren

 

3.1 Erwerb der Anteile (Share Deal)

Ein Erwerb der Anteile am Unternehmen führt dazu, dass das Unternehmen als solches mit seinen Strukturen, vertraglichen Bindungen, den Arbeitnehmern etc. bestehen bleibt und lediglich der Gesellschafter wechselt. Ein Vorteil dieses Übertragungswegs ist, dass er im Vergleich zum Asset Deal einfach durchzuführen ist. Zwar bedarf es für den Verkauf von GmbH-Anteilen der Einbindung eines Notars, dafür ist die Bestimmung des Kaufgegenstandes vergleichsweise einfach. Da der Rechtsträger unverändert bleibt, müssen keine Verträge neu verhandelt werden, Miet- und Leasingverträge bleiben bestehen und das Unternehmen kann auf die bisherigen Finanzierungsstrukturen zurückgreifen. Dieser Vorteil kann allerdings bei einem Verkauf im Rahmen einer Unternehmensrestrukturierung auch ein Nachteil sein: Langjährige und ggf. kostenintensive Verträge bleiben mit ihren entsprechenden Kündigungsfristen bestehen, nicht betriebsnotwendiges Vermögen muss erst noch verkauft werden und strukturelle Veränderungen sind durch den Übernehmer durchzuführen.

 

3.2 Erwerb der Vermögenswerte (Asset Deal)

Gerade im Rahmen einer Restrukturierung kann ein Asset Deal ein geeigneterer Weg sein, insbesondere wenn diese mit erheblichen Veränderungsprozessen einhergeht. Bei einem Asset Deal werden aus dem zu übergebenden Unternehmen lediglich die (notwendigen) Vermögenswerte herausgekauft. Daraus folgt naturgemäß, dass die Vertragsgestaltung ungleich komplexer ist als im Rahmen eines Share Deals: Während beim Share Deal lediglich klar definierte Geschäftsanteile verkauft werden, muss beim Asset Deal über jeden Aktivposten des Unternehmens separat befunden werden, alle Maschinen und sonstigen Aktiva, die veräußert werden sollen, sind einzeln aufzulisten, formal zu verkaufen und zu übergeben. Dies führt für den Erwerber dazu, dass er auch selektiv nur die Aktiva erwerben kann, die aus seiner Sicht für die Fortführung des Unternehmens in der neuen, restrukturierten Gestalt notwendig sind.

 

Eine weitere Besonderheit besteht hinsichtlich der laufenden Verträge (Miete, Leasing, Energieversorgung etc.). Da der Geschäftsbetrieb auf einen anderen Rechtsträger überführt wird, müssen mit allen (notwendigen) Vertragspartnern neue Miet-/Leasing- und sonstige Verträge verhandelt und geschlossen werden. Aus Sicht des Übernehmers nicht notwendige Verträge verbleiben beim bisherigen Unternehmen und sind dort zu bedienen, bis sie entsprechend der vertraglichen Vorgaben gekündigt werden können.

 

Lediglich für Arbeitsverhältnisse gilt gemäß der Sonderregelung des § 613a BGB, dass die Arbeitsverhältnisse der betroffenen Arbeitnehmer auf den Übernehmer übergehen. Hier sollte im Einzelfall geprüft werden, inwieweit eine Umstrukturierung und damit auch eine Belegschaftsreduzierung vor der Betriebsveräußerung noch im Altunternehmen erfolgen kann.

 

3.3 Erwerb aus einem Insolvenzverfahren

Befindet sich das zu übergebende Unternehmen in einer existenzbedrohenden Krisensituation, kann auch eine geplante Insolvenz mit entsprechend nachgelagerter Übernahme im eröffneten Insolvenzverfahren ein sinnvoller Weg sein.

