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· Fachbeitrag · Umsatzsteuer

Unentgeltliche Zuwendungen: Gestaltungspotenzial bei nachträglicher Entgeltvereinbarung nutzen

von Georg Nieskoven, Troisdorf

| In familiären Unternehmensverbünden oder Konzernen werden Eingangsleistungen mitunter von Unternehmen bezogen, obwohl die Leistung letztlich einer anderen Einheit des Verbundes ‒ ohne entsprechende Weiterbelastung ‒ zugutekommt. Wurden solche Vorgänge später vom FA aufgedeckt, war bislang streitig, ob die drohende Vorsteuerrückforderung durch nachträgliche Entgeltlichkeitsvereinbarungen abgewendet werden konnte. Dies hat der BFH nun verneint (22.11.18, V R 44/17, Abruf-Nr. 207486 ). Das Urteil eröffnet dennoch Gestaltungschancen und zeigt Wege auf, wie Steuerschäden vermieden werden können. |

1. Sachverhalt

Ehefrau EF war einzige Gesellschafterin der klagenden GmbH, ihr Ehemann EM fungierte als alleiniger Geschäftsführer. EM hatte als Einzelunternehmer mit Vertrag vom 18.4.11 von einem Reitverein Dachflächen für den Betrieb einer Fotovoltaikanlage angepachtet und sich dabei zu diversen Leistungen (Dacheindeckung, neue Trafostation etc.) verpflichtet. Einige der mit diesen Baumaßnahmen zusammenhängenden Eingangsleistungen wurden dabei „über die GmbH bezogen“, ohne dass der Aufwand an EM weiterberechnet wurde. Im Zuge einer Außenprüfung (4/2013) wertete das FA den Vorgang als vGA und forderte von der GmbH Umsatzsteuer für 2011 nach, da die weitergereichten Werklieferungen eine unentgeltliche Wertabgabe (ueWA/§ 3 Abs. 1b UStG) darstellten.

 

Im Zuge einer weiteren USt-Sonderprüfung stellte das FA fest, dass die GmbH die Eingangsleistungen in 10/2013 gegenüber EM mit 110 TEUR zzgl. USt nachberechnet hatte (von EM erst in 11/2015 beglichen). Der Prüfer sah darin einen von der GmbH nun zusätzlich geschuldeten Steuerausweis i. S. v. § 14c UStG und setzte für 2013 entsprechend höhere USt fest. Die GmbH legte Einspruch ein. Die Begründung: Sie habe nur in zulässiger Weise das vormalige „Nullentgelt“ auf ein kostendeckendes Entgelt gem. § 17 Abs. 1 UStG angehoben.

 

Das FG gab der Klage mit der Begründung statt, die Klägerin habe ihre im Jahr 2011 noch unentgeltlich erbrachte Leistung nachträglich durch wirksame Entgeltsabrede in einen „entgeltlichen Leistungsaustausch“ umwandeln und entsprechend abrechnen dürfen. Damit habe sie mithin nur die bereits im Jahr 2011 durch die ueWA entstandene USt-Schuld nachträglich mit einer für EM nun vorsteuerfähigen Rechnung unterlegt (kein § 14c UStG). Der BFH hat das Urteil allerdings aufgehoben und das Verfahren an das FG zurückverwiesen.

2. Entscheidungsgründe

So hält der BFH im ersten Schritt ‒ zumindest bei der vorliegenden Sachverhaltskonstellation ‒ schon eine „Wertabgabenbesteuerung“ unter Verweis auf seine geänderte Rechtsprechung für unzutreffend (siehe BFH 9.12.10, V R 17/10; BFH 13.1.11, V R 12/08). Denn soweit der Unternehmer bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs die Verwendung zur unentgeltlichen Weiterreichung beabsichtigte, scheitere der Vorsteuerabzug bereits systematisch daran, dass der Eingangsbezug „nicht zur Umsatzerwirtschaftung verwendet werden sollte“. Die unentgeltliche Anschlussverwendung löse in diesen Fällen keinen steuerbaren Wertabgabetatbestand nach § 3 Abs. 1b und Abs. 9a UStG mehr aus. In der Folge könne sich auch die Frage einer geänderten Bemessungsgrundlage nicht mehr stellen.

