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· Fachbeitrag · Umsatzsteuer

Werkstattleistungen: Wann ist der Kunde ein ausländischer Unternehmer?

von Diplom-Finanzwirt Rüdiger Weimann, Dozent, Lehrbeauftragter und freier Gutachter in Umsatzsteuerfragen, Dortmund

| Werkstattleistungen an ausländische Unternehmenskunden können umsatzsteuerlich als „Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen“ ohne großen Belegaufwand netto abgerechnet werden, wenn und soweit der Dienstleistungscharakter überwiegt. ASR zeigt Ihnen, wie Sie den Nachweis führen müssen, wenn Sie den Pkw oder Lkw für einen ausländischen Unternehmenskunden repariert haben. |

Die Rechtsgrundlagen

Das deutsche Umsatzsteuergesetz selbst regelt nicht, wie der leistende Unternehmer nachzuweisen hat, dass sein Leistungsempfänger ein ausländischer Unternehmer ist, der die sonstige Leistung für den unternehmerischen Bereich bezieht. Die Vorgaben dazu ergeben sich aber aus Art. 55 MwStVO und Abschn. 3a.2 Abs. 9 ff. UStAE. Es sind zwei Fälle zu unterscheiden:

Fall 1: Unternehmenskunde aus dem EU-Ausland

Pflicht des Kunden zur Verwendung der USt-IdNr.

Bezieht ein in der EU ansässiger Unternehmer eine Reparaturleistung für seinen unternehmerischen Bereich, muss er für diesen Umsatz gegenüber seinem Auftragnehmer die USt-IdNr. verwenden, die ihm von dem EU-Mitgliedstaat, von dem aus er sein Unternehmen betreibt, erteilt worden ist.

 

  • Art. 55 Abs. 1 MwStVO

Für Umsätze nach Artikel 262 der Richtlinie 2006/112/EG müssen Steuerpflichtige, denen nach Artikel 214 jener Richtlinie eine individuelle Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zuzuteilen ist, und nichtsteuerpflichtige juristische Personen, die für Mehrwertsteuerzwecke erfasst sind, wenn sie als solche handeln, ihren Lieferern oder Dienstleistungserbringern ihre Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer mitteilen, sowie diese ihnen bekannt ist.

 

Wird die Leistung tatsächlich durch eine Betriebsstätte des Kunden bezogen, ist die der Betriebsstätte erteilte USt-IdNr. zu verwenden (Abschn. 3a.2 Abs. 9 S. 2 UStAE).

 

Schutz des Vertrauens der Werkstatt in die USt-IdNr. des Kunden

Verwendet der Kunde gegenüber der Werkstatt eine ihm von einem Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr., kann die Werkstatt davon ausgehen, dass der Kunde Unternehmer ist und die Leistung für seinen unternehmerischen Bereich bezieht:

 

  • Art. 18 Abs. 1 MwStVO

Sofern dem Dienstleistungserbringer keine gegenteiligen Informationen vorliegen, kann er davon ausgehen, dass ein in der Gemeinschaft ansässiger Dienstleistungsempfänger den Status eines Steuerpflichtigen hat,

  • a) wenn der Dienstleistungsempfänger ihm seine individuelle Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer mitgeteilt hat und er die Bestätigung der Gültigkeit dieser Nummer sowie die des zugehörigen Namens und der zugehörigen Anschrift gemäß Artikel 31 der Verordnung (EG) Nr. 904/2010 des Rates vom 7. Oktober 2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer erlangt hat.
  • b) …
 

Dies gilt auch dann, wenn sich nachträglich herausstellt, dass die Leistung vom Leistungsempfänger tatsächlich für nicht unternehmerische Zwecke verwendet worden ist (Abschn. 3a.2 Abs. 9 S. 4 UStAE).