 

Ein wesentlicher Vorteil dieses Übernahmewegs ist die Möglichkeit, dass notwendige Sanierungsmaßnahmen im Unternehmen (ggf. Kündigung von nachteiligen Dauerschuldverhältnissen, Sozialplanverhandlungen, Änderungen der Arbeitsprozesse etc.) im Rahmen des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter vorgenommen werden. Der Erwerber kann damit ein Unternehmen übernehmen, in dem die grundlegenden Sanierungsmaßnahmen bereits eingeleitet bzw. umgesetzt sind. Darüber hinaus bietet dieser Weg auch einen emotionalen Vorteil, da Sanierungsmaßnahmen im Regelfall „unangenehm“ sind. Der Übernehmer kann unbelastet von diesen Entscheidungen das Unternehmen aus der Insolvenz heraus in eine erfolgreiche Zukunft führen.

 

Auch die Übernahme aus einem Insolvenzverfahren kann alternativ im Weg des Asset Deals oder des Share Deals erfolgen: Allerdings ist zu beachten, dass ein Share Deal die erfolgreiche Durchführung des Insolvenzplanverfahrens voraussetzt. Daher wird häufig mit dem Insolvenzverwalter ein Asset Deal verhandelt, ggf. unter Übernahme der Firmierung, sofern der Name des Unternehmens fortgeführt werden soll.

 

In allen Fällen kann aber ‒ bei Unternehmen in Krisennähe ‒ der Übergang auf den Nachfolger aktiv zur Forcierung der Restrukturierungsbemühungen genutzt werden: Erste, unpopuläre Sanierungsschritte können vom Übergeber eingeleitet und ggf. final umgesetzt werden. Ist das Vertrauen der Belegschaft in die bisherige Unternehmensführung gestört, kann ein Wechsel in der Geschäftsführung die richtigen Impulse setzen, um die Belegschaft wieder für das Unternehmen zu gewinnen. Dies ist eine zentrale Voraussetzung für erfolgreiche Sanierungsprozesse.

 

Gleiches gilt für den Umgang mit Lieferanten und Kunden: Während es bei der Übernahme eines Unternehmens in „guten Zeiten“ oftmals schwierig ist, den Übernehmer bei den Stakeholdern zu platzieren, kann in Krisenzeiten ein Wechsel hilfreich sein, da bei längerdauernden Krisenlagen oftmals durch den Senior Zusagen hinsichtlich Zahlungsmoral, Abnahmemengen o. Ä. nicht eingehalten wurden.

5. Anforderungen an die ertragswirtschaftliche Sanierung

In den Fällen, in denen die Übergabe eines Unternehmens beabsichtigt oder auch unbeabsichtigt mit einer Restrukturierungs- oder Sanierungsphase zusammenfällt, sind zusätzliche Anforderungen zu stellen. Die Anforderung der zuvor aufgezeigten Übergabewürdigkeit ist in Krisenphasen in zweierlei Hinsicht problematisch:

 

  • Einerseits wird an dieser Stelle eine rein quantitative Ergebnisbetrachtung mit einem dabei noch subjektiven Vergleichsmaßstab (individuelles Alternativeinkommen des Übernehmers) durchgeführt.

 

  • Andererseits wird dieser Beurteilungsmaßstab in ertragswirtschaftlich belasteten Unternehmensphasen mangels auskömmlicher Unternehmensergebnisse zumindest im ersten Schritt i. d. R. nicht zu erfüllen sein, da häufig erst mit aufwendigen und teils einschneidenden (Sanierungs-)Maßnahmen die Ertragskraft mittelfristig wiederhergestellt werden muss.

 

Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, bei „ertragsschwachen“ Unternehmensübergaben immer auch die in der Sanierungspraxis gebräuchlichen Standards zur ertragswirtschaftlichen Sanierung mit in Betracht zu ziehen und die dort definierten Anforderungen für eine erfolgreiche Unternehmenssanierung bei der Entscheidungsfindung mit einzubeziehen (neben dem IDW Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten [IDW S 6], Stand: 16.5.18 kann hier auch die „Richtlinie zur Erstellung von Sanierungsgutachten für KMU der Fachgruppe Sanierung“ [KFS] innerhalb des Bundesverbands „Die KMU-Berater“ angeführt werden; vgl. hierzu www.iww.de/s3755, zugegriffen am 2.6.20).

