· Fachbeitrag · Umsatzsteuer/Handel über die Grenzen
Die Folgen des Brexits für deutsche Kfz-Handels- und Kfz-Servicebetriebe
von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht und Steuerberater Dr. Christian Salder, München
| Seit 01.02.2020 ist das Vereinigte Königreich (UK) politisch nicht mehr Mitglied der Europäischen Union (EU). Die von EU und UK vereinbarte Übergangsfrist, die die Folgen des Ausstiegs für die Wirtschaft auf beiden Seiten mildern soll, läuft zum 31.12.2020 aus ‒ und wird nicht verlängert. Das hat Folgen für den Handel mit Fahrzeugen und Ersatzteilen sowie auf Reparaturen und sonstige Dienstleistungen l‒ im Zollrecht und bei der Umsatzsteuer. Lesen Sie, worauf Sie sich ab 01.01.2021 einstellen sollten. |
Freihandelsabkommen hätte zollrechtliche Vorteile
Seit März 2020 verhandeln EU und UK über ein Freihandelsabkommen, um die künftigen wirtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen zu gestalten. Dabei geht es auch um die zollfreie Einfuhr von Waren. Ohne ein solches Freihandelsabkommen gilt ab dem 01.01.2021 für die Einfuhr von Pkw vom UK in die EU oder umgekehrt nach dem aktuellen Zolltarif der EU und dem neuen Zolltarif des UK jeweils ein Drittlandszollsatz von zehn Prozent.
Für den Fall eines Freihandelsabkommens ist lediglich eine Begünstigung bestimmter Waren in Bezug auf Einfuhrzölle zu erwarten. Der jeweilige Einführer muss über entsprechende Präferenzdokumente verfügen, um die Voraussetzungen für die Begünstigung belegen zu können. Ob und inwieweit von den Vergünstigungen auch Fahrzeuge und Ersatzteile auf Grundlage des Freihandelsabkommens profitieren könnten, steht noch nicht fest.
Grenzkontrollen ab dem 01.01.2021
Unabhängig von der Einigung über ein Freihandelsabkommen müssen sich die Unternehmen auf beiden Seiten auf Grenzkontrollen vorbereiten. Denn mit Ablauf des 31.12.2020 wird die Grenze zum UK eine EU-Außengrenze. Dementsprechend werden Lieferungen nach UK zu umsatzsteuerfreien Ausfuhrlieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. a UStG, § 6 UStG).
Zollrechtlich ist es erforderlich, ein Ausfuhrverfahren durch Abgabe einer Ausfuhranmeldung zu eröffnen. Der Zoll erteilt einen Ausgangsvermerk und bestätigt damit, dass das Ausfuhrverfahren ordnungsgemäß beendet wurde. Dieser Ausgangsvermerk dient zugleich als umsatzsteuerlicher Belegnachweis für die Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung. Das gilt sinngemäß auch für Lieferungen aus dem UK an einen Abnehmer in der EU.
Die Zollbehörden des UK und der EU-Mitgliedstaaten werden den Warenverkehr also zollamtlich überwachen und kontrollieren.
Während die Abfertigung in den EU-Mitgliedstaaten ohne Besonderheiten sofort ab 01.01.2021 stattfinden soll, hat die Zollverwaltung des UK aufgrund der Corona-Krise angekündigt, die Grenzkontrollen ab 01.01.2021 stufenweise einzuführen.
Erleichterungen bei der Einfuhr in das UK
Überführt der im UK ansässige Kunde die Ware im UK in den freien Verkehr, kann er im ersten Halbjahr 2021 von einem vereinfachten Verfahren profitieren. Bei gewöhnlichen Waren aus der EU ohne besondere Risiken (wie dies bei Kfz und Ersatzteilen regelmäßig der Fall sein dürfte) ist nämlich zunächst nur eine sog. Anschreibung notwendig. Erst dann werden die Zollabgaben fällig. Die Leistung einer Sicherheit für die Abgaben ist nicht erforderlich.