 

In diesem Fall wurde der GmbH bereits der Vorsteuerabzug im Jahr 2011 unzutreffender Weise gewährt. Dann würde die nachträglich ausgestellte Rechnung mit Steuerausweis tatsächlich eine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG auslösen, da über einen nicht existenten Leistungsaustausch abgerechnet wurde. Das FG habe allerdings noch aufzuklären, ob die GmbH tatsächlich bereits in 2011 die Absicht zur unentgeltlichen Zuwendung hatte. Denkbar sei auch, dass die bezogene Bauleistung „Teil eines von der GmbH bezogenen Gesamtwerks“ war, bei dem eigentlich eine entgeltliche Leistungserbringung an EM vorgesehen und deren Weiterberechnung lediglich unterblieben sei. Dann werde ein von Anfang an entgeltlich beabsichtigter Vorgang mit einer lediglich verspätet ausgestellten Rechnung zutreffend unterlegt.

3. Relevanz für die Praxis

Der Streitfall wirkt auf den ersten Blick exotisch, hat jedoch letztlich Breitenwirkung: Denn während Kaufleute sich als fremde Dritte „nichts zu schenken pflegen“, fallen im Betriebsprüfungsalltag immer wieder Vorgänge auf, bei denen Unternehmen bezogene Eingangsleistungen (offen oder verdeckt) einem anderen „verbundenen Unternehmen“ zu nicht fremdüblichen Konditionen oder gar unvergütet weiterreichen. Diese unentgeltlichen oder niedrig vergüteten Zuwendungen können ihre Ursache in „schlichtem Versehen“ haben, aber auch auf angestrebte Besteuerungsvorteile durch Aufwandsverlagerungen oder Ertragsvermeidung abzielen (unterschiedliche Verlustvorträge, Besteuerungsgefälle, Zinsschranken, Verrechnungspreise etc.). Zu unterscheiden sind hier die (weniger problematischen) Fälle „verbilligter Leistungsweiterreichung“ von jenen der gänzlich unterlassenen Verrechnung:

 

3.1 Zu niedriges Entgelt

Wird ein fremdunüblich niedriges Entgelt vom „verbundenen Unternehmen“ erhoben, so führt die nachträgliche Aufdeckung dieses Sachverhalts regelmäßig zur Aufstockung des Entgelts auf die Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 UStG) ‒ allerdings gedeckelt auf das „marktübliche Entgelt“ (vgl. Bsp. in A. 10.7 Abs. 1 S. 11 UStAE). Der sich ergebende „Steuerschaden“ beschränkt sich dann auf den Nachverzinsungsschaden i. S. v. § 233a AO, denn die nacherhobene USt kann der Leistende dem Leistungsempfänger gem. § 14 Abs. 4 S. 2 UStG nachträglich zusätzlich in Rechnung stellen (vgl. Abschn. 14.9. UStAE), was den Leistungsempfänger zumeist zum spiegelbildlich aufgestockten (nachträglich) Vorsteuerabzug berechtigen wird.

 

Beachten Sie | Obwohl das Korrektiv der „Mindestbemessungsgrundlage“ nach der EuGH-Rechtsprechung (EuGH 29.5.97, C-63/96) nur auf Steuerumgehungsvermeidung abzielen darf, erfasst die Vorschrift nach BFH-Verständnis auch Fälle, bei denen der Leistungsempfänger uneingeschränkt zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist ‒ und damit wegen sich ausgleichender Umsatz-/Vorsteuer-Erhöhung kein fiskalischer Steuerausfall verbleibt. Aber nach der BFH-Entscheidung vom 5.6.14 (XI R 44/12) könnten sich Vorsteuerfolgen auch noch in Folgejahren durch § 15a UStG ergeben und damit eine Missbrauchslücke lassen, sodass der BFH die Anwendbarkeit der „Mindestbemessungsgrundlage“ mithin nur in jenen Fällen negiert, bei denen die weiterberechnete Lieferung/Leistung kein Korrekturtatbestand i. S. v. § 15a UStG darstellt und folglich weder im Zuwendungsjahr noch in den Folgejahren ein fiskalisches Steuerausfallrisiko verbleibt.

