· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
Transportbeginn bei ruhenden Lieferungen ist für Steuersatz ohne Bedeutung
von Diplom-Finanzwirt Rüdiger Weimann, Dortmund, unter Mitarbeit von Diplom-Betriebswirt Lars Fuisting, Düsseldorf
| Das Ende der befristeten Senkung der Umsatzsteuer wirkt sich ‒ was vielfach unbekannt ist ‒ auch auf ruhende Kfz-Lieferungen im Jahr 2021 aus, bei denen der Transport des Fahrzeugs noch in 2020 begonnen hat. Das zeigt ein aktueller Fall aus der Praxis. |
Fall: Transport 2020 in USA, Übergabe 2021 in Deutschland
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Der deutsche Kunde K bestellt im August 2020 beim Fragesteller (Autohaus A) mit Sitz in Dortmund eine neue Corvette. Der kauft das Fahrzeug seinerseits von einem US-amerikanischen B2B-Händler (US) ein. Letzterer erwirbt das Fahrzeug direkt vom Hersteller Chevrolet mit Sitz in Detroit. US muss das Fahrzeug in Dortmund an A „verzollt und versteuert“ übergeben und trägt gegenüber A auch die Transportverantwortung.
Das Fahrzeug wird Ende November 2020 in den USA eingeschifft und am 12.01.2021 dem A in Dortmund übergeben. A macht das Fahrzeug sodann verkaufsfertig, lässt es im Auftrag des K zu und liefert es am 26.01.2021 an K aus.
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Wer tätigt die bewegte Lieferung?
Frage: Aufgrund einer von uns eingesetzten Steuer-Software gehen wir davon aus, dass wir gegenüber dem deutschen Kunden die bewegte Lieferung tätigen. Ist das zutreffend?
Antwort: Nein. Die Warenbewegung ist der Lieferung Chevrolet → US zuzuordnen. Das gilt unabhängig davon, welche der Parteien die Transportverantwortung trägt. Eine von beiden trägt sie immer (§ 3 Abs. 6a S. 2 UStG bei Chevrolet; § 3 Abs. 6a S. 4 UStG bei US).
Die konkreten Umsatzsteuerfolgen der Lieferung Chevrolet → US sind für das deutsche Autohaus A ohne Bedeutung. Wichtig ist für A lediglich, dass diese Lieferung die bewegte ist.
Damit wird der eigene Eingangsumsatz ‒ also die Lieferung US → A ‒ zu einer ruhenden Lieferung, die einer bewegten Lieferung folgt (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 5 ff. UStAE).
Welcher Steuersatz gilt?
Frage: Ebenfalls aufgrund dieser Software kommen wir zum Ergebnis, dass der Umsatzsteuersatz weiterhin 16 Prozent beträgt, weil der Transport noch im Jahr 2020 beginnt. Ist das zutreffend?
Antwort: Nein. Beide Umsätze erfolgen im Januar 2021 und damit nach der Rückführung des Steuersatzes. Der Steuersatz beträgt damit in beiden Fällen (wieder) 19 Prozent.
Eingangsumsatz des deutschen Autohauses
Bei dem Leistungszeitpunkt ist auf § 3 UStG zurückzugreifen. Danach sind Lieferungen grundsätzlich dann ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den zu liefernden Gegenstand erlangt (Abschn. 13.1 Abs. 2 S. 1 UStAE).
A tätigt den Eingangsumsatz am 12.01.2021. Denn der Lieferzeitpunkt folgt insoweit der Ortsbestimmung. Ruhende Lieferungen, die der bewegten Lieferung folgen, werden bei Beendigung der Beförderung bzw. Versendung ausgeführt (Abschn. 3.14 Abs. 6 UStAE). Das ist bei A in Deutschland.
Wichtig | Gelangt im Rahmen eines Reihengeschäfts der Gegenstand der Lieferungen aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, kann eine Verlagerung des Lieferorts nach § 3 Abs. 8 UStG nur für die Beförderungs- oder Versendungslieferung in Betracht kommen (Abschn. 3.14 Abs. 15 S. 1 UStAE). Diese sog. Lieferortsfiktion gilt also nicht bei ruhenden Lieferungen (also bei der Lieferung US → A).
Ausgangsumsatz des deutschen Autohauses
Der eigene Ausgangsumsatz ‒ also die Lieferung A → K ‒ ist ein separat zu beurteilender Umsatz des Jahres 2021. Der Umsatzsteuersatz beträgt damit auch hier 19 Prozent. Das vorherige Reihengeschäft Chevrolet → US → A ist ohne Bedeutung.
Umsatzsteuer in der Rechnung von US?
Frage: Erhalten wir von US eine Netto-Rechnung oder eine Brutto-Rechnung?
Antwort: A erhält von US eine Brutto-Rechnung. Denn auch der Eingangsumsatz ist in Deutschland als ruhende Lieferung steuerbar und steuerpflichtig (vgl. Abschn. 3.14 Abs. 13 UStAE). Unter den weiteren Voraussetzungen des § 15 UStG ist A zum Vorsteuerabzug berechtigt.