PRAXISTIPP | Damit ist zunächst weder eine summarische Eingangsmeldung noch eine Zollanmeldung erforderlich. Die Waren sind lediglich in den Büchern des „Einführers“, d. h. des künftigen Zollanmelders, anzuschreiben. Die Anschreibung umfasst alle mit den jeweiligen Waren zusammenhängenden Informationen wie z. B. Warennummer, Zollwert, Menge usw. |
Spätestens sechs Monate nach der Einfuhr ist eine ergänzende Erklärung abzugeben. Hierfür muss der Anmelder bzw. sein Vertreter dann über eine Bewilligung zur Verwendung vereinfachter Erklärungen sowie eine CHIEF-Registrierung, kompatible Software und ein Aufschubkonto verfügen. Das CHIEF-System (Customs Handling of Import and Export Freight) entspricht dem deutschen ATLAS-Verfahren. Erst mit dem Einreichen der ergänzenden Erklärung werden die Einfuhrabgaben fällig.
Dadurch erhalten Unternehmen sechs Monate mehr Zeit, sich erforderliche Bewilligungen und Registrierungen zu beschaffen oder Vertreter zu benennen. Gleichzeitig sind alle Einfuhrabgaben für sechs Monate aufgeschoben. Unklar ist bisher, welche Auswirkungen es hat, wenn eine erforderliche Bewilligung bis dahin nicht vorliegt.
Wichtig | Ab dem 01.07.2021 sind dann einheitlich für alle Waren zum Zeitpunkt der Einfuhr Zollanmeldungen abzugeben und Einfuhrabgaben zu entrichten.
Kfz-Betriebe, die nicht im UK ansässig sind, können das dargestellte Verfahren nicht nutzen. Nur im UK ansässige Unternehmen können dort Zollanmeldungen abgeben und zollrechtliche Bewilligungen erhalten.
PRAXISTIPP | Verfügt Ihr Unternehmen weder über einen Geschäftssitz noch über eine ständige Niederlassung, gilt es als nicht im UK ansässig. Vereinbaren Sie in diesem Fall in Ihren Lieferbedingungen, dass der Empfänger im UK die Waren in den freien Verkehr überführt, um Nachteile, Kosten und Risiken zu minimieren. |
Solche Unternehmen können also weder eine Bewilligung für das (neue) Anschreibeverfahren noch für ein Aufschubkonto erhalten. Für die Abgabe von (Einfuhr-)Zollanmeldungen benötigen sie einen indirekten Vertreter, der die Zollanmeldung in seinem eigenen Namen und für Rechnung des Auftraggebers abgibt. Zwar ist es für EU-ansässige Unternehmen grundsätzlich möglich, auch die Bewilligung eines Vertreters (z. B. dessen Aufschubkonto) zu nutzen. Das gilt jedoch nicht für das vereinfachte Anmeldeverfahren.
Verrechnung der Einfuhrumsatzsteuer
Ab 01.01.2021 müssen Unternehmen, die im UK zu Mehrwertsteuerzwecken registriert sind, die Einfuhrumsatzsteuer weder im Zeitpunkt der Wareneinfuhr zahlen noch die Fälligkeit über ein Aufschubkonto verzögern. Dies gilt sowohl für in UK zu Mehrwertsteuerzwecken erfasste aber in Deutschland ansässige Unternehmen als auch für britische Unternehmen.
Die Einfuhrumsatzsteuer ist in der für den jeweiligen Zeitraum, in dem die Einfuhr stattfindet, abzugebenden Mehrwertsteuererklärung anzugeben. In diesem Moment steht der Zahllast der abziehbare Vorsteuerbetrag entgegen.
Voraussetzung ist, dass das Unternehmen seine britische USt-IdNr. in der Zollanmeldung angibt. Die Liquidität ist somit nicht durch die Einfuhrumsatzsteuer belastet. Dieses Verfahren gilt grundsätzlich für alle Unternehmen, die für Mehrwertsteuerzwecke im UK registriert sind. Dabei ist gleichgültig, ob das Unternehmen sich bei der Zollanmeldung indirekt vertreten lässt.
Das Verfahren steht somit auch in der EU ansässigen Unternehmen offen. Es gilt auch über den 30.06.2021 hinaus. Bei der Gefährdung von Steuerbelangen kann die Finanzverwaltung einzelne Unternehmen jedoch von diesem Verfahren ausschließen.
Einfuhren in die EU bzw. nach Deutschland
Die EU-Mitgliedstaaten werden die geltenden Normen zur Einfuhr von Waren in die EU ab dem 01.01.2021 auch auf Wareneinfuhren aus dem UK anwenden. Vereinfachungen oder Erleichterungen sind insofern ‒ auch für eine Übergangszeit ‒ nicht vorgesehen.
Grundsätzlich kann auch ein im UK ansässiger Unternehmer die Überführung in den freien Verkehr übernehmen. Auch dann benötigt er aber einen indirekten Stellvertreter. Der Lieferant muss sich in Deutschland umsatzsteuerlich erfassen lassen und mit deutscher Umsatzsteuer an den Abnehmer abrechnen, da eine Einfuhr vorliegt (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG).
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Der im UK ansässige Hersteller L beliefert regelmäßig eine Kfz-Werkstatt K in Deutschland mit seinen Kfz-Ersatzteilen. Im Liefervertrag verpflichtet sich L dazu, die Ersatzteile frei Haus, verzollt und versteuert (Incoterm DDP Kundenadresse) zu liefern. L überführt die Ersatzteile bei Ankunft am Flughafen Frankfurt in |
den steuerlich und zollrechtlich freien Verkehr. Seine Lieferung an K in Deutschland ist daher in Deutschland steuerbar und ‒ mangels Steuerbefreiung ‒ steuerpflichtig. L muss sich daher in Deutschland zu Umsatzsteuerzwecken registrieren und K deutsche Umsatzsteuer in Rechnung stellen. Überführt dagegen K die Ersatzteile in den steuerlich und zollrechtlich freien Verkehr, kann L eine Rechnung ohne Umsatzsteuer stellen. |
Zumindest wirkt sich aber eine Änderung des deutschen Gesetzes in Hinblick auf die Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer auch für Überführungen in den steuerlich freien Verkehr aus dem UK (wie auch dem übrigen Drittland) günstig aus. Ab 01.12.2020 können Unternehmen vom Aufschub der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer gem. § 21 Abs. 3a UStG Gebrauch machen. Die entstandene Einfuhrumsatzsteuer ist dann erst am 26. des übernächsten Monats fällig (z. B. Einfuhr am 04.01.2021, Fälligkeit EUSt am 26.03.2021).
Damit können Unternehmen wie z. B. Kfz-Händler die bisherigen Liquiditätsnachteile bei der Einfuhr in Deutschland vermeiden. Im Gegenteil können sie sich in bestimmten Konstellationen sogar einen unverzinslichen Liquiditätsvorteil sichern. Voraussetzung hierfür ist lediglich die Bewilligung eines entsprechenden Aufschubkontos.
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K überführt die Ersatzteile in den steuerlich und zollrechtlich freien Verkehr. Bei der Einfuhranmeldung gibt er die Bewilligungsnummer an, unter der ihm die deutsche Zollverwaltung ein sog. Aufschubkonto für Einfuhrumsatzsteuer bewilligt hat. Überführt K die Ersatzteile am 04.01.2021 in den freien Verkehr, wird die entstandene Einfuhrumsatzsteuer erst am 26.03.2021 von seinem Konto eingezogen. Da K zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist, macht er die am 04.01.2021 entstandene Einfuhrumsatzsteuer in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung für Januar 2021 als Vorsteuer geltend. Da er die Voranmeldung für Januar (mit einer Zahllast) am 10.02.2021 abgeben muss, erhält er die Vorsteuer aus der Einfuhrumsatzsteuer ca. sechs Wochen bevor er diese entrichten muss. |
Konsequenzen des Brexits für (Werkstatt-)Leistungen
Völlig unabhängig vom Abschluss und Inkrafttreten eines Freihandelsabkommens wird das UK mit Ablauf des 31.12.2020 zum umsatzsteuerlichen Drittlandsgebiet. Damit finden generell die Vorschriften für die Leistungserbringung ins Drittland Anwendung.
