· Fachbeitrag · Selbstanzeigenberatung
Die strafbefreiende Selbstanzeige in Zeiten des automatischen Informationsaustauschs
von Alexander Littich, Dr. Janika Sievert, Dr. Rainer Brandl, Thomas Hosp, Daniel Holenstein, Dr. Mojmír Ježek
| Durch den Automatischen Informationsaustausch (AIA) droht auch den letzten unbekannten „Steuersparmodellen“ im Ausland die Entdeckung. Dies gilt nicht nur für in Deutschland Steuerpflichtige, sondern gleichermaßen auch für Steuerpflichtige z.B. in Österreich, der Schweiz, Liechtenstein und der Tschechischen Republik (Liste aller teilnehmenden Staaten siehe www.iww.de/s2168 ). Ob und gegebenenfalls bis zu welchem Zeitpunkt eine strafbefreiende Selbstanzeige noch möglich ist oder ob bereits durch Inkrafttreten des AIA eine Art automatische Tatentdeckung und damit eine Sperre der Selbstanzeige eingetreten ist, stellt sich in diesen Ländern durchaus unterschiedlich dar. |
1. Selbstanzeige in Deutschland trotz AIA
Bekanntermaßen wirkt eine in Deutschland eingereichte Selbstanzeige nicht strafbefreiend, soweit eine der zu meldenden Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO). Ob der zwischenstaatliche Datenaustausch als Tatentdeckung gewertet werden oder ob eine Selbstanzeige noch strafbefreiend wirken kann, sollte seit dem Start des Informationsaustauschs unter Beteiligung Deutschlands vor Abgabe einer steuerlichen Selbstanzeige genau geprüft werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH reicht aufseiten der Finanzverwaltung die Kenntniserlangung von einer Steuerquelle für sich alleine für „die Tatentdeckung“ nicht aus. Es kommt bei der Beurteilung der Tatentdeckung stets auf die Umstände des Einzelfalls an (Übersicht zu entschiedenen Einzelfällen ‒ siehe Kohler, MK-StGB, § 371, Rn. 262 ff.). Der BGH hat jedoch im Urteil vom 9.5.17 erneut deutlich gemacht, dass die Ansprüche an eine Tatentdeckung eher niedrig angesetzt und zum Nachteil des Steuerpflichtigen ausfallen dürfen. Sobald das Vorliegen eines Sachverhalts wahrscheinlich ist, der die Aburteilung als Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit rechtfertigen würde, ist die Tat nach Ansicht des BGH entdeckt (BGH 9.5.17, 1 StR 265/16, Rn. 30, 31; PStR 17, 253 ff.).
Daneben ist der Eintritt der Sperrwirkung auch von einer subjektiven Komponente in Form von positivem Wissen des Steuerpflichtigen abhängig. Dem Täter müssen also die Umstände einer objektiv vorliegenden Tatentdeckung bekannt sein, und er muss daraus den Schluss ziehen, die Behörde oder ein anzeigewilliger Dritter habe von der Tat so viel erfahren, dass seine Verurteilung wahrscheinlich ist.
Da solch subjektive Elemente oft schwer zu beweisen sind, hat der Gesetzgeber eine Art ‒ aus Verteidigersicht unhaltbare und im Strafrecht auch unübliche ‒ Beweislastumkehr zum Nachteil des Steuerpflichtigen aufgestellt. Demnach steht es der Kenntnis von der Tatentdeckung gleich, wenn der Täter bei verständiger Würdigung der Sachlage mit der Entdeckung rechnen musste. Dabei soll zwar an sich die individuelle Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit des Steuerpflichtigen entscheidend sein; folgt man jedoch dem BGH, sind angesichts verbesserter Ermittlungsmethoden an dieses individuell-subjektive Element des „mit der Tatentdeckung rechnen Müssens“ keine hohen Anforderungen mehr zu stellen (BGH 20.5.10, 1 StR 577/09; Rolletschke in Graf/Jäger/Wittig, Kommentar zum Wirtschafts- und Steuerstrafrecht 2011, § 371 AO Rn. 117 ff.).
