· Fachbeitrag · Umsatzsteuer
Steuerliche Behandlung von Garantiezusagen ‒ der Branche droht neues Unheil
von Diplom-Finanzwirt Rüdiger Weimann, Dozent, Lehrbeauftragter und freier Gutachter in Umsatzsteuerfragen, Dortmund
| Mit Schreiben vom 11.05.2021 hat sich das Bundesfinanzministerium (BMF) zur umsatzsteuerlichen Behandlung der Garantiezusagen von Kfz-Händlern neu positioniert. In seinem Schreiben bezieht das BMF Stellung zur Gewährung des Versicherungsschutzes, zu Leistungen des Händlers an den Käufer im Schadensfall und zum Vorsteuerabzug des Händlers. ASR erklärt Ihnen nachfolgend, was sich dadurch für Sie ändern könnte. |
Die bisherige Rechtsauffassung von BFH und BMF
Bereits im Jahr 2010 hatte der BFH darauf erkannt, dass die Garantiezusage eines Kfz-Händlers, durch die der Käufer gegen Entgelt nach seiner Wahl
- einen Reparaturanspruch gegenüber dem Verkäufer oder
- einen Reparaturkostenersatzanspruch gegenüber einem Versicherer
erhält, umsatzsteuerpflichtig ist (BFH, Urteil vom 10.02.2010, Az. XI R 49/07, Abruf-Nr. 101104). Das BMF hatte diese Auffassung geteilt und in seinen Vorgaben an die Finanzämter wie folgt umgesetzt (BMF, Schreiben vom 15.12.2010, Az. IV D 3 ‒ S 7160-g/10/10001, 2010/0978583, Abruf-Nr. 110157):
- Eine entgeltliche Garantiezusage stellt keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung dar, sondern eine eigenständige Leistung.
- Hat der Käufer stets einen unmittelbaren Anspruch auf Geld gegenüber dem Versicherer, erbringt der Kfz-Händler eine umsatzsteuerfreie Leistung (Verschaffung von Versicherungsschutz).
- Hat der Käufer das Wahlrecht (sog. „Kombinationsmodell“), im Schadensfall entweder die Reparatur durch seinen Händler durchführen zu lassen (Reparaturanspruch) oder den durch den Händler verschafften Versicherungsschutz in Anspruch zu nehmen und die Reparatur durch einen anderen Vertragshändler ausführen zu lassen (Reparaturkostenersatzanspruch), erbringt der Kfz-Händler eine umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung eigener Art.
Ergänzende Rechtsprechung des BFH in 2018
In der Folge hatte der BFH mit Urteil vom 14.11.2018 (Az. XI R 16/17, Abruf-Nr. 207154) noch einmal festgestellt, dass die entgeltliche Garantiezusage eines Kfz-Händlers keine unselbstständige Nebenleistung zur Fahrzeuglieferung sondern eine eigenständige Leistung ist. Mit einer Garantiezusage, durch die der Kfz-Verkäufer als Garantiegeber im Garantiefall eine Geldleistung verspricht, liegt eine Leistung aufgrund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des VersStG vor, die nach § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei ist.
Unter Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH hat der BFH zudem festgestellt, dass die Leistung, zu deren Erbringung der Versicherer im Versicherungsfall verpflichtet ist,
- nicht zwingend in der Zahlung eines Geldbetrags bestehen muss,
- sondern auch in Beistandsleistungen, entweder durch Geldzahlung oder Sachleistungen, bestehen kann.
BMF unterscheidet jetzt zwei Fälle
Daraus zieht das BMF in seinem aktuellen Schreiben umsatzsteuerlich Konsequenzen, indem es zwei Fälle unterscheidet (BMF, Schreiben vom 11.05.2021, Az. III C 3 ‒ S 7163/19/10001 :001, 2021/0533686, Abruf-Nr. 222584):
1. Käufer (Garantienehmer) hat Anspruch gegen Autohaus (Garantiegeber)
Hat der Käufer (= Garantienehmer) gegen das Autohaus (= Garantiegeber)Anspruch auf Reparatur oder Reparaturkostenersatz, sind die Leistungen aus entgeltlichen Garantiezusagen des Kfz-Händlers (= Verkäufer und zugleich Versicherer i. S. v. Ziff. I.1.a des BMF-Schreibens) umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 10 Buchst. a UStG). Diese Leistungen umfassen
- die Gewährung des Versicherungsschutzes und
- die Leistung des Verkäufers (Versicherers) an den Käufer im Schadensfall.
Dies gilt sowohl für eine Geldzahlung als auch für eine Sachleistung im Schadensfall.