 

Aus ertragswirtschaftlicher Perspektive ergibt sich die (nachhaltige) Sanierungsfähigkeit durch die Wiedererlangung einer positiven Ertragskraft. Der genaue Umfang bzw. die Höhe der zu erreichenden Ertragskraft wird in der Sanierungspraxis teils unterschiedlich beschrieben. Das IDW führt beispielsweise in seinem Standard S 6 eine branchenübliche Rendite als Beurteilungsmaßstab an (vgl. IDW Standard: Anforderungen an die Erstellung von Sanierungskonzepten [IDW S 6], Stand: 16.5.18, Tz. 27 f.), was sicherlich ein erstrebenswertes Ziel sein sollte, aber nicht dazu führen darf, Unternehmen mit positiven Ergebnissen, aber einer unter dem Durchschnitt liegenden Entwicklung pauschal als nicht fortführungs- und übergabewürdig einzustufen.

 

5.1 Analyse der Krisenursachen

Grundlage jeder unternehmerischen Neuausrichtung sollte im ersten Schritt die Analyse der Krisenursachen sein. Um hierbei für alle Beteiligten einen größtmöglichen Nutzen zu erreichen und den Prozess der unternehmensseitigen Gesundung möglichst effektiv und zielführend zu gestalten, empfiehlt es sich, einen externen, krisenerfahrenen Berater hinzuzuziehen. Neben der notwendigen Objektivität bei der Erarbeitung der ‒ naturgemäß häufig von den bisherigen (Familien-)Unternehmern zu verantwortenden ‒ Krisenursachen erreicht man durch dieses Vorgehen auch eine höhere Akzeptanz für die aus einem Restrukturierungs- und Sanierungsprozess erwachsende Unternehmensplanung und die darin enthaltenen (Sanierungs-)Maßnahmen.

 

5.2 Planrechnungen als Inputparameter

Abgesehen davon, dass eine zukünftig positive Ertragskraft die Grundvoraussetzung für jedes unternehmerische Handeln ist, bekommt diese Anforderung bei Unternehmensübergaben und -verkäufen eine besondere Relevanz. Diese Planrechnungen liefern die erforderlichen Inputparameter für eine früher oder später notwendige Ermittlung des Unternehmenswerts als Basis für Kaufpreisfindung bzw. Ermittlung schenkungsteuerpflichtiger Anteile.

 

Basis für die Bestimmung von Unternehmenswerten sind regelmäßig Ertragswert- bzw. Cash flow-basierte Bewertungsverfahren, die in unterschiedlichem Maß teils auf die historischen, aber auf jeden Fall auch auf die zukünftig erwarteten Überschüsse des Unternehmens abstellen. Gerade aus der Perspektive des bisher tätigen Unternehmers erwächst aus diesem Umstand regelmäßig ein besonderes Konfliktpotenzial, das von den einbezogenen Steuer-, Rechts- und Unternehmensberatern entsprechend sensibel behandelt werden muss.

 

In Krisenphasen ist naturgemäß zumindest die kurzfristige Historie durch die wirtschaftliche Schieflage beeinträchtigt, i. d. R. ergeben sich aber auch ertrags- und liquiditätsseitige Beeinträchtigungen für die erwartete Geschäftsentwicklung in den kommenden Monaten oder sogar Jahren. Eine Kaufpreisfindung, die auf die Berücksichtigung von entsprechenden ertragssteigernden Maßnahmen verzichtet, wird spätestens aus der Perspektive des Veräußerers keinen konsensfähigen Kaufpreis hervorbringen.

