· Fachbeitrag · Sozialversicherungsprüfung
Summenbeitragsbescheide sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig
| Rentenversicherungsträger dürfen nur in Ausnahmefällen Schätzbescheide erlassen. LGP informiert anhand der neuesten Rechtsprechung, wann das möglich ist. |
Die Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers
Generell gilt, dass Arbeitgeber für jeden Beschäftigten Entgeltunterlagen in deutscher Sprache zu führen haben, und zwar getrennt nach Kalenderjahren. Darüber hinaus müssen diese Unterlagen bis zum Ablauf des auf die letzte Sozialversicherungsprüfung folgenden Kalenderjahrs geordnet aufbewahrt werden (§ 28f Abs. 1 SGB IV). Zu den Unterlagen gehören u. a. die Zusammensetzung der monatlichen Arbeitsentgelte, Firmen- und Personenstammdaten, Stempelkarten und Stundenzettel.
Summenbescheide bei Verletzung der Aufzeichnungspflichten
Nicht selten verletzen Betriebe diese Aufzeichnungspflichten. Verstöße können dazu führen, dass Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung anlässlich ihrer turnusgemäßen Kontrollen ‒ alle vier Jahre ‒ Summenbeitragsbescheide erlassen (§ 28f Abs. 2 SGB IV). Ein Summenbeitragsbescheid setzt voraus,
- dass den Betriebsprüfern
- die personenbezogene Feststellung der Versicherungspflicht und
- die Feststellung der Beitragspflicht oder der Beitragshöhe wegen Verletzung der Aufzeichnungspflichten nicht möglich ist, und
- nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann,
- dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder
- Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann.
Damit ein Summenbescheid erlassen werden kann, ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber seine Aufzeichnungspflichten schuldhaft verletzt hat (BSG, Urteil vom 07.02.2002, Az. B 12 KR 12/01 R, Abruf-Nr. 217159).
Objektive Unmöglichkeit der Feststellung muss nicht gegeben sein
Die Feststellung der Beitragshöhe muss nicht objektiv unmöglich sein. Ein Sozialversicherungsträger kann vielmehr bereits dann einen Summenbeitragsbescheid erlassen, wenn sein Aufwand für die personenbezogene Feststellung unverhältnismäßig groß ist.
Das ist nach Ansicht des BSG abhängig von den jeweiligen Verhältnissen im Einzelfall, wie z. B. von der Zahl der Beschäftigten, der Entgeltsumme und der Höhe der Beiträge für jeden betroffenen Beschäftigten (BSG, Urteil vom 07.02.2002, Az. B 12 KR 12/01 R, Abruf-Nr. 217159).
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Eine Bank gewährte Mitarbeitern Sonderkonditionen im Giroverkehr, erfasste die Vorteile aber nicht zeit- und personenbezogen. Der Lohnsteuer-Außenprüfer sah die Vorteile daraus als lohnsteuerpflichtig an. Die Bank entrichtete daraufhin eine Pauschalsteuer nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG. Der Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung erfuhr bei der Prüfung der Bank davon. Er forderte im Rahmen eines Summenbescheids aus einer Entgeltsumme von 9.715 Euro einen Betrag von 3.835 Euro an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nach.
Das BSG bestätigte die Sicht des Prüfers. Der Rentenversicherungsträger durfte unter den hier vorliegenden Verhältnissen ‒ der größeren Zahl von Beschäftigten, der niedrigeren Entgeltsumme und den niedrigen Beiträgen für jeden betroffenen Beschäftigten ‒ einen Summenbescheid erlassen. Aufgrund der Vielzahl der Fälle und des im Einzelfall geringen Betrags sei eine personenbezogene Nachberechnung der Beiträge für den pauschal versteuerten Sachbezug nur mit einem unverhältnismäßig hohen Arbeitsaufwand möglich gewesen. |
Amtsermittlungspflicht des Prüfers gilt nach wie vor
§ 28f Abs. 2 SGB IV suspendiert nicht die Amtsermittlungspflicht des prüfenden Trägers. Er muss sich sämtlicher in Betracht kommender Beweismittel bedienen und versuchen, sich die Unterlagen auf andere Weise zu beschaffen. Insbesondere muss er beim Arbeitnehmer selbst Lohnabrechnungen anfordern (BSG, Urteil vom 07.02.2002, Az. B 12 KR 12/01 R, Abruf-Nr. 217159). Bei Leiharbeit muss er auch beim Entleihunternehmen oder anderen Stellen und Behörden Auskünfte über die beim Entleiher für einen vergleichbaren Arbeitnehmer geltenden wesentlichen Beschäftigungsbedingungen einschließlich der üblichen Entgelthöhe einholen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.03.2020, Az. L 9 KR 19/17, Abruf-Nr. 217160).
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Ein Betriebsprüfer stritt mit dem Inhaber eines Leiharbeitsunternehmens nach dem Arbeitnehmer-Überlassungsgesetz (AÜG) um die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen. Es ging um die Differenz der Arbeitsentgelte, die den Leiharbeitern zustanden, und denen, die sie tatsächlich erhielten.
Das LSG rügte den Erlass eines Summenbescheids, weil die Beitragsbemessungsgrundlagen pauschal für alle Beschäftigten um 24 Prozent erhöht wurden. Der Rentenversicherungsträger hätte die Höhe der Vergütung auf einem anderen Weg ermitteln müssen, bevor er die Löhne pauschal erhöht habe. Man hätte hier die Vergütungsansprüche der Leiharbeitnehmer über den Entleiher ermitteln können. Erst wenn das nicht möglich gewesen wäre, hätte der Rentenversicherungsträger einen Summenbescheid erlassen dürfen. |
Wichtig | Summenbescheide können Betroffene teuer zu stehen kommen. Das liegt u. a. daran, dass die Träger der Rentenversicherung als Beitragsbemessungsgrundlage für den Arbeitnehmer oft die jährliche Bezugsgröße für die Sozialversicherung ansetzen. Bei einem Gesamtbeitragssatz von 40 Prozent (Arbeitgeber- und -nehmeranteil je 20 Prozent) kommt so selbst in Kleinbetrieben schnell eine fünfstellige Summe zusammen.