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· Fachbeitrag · Übertragung der Entscheidungsbefugnis

Entscheidung über die Einschulung des Kindes

| Das AG Frankenthal hat darüber entschieden, nach welchen Kriterien die Übertragung des Rechts auf Schulwahl (hier: Einschulung in eine Waldorf- statt in eine Regelgrundschule) auf einen Elternteil allein erfolgt (AG Frankenthal 25.6.20, 71 F 79/20 eA, Abruf-Nr. 216611 ). |

 

Gem. § 1628 S. 1 BGB kann das Familiengericht für den Fall, dass sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind bedeutsam ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Hier konnten sich die Eltern eines sechsjährigen Kindes, die zwar nicht verheiratet sind, die elterliche Sorge aber gemeinsam ausüben, nicht darüber einigen, ob S zur Regelschule gehen soll, so der Vater V, oder zur Waldorfschule, so die Mutter M. Das AG hat die Entscheidungsbefugnis gem. § 1628 S. 1 BGB, § 49 ff. FamFG einstweilen auf die M übertragen.

 

Bei dem Schulwechsel und der Frage, welche Schule das Kind besuchen soll, handelt es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind, die nicht der Alleinentscheidungskompetenz der M gem. § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB unterfällt. Maßstab für die Entscheidung, welchem der beiden Elternteile die alleinige Entscheidungsbefugnis des Schulbesuchs übertragen wird, ist das Kindeswohl, § 1697a BGB. Es ist in der Sache diejenige Entscheidung zu treffen, die dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

 

MERKE | § 1628 BGB ermächtigt die Gerichte nur dazu, bei Uneinigkeit einem Elternteil die Entscheidungskompetenz zu übertragen, um eine notwendige Entscheidung herbeizuführen. Trifft das Gericht eine eigene Sachentscheidung, greift es in verfassungswidriger Weise in das Recht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ein. Vielmehr ist umfassend zu prüfen, welcher Elternteil am ehesten geeignet ist, eine am Kindeswohl ausgerichtete Entscheidung zu treffen. Dabei sind auch die Vorstellungen der Eltern über die gewünschte Schule an diesem Maßstab zu messen. Einzubeziehen ist, welche Auswirkungen die Schulwahl auch auf das soziale Umfeld des Kindes haben könnte. Das Gericht muss zwischen den vorgeschlagenen Entscheidungen für die regelungsbedürftige Angelegenheit abwägen, dabei die Interessen des Kindes beachten und so feststellen, welchem Vorschlag zu folgen ist. Dabei sind auch die Betreuungsmöglichkeiten zu beachten.

 

Hier hat das AG der M insoweit die alleinige Entscheidungsbefugnis übertragen, weil es dem Wohl von S am besten entspricht. Das Gericht entscheidet nicht darüber, welche Schulart für S die am besten geeignete ist. Die M ist als Hauptbezugsperson davon besonders betroffen und muss die Umsetzung überwiegend organisieren. Sie hat sich tiefer gehender damit beschäftigt als der V. Das soziale Umfeld der S und der Schulweg sind zu beachten. Der Wille der sechsjährigen S ist zu beachten, wenngleich dieser i. d. R. altersbedingt nicht entscheidend ist. Die Waldorfschule ist eine staatlich anerkannte Ersatzschule. Deren Pädagogik, der dahinterstehende Gedanke der Anthroposophen, die besondere Schulorganisation usw. sind zwar diskutabel, aber können nicht per se als Gefahr für das Kindeswohl angesehen werden.(GM)

Quelle: Seite 127 | ID 46685202