In der aktuell letzten Entscheidung zur Problematik der Tatentdeckung erachtete der BGH es für die Annahme der Tatentdeckung und damit für die Versagung der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige in Deutschland als ausreichend, dass die Tatentdeckung durch griechische Behörden erfolgt war, diese zu Rechtshilfe gegenüber den deutschen Behörden verpflichtet waren und der Steuerpflichtige mit einer Mitteilung an den deutschen Fiskus, auch aufgrund der erfolgten Medienberichterstattung über seinen Fall, rechnen musste. Dabei war es aufgrund der Art und Weise der Verschleierung der Zahlungen unter anderem über Schweizer Bankhäuser nach Auffassung des BGH auch für die griechischen Ermittlungsbehörden nach kriminalistischer Erfahrung ausgesprochen naheliegend, dass die Einnahmen in Deutschland nicht gegenüber den Finanzbehörden erklärt worden waren (BGH 9.5.17, 1 StR 265/16, Rn. 28 ff., Rn. 36 ff.; PStR 17, 253 ff.).
Dieses Urteil gewinnt nun mit dem allgemeinen Informationsaustausch zwischen Staaten eine weitreichende Bedeutung für künftige Selbstanzeigen. Steuerpflichtige in Deutschland, die in ausländischen und am Informationsaustausch teilnehmenden Staaten (z.B.) Kapitalerträge erzielen und diese nun erst nachversteuern wollen, müssen damit rechnen, dass einer Selbstanzeige die strafbefreiende Wirkung aufgrund von Tatentdeckung versagt wird. Bei entsprechender Anwendung der Entscheidungsgründe des BGH (9.5.17, 1 StR 265/16, Rn. 28 ff., Rn. 36 ff.; PStR 17, 253 ff.) muss der Steuerpflichtige bereits seit dem 30.9.17 mit der Weitergabe der Informationen zu seinen ausländischen Kapitalanlagen an inländische Behörden rechnen. Die bloße Weitergabe dieser Informationen könnte damit grundsätzlich zu einer Vorverlagerung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Tatentdeckung zum Zeitpunkt der Erfassung der meldepflichtigen Daten durch ausländische Behörden führen.
Aus Sicht eines Strafverteidigers und unter genauer Betrachtung des Urteils des BGH vom 9.5.17 (1 StR 265/16, Rn. 35 ff.) ist es jedoch denkbar, dass hier im Ausland noch ein wesentlicher Schritt dazukommen muss, um tatsächlich von einer Tatentdeckung durch ausländische Behörden als wirksamen Sperrgrund einer Selbstanzeige in Deutschland ausgehen zu können: die inhaltliche Prüfung der zu übermittelnden Daten oder etwa weitergehende Informationen aus Kontoauszügen, Aussagen oder auch durch den Steuerpflichtigen selbst. Ohne solche Anhaltspunkte und gegebenenfalls den Abgleich der durch den Steuerpflichtigen tatsächlich (nicht) abgeführten Steuern könnte auch eine deutsche Behörde nicht ohne Weiteres alleine aus der Existenz eines Kontos eine Wahrscheinlichkeit im Sinne einer Tatentdeckung begründen (zum ähnlich gelagerten Sachverhalt bei Einkünften über AirBnB ‒ siehe Talaska/Cremers, DB 18, 1824 ff.).
PRAXISTIPP | Zur ‒ für den Steuerpflichtigen nachteiligen ‒ Fiktion einer Tatentdeckung durch die deutschen Behörden sollte daher allein die Tatsache der Kapitalanlage bei einem ausländischen Bankinstitut weiterhin nicht ausreichend sein, um bereits wirksam eine Tatentdeckung durch eine ausländische Behörde zu begründen. Es muss aus Verteidigersicht weiterhin zwingend eine Einzelfallprüfung stattfinden. |
Zu erwarten ist jedoch leider, dass hierbei zuungunsten des Steuerpflichtigen entschieden wird und Fälle, in denen beispielsweise unregelmäßig hohe Ein- und Auszahlungen, die Flucht in die Anonymität durch Führen von Konten durch vermögensverwaltende Versicherungs- und Firmenmäntel, Stiftungen und Trusts oder das Verlagern von Vermögenswerten in Steueroasen festzustellen sind, zur Annahme der Tatentdeckung bereits im Ausland aufgrund kriminalistischer Erfahrung führen werden.