 

5.3 Umsetzung der Sanierungsmaßnahmen

Bei einer zeitnahen Übergabe muss in aller Regel der Erwerber selbst zu großen Teilen die notwendigen (Sanierungs-)Maßnahmen umsetzen. Die Bewertung des Unternehmens stellt dann zu großen Teilen auf einen potenziellen Geschäfts- oder Firmenwert ab, der sich noch nicht in den aktuellen Ergebnisbeiträgen widerspiegelt. Aus Bewertungssicht kann es daher für den Altgesellschafter sinnvoll sein, zumindest einen Teil der notwendigen (Sanierungs-)Maßnahmen in eigener Regie oder ggf. zusammen mit dem Erwerber umzusetzen. Dies bietet ihm dann die gerechtfertigte Möglichkeit, an der aus der Maßnahmenumsetzung resultierenden Steigerung des Unternehmenswerts zumindest anteilig partizipieren zu können. Alternativ kann in Ergänzung zu einem fixen Kaufpreis auch über in der Praxis übliche variable Kaufpreisbestandteile nachgedacht werden, die an den zukünftigen Erfolg der definierten Maßnahmen gekoppelt sind.

6. Anforderungen an die rechtliche Sanierung

Welche rechtlichen Anforderungen im Rahmen einer Sanierung in Kombination mit einem Generationenwechsel zu beachten sind, hängt zum einen naturgemäß am Übertragungsweg, zum anderen aber auch an der Krisennähe des zu übergebenden Unternehmens.

 

Unabhängig von der Gestaltung der Übertragung im Weg des Asset Deals oder des Share Deals sollte die Vertragsgestaltung immer entsprechend versierten Fachleuten (Rechtsanwälte, Notare) überlassen werden. In der Praxis hat sich gleichzeitig ein enger Austausch mit dem Steuerberater und/oder Wirtschaftsprüfer des Unternehmens sowie ‒ sofern involviert ‒ dem Unternehmensberater bewährt. Nur so kann gewährleistet werden, dass sich sowohl für Seniorunternehmer als auch übernehmenden Nachfolger bei der Umsetzung der Verträge keine rechtlichen oder steuerlichen Fallstricke bzw. nicht im Interesse der Parteien stehenden Regelungsinhalte ergeben.

 

Grundsätzlich sollten Alt- und Neuunternehmer darauf achten, dass insbesondere die Haftungsfragen für Verbindlichkeiten ausreichend berücksichtigt werden. Übliche Risiken sind etwa im Rahmen eines Asset Deals die Haftung für Altverbindlichkeiten durch den neuen Unternehmer, sofern dieser die Firmierung des Altunternehmens übernimmt.

 

  • Übernahme der Verbindlichkeiten gem. § 25 Abs. 1 HGB

„Wer ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma mit oder ohne Beifügung eines das Nachfolgeverhältnis andeutenden Zusatzes fortführt, haftet für alle im Betriebe des Geschäfts begründeten Verbindlichkeiten des früheren Inhabers“.

 

Der Seniorunternehmer hingegen haftet ‒ jedenfalls bei Übertragung von Personenhandelsgesellschaften ‒ auch nach seinem Ausscheiden noch für einige Verbindlichkeiten des Unternehmens (§ 160 Abs. 1 HGB).

 

Auch für die oftmals übernommene persönliche Haftung des Altgesellschafters für Kreditverbindlichkeiten im Rahmen von Bürgschaften sollte frühzeitig gemeinsam mit dem jeweiligen Kreditinstitut eine Regelung zur Beendigung dieser Bürgenhaftung gesucht werden. Insbesondere bei der Veräußerung des Unternehmens an einen externen Dritten sollten die verschiedenen Haftungsprobleme im Rahmen der durchzuführenden Due-Diligence-Prüfung erkannt und entsprechend reguliert werden.

