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· Fachbeitrag · Strafverfolgung

Behördliche Durchsuchung Ihrer Physiopraxis: So verhalten Sie sich richtig

von Dipl.-Kfm. Thomas Schneider, Essen

| Wer sich als Praxisinhaber an die Gesetze hält, wird kaum Besuch von der Steuerfahndung ( PP 07/2008, Seite 1 ) oder der Staatsanwaltschaft bekommen. Das ist eine übliche, jedoch falsche Ansicht: Immer neue Gesetze und Verordnungen, deren Einhaltung es zu kontrollieren gilt, aber auch Aktionen Dritter, über die Sie nicht informiert sind, können Ihre Praxis ins Visier der Behörden geraten lassen. Selbst wenn Sie sich nichts haben zuschulden kommen lassen, stören behördliche Ermittlungen den Praxisbetrieb. PP zeigt Ihnen, wie Sie und Ihr Team sich im Ernstfall korrekt verhalten. |

Vielfältige Anlässe für behördliche Durchsuchungen

Erster Grund für Durchsuchungen können neue Gesetze und Verordnungen sein. Aktuelles Beispiel ist die seit dem 25.05.2018 geltende Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die harte Sanktionen auch für Physiopraxen vorsieht. Zwar haben die Behörden Augenmaß bei der Kontrolle angekündigt, die allgemeine Verunsicherung, die auch unter niedergelassenen Physiotherapeuten herrscht, bleibt jedoch bestehen.

 

Außerdem können Sie durch das Verhalten Dritter in die Schusslinie geraten, ohne dass sie darüber informiert sind.

 

  • Beispiele
  • Als Praxisinhaber beschäftigen Sie freiberufliche Mitarbeiter. Es besteht der Verdacht, dass gegen das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verstoßen wird (PP 08/2017, Seite 14).
  • Ihr/e geschiedene/r Ehepartner/in informiert das Finanzamt über Unregelmäßigkeiten bei den Steuererklärungen.
  • Ein Arzt, mit dem Ihre Praxis kooperiert, hat ein Schreiben der Ärztekammer erhalten, das ihn für die Gefahren einer unzulässigen Kooperation mit Leistungserbringern sensibilisiert. Er ist sich nun nicht mehr sicher, ob die Kooperation mit Ihnen legal ist und stellt eine strafbefreiende Selbstanzeige.
  • Einer Ihrer Mitarbeiter bietet auf eigene Rechnung Leistungen an, von denen Sie als Praxisinhaber nicht unterrichtet sind.
 

Durchsuchungen richten sich nicht immer gegen die Praxis oder Ihre Person als Praxisinhaber, sondern können auch einzelne Mitarbeiter als Privatperson oder die Praxis als unverdächtigen Dritten bzw. Opfer einer Straftat betreffen.

Risiken einer Durchsuchung

Betroffene von behördlichen Untersuchungen vermuten häufig, wer ein reines Gewissen habe, könne vorbehaltlos mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten und so einen möglichen Anfangsverdacht schnell ausräumen. So nachvollziehbar dieser Gedanke scheint, so naiv ist er auch: Ermittlungen stören den Praxisbetrieb meist zur unpassenden Zeit. Darunter können dringende Tätigkeiten leiden.

 

Insbesondere unvorbereitete Mitarbeiter erschweren die Situation zusätzlich ‒ so gut ihre Absichten auch sein mögen: Der eine plaudert sorglos mit den Beamten und verstärkt vielleicht unbeabsichtigt einen (möglichweise unbegründeteten) Anfangsverdacht. Ein anderer behindert die Ermittler, verweigert z. B. den Zugang zu verschlossenen Türen oder Schränken und trägt dadurch erst recht zur Eskalation bei. Der Praxisbetrieb kommt zum Erliegen. Patienten werden auf die Ermittlungen aufmerksam, Ihre Reputation als Therapeut leidet nachhaltig.

 

PRAXISTIPP | Ermittler dürfen auch sogenannte Zufallsfunde aus anderen Gebieten verwenden: Wird z. B. wegen Wettbewerbsverstößen ermittelt und finden die Ermittler Hinweise auf Verstöße gegen die Sozialversicherungspflicht oder das Steuerrecht, können diese Hinweise gegen Sie verwendet werden.