Vor allem in Fällen, in denen weitere strafrechtlich relevante Merkmale wie z.B. die Ermittlung wegen anderer Wirtschaftsstraftaten oder Geldwäschevorwürfe hinzukommen, steht eine Vorverlagerung der objektiven Tatbestandskriterien der Tatentdeckung zu befürchten. Aufgrund der medialen Berichterstattung zum Start des Informationsaustauschs im September 2017 wird es für die deutschen Finanzbehörden auch ein Leichtes sein, behaupten zu können, der Steuerpflichtige habe auf jeden Fall mit dieser Art der Tatentdeckung rechnen müssen. Auch waren die deutschen Bankhäuser vor Inkrafttreten des AIA verpflichtet, alle Kunden über die Folgen und die auszutauschenden Informationen zu informieren. Damit kann davon ausgegangen werden, dass jedem Steuerpflichtigen, der im Inland ein Konto führt, das Inkrafttreten des Informationsaustauschs bekannt war.
In Deutschland dauerte nach Angaben des BZSt die Verarbeitung der eingegangenen CRS-Meldungen zunächst länger als erwartet. Ursache dafür war nach Angaben des BZSt der Umstand, dass 90 % aller Datensätze in den letzten Wochen der zur Abgabe gesetzten Frist zum 31.7.17 eingegangen sind und dadurch eine enorme Datenmenge zu bewältigen war (CRS-Infobrief 5/2017 vom 28.7.17, www.bzst.de). Auf eine Anfrage der Verfasser im Juli 2018 teilte das BMF mit, dass der erste AIA über Finanzkonten nach dem gemeinsamen Meldestandard der OECD zum 30.9.17 zwischen Deutschland und 49 Staaten und Gebieten trotzdem rechtzeitig begonnen habe.
Die Meldungen der teilnehmenden Staaten wurden jedoch noch nicht an die zuständigen Landesfinanzbehörden weitergeleitet. Auf Anfrage gab das BMF an, dass dies durch in IT-Projekten übliche, schrittweise Abarbeitung der technischen Anforderungen bedingt sei. Zunächst seien dafür die technischen Voraussetzungen für die Annahme der Daten der deutschen Finanzinstitute und den internationalen Austausch mit den Teilnehmern geschaffen worden. In einem weiteren Schritt würden derzeit technische Umsetzungsschritte abgearbeitet, die für die Weiterleitung dieser Datensätze an die Landesfinanzverwaltungen notwendig sind. Die von den Teilnehmerstaaten erhaltenen Daten sollen nach Angaben des BMF erst ab einem derzeit nicht genau bestimmten Zeitpunkt im Jahr 2020 an die zuständigen Landesfinanzbehörden weitergeleitet werden.
Inwieweit es sich bei den vom AIA umfassten und an das BZSt bislang gemeldeten Daten um tatsächlich bei der steuerlichen Veranlagung unbekannte Daten oder auch Daten handelt, die zu einem steuerlichen Mehrergebnis führen werden, ist nach Angaben des BMF noch nicht geprüft worden.
PRAXISTIPP | Steuerpflichtige in Deutschland sollten so schnell wie möglich, spätestens aber bis zum Jahr 2020, alle bislang unversteuerten Kapitaleinkünfte im Ausland offengelegt haben. Auf diese Weise bleibt zumindest eine Chance, dass die Selbstanzeige als strafbefreiend gewertet wird. Gegenteiligen Behauptungen mit dem Argument einer Tatentdeckung durch die datenübermittelnde ausländische Behörde muss entschieden entgegengetreten werden. |
2. Selbstanzeigemöglichkeit in Österreich
Auch Österreich ist nach Umsetzung des CRS verpflichtet, das Jahr 2017 betreffende Meldungen bis September 2018 auszutauschen. Neukonten, die ab 1.10.16 eröffnet wurden, wurden an EU-Mitgliedstaaten bereits bis September 2017 gemeldet. Umgekehrt erhält aber auch Österreich entsprechende Meldungen, für die Entgegennahme ist das Bundesministerium für Finanzen zuständig. Die Meldungen werden einmal jährlich an die Abgabenbehörden weitergeleitet (§ 113 GMSG). Sollten die Informationen auf bislang in Österreich nicht ordnungsgemäß erklärte Einkünfte schließen lassen, können finanzstrafrechtliche Konsequenzen durch eine Selbstanzeige (§ 29 FinStrG) abgewendet werden.