 

Darüber hinaus bestehen aber ‒ gerade bei Unternehmensübergaben in Krisensituationen ‒ zusätzliche Anforderungen aufgrund der wirtschaftlich angespannten Unternehmenssituation. So ist häufig ein Unternehmen in Krisennähe nur mit geringen liquiden Mitteln ausgestattet. Der Altgesellschafter wird zumeist kein Interesse daran haben, weitere private Vermögenswerte in das Unternehmen zu geben, der Übernehmer wird ‒ vor final rechtswirksamer Übernahme des Unternehmens ‒ ebenfalls nicht zur Liquiditätsausstattung des Unternehmens beitragen wollen.

 

Je näher sich aber das zu übernehmende Unternehmen an der Grenze zur Liquiditätskrise befindet, desto größer ist das Risiko des Eintritts einer Insolvenzantragspflicht. Diese besteht bei allen haftungsbeschränkten Unternehmensformen, also im Mittelstand insbesondere bei der GmbH oder der GmbH & Co. KG, wenn entweder der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung eingetreten ist. Aufgrund der erheblichen Haftungsrisiken für einen Unternehmer im Fall eines verspäteten Insolvenzantrags bis hin zur strafrechtlichen Verantwortung sollte der Seniorunternehmer während des gesamten Übertragungsprozesses die Liquiditätsentwicklung seines Unternehmens permanent eng überwachen (lassen).

 

Stellt sich heraus, dass das Unternehmen während der Verkaufsverhandlungen insolvenzantragspflichtig zu werden droht, sollte schnellstmöglich geprüft werden, ob eine gezielte Einleitung eines Insolvenzverfahrens mit anschließender Veräußerung des Unternehmens durch den Insolvenzverwalter im Rahmen einer übertragenden Sanierung sinnvoll ist. Zwar scheuen vor allem die Altgesellschafter oftmals den Weg zum Insolvenzgericht, weil eine Insolvenz noch immer negativ behaftet ist und die Unternehmer selten „ihr eigenes Scheitern manifestieren“ wollen. Allerdings hat der Gesetzgeber schon mit dem ESUG (Gesetz zur weiteren erleichterten Sanierung von Unternehmen; BGBl I, 2011 S. 2582  ff.) und der aktuellen „Richtlinie über präventive Restrukturierungsverfahren“ des Europäischen Parlaments Versuche unternommen, dem Insolvenzverfahren das Stigma des „Scheiterns“ zu nehmen und die Sanierung der insolventen Unternehmen in den Fokus zu stellen.

 

Im Zweifel ist es Sache der dem Seniorunternehmer zur Seite stehenden Rechts-, Steuer- und Unternehmensberater, auch die Vorteile einer planvollen Insolvenz aufzuzeigen. Dies betrifft neben einer leichteren Umsetzung von notwendigen Sanierungsmaßnahmen auch die Haftungsgrenzen: Eine Insolvenz stellt eine Zäsur in der Unternehmenshistorie dar mit der Folge, dass die oben angeführte Nachhaftung des übergebenden Seniorunternehmers ebenso wie z. B. die Forthaftung für Altverbindlichkeiten bei Firmenübernahme durch den Nachfolger nicht eintreten.

7. Konkrete Beratungsansätze für den steuerlichen Berater

Im Beratungsfeld der Nachfolgeregelung und Geschäftsübergabe bietet sich für den steuerlichen Berater eine Vielzahl von konkreten Beratungsansätzen. Nicht zu unterschätzen ist dabei insbesondere bei KMU und hierbei insbesondere bei Familienunternehmen die regelmäßig „gesetzte“ Rolle des Steuerberaters als vertrauensvollem Ansprechpartner in allen „finanziellen“ Fragen der Unternehmensführung. Dieses Vertrauensverhältnis ist bei Unternehmensnachfolgen und -übergaben differenziert zu betrachten und in der Außenwirkung ggf. auch aktiv zu gestalten.

 

Das besondere Vertrauen zum Altgesellschafter schafft naturgemäß Verunsicherung bei weiteren Akteuren, insbesondere beim potenziellen Nachfolger, aber auch auf Bankenseite bei der Finanzierung von Kaufpreisbestandteilen. Zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass im Rahmen von Unternehmensübergaben auch Themenfelder aufgerufen werden, die nicht direkt in das „übliche“ Angebotsspektrum des steuerlichen Beraters fallen.

