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· Fachbeitrag · Unionszollkodex

Erlöschen der Zollschuld nach dem UZK: Was ist mit der Zollverkürzung?

von Dr. Thomas Möller und Dr. Alexander Retemeyer, Osnabrück

| Das Zollrecht der Europäischen Union ist in einem ständigen Umbruch begriffen. Das Basisrecht ist auf dem Weg vom Zollkodex (ZK) über den Modernisierten Zollkodex (MZK) seit dem 1.5.16 beim Unionszollkodex (UZK) angekommen. Geblieben sind zahlreiche Pflichten, die der Zollbeteiligte zu erfüllen hat (z.B. Pflicht zur summarischen Anmeldung oder zur Gestellung, die Einhaltung gesetzlicher Fristen). Art. 42 UZK enthält nun aber erstmals eine Vorschrift für die Anwendung von Sanktionen. |

1. Art. 42 UZK: Zollverstöße müssen sanktioniert werden

Weder im Primärrecht noch im Sekundärrecht der Europäischen Union wird eine inhaltliche Bestimmung des europäischen Sanktionsbegriffs vorgenommen. Vom gesetzlichen Wortlaut ausgehend, können die Sanktionen gemäß Art. 42 UZK in strafrechtliche und nicht strafrechtliche (verwaltungsrechtliche) Sanktionen unterteilt werden.

 

In Deutschland gibt es als mögliche strafrechtliche Sanktion die Strafbarkeit wegen einer Zollstraftat (§§ 369 ff. AO), insbesondere das Grunddelikt der Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 AO.

 

Die verwaltungsrechtlichen Sanktionen können wegen der Zollrechtsverletzungen in eine finanzielle Belastung (Art. 42 Abs. 2a UZK), den Widerruf, die Aussetzung oder die Änderung einer Bewilligung (Art. 42 Abs. 2b UZK) oder in andere Formen (Art. 42 Abs. 2 Hs. 1 UZK) unterteilt werden. Im deutschen Recht kommt insbesondere die Verhängung eines Bußgeldes wegen einer Ordnungswidrigkeit in Betracht.

 

Art. 42 UZK verlangt nach seinem Wortlaut, dass die Mitgliedsstaaten Sanktionen für Zuwiderhandlungen gegen die zollrechtlichen Vorschriften vorsehen müssen. Das deutsche Strafrecht sieht nur eine Bestrafung natürlicher Personen vor. Die im Zollrecht tätigen Wirtschaftsbeteiligten sind aber in der Regel juristische Personen. Strafrechtliche Sanktionen können im deutschen Recht deshalb nur gegen die tatsächlich handelnden Personen festgesetzt werden.

2. Bestrafung juristischer Personen

Üblicherweise ist es für die Staatsanwaltschaften sehr schwierig, eine konkrete Verantwortlichkeit einzelner Mitarbeiter in einer komplexen Unternehmensstruktur nachzuweisen. Ein Ausweg bietet hier nur die Verhängung eines Bußgeldes wegen Verletzung der Aufsichtspflicht gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 OWiG. Das Unternehmen kann sich vor einem derartigen Bußgeld dann schützen, wenn es die erforderlichen Aufsichtsmaßnahmen vorschreibt, ein Weg in die Etablierung des Tax-Compliance. Nach dem Wortlaut von Art. 42 UZK kann anstelle oder zur Abwendung einer strafrechtlichen Sanktion von den Zollbehörden eine finanzielle Belastung auferlegt werden. Ein „Freikaufen“ ist dem deutschen Strafrecht jedoch fremd. Die Systeme und das Niveau der Sanktionen wegen Zollrechtsverletzungen sind in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch mit dem UZK sehr unterschiedlich.

3. Steuerhinterziehung ist ein Erfolgsdelikt

Die Steuerhinterziehung ist ein Erfolgsdelikt, damit ist der Tatbestand erst dann vollendet, wenn der tatbestandsmäßige Erfolg (Steuerverkürzung bzw. Erlangung eines nicht gerechtfertigten Steuervorteils) verwirklicht ist. Der Gegenstand der Steuerverkürzung ist der Steueranspruch. Nach § 370 Abs. 4 S. 1 AO tritt die Steuerverkürzung ein, wenn eine Steuer nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Steuerfestsetzung endgültig oder vorläufig (§ 165 AO) erfolgt oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) steht.

 

Dies ist zwar für Fälligkeits- und Veranlagungssteuern unterschiedlich zu beurteilen. Einfuhrabgaben entstehen im gesetzlich gewollten Regelfall mit der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr aufgrund der von dem Anmelder abgegebenen Zollanmeldung im Zeitpunkt der Annahme dieser Zollanmeldung durch die Zollbehörde.