 

Eintreffen der Beamten

Der Mitarbeiter, der den Ermittlungsbeamten die Tür öffnet, sollte als erstes Sie als Praxisinhaber informieren und die Ermittler bitten, zu warten. Zwar sind die Ermittler nicht dazu verpflichtet, kommen dieser Bitte aber meistens nach, wenn Sie zügig zur Stelle sind.

 

  • So gehen sie vor
  • Bleiben Sie ruhig und sachlich, verzichten Sie darauf, Ihre Empörung auszudrücken. Machen sie keine Angaben zur Sache.
  • Notieren Sie sich Namen und Dienstbezeichnung des leitenden Beamten.
  • Sprechen die Beamten schon bei der Begrüßung auf das Parken der Einsatzfahrzeuge an und bieten Sie ihnen ‒ wenn möglich ‒ einen nicht einsehbaren Parkplatz an.
  • Bitten Sie den leitenden Beamten, die erhobenen Vorwürfe mitzuteilen und Ihnen den schriftlichen Durchsuchungsbeschluss zu überreichen. Kopieren Sie den Durchsuchungsbeschluss.
  • Informieren Sie Ihren Rechtsanwalt und bitten Sie ihn, in die Praxis zu kommen.
  • Prüfen Sie den Durchsuchungsbeschluss auf mögliche Mängel:
    • Sind Praxisname und -anschrift korrekt?
    • Ist das Recht zur Beschlagnahme vorgesehen?
    • Sind zu durchsuchende Unterlagen klar benannt?
  •  
  • Wichtig | Zwar führen Fehler kaum zum Abbruch der Untersuchung, können aber aus strafprozessualer Sicht später bedeutsam sein. Formfehler bei der Untersuchung können für mildernde Umstände sorgen.

 

Wichtig | Bei „Gefahr im Verzug“ kann eine Durchsuchung ohne richterlichen Beschluss erfolgen. Widersprechen Sie einer solchen Durchsuchung und halten Sie die Gründe dafür im Durchsuchungsprotokoll fest (s. u.).

 

Durchsuchung und Beschlagnahmung von Unterlagen

Bieten Sie den Beamten an, dass Ihre Mitarbeiter die im Durchsuchungsbeschluss festgelegten Unterlagen beibringen und Ermittlungsbeamte diese begleiten können. So wird das Risiko von Zufallsfunden (s. o.) reduziert. Bestehen die Beamten auf einer eigenständigen Durchsuchung, sollte einer Ihrer Mitarbeiter oder Ihr Rechtsanwalt die Ermittler begleiten. Die Beamten dürfen verschlossene Schränke oder Räume gewaltsam öffnen. Deshalb sollten die notwendigen Schlüssel immer zentral hinterlegt sein.

 

Unterlagen sollten Sie nicht freiwillig herausgeben. Dadurch wird eine Beschlagnahme erforderlich. Das Recht zur Beschlagnahme muss im Durchsuchungsbefehl enthalten sein. Die Ermittler sind verpflichtet, eine detaillierte Aufstellung der beschlagnahmten Unterlagen zu erstellen, die auch Kopien elektronischer Daten enthält (Beschlagnahmeverzeichnis).

 

  • So gehen Sie vor
  • Protokollieren Sie Durchsuchungshandlungen und Besprechungen.
  • Leisten Sie keinen körperlichen Widerstand.
  • Leisten Sie den Anweisungen der Beamten Folge.
  • Unterstützen Sie die Beamten nicht aktiv.
  • Erstellen Sie eine Kopie des Beschlagnahmeverzeichnisses und der beschlagnahmten Unterlagen, um den Praxisbetrieb aufrechtzuerhalten.
 

Elektronische Datensicherung

Verlangen die Ermittler Zugriff auf die Praxis-IT, ist der Aufforderung Folge zu leisten. Löschen Sie in diesem Fall keine Dateien. Ein IT-Experte wird eine Datenspiegelung vornehmen (d. h. auf einem Datenträger ein Abbild der Dateistruktur des Praxisrechners erstellen). Zwar sind Komplettspiegelungen meist unzulässig, aber die Beamten werden i. d. R. auf die fehlenden Selektionsmöglichkeiten hinweisen. Klären Sie in diesem Fall mit der zuständigen Staatsanwaltschaft, wie die gespeicherten Datenbestände gefiltert werden (Datenschutz). Ist eine Beschlagnahme bestimmter Server bzw. Computer vorgesehen, erbitten Sie von den Ermittlern eine kurzfristige Freigabe, um selber die Daten zu spiegeln und den Praxisbetrieb aufrechterhalten zu können.

