· Fachbeitrag · Umwandlungssteuerrecht
Verschmelzung mit absehbaren Folgen: Diese typischen Fehler gilt es zu vermeiden!
von Rechtsassessor und Notarvertreter Sigmund Perwein, Zertifizierter Unternehmensnachfolgeberater (zentUma), Salem (Baden)
| In GStB 20, 301 hatten wir kürzlich über einen Streitfall des FG Münster berichtet. Das Gericht hatte die Verschmelzung einer KG auf eine GmbH als schädliche Veräußerung eingestuft mit der Folge, dass nachträglich ein Einbringungsgewinn I zu versteuern war (FG Münster 19.5.20, 13 K 571/16 G, F). In der Praxis werden bei solchen Gestaltungen immer wieder grundlegende Fehler gemacht, die den Mandanten dann teuer zu stehen kommen. Im Streitfall ging es immerhin um die Versteuerung eines Einbringungsgewinns von mehr als 1,7 Mio. EUR. Bei Fällen von solcher Tragweite sollte man sich daher nicht scheuen, sich im Vorfeld über eine verbindliche Auskunft abzusichern. |
1. Der (vereinfachte) Sachverhalt
Im Jahr 2007 gliederte die X-GmbH & Co. KG (künftig „KG“) einen Teilbetrieb aus ihrem Vermögen auf die Tochter-GmbH aus, an der sie bereits zu 100 % beteiligt war. Als Gegenleistung erhielt die KG neue Geschäftsanteile an der GmbH. Auf Antrag erfolgte die Einbringung zu Zwischenwerten gemäß § 20 UmwStG. Infolgedessen waren die neu gewährten Geschäftsanteile für sieben Jahre sperrfristbehaftet.
Im Jahr 2008 wurde die KG auf die Mutter-GmbH verschmolzen. Die Mutter-GmbH hielt 50 % der Kommanditanteile an der KG, die restlichen 50 % hielten A und B je hälftig, welche zugleich je hälftig Gesellschafter der Mutter-GmbH waren. Neue Geschäftsanteile an der Mutter-GmbH wurden A und B im Rahmen der Verschmelzung nicht gewährt. Durch die Verschmelzung der KG auf die Mutter-GmbH gingen die alten und die 2007 neu gewährten Geschäftsanteile an der Tochter-GmbH auf die Mutter-GmbH über. Das Finanzamt sah darin eine Veräußerung i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG und setzte einen Einbringungsgewinn I fest. Das FG Münster bestätigte die Auffassung des Finanzamtes und wies die Klage ab.
2. Die den Einbringungsgewinn I auslösenden Vorgänge
Es entspricht der ständigen BFH-Rechtsprechung, dass Verschmelzungen als sogenannte tauschähnliche, also entgeltliche, Vorgänge den Tatbestand der Veräußerung i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG erfüllen (vgl. BFH 17.9.03, I R 97/02, BStBl II 04, 686). Dies gilt auch dann, wenn ‒ wie hier ‒ bei der Aufwärtsverschmelzung keine neuen Anteile gewährt werden (siehe auch BFH 24.1.18, I R 48/15, BStBl II 19, 45). Die Kläger argumentierten hingegen, dass die Verschmelzung mangels neuer Geschäftsanteile für A und B ein unentgeltlicher Vorgang gewesen sei, auf den § 6 Abs. 3 EStG anzuwenden sei. Ob dies richtig ist, soll an dieser Stelle zunächst dahinstehen (s. Punkt 4 unten), denn gemäß § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 UmwStG entsteht der Einbringungsgewinn I auch dann, wenn der Einbringende die erhaltenen Anteile unmittelbar oder mittelbar unentgeltlich auf eine Kapitalgesellschaft überträgt. In der Verschmelzung der KG auf die Mutter-GmbH war eine solche mittelbare Übertragung der Anteile an der Tochter-GmbH zu sehen. Im Streitfall hatte die Verschmelzung demgemäß in jedem Fall einen Einbringungsgewinn I ausgelöst ‒ sei es, weil die Verschmelzung den Tatbestand einer Veräußerung i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG erfüllt oder weil sie sich als unentgeltliche Übertragung der Anteile i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 1 UmwStG darstellt.