 

PRAXISTIPP | Voraussetzung ist, dass der leistende Unternehmer nach § 18e UStG von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, sich die Gültigkeit einer USt-IdNr. eines anderen EU-Mitgliedstaats sowie den Namen und die Anschrift der Person, der diese Nummer erteilt wurde, durch das BZSt bestätigen zu lassen (dazu ausführlich ASR 6/2021, Seite 4).

 
  • Beispiel

Kfz-Händler D mit Sitz in Dortmund repartiert ein Fahrzeug für Unternehmer F mit Sitz in Frankreich. F verwendet gegenüber D seine französische USt-IdNr. Bei einer Betriebsprüfung stellt sich im Nachhinein heraus, dass F das Fahrzeug ausschließlich privat nutzt.

 

Folge: Der Leistungsort für die Reparatur des Fahrzeugs ist nach § 3a Abs. 2 UStG in Frankreich. Da F gegenüber D seine USt-IdNr. verwendet hat, gilt die Leistung als für das Unternehmen des F bezogen. Unbeachtlich ist, dass das Fahrzeug tatsächlich von F für nicht unternehmerische Zwecke verwendet wurde. F ist für die Leistung des D Steuerschuldner (§ 13b Abs. 1 und Abs. 5 S. 1 UStG). F ist allerdings hinsichtlich der angemeldeten Steuer in Frankreich nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, da die Leistung nicht für unternehmerische Zwecke bestimmt ist.

 

USt-IdNr. muss dem Kunden erst noch zugeteilt werden

Hat der Kunde noch keine USt-IdNr. erhalten, eine solche Nummer aber bei der zuständigen Behörde des EU-Mitgliedstaats beantragt, von dem aus er sein Unternehmen betreibt oder eine Betriebsstätte unterhält, bleibt es dem leistenden Unternehmer überlassen, auf welche Weise er den Nachweis der Unternehmereigenschaft und der unternehmerischen Verwendung führt (Art. 18 Abs. 1 Buchst. b MwStVO).

 

Wichtig | Der Nachweis hat nur vorläufigen Charakter. Für den endgültigen Nachweis bedarf es der Vorlage der dem Leistungsempfänger erteilten USt-IdNr.; dieser Nachweis kann bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht geführt werden (Abschn. 3a.2 Abs. 9 S. 8 UStAE).

 

„Verwendung“ der USt-IdNr. durch den Kunden

Verwendet der Leistungsempfänger eine USt-IdNr., soll dies grundsätzlich

  • vor Ausführung der Leistung erfolgen und
  • in dem jeweiligen Auftragsdokument
  • schriftlich festgehalten

werden (Abschn. 3a.2 Abs. 10 S. 1 UStAE).

 

Der Begriff „Verwendung“ einer USt-IdNr. setzt ein positives Tun des Leistungsempfängers, in der Regel bereits bei Vertragsabschluss, voraus:

 

  • So kann z. B. auch bei mündlichem Abschluss eines Auftrags zur Erbringung einer sonstigen Leistung eine Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug durch Verwendung einer bestimmten USt-IdNr. abgegeben und dies vom Auftragnehmer aufgezeichnet werden.

 

  • Es reicht ebenfalls aus, wenn bei der erstmaligen Erfassung der Stammdaten eines Leistungsempfängers zusammen mit der für diesen Zweck erfragten USt-IdNr. zur Feststellung der Unternehmereigenschaft und des unternehmerischen Bezugs zusätzlich eine Erklärung des Leistungsempfängers aufgenommen wird, dass diese USt-IdNr. bei allen künftigen ‒ unternehmerischen ‒ Einzelaufträgen verwendet werden soll.

 

  • Eine im Briefkopf eingedruckte USt-IdNr. oder eine in einer Gutschrift des Leistungsempfängers formularmäßig eingedruckte USt-IdNr. reicht allein nicht aus, um die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug der zu erbringenden Leistung zu dokumentieren.