 

PRAXISTIPP | Prüfen Sie und Ihr Team vor diesem Hintergrund, ob und welche privaten Daten in dem Praxisnetzwerk gespeichert werden bzw. ob private Laptops in die Praxisräume mitgenommen werden dürfen. Ein schlichter Hinweis darauf, dass sich auf einem Rechner ausschließlich private Daten befinden, wird die Beamten kaum davon abhalten, diese Daten ebenfalls zu spiegeln.

 

Gespräche während der Durchsuchung

Auch unverfängliche Gespräche sind während der Durchsuchung zu unterlassen. Die Ermittlungsbeamten sind darin versiert, unverfängliche Unterhaltungen zu führen. Die daraus gewonnenen Informationen können später gegen Sie verwendet werden. Auf dieses Vorgehen sind alle Mitarbeiter hinzuweisen, die Kontakt mit den Beamten haben könnten.

 

  • So gehen Sie vor
  • Geben Sie keine freiwilligen Erklärungen ab.
  • Beantworten sie keine Fragen ohne Rücksprache mit dem Rechtsanwalt oder Steuerberater.
  • Klären Sie, ob ein Mitarbeiter als Beschuldigter oder Zeuge vernommen werden soll:
    • Beschuldigte sollten in jedem Fall von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen. Spätere Vernehmungen sollten in Anwesenheit eines Rechtsvertreters erfolgen.
    • Als Zeuge ist ein Mitarbeiter zur Aussage gegenüber dem Staatsanwalt verpflichtet. Falls der Staatsanwalt die Durchsuchung begleitet, kann er Zeugen unmittelbar vor Ort vernehmen. Auch in dieser Situation sollte der betreffende Mitarbeiter darauf verweisen, dass er in dieser überraschenden, für ihn ungewohnten Situation keine Aussage machen kann und er erst mit Ihrem Rechtsanwalt sprechen möchte.
 

Seien Sie vorbereitet!

Grundsätzlich gibt es bei einer Durchsuchung wenig zu gewinnen, aber viel zu verlieren. Das richtige Verhalten während der Durchsuchung ist die Basis einer tragfähigen Verteidigung. Vor allem die Informationen über die Durchsuchung (Durchsuchungsprotokoll, Kopien des Durchsuchungsbeschlusses, des Beschlagnahmeverzeichnisses und der beschlagnahmten Unterlagen) sind für Ihren Rechtsanwalt eine wichtige Grundlage für das weitere Vorgehen.

 

Noch wichtiger ist es jedoch, dafür zu sorgen, dass Ihre Mitarbeiter auf die Möglichkeit behördlicher Durchsuchungen vorbereitet sind. Letzte Instruktionen zu geben, wenn die Ermittler an der Tür klingeln, ist definitiv zu spät! Informieren Sie Ihr Team daher in einer der nächsten Teambesprechungen anhand dieses Beitrags, wie sie sich im Fall der Fälle verhalten sollen.

 

  • So bereiten Sie Team und Praxis vor
  • Legen Sie fest, wer im Fall einer behördlichen Durchsuchung auf welchem Weg zu informieren ist (Praxisinhaber, Rechtsanwalt, Handy-Nr. für Notfälle hinterlegen!)
  • Treffen Sie eine klare Vertretungsregelung, wer in Ihrer Abwesenheit für die Archivierung von Dokumenten (Verträge, Korrespondenz betriebswirtschaftliche Praxisunterlagen) verantwortlich ist. Berücksichtigen Sie dabei auch Fehlzeiten durch Urlaub und Krankheit.
  • Hinterlegen Sie die notwendigen Schlüssel an einem zentralen Ort.
  • Eine Liste mit Verhaltensmaßnahmen als Handout für Ihre Mitarbeiter finden Sie online unter pp.iww.de, Abruf-Nr. 45378441
  • Weisen Sie Ihre Mitarbeiter an, diese Liste nicht in der Praxis herumliegen zu lassen. Sollte sie bei einer Untersuchung gefunden werden, ist der Jagdinstinkt der Ermittler erst recht geweckt.
 
Quelle: Seite 16 | ID 45328166