 

Zudem: Ohne Korrekturfolgen bleiben solche verbilligt vergüteten Vorgänge zudem, wenn die „verbundenen Unternehmen“ dem gleichen USt-Organschaftsverbund angehören. Denn dann stellen auch verbilligte Zuwendungen „innerorganschaftliche Innenumsätze“ dar, die keine unmittelbare USt-Schuld auslösen. Allerdings muss man selbst dann hinsichtlich des Vorsteuerabzugs aus der weitergereichten Eingangsleistung die „letztendliche Verwendung“ im Blick behalten, da ggf. Vorsteuerkürzungen drohen (vgl. BFH 13.11.13, XI R 2/11). Wichtig dabei: Die Organschaftswirkung endet an der Grenze (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 UStG).

 

3.2 Unentgeltliche Zuwendung

Deutlich problematischer sind jedoch die vom FA aufgedeckten Fälle, wenn der Zuwendende die von ihm bezogene Leistung gänzlich ohne Berechnung an das verbundene Unternehmen weitergereicht hat. Dies setzt nämlich eine komplizierte Folgelogik aus Vorsteuerversagung einerseits bzw. unentgeltlicher Wertabgabe andererseits in Gang: Denn aufgrund der o. a. Rechtsprechungsänderung (V R 17/10; V R 12/08) differenziert der BFH seither:

 

  • War bereits bei Bezug der Leistung klar, dass diese im Bewusstsein bzw. in der Absicht der „unentgeltlichen Weiterreichung“ bezogen wurde, so ist der unentgeltlichen Weiterreichung durch eine Vorsteuerkürzung auf der Leistungseingangsseite Rechnung zu tragen.

 

  • Entscheidet der Unternehmer hingegen erst zu einem späteren Zeitpunkt, die vormals zu eigenunternehmerischen Zwecken bezogene Leistung unentgeltlich weiterzureichen, so bleibt sein Vorsteuerabzug im Ursprungszeitpunkt unangetastet und erst der Entschluss der unentgeltlichen Weiterreichung führt zur Besteuerung einer ueWA.

 

Beachten Sie | Auch in diesen Fällen gelten jedoch die „Innenumsatz-Überlegungen“ zu USt-Organschafts-Fällen (s. 3.1).

 

  • Beispiel 1

Konzernmutter M erwirbt für ihre unternehmerischen Belange ein Kontingent von 20 leistungsstarken Großrechnern zum Paketpreis von 200.000 EUR zzgl. USt. 15 dieser 20 PC benötigt M unmittelbar für eigene Beschäftigte; die 5 übrigen PCs reicht sie an ihre inländische Tochtergesellschaft DE1 (Abwandlung: in Polen ansässige Tochtergesellschaft PL1) weiter; die Tochtergesellschaft holt die PCs bei der M ab und transportiert sie an ihren eigenen Standort.

Die Tochtergesellschaften gehören nicht zum „USt-Organschaftsverbund“ der M.

 

Im ersten Schritt gilt es weichenstellend zu klären, ob bei der M

  • a) bereits zum Zeitpunkt des Einkaufs der PCs die Absicht zur unentgeltlichen Weiterreichung an die Tochtergesellschaft bestand oder
  • b) sich die Weiterleitungsabsicht erst später ergab.
 