 

Dieser bei Außenstehenden verständlicherweise bestehenden Verunsicherung kann man regelmäßig kompetent begegnen, wenn man Unternehmensnachfolgen beratungsseitig als Team-Aufgabe versteht und der Steuerberater sich als „Manager“ des Übergabeprozesses gleichzeitig auch weiterer, bisher nicht involvierter Experten aus seinem kompetenten und langjährigen Netzwerk bedient. Das Hinzuziehen zusätzlicher „neutraler“ Berater zu diversen Fachthemen schafft für die Beteiligten auf der „Gegenseite“ zusätzliches Vertrauen und vermeidet ‒ bei einer frühzeitigen Einbeziehung in die Zusammenstellung des Berater-Teams ‒ kostenintensive Doppelbelastungen.

 

Übersicht / Die unterschiedlichen Beratungsansätze

„Betriebswirtschaftliche“ Beratungsansätze

  • Aufbereitung der finanziellen Historie
  • Erstellung einer integrierten Unternehmensplanung
  • Preisfindung und ggf. Koordination einer veräußererseitigen Unternehmensbewertung
  • Liquiditätssteuerung
  • Trennung von Besitz- und Betriebsgesellschaften
  • Begleitung bei Bank- und sonstigen Finanzierungsgesprächen
  • Konzept zur förderoptimalen Gestaltung des Nachfolgeprozesses
  • Finanzielle Due Diligence
  • Erstellung von Aufgabebilanzen

 

„Krisenbezogene“ Beratungsansätze

  • Erstellung bzw. Koordination eine Restrukturierungs-/Sanierungskonzeptes
  • Prüfung und ggf. Beseitigung von Insolvenzantragsgründen
  • Umgang mit Sanierungsgewinnen, sofern im Rahmen der Nachfolge auch Verzichte verhandelt werden
  • Interimsmanagement/Chief Restructuring Officer (ggf. unter Hinzuziehung von Netzwerkpartnern)

 

„Steuerliche“ Beratungsansätze

  • Steuerliche Optimierung der Nachfolgegestaltung
  • Erstellung eines erbschaft- und schenkungssteuerlichen Gesamtkonzeptes
  • Ggf. Unternehmensumwandlung vor Übertragung zur optimierten Gestaltung
  • Trennung von Kapital und Geschäftsführung (z. B. Holding-Konzepte)
  • Umgang mit Pensionszusagen
  • Steuerliche Due Diligence

 

„Rechtliche“ Beratungsansätze

  • Vorbereitung und Begleitung bei Vertragsverhandlungen
  • Ausarbeitung der Übernahmekonditionen
  • Unterstützung der rechtlichen Berater bei der Vertragserstellung
  • Unterstützung bei der Gestaltung von Gesellschafter- und Unternehmertestamenten
  • Behandlung von Pflichtteilsansprüchen weiterer Familienmitglieder
  • Unterstützung bei weiteren Vertragswerken (Güterstandsregelungen, Eheverträge, Schenkungsverträge etc.).
 

Zu den Autoren

  • Marc Ackermann, Diplom-Ökonom und KMU Fachberater Sanierung®, hat sich auf die Begleitung von KMU in Wachstums-, Restrukturierungs- und Sanierungsphasen spezialisiert. Zusammen mit seinen Mandanten erarbeitet er tragfähige Zukunftskonzepte und schafft dabei auch die notwendige Transparenz in Richtung externer Finanzierungspartner.
  • Andrea Eichholz, Rechtsanwältin, berät KMU in schwierigen Situationen. Unternehmensnachfolgen begleitet sie in enger Abstimmung mit den steuerlichen Beratern mit dem Ziel, den für alle Beteiligten optimalen Nachfolgeweg aufzuzeigen und umzusetzen.
Quelle: ID 46673298