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· Fachbeitrag · Umsatzsteuer

Gemeinnützige Krankenhäuser: Kassen fordern Umsatzsteuer auf Fertigarzneimittel zurück

von Rechtsanwalt Guido Kraus, Fachanwalt für Medizinrecht, CURACON, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Hamburg

| Diverse Krankenkassen nehmen gemeinnützige Krankenhäuser auf Erstattung der Umsatzsteuer in Anspruch, die sie für die ambulante Versorgung von Patienten mit Arzneimitteln im Zweckbetrieb des Krankenhauses in Rechnung gestellt haben. Sie vertreten die Auffassung, dass auf Fertigarzneimittel lediglich die reduzierte Mehrwertsteuer abzurechnen sei und klagen diese Forderung ein. Parallel dazu bieten die Krankenkassen an, das Verfahren ruhend zu stellen. SB bringt Sie auf den Stand der Dinge und erläutert, wie gemeinnützige Krankhäuser sich richtig verhalten. |

Rückforderung in Höhe von zwölf Prozentpunkten

Die Krankenkassen vertreten die Ansicht, dass die Abgabe der Arzneimittel im Rahmen der ambulanten Behandlung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von sieben Prozent unterläge. Sie sehen somit einen Rückforderungsanspruch in Höhe von zwölf Prozentpunkten als gerechtfertigt an. Die entsprechenden Beträge klagen sie deutschlandweit massenhaft ein.

Ist die Rückforderung berechtigt?

Betroffene Krankenhäuser sollten wissen, dass die Kassen trotz der überwiegend hohen Forderungshöhen in ihren Klagen nicht auf die individuellen Besonderheiten der Häuser eingehen. Die Klagen entsprechen vielmehr einem einheitlichen Muster. Die Chance der Krankenhäuser liegt jetzt darin, sich auf konkrete Sachverhalte zu fokussieren und darzulegen, warum hier die Erstattung mit 19 Prozent richtig war. Doch nicht nur das.

 

Auch formell existieren Fragen, die durch die Gerichte zu klären sein werden. Voraussichtlich wird es dazu kommen, dass sich die Sozialgerichte mit dem steuerrechtlichen Thema der Versteuerung von Arzneimitteln bei der ambulanten Versorgung von Patienten durch gemeinnützige Krankenhäuser beschäftigen müssen und dies ggf. auch entscheiden werden.

 

Eine solche Entscheidung kann zwar nur Wirkung zwischen den Prozessparteien entfalten. Dennoch drängt sich die Frage auf, wie die Finanzverwaltung auf eine sozialrechtliche Entscheidung reagieren wird. Sehen die Sozialgerichte eine Versteuerung von sieben Prozent als korrekt an und fordern Krankenhäuser auf, die Differenz an die Krankenkassen zu erstatten, ist zu befürchten, dass die Finanzverwaltung dies ignoriert. Ob die Krankenhäuser in diesem Fall den an die Kassen zu erstattenden Betrag ihrerseits von den Finanzämtern zurückholen können, wird dann im Zweifel zunächst finanzgerichtlich zu entscheiden sein.

 

PRAXISTIPP | Betroffene Krankenhäuser tun gut daran, ihre Steuerbescheide für die durch die Klagen betroffenen Jahre offenhalten.

 

Krankenkassen bieten Vereinbarung auf Ruhendstellung an

Wegen all dieser Unwägbarkeiten scheint das Interesse der Krankenkassen nicht besonders groß zu sein, die Verfahren von den Gerichten entscheiden zu lassen. Ihre Strategie ist eher, durch Gespräche auf Bundesebene zwischen Vertretern der Krankenkassen und Krankenhäuser eine Lösung zu finden. Die Prozesse sollen für die Dauer der Gespräche ruhend gestellt werden. Entsprechende Vereinbarungen wurden an die Krankenhäuser geschickt.

 

Die von den Krankenkassen angestrebten Gespräche werden in absehbarer Zeit nicht zu einem Ergebnis führen. Sie können auch nur dann zu einem brauchbaren Resultat führen, wenn dies unter Beteiligung der Finanzverwaltung erfolgt. Denn der Kompromiss muss auch von der Finanzverwaltung mitgetragen werden, damit bei den Krankenhäusern kein Schaden verbleibt.

 

Wird ein Vergleich auf Bundesebene gefunden, müssten die landesweit geschlossenen Verträge nach § 129a SGB V zwischen den Krankenkassen bzw. deren Verbänden und den Krankenhäusern als Träger der Krankenhausapotheken nochmals konkretisiert werden.

 

Insgesamt zeichnet sich somit ab, dass das Ruhendstellen der Verfahren dazu führen wird, dass der Problemkreis der Umsatzsteuerrückforderung der Krankenkassen auf Jahre offenbleiben wird. Da sich die Krankenkassen gleichzeitig eine Erklärung der Krankenhäuser auf unbefristeten Verzicht der Verjährung unterzeichnen lassen, haben die Krankenkassen keinen Zeitdruck. Die Krankenhäuser dagegen werden auf längere Zeit die Ungewissheit einzukalkulieren haben, ob die Forderung begründet ist und, wenn ja, in welcher Höhe.

 

PRAXISTIPPS | Ob der Abschluss einer solchen Vereinbarung auf Ruhendstellung der Verfahren sinnvoll ist oder doch besser das Verfahren aktiv gegen die Krankenkassen geführt werden sollte, ist im Einzelfall zu beurteilen.

  • Bei einem Vergleichsvorschlag muss jedes Krankenhaus für sich prüfen, ob der Vorschlag seine konkrete Situation im angemessenen Umfang berücksichtigt.
  • Bei der Beurteilung des eigenen prozessualen Risikos sind eine Vielzahl von Aspekten zu berücksichtigen. Insbesondere Besonderheiten, wie eine Fremdbelieferung oder in der Vergangenheit geschlossene Vergleiche mit den Krankenkassen im Rahmen der Rückforderung von Umsatzsteuer auf Zytostatika, können möglicherweise Auswirkungen auf die konkrete Rechtsposition des Krankenhauses haben. Auch ist der steuerverfahrensrechtliche Stand bei der Entscheidung zu berücksichtigen, um negative Auswirkungen durch die Verfahren für die Krankenhäuser möglichst zu vermeiden bzw. so gering wie möglich zu halten.
 
Quelle: Seite 239 | ID 46829052