  • a) War die unentgeltliche Weiterreichung „von Anfang an, also bereits bei Leistungsbezug beabsichtigt, so ist der M aus dem Einkauf der Rechner bereits der Vorsteuerabzug zu 5/20 zu versagen, da der Leistungsbezug insofern nicht „der Erwirtschaftung besteuerter Umsätze“ zu dienen bestimmt war.
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  • Beachten Sie | Bei dieser Vorsteuerkürzung bleibt es selbst dann, wenn die Weiterreichung der Anlagen an die Tochter auch eigenbetriebliche Vorteile für die M mit sich brachte, z. B., weil die Verwendung identischer Systemtechnik konzerninterne Abläufe oder Analysen für die Mutter kostensparend vereinfacht. Denn das im Vordergrund stehende Motiv der „Zuwendung an die Tochter“ verdrängt die sonstigen Begleiteffekte. In Fällen einer solchen sog. Motiv-Konkurrenz ist nach der BFH-Rechtsprechung allein auf das im Vordergrund stehende unmittelbare Leistungsbezugsmotiv abzustellen (z. B. BFH 11.4.13, V R 29/10).
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  • MERKE | Wird dieser Vorsteuerkürzungsbedarf erst später durch eine Prüfung des FA aufgedeckt, so können die nachteiligen Besteuerungsfolgen nicht durch eine in der o. a. Entscheidung V R 44/17 diskutierte „nachträgliche Entgeltlichkeitsvereinbarung“ nebst entsprechender Rechnungslegung neutralisiert werden. Denn laut BFH besteht diese Gestaltungsmöglichkeit nur, wenn die ursprüngliche Zuwendung bereits zur steuerbaren ueWA führte.

     
  • b) Spätere Absichtsänderung: Wurden die Großrechner anfänglich in Erwartung vollständig eigenunternehmerischer Nutzung erworben, und beschloss die M erst später eine unentgeltliche Weiterreichung an die Tochtergesellschaft, so bleibt der Vorsteuerabzug aus allen Rechnern im ersten Schritt erhalten. Allerdings führt die Weiterreichung im Zeitpunkt der Zuwendung zur Nachversteuerung als ueWA i. S. v. § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG an DE1 bzw. PL1. An diesem Ergebnis der Wertabgabenbesteuerung würden auch flankierende eigenunternehmerische Vorteile für die M nichts ändern, da die unentgeltliche Zuwendung an die Tochter in einem solchen Motivkonkurrenzfall regelmäßig dominiert.
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  • Der Leistungs- und Besteuerungsort wurde bei ueWA bislang durch die Sonderregelung des § 3f UStG stets am inländischen Sitzort der M angesiedelt und löste daher selbst im Abwandlungsfall der Zuwendung an die polnische PL1 deutsche USt aus. § 3f UStG ist allerdings durch das JStG 2019 aus dem Gesetz gestrichen worden, sodass stattdessen die allgemeinen Ortsbestimmungsregeln zur Anwendung kommen. Dies dürfte im vorliegenden Fall aber gleichfalls zur inländischen Umsatzbesteuerung gem. § 3 Abs. 7 UStG führen.
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  • MERKE | Hinsichtlich der zentralen Frage, ob ein Steuerschaden durch nachträgliche Entgeltlichkeitsvereinbarung bei aufgedeckten ueWA beseitigt werden kann, gilt Folgendes: In Variante b) wäre das zu bejahen: Denn anders als bei Variante a) wäre hier ein „steuerbarer Wertabgabentatbestand“ vorhanden. Dieser eröffnet damit laut Rz. 14 der BFH-Entscheidung V R 44/17 die Option, diese nicht vorsteuerfähige USt-Belastung in einen steuerpflichtigen entgeltlichen Lieferumsatz umzuwandeln. Dieser Umsatz wäre dann mit entsprechendem USt-Ausweis zu fakturieren und würde der empfangenden Tochtergesellschaft den Vorsteuerabzug ermöglichen.

     
  • War ‒ wie der BFH in Rz. 15 seiner Besprechungsentscheidung ergänzt ‒ sogar von Anfang an eine Weiterberechnung vereinbart und ist lediglich versehentlich unterblieben (was vom Unternehmen zu belegen wäre), so bliebe dies gleichfalls ein „entgeltlicher Vorgang“, der durch spätere Rechnungserteilung „vor endgültigen Steuerschäden“ bewahren kann.
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  • Im Abwandlungsfall ‒ Zuwendung an die polnische Tochtergesellschaft PL durch deren Abholung und Verbringung der PCs nach Polen ‒ dürfte m. E. durch die nachträgliche Entgeltlichkeit zudem der Zugang zur Steuerbefreiung des § 6a UStG eröffnet sein (so m.E. auch Umkehrschlussfolgerung aus A. 3.2. Abs. 2 UStAE bzw. § 6 Abs. 5 UStG). Dies setzt allerdings das Vorliegen des entsprechenden Buch- und Belegnachweises bei der M voraus und zieht das Erfordernis der entsprechenden ZM-Deklaration i. S. v. § 18a UStG nach sich.

 

Während das vorstehende Beispiel Liefervorgänge behandelt, soll das nachfolgende Beispiel die Rechts- und Systemabweichungen bei Zuwendungen aus dem Bereich der Dienstleistungen verdeutlichen:

 

  • Beispiel 2

Konzernmutter M erwirbt für ihr Unternehmen 20 Einzelplatz-Lizenzen einer betrieblichen Software für 200.000 EUR zzgl. USt.

 

15 dieser 20 Lizenzen benötigt M unmittelbar für ihr eigenes Unternehmen; die 5 übrigen Zugänge reicht sie (nach Lizenzvertrag zulässigerweise) an ihre inländische Tochtergesellschaft DE1 (Abwandlung: in Polen ansässige Tochtergesellschaft PL1) weiter; die Tochtergesellschaften gehören nicht zum umsatzsteuerlichen Organschaftsverbund der M.

 

Auch hier gilt es zu klären, ob bei der M bereits zum Zeitpunkt des Bezugs die Absicht zur unentgeltlichen anteiligen Weiterreichung an die Tochtergesellschaft bestand:

 

  • a) Von Anfang an beabsichtigte Weiterreichung: In diesem Fall ist der Vorsteuerabzug auf 15/20 zu begrenzen, da der Bezug der Lizenzen für die übrigen 5/20 nicht der Erwirtschaftung besteuerter Umsätze dient. Dies gilt auch dann, wenn mit der Weiterreichung der Softwarelizenzen auch eigenbetriebliche Vorteile der Mutter verbunden sind; denn das im Vordergrund stehende Motiv ist die gewollte „Unentgeltlichkeit“ der Lizenzzuwendung an die Tochtergesellschaft, die in dieser Weise nicht an fremde Dritte erfolgt wäre.
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  • Bei nachträglicher Aufdeckung dieses Sachverhalts durch das FA lassen sich Steuerschadensfolgen einer nachträglichen USt-Nachzahlung ohne spiegelbildliche Vorsteuerkompensation bei der Tochter nicht durch eine „nachträgliche Entgeltlichkeitsvereinbarung und Nachtragsfakturierung“ vermeiden, da es an einer zuvor bereits umsatzsteuerbaren ueWA fehlt.

 

  • b) Spätere Absichtsänderung: Wurden die Lizenzen hingegen anfänglich in der Erwartung der vollständig eigenunternehmerischen Nutzung erworben, so bleibt ‒ wegen der für den Vorsteuerabzug maßgeblich bleibenden Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des Eingangsbezugs ‒ der Vorsteuerabzug aus allen 20 Softwarelizenzen im ersten Schritt ungekürzt erhalten. Allerdings führt die Weiterreichung im Zeitpunkt der Zuwendung zur ueWA an DE1 bzw. PL1. An dieser Wertabgabenbesteuerung können m. E. auch ergänzende „eigenunternehmerische Vorteile“ für die M (z. B. konzernbezogene Synergieeffekte) nichts ändern.
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  • Beachten Sie | Dieser Sicht ließe sich allerdings in Abgrenzung zu Bsp. 1 Variante b entgegenhalten, dass § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG ‒ anders als § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG ‒ ausdrücklich nur Wertabgaben besteuert, die für außerhalb des Unternehmens liegende Zwecke zugewandt werden. Daher ist fraglich, ob zur Verneinung der Anwendbarkeit von § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG bereits kollaterale eigenunternehmerische Vorteile der M ausreichen.
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  • MERKE | Die Finanzverwaltung vertritt hierzu eine „strenge Sichtweise“ und verneint § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG nur dann, wenn es sich bei den eigenunternehmerischen Vorteilen um das dominierende Motiv handelt (m. E. in diesem Sinne auch BMF 7.6.12, BStBl I 12, 621 unter IV. 2. Abs. 3; dort wird die Steuerbarkeit nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG nur verneint, weil die unentgeltliche Erschließungszuwendung offenkundig aus originär unternehmerischen Motiven erfolgte. Denn im Beispiel war die Erschließung i. S. eines „Junktim“ Vorbedingung der Gemeinde für die dortige unternehmerische Tätigkeit (bestätigt m. E. durch EuGH 14.9.17, C-132/16).