 

Bei Verstößen (Art. 79 UZK für Einfuhrzollschulden und Art. 82 UZK für Ausfuhrzollschulden) entsteht die Zollschuld im Zeitpunkt des Pflichtenverstoßes. Anders als im Regelfall, in dem der Anmelder die erforderlichen Angaben für die Berechnung der Zollschuld macht, muss das Hauptzollamt bei Verstößen den Sachverhalt für die Berechnung der Zollschuld regelmäßig von Amtswegen ermitteln.

4. Zollschuld kann erlöschen

Neu ist nach dem UZK, dass die aufgrund von Verstößen entstandene Zollschuld erlöschen kann (Art. 124 Abs. 1h UZK). Diese Regelung soll dem neuen Zollschuldrecht den in Vergangenheit entgegengebrachten Vorwurf des Sanktionscharakters nehmen. Dafür müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:

 

  • Der Verstoß, durch den die Zollschuld entstanden ist, hatte keine erheblichen Auswirkungen auf die ordnungsgemäße Abwicklung des betreffenden Zollverfahrens und war kein Täuschungsversuch, und

 

  • nachträglich werden alle notwendigen Formalitäten erfüllt, um die Situation der Waren zu bereinigen.

 

Die Fälle, in denen sich Verstöße nicht wesentlich auf die ordnungsgemäße Abwicklung eines Zollverfahrens ausgewirkt haben, sind abschließend in Art. 103 der Durchführungsverordnung zum UZK (UZK-DA) geregelt. Dies sind z.B. Fristüberschreitungen oder Verstöße in besonderen Verfahren. Das Hauptzollamt prüft das Erlöschen der Zollschuld von Amts wegen.

 

Der zollrechtliche Täuschungsversuch ist im Zollrecht nicht definiert. In Abs. 105 seiner Dienstvorschrift Zollschuldrecht spricht das BMF dabei von einem betrügerischen Vorgehen und definiert den Täuschungsversuch in Abs. 106 als ein vorsätzliches Zuwiderhandeln (aktives Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen mit Wissen und Wollen) gegen Vorschriften. Dieses zollschuldrechtliche subjektive Element entspricht dem strafrechtlich vorsätzlichen Handeln gemäß § 15 StGB.

 

Ist die Zollschuld nach Art. 79 entstanden, so erlischt sie zudem nur für Personen, die keinen Täuschungsversuch unternommen haben und die zur Betrugsbekämpfung beigetragen haben (Art. 124 Abs. 7 UZK). Werden Zollpflichten vorsätzlich nicht erfüllt, erlischt die Zollschuld daher nicht und ist gemäß § 370 Abs. 1 AO als Zollhinterziehung strafbar.

 

Erlischt dagegen die Zollschuld in den Fällen fahrlässigen Verhaltens, schließt dies mangels Vorsatz eine Strafbarkeit als Zollhinterziehung aus. Der UZK lässt die Anwendung von Sanktionen dennoch zu (Art. 126 UZK). Daher ist die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit wegen des fahrlässigen Verhaltens möglich (z.B. eine leichtfertige Zollverkürzung gemäß § 378 AO mit einem Bußgeld bis zu 50.000 EUR). Der verkürzte Zollbetrag ist in Deutschland auch ein bestimmender Faktor für das Bußgeld.

5. Erlöschen der Steuerverkürzung?

Es stellt sich dann die Frage, ob die Zollverkürzung durch das spätere Erlöschen der Zollschuld weggefallen ist und, wenn ja, ob das Erlöschen von Anfang an gilt oder zu einem späteren Zeitpunkt.

 

Zum einen ist im UZK geregelt, dass in den in Art. 124 Abs. 1e UZK genannten Fällen die Zollschuld für die Zwecke der Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen die zollrechtlichen Vorschriften als nicht erloschen gilt, wenn die Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben oder das Bestehen einer Zollschuld nach dem Recht eines Mitgliedstaats die Grundlage für die Festlegung der Sanktionen sind. Zum anderen erlischt die Zollschuld durch Entrichtung des Abgabenbetrags (Art. 124 Abs. 1b UZK).

 

In der Praxis wird die Zollschuld bei einem Verstoß regelmäßig erst später mitgeteilt, da das Hauptzollamt von Verstößen erst später und regelmäßig auch nicht aufgrund einer Selbstanzeige erfährt.

 

Qualitativ und materiell kann die neue zollrechtliche Möglichkeit des Erlöschens der Zollschuld zu keinem anderen steuerstrafrechtlichen Ergebnis führen. Die Verkürzung ist bei Verfehlungen entstanden, auch wenn die Zollschuld später erlischt.

Quelle: Seite 181 | ID 45154672