3. Aus steuerlichen Gründen immer neue Anteile ausgeben
Statt § 20 UmStG vermeiden zu wollen, wäre es sinnvoller gewesen, dessen leicht zu erfüllende Voraussetzungen herbeizuführen, indem man A und B im Rahmen der Verschmelzung neue Geschäftsanteile an der Mutter-GmbH gewährt hätte. In Bezug auf deren Kommanditbeteiligungen bestand nämlich kein Kapitalerhöhungsverbot gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwG. Damit wäre der Weg frei gewesen für § 20 UmwStG. In der Praxis lässt man sich dabei leicht von dem nach § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG möglichen Absehen von der Gewährung neuer Anteile „blenden“, zumal es in Bezug auf die Beteiligungsverhältnisse in der Tat nicht darauf ankam, ob A und B nach der Verschmelzung weiter je hälftig am unveränderten Stammkapital von 210.000 EUR oder eben an einem höheren Stammkapital von z. B. 300.000 EUR beteiligt sind. Aus notarieller Sicht mag dann im Einzelfall auch der Hinweis auf die zusätzlichen Kosten, die eine verschmelzungsbedingte Kapitalerhöhung auslöst, dazu beitragen, eine steuerschädliche Gestaltung zu wählen. Doch deren Schaden ist meist weit höher als die eingesparten Transaktionskosten.
Beachten Sie | Im Ergebnis hätte es dann offenbleiben können, ob der konkrete Vorgang eine Veräußerung i. S. d. § 22 Abs. 1 S. 1 UmwStG darstellt oder nicht, denn bei einer Weitereinbringung zu Buchwerten liegt nach allgemeiner Auffassung keine schädliche Veräußerung vor. Dieses Ergebnis wird aus dem zweiten Halbsatz des § 22 Abs. 1 S. 6 Nr. 2 UmwStG gewonnen (siehe nur: UmwStE 2011, Rz. 22.22). Wären also im Rahmen der Verschmelzung neue Anteile an A und B gewährt worden, hätte also „ein Vorgang i. S. d. § 20 Abs. 1 (…) zu Buchwerten“ vorgelegen, wäre kein Einbringungsgewinn I entstanden.
4. Steuerfolgen der Verschmelzung selbst
Im Urteilsfall geht es ausschließlich um die Steuerfolgen, die die Verschmelzung in 2008 auf die im Rahmen der Teilbetriebseinbringung gewährten neuen Anteile der KG an der Tochter-GmbH in 2007 hatte. Da es naheliegend ist, dass auch die Verschmelzung selbst zu Diskussionen zwischen den Klägern und dem Finanzamt geführt hat und beide Vorgänge aus gestalterischer Sicht ohnehin eine Einheit bilden, hierzu noch ein paar Anmerkungen.
Die Verschmelzung war bekanntlich ohne Ausgabe neuer Anteile an A und B erfolgt. Damit war der Anwendungsbereich von § 20 UmwStG verschlossen. Die Verschmelzung stellte daher nach allgemeinen steuerlichen Grundsätzen eine Veräußerung des Vermögens der KG an die Mutter-GmbH dar, soweit nicht andere vorgehende Vorschriften den Vorgang steuerfrei stellten. Vor diesem Hintergrund ist die Argumentation der Kläger im Hinblick auf § 6 Abs. 3 EStG zu sehen. Dabei hat es allerdings den Anschein (das FG Münster deutet dies in Rn. 113 seines Urteils an), dass die Kläger der Fehleinschätzung unterlagen, dass nämlich ‒ sollte die Verschmelzung ein unentgeltlicher Vorgang i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG gewesen sein ‒ dies auch den Einbringungsgewinn I vermieden hätte.