     
  • Diese strenge Sicht ist wohl auch systematisch, denn Vorsteuerkürzungen wie Wertabgabenbesteuerung in der hier vorliegenden Variante b) dienen dem identischen Zweck der Vermeidung von Vorsteuervorteilen aus nicht unternehmerischen Leistungsbezugsanteilen ‒ entweder per eingangsseitiger Vorsteuerkürzung oder per Korrektiv in Form der nachgelagerten Wertabgabenbesteuerung. Und es ist m. E. kein sachlich-systematischer Grund ersichtlich, weshalb hier unterschiedliche Anforderungen gelten sollten.
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  • Der Leistungs- und Besteuerungsort wurde bei ueWA durch die Sondervorschrift des § 3f UStG stets am inländischen Sitzort der M angesiedelt und löste daher selbst bei der Zuwendung an die in Polen ansässige PL1 deutsche USt aus. Diese Vorschrift ist ja nun durch das JStG 2019 gestrichen worden, was für den vorliegenden Fall zur Einschlägigkeit von § 3a Abs. 2 UStG führen könnte. M. E. ist dies aber zu verneinen, denn der Zweck der Wertabgabenbesteuerung ist erkennbar die Korrektur des Vorsteuerabzugs im Abzugsland. Mithin dürfte künftig § 3a Abs. 1 UStG als Grundfall der Ortsbestimmung zur Anwendung kommen (so auch: Stadie in: Rau/Dürrwächter, § 3a UStG sowie Monfort in: Birkenfeld/Wäger, Das große USt-Handbuch, Unentgeltliche Leistungen, § 3f UStG).
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  • MERKE | Die vom BFH in der Besprechungsentscheidung thematisierte Gestaltungsmöglichkeit einer Korrektur des Steuerschadens durch nachträgliche Entgeltlichkeitsvereinbarungen ist in der Variante b) eröffnet, da im ersten Schritt bereits eine steuerbare Wertabgabe vorliegt, die in einen entgeltlichen Leistungsaustausch umgewandelt werden kann.

     
  • Im Grundfall (Lizenzzuwendung an DE1) führt dies zur Möglichkeit, der DE1 die bereits wegen ueWA geschuldete USt nachträglich vorsteuerfähig in Rechnung stellen zu können.
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  • Im Abwandlungsfall (Zuwendung der Lizenzen an die in Polen ansässige PL1) würde dies zur nachträglichen Annahme einer grenzüberschreitenden entgeltlichen B2B-Dienstleistung und damit einer Ansiedlung des Leistungsorts gem. § 3a Abs. 2 UStG in Polen führen. Die Besteuerung in Deutschland würde damit nachträglich entfallen und durch eine Besteuerung in Polen abgelöst ‒ dort per Steuerschuldnerschaftsübertragung auf PL1 und mit entsprechender Vorsteuerabzugsberechtigung. Da die nachträgliche Entgeltlichkeitsvereinbarung einen Anwendungsfall i. S. v. § 17 Abs. 1 UStG darstellt, dürfte eine Korrektur allerdings erst im Zahlungszeitpunkt möglich sein.

 

FAZIT | Die vorliegende BFH-Entscheidung eröffnet in bestimmten Fällen enormes Gestaltungspotenzial und kann zur Schadensabwehr genutzt werden. Sie bedarf aber angesichts der komplexen Folgenbeurteilung einer intensiven und kompetenten umsatzsteuerlichen Betreuung.

 
Quelle: Seite 62 | ID 46097708