 

  • Ein positives Tun liegt auch dann vor, wenn der Leistungsempfänger (Erwerber bzw. Empfänger der Dienstleistung) die Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug objektiv nachvollziehbar vorgenommen hat und der Leistungsbezug vom Leistungsempfänger in zutreffender Weise erklärt worden ist, der leistende Unternehmer seinen Meldepflichten nach § 18a UStG nachgekommen ist und die Rechnung über die Leistung einen Hinweis auf die USt-IdNr. enthält, die nach § 18a Abs. 7 UStG in der Zusammenfassenden Meldung angegeben wurde.

 

Nachträgliche Verwendung oder Änderung der Kunden-USt-IdNr.

Unschädlich ist es im Einzelfall, wenn der Leistungsempfänger die USt-IdNr. erst nachträglich verwendet oder durch eine andere ersetzt (Abschn. 3a.2 Abs. 10 S. 7 UStAE)

 

In diesem Fall muss die Besteuerung

  • in dem einen EU-Mitgliedstaat rückgängig gemacht und
  • in dem anderen EU-Mitgliedstaat nachgeholt und
  • ggf. die übermittelte ZM berichtigt werden.

 

In einer bereits erteilten Rechnung sind die USt-IdNr. des Leistungsempfängers (vgl. § 14a Abs. 1 UStG) und ggf. ein gesonderter Steuerausweis (vgl. § 14 Abs. 4 Nr. 8 und § 14c Abs. 1 UStG) zu berichtigen.

 

Die nachträgliche Angabe oder Änderung einer USt-IdNr. als Nachweis der Unternehmereigenschaft und des unternehmerischen Bezugs ist der Umsatzsteuerfestsetzung nur zugrunde zu legen, wenn die Steuerfestsetzung in der Bundesrepublik Deutschland noch änderbar ist (Abschn. 3a.2 Abs. 10 S. 10 UStAE).

Fall 2: Unternehmenskunde aus dem Drittland

Bescheinigung einer Behörde des Sitzstaates

Ist der Leistungsempfänger im Drittlandsgebiet ansässig, kann der Nachweis der Unternehmereigenschaft durch eine Bescheinigung einer Behörde des Sitzstaates geführt werden, in der diese bescheinigt, dass der Leistungsempfänger dort als Unternehmer erfasst ist (Abschn. 3a. Abs. 11 UStAE).

 

Die Bescheinigung sollte inhaltlich der Unternehmerbescheinigung nach § 61a Abs. 4 UStDV entsprechen (Abschnitt 18.14 Abs. 7 UStAE).

 

Sonstiger Nachweis

Kann der Leistungsempfänger den Nachweis nicht anhand einer Bescheinigung nach Satz 1 und 2 führen, bleibt es dem leistenden Unternehmer überlassen, auf welche Weise er nachweist, dass der im Drittlandsgebiet ansässige Leistungsempfänger Unternehmer ist (vgl. Artikel 18 Abs. 3 der MwStVO).

 

PRAXISTIPP | Seien Sie kreativ und betreiben Sie „Eichhörnchenarbeit“. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH kann ein EU-Geschäft im Zweifel auf jedem geeigneten Weg nachgewiesen werden. Zu denken ist etwa an

  • Fotografien des reparierten Fahrzeugs,
  • Screenshots vom Kunden-Internetauftritt,
  • Visitenkarten der Person, die bei Ihnen vor Ort war,
  • … (etc.)
 
  • Beispiel

„Tankwagen werden in den seltensten Fällen von Privatleuten gefahren!“

 

Wenn jemand einen Tankwagen reparieren lässt, hilft Ihnen ein Foto des Fahrzeugs bei der Nachweisführung. Fertigen Sie das Foto mit dem Handy digital und legen Sie dieses bei der Auftragsdokumentation ab.

 

Weiterführende Hinweise

  • In der nächsten Ausgabe lesen Sie, wann Werkstattleistungen an ausländische Unternehmenskunden Dienstleistungscharakter haben und als „Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen“ ohne Belegaufwand netto abgerechnet werden können.
Quelle: Seite 14 | ID 47885976