2. Käufer hat Wahlrecht bei Inanspruchnahme
Hat der Käufer (= Garantienehmer) ein Wahlrecht, ob er den Reparaturanspruch gegen das Autohaus (= Garantiegeber) richtet oder den Reparaturkostenersatzanspruch gegen einen anderen Versicherer geltend macht, gilt: Die Leistungen aus Garantiezusagen des Kfz-Händlers (= Verkäufer i. S. v. Ziff. I.3 des BMF-Schreibens) sind umsatzsteuerfrei (§ 4 Nr. 10 Buchst. a oder Buchst. b UStG).
Wichtig | Die Entscheidung des BFH vom 10.02.2010 (a. a. O.) ist danach überholt. Er hatte die Garantiezusage eines Kfz-Händlers, die dem Garantienehmer im Garantiefall ein Wahlrecht zwischen einer Sachleistung/Reparatur durch den Händler oder einer Geldleistung eines Versicherungsunternehmens (Reparaturkostenersatz) einräumt, als ein durch die Einstandspflicht des Verkäufers geprägtes eigenständiges Leistungsbündel angesehen, das der Umsatzsteuer unterliegt.
Folge: Kfz-Händler verlieren ihren Vorsteueranspruch
Die neue Rechtsansicht des BMF hat für Händler gravierende Folgen. Der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen im Zusammenhang mit diesen steuerfreien Umsätzen z. B. für
- den Abschluss der Garantie,
- den Einkauf von Material für die Reparatur im Schadensfall sowie
- die anteiligen Gemeinkosten
wäre damit nämlich grundsätzlich ausgeschlossen (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG).
Ab wann gelten die neuen Regeln?
Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) hatte erkannt, dass diese Neuregelung eine massive wirtschaftliche Schlechterstellung des Handels bedeuten würde. Er hat dies in einer Eingabe an das BMF moniert ‒ mit Erfolg.
Sah das BMF-Schreiben vom 11.05.2021 noch vor, dass die Grundsätze anzuwenden seien auf Garantiezusagen, die nach dem 30.06.2021 abgegeben werden (BMF, Schreibens vom 11.05.2021,Az. III C 3 ‒ S 7163/19/10001 :001, 2021/0533686, Abruf-Nr. 222584), ist das BMF mit einem ‒ kurz vor Drucklegung von ASR bekanntgewordenen ‒ Ergänzungsschreiben zurückgerudert. Danach wird die Umsetzungsfrist bis zum 31.12.2021 verlängert (BMF, Schreiben vom 18.06.2021, Az. III C 3 ‒ S 7163/19/10001 :001, 2021/0533686, Abruf-Nr. 223038).
Nach dem neuen Schreiben wird es die Finanzverwaltung nicht beanstanden, wenn die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 11.05.2021 bereits auf vor dem 01.01.2022 abgegebene Garantiezusagen angewendet werden. Dieser Hinweis erfolgt nur der Vollständigkeit halber, denn freiwillig wird wohl kein Kfz-Händler die neuen Vorschriften anwenden.
Was ist mit der Versicherungssteuer?
§ 4 Nr. 10 UStG stellt Versicherungsumsätze insbesondere deswegen umsatzsteuerfrei, weil vermieden werden soll, dass Versicherungen mit Verkehrssteuern ‒ Umsatz- und Versicherungssteuer ‒ doppelt belastet werden. Zwischen beiden Steuern besteht eine Wechselwirkung derart, dass bei einer möglichen Umsatzsteuerbefreiung immer auch die versicherungssteuerlichen Konsequenzen zu prüfen sind (Ziff. I des BMF-Schreibens).
Auch hierzu weist der ZDK auf die Konsequenzen für den Kfz-Handel hin, die „ohne Übertreibung nur als verheerend bezeichnet werden können. Händler, die Autokäufern ‒ wie im qualifizierten Fachhandel bei Gebrauchtwagen üblich ‒ eine Garantiezusage erteilen, würden dadurch steuerrechtlich zu Versicherern. Sie müssten sich im Zweifel beim Bundeszentralamt für Steuern registrieren lassen, monatlich Versicherungssteuer anmelden und abführen, besonderen Aufzeichnungspflichten nachkommen und separate Rechnungen für die Garantiezusagen erteilen. Allein dieser bürokratische Zusatzaufwand wäre für den Automobilhandel, der durch den Corona-bedingten Lockdown ohnehin mit dem Rücken zur Wand steht, nicht zumutbar und innerhalb der kurzen Frist bis zum 30.06.2021 auch gar nicht zu bewältigen.“
FAZIT | Für die Branche bleibt zu hoffen, dass das BMF seine komplette Rechtsauffassung in dieser Sache noch einmal überdenkt. ASR wird Ihnen in der August-Ausgabe vorstellen, was auf Sie als Händler zukäme, wenn Sie sich tatsächlich als „Versicherer“ behandeln lassen müssten. |