Ist Dienstleistungsempfänger ein im UK ansässiger Unternehmer, ist die Dienstleistung ‒ wie bisher ‒ nicht in Deutschland steuerbar. Die Rechnung kann nach wie vor ohne deutsche Umsatzsteuer gestellt werden. Die Leistung ist zukünftig aber nicht mehr in der Zusammenfassenden Meldung zu erfassen.
Dienstleistungen an im UK ansässige Nichtunternehmer sind grundsätzlich im Ansässigkeitsstaat des Dienstleisters steuerbar und steuerpflichtig. Reparaturleistungen („Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen“) sind jedoch dort steuerbar, wo die Arbeiten ausgeführt werden.
Erbringt die Kfz-Werkstatt eine Werklieferung an den Kunden, ist diese in Deutschland steuerbar. Eine solche Werklieferung liegt nach der Vereinfachungsregel der Finanzverwaltung vor, wenn der Entgeltanteil, der auf das bei der Reparatur verwendete Material entfällt, mehr als 50 Prozent des für die Reparatur berechneten Gesamtentgelts beträgt.
Sowohl Dienstleistungen als auch Werklieferungen können in Deutschland steuerfrei sein, sodass die Werkstatt ohne deutsche Steuer an den Kunden abrechnen kann. Dies setzt jedoch voraus, dass eine Be- oder Verarbeitung an einem Gegenstand der Ausfuhr vorliegt.
Wichtig | Dazu muss das Fahrzeug zum Zweck der Be- oder Verarbeitung in der EU erworben oder in die EU eingeführt und unter anderem entweder in den steuerlich und zollrechtlich freien Verkehr oder in das Zollverfahren der aktiven Veredelung überführt worden sein. Nach der Be- oder Verarbeitung muss das Fahrzeug dann aus der EU ausgeführt werden. Die Kfz-Werkstatt muss einen entsprechenden Buch- und Belegnachweis führen.
Aus zollrechtlicher Sicht ist zu beachten, dass Kfz-Werkstätten Fahrzeuge mit einer Drittlandszulassung regelmäßig nur dann ohne Weiteres bearbeiten dürfen, wenn das Fahrzeug nicht extra für den Werkstattaufenthalt ins Inland verbracht wurde (z. B. Reparatur anlässlich eines Aufenthalts im Inland verursachten Unfallschadens). In diesen Fällen ist auch die Steuerbefreiung für die Be- und Verarbeitung von Gegenständen der Ausfuhr ausgeschlossen.
Sofern die Reparatur oder anderweitige Bearbeitung (z. B. Tuning etc.) geplant und das Fahrzeug extra zu diesem Zweck in die EU/nach Deutschland verbracht wird, ist es notwendig, das in UK zugelassene Fahrzeug hier in den steuerlich und zollrechtlich freien Verkehr oder in das Zollverfahren der aktiven Veredelung zu überführen. Korrespondierend hierzu kann es sinnvoll sein, dass der Auftraggeber das Fahrzeug beim Verbringen aus dem UK dort in das Zollverfahren der passiven Veredelung überführt.
FAZIT | Der Brexit bringt zum 01.01.2021 Veränderungen für alle Kfz-Händler, die bisher beim Handel über die Grenzen nur innerhalb der EU Geschäfte getätigt haben. Aber auch im Drittlandsgeschäft erfahrene Händler werden sich auf einige Besonderheiten bei UK-Geschäften einstellen müssen. |
Weiterführende Hinweise
- Beitrag „BMF erläutert Folgen des ungeregelten ‚Brexits‘ für Kfz-Lieferungen“ auf asr.iww.de → Abruf-Nr. 45857422
- Checkliste „Handel über die Grenzen ‒ Die Praxisfälle im Überblick“→ Abruf-Nr. 45009977