Richtig ist zunächst, dass auch Kapitalgesellschaften Empfänger unentgeltlicher Übertragungen i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG sein können (vgl. Schmidt/Kulosa, EStG, Rz. 653 zu § 6; Perwein GStB 14, 172). Allerdings soll dies nicht für Übertragungen auf eine Kapitalgesellschaft gelten, an der der Übertragende beteiligt ist. In Bezug auf A und B konnte also § 6 Abs. 3 EStG von Anfang an kein gangbarer Weg sein, da A und B sowohl Übertragende waren als auch Gesellschafter der Mutter-GmbH. Außerhalb des § 20 UmwStG liegt dann vielmehr eine verdeckte Einlage in die Mutter-GmbH vor, die zu einer Betriebsaufgabe der KG führt (vgl. Schmidt/Kulosa, a. a. O. und Rz. 654 und Schmidt/Wacker, a. a. O., Rz. 23 zu § 16). In deren Rahmen ist dann ausnahmsweise auch der Geschäftswert zu versteuern, da dieser in dieser Konstellation nicht untergeht, sondern zusammen mit den Aktiva und Passiva der KG durch die Verschmelzung auf die Mutter-GmbH übergeht.
Zweifelhaft erscheint es im Übrigen schon, § 6 Abs. 3 EStG auf Umwandlungsvorgänge anwenden zu wollen; dessen Anwendungsbereich dürfte außerhalb von Erbfällen vielmehr auf Übertragungen im Rahmen der Einzelrechtsnachfolge begrenzt sein (vgl. Schmidt/Kulosa, a. a. O., Rz. 652).
Natürlich ist der Weg über § 6 Abs. 3 EStG interessant und juristisch „reizvoll“. Man sollte ihn aber nicht ohne vorherige verbindliche Auskunft beschreiten. Der Verfasser hat vor Jahren einmal eine positive verbindliche Auskunft zu § 6 Abs. 3 EStG in ähnlicher Konstellation erhalten. Eine AG war letzte Kommanditistin einer GmbH & Co. KG gewesen (die GmbH war ‒ wie so häufig ‒ nicht am Vermögen der KG beteiligt). Das Finanzamt bejahte damals die Anwendung des § 6 Abs. 3 EStG auf die Anwachsung des Vermögens der KG bei der AG nach dem geplanten Austritt der GmbH aus der KG.
Beachten Sie | Vorliegend hätte die gewünschte Gesamtrechtsnachfolge auch ohne die Verschmelzung der KG auf die Mutter-GmbH erreicht werden können. Hätten A und B ihre Kommanditbeteiligungen an die Mutter-GmbH abgetreten, wäre zugleich die Komplementär-GmbH aus der KG ausgeschieden und hätten A und B als Gegenleistung im Rahmen einer Kapitalerhöhung bei der Mutter-GmbH neue Anteile an derselben erhalten, dann dürfte dies ein Fall der sog. erweiterten Anwachsung sein (vgl. nur: UmwStE 2011, Rz. 01.44, letzter Abs. S. 1 und Rz. E 20.10 und Schneider/Ruoff/Sistermann-Brinkmann, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, H 1.62 und H 1.64), auf welche § 20 UmwStG Anwendung findet (sodass im Übrigen auch kein Einbringungsgewinn I entstünde).
FAZIT | Es hätte nur geringer Anstrengungen bedurft, um den seit der im November 2011 begonnenen Betriebsprüfung schwelenden Steuerstreit gänzlich zu vermeiden, indem im Rahmen der Verschmelzung neue Anteile an die Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft ausgegeben worden wären. Dann wäre zugleich auch der naheliegende Streit um die Besteuerung der Verschmelzung selbst vermieden worden. Das FG Münster hat die Revision zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob Revision eingelegt und wie der BFH dann entscheiden wird. |