Die Selbstanzeige entfaltet ihre strafbefreiende Wirkung nur dann, wenn die Verfehlung gegenüber der Abgabenbehörde dargelegt wird und die für die Feststellung der Verkürzung bedeutsamen Umstände offengelegt, die verkürzten Abgaben binnen Monatsfrist entrichtet und die zu schützenden Personen als Täter genannt werden (weiterführend Leitner/Brandl/Kert, Finanzstrafrecht, Rn. 646 ff.). Abweichend zu Deutschland gibt es kein Vollständigkeitsgebot, die Selbstanzeige wirkt bei teilweiser Offenlegung/Entrichtung insoweit (teilweise) strafbefreiend.
Straffreiheit wird jedoch gemäß § 29 Abs. 3 FinStrG nicht gewährt, wenn im Zeitpunkt der Erstattung der Selbstanzeige bereits Verfolgungshandlungen gesetzt waren, eine dem Täter bekannte Tatentdeckung vorliegt, anlässlich einer Prüfung Selbstanzeige wegen vorsätzlicher Finanzvergehen nicht schon bei Beginn der Prüfung erstattet wurde oder hinsichtlich desselben Abgabenanspruchs schon einmal Selbstanzeige erstattet wurde (zu den Sperrgründen im Detail ‒ Leitner/Brandl/Kert, Finanzstrafrecht, Rn. 687 ff.).
§ 29 Abs. 3 lit b FinStrG sieht vor, dass Straffreiheit einer Selbstanzeige nicht eintritt, wenn zum Zeitpunkt der Selbstanzeige die Tat hinsichtlich ihrer objektiven Tatbestandsmerkmale bereits ganz oder zum Teil entdeckt und dies dem Anzeiger bekannt war. Beim Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG besteht der objektive Tatbestand im Bewirken einer Abgabenverkürzung und in der Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht, somit etwa das pflichtwidrige Nichterklären ausländischer Kapitaleinkünfte in der Einkommensteuererklärung oder die pflichtwidrige Nichtversteuerung von Einkünften, mit denen ein ausländisches Konto dotiert worden ist.
So wie in Deutschland ist eine Tat erst dann entdeckt, wenn bei vorläufiger Tatbeurteilung der Nachweis der Verwirklichung des objektiven Tatbestands eines Finanzvergehens wahrscheinlich ist (Leitner/Brandl/Kert, Finanzstrafrecht, Rn. 713). Solange insoweit noch andere Deutungsmöglichkeiten offenstehen, ist die Tat auch nicht teilweise entdeckt, bloße Hinweise auf Finanzvergehen, z.B. (anonyme) Anzeigen, Aussagen Dritter oder Medienberichterstattungen, bewirken für sich noch keine Tatentdeckung. Ohne Abgleich mit der Steuererklärung wird eine Tatentdeckung daher nur ausnahmsweise möglich sein. Allein die Übermittlung der Kontoinformationen an das Bundesministerium für Finanzen bzw. der nachfolgenden Weiterleitung der Informationen an die zuständigen Abgabenbehörden führt noch nicht zur Tatentdeckung (zur vergleichbaren Problematik bei der FL-DVD ‒ Schrottmeyer, Selbstanzeige, Rn. 1167). Wie die österreichischen Gerichte die Tatentdeckung beurteilen würden bei hinzutretenden offensichtlich erkennbaren Verschleierungshandlungen, wäre im Einzelfall zu analysieren.
Obwohl auch nach der in Österreich vertretenen herrschenden Meinung eine ausländische Behörde die Tat i.S. des § 29 Abs. 3 lit b FinStrG entdecken kann, wird die ausländische Behörde keine hinreichenden Angaben zum Erklärungsverhalten und zum Inhalt der Steuererklärungen machen können. Folglich wird ‒ in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH ‒ eine Tatentdeckung i.S. des § 29 Abs. 3 lit b FinStrG durch eine ausländische Behörde auch nur ausnahmsweise und nur dann in Betracht kommen, wenn dieser Behörde signifikante Indizien vorliegen, die die einigermaßen gesicherte Annahme der objektiven Tatseite erlauben. Dabei muss sich jedoch die ausländische Behörde explizit mit dem österreichischen Finanzvergehen auseinandersetzen. Dass das Verhalten an sich allgemein strafrechtliche Relevanz hat, ist nicht ausreichend (Brandl/Littich/Sievert, ZWF 17, 291, 295).
Wesentlich für die Sperrwirkung und damit abweichend zur deutschen Rechtslage ist, dass die Entdeckung der Tat dem Anzeiger bekannt sein muss. Ein „damit rechnen müssen“ ist nicht ausreichend. Die Kenntnis des Anzeigers von der Tatentdeckung bzw. dem Kenntniserlangungsprozess der Behörde wird daher im Regelfall erst dann vorliegen, wenn die Abgabenbehörde entsprechende Bedenkenvorhalte versendet oder auf sonstige Weise den Abgabepflichtigen über die Auswertung des Kontrollmaterials informiert. Hierin ist auch der wesentliche Unterschied der österreichischen zur deutschen Rechtslage zu erblicken. Während im Hinblick auf die Tatentdeckung zumindest im Ergebnis von den gleichen Anforderungen auszugehen sein wird und in beiden Ländern ausländische Behörden als tatentdeckungslegitimierte Behörden anzusehen sind, sind die subjektiven Anforderungen für das Vorliegen des Sperrgrunds der Tatentdeckung in Österreich wesentlich strenger als in Deutschland (Brandl/Littich/Sievert, ZWF 17, 291, 295).
3. Selbstanzeigemöglichkeit in der Schweiz
In der Schweiz wird von der Strafverfolgung einer selber angezeigten Steuerhinterziehung abgesehen (straflose Selbstanzeige), wenn die Steuerhinterziehung keiner Steuerbehörde bekannt ist, die steuerpflichtige Person die Steuerbehörde bei der Festsetzung der nachzuentrichtenden Steuer vorbehaltlos unterstützt und sich ernstlich um die Entrichtung der geschuldeten Nachsteuer bemüht. Straflos ist dabei allerdings nur die erste Selbstanzeige der betroffenen Person. Bei jeder Folge-Selbstanzeige tritt lediglich eine Strafmilderung ein, indem die Buße auf ein Fünftel der hinterzogenen Steuer reduziert wird.
In der Schweiz wird der Informationsaustausch, zunächst beschränkt auf die EU-Mitgliedsstaaten, spätestens am 30.9.18, betreffend die meldepflichtigen Konti 2017, erfolgen. Im Gegenzug wird die Schweiz auch die dem CRS entsprechenden Finanzdaten über die in der Schweiz steuerpflichtigen Personen erhalten, die an einem meldepflichtigen Konto im Partnerstaat wirtschaftlich berechtigt sind.
Eine erste Selbstanzeige der sich selber anzeigenden Person ist nicht mehr straflos, wenn die selber angezeigte Steuerhinterziehung irgendeiner Steuerbehörde bekannt ist (Sperrgrund der Behördenkenntnis). Es bestehen in den einzelnen Kantonen unterschiedliche Auffassungen über die Tragweite dieser Bestimmung im Zusammenhang mit den vom CRS betroffenen Finanzdaten.
Am restriktivsten ist der Kanton Schwyz, wo bereits ab 1.1.17 für die in einem der 38 Partnerstaaten geführten Konti, mit denen die Schweiz den CRS aktiviert hat, eine straflose Selbstanzeige nicht mehr möglich sein soll, da es am eigenen Antrieb fehle. Moderater ist die Haltung der ESTV, welche davon ausgeht, dass eine Selbstanzeige spätestens ab dem 30.9. des Jahres, in welchem die erste Meldung des Partnerstaates an die ESTV erfolgt, nicht mehr möglich ist. Noch großzügiger sind die Kantone Bern und Zürich. Diese lassen die straflose Selbstanzeige so lange zu, bis die zuständige Steuerverwaltung die den Steuerpflichtigen betreffenden Finanzdaten von der Datenbank der ESTV abgerufen hat.
Mittels der straflosen Selbstanzeige wollte der Gesetzgeber steuerunehrlichen Steuerpflichtigen einen Anreiz bieten, bisher verheimlichte Steuerfaktoren offenzulegen. Von der Straflosigkeit ausgeschlossen sollen jedoch Selbstanzeigen sein, die erst erfolgen, nachdem die Steuerbehörden die bisher unbekannte Steuerquelle ohne Zutun des Steuerpflichtigen erschlossen haben. Dasselbe soll gelten, wenn es der Mitwirkung des Steuerpflichtigen nicht bedarf, um die Besteuerung vornehmen zu können. Sobald die Steuerbehörde auf die von einem Partnerstaat gemeldeten Finanzdaten zugreifen kann, ist sie zur Entdeckung der bisher verheimlichten Steuerquelle nicht mehr auf den Steuerpflichtigen angewiesen. Es ist daher nicht abwegig, einer Selbstanzeige die Straflosigkeit abzusprechen, wenn sie vom Informationsaustausch betroffene Finanzdaten erhält.
Dies setzt allerdings voraus, dass das in einem Partnerstaat domizilierte Finanzinstitut das Konto als meldepflichtig identifiziert. Bleibt die Meldung ‒ in Anwendung der Erleichterungen für bestehende Konti ‒ berechtigterweise aus, bleibt dieses Konto unentdeckt. In einem solchen Fall führt erst die Selbstanzeige zur Entdeckung der bisher verheimlichten Steuerquelle. Die Aktivierung des CRS wirkt sich auf einen solchen Fall nicht aus.
4. Selbstanzeigemöglichkeit im Fürstentum Liechtenstein
Auch Liechtenstein nimmt am AIA teil. Für die praktische Umsetzung hat die Liechtensteiner Steuerverwaltung ein rund 160 Seiten starkes, laufend aktualisiertes Merkblatt (AIA-Merkblatt, Version vom 4.7.18) herausgegeben, das Hintergrundinformationen liefert und in zahlreichen Musterfällen und Beispielen durch die Materie führt. Falls die gemeldeten Daten vermuten lassen, dass bisherige Vermögenswerte nicht ordnungsgemäß erklärt wurden, so lassen sich, wie in den anderen drei Ländern, finanzstrafrechtliche Konsequenzen für den Steuerpflichtigen mit einer Selbstanzeige abwenden.
Eine strafbefreiende Selbstanzeige liegt laut Art. 142 Abs. 1 SteG nur dann vor, wenn die steuerpflichtige Person aus eigenem Antrieb eine versehentliche oder absichtliche Steuerverkürzung anzeigt. Zudem darf die strafbare Handlung den Steuerbehörden im Moment der Mitteilung noch nicht bekannt sein, und die steuerpflichtige Person muss die Steuerbehörden bei der Feststellung der bisher nicht erklärten Werte vorbehaltlos und aktiv unterstützen. Sie hat die nicht erhobene Steuer samt Verzugszins zu entrichten, soweit die Steuerforderung noch nicht verjährt ist. Die Verjährungsfrist beträgt in Liechtenstein gemäß Art. 121 SteG fünf Jahre. Durch die Selbstanzeige unterbleibt ein Verfahren wegen der Verletzung von Strafbestimmungen des Steuergesetzes. Eine straffreie Selbstanzeige ist jedoch nur einmalig im Leben möglich und schriftlich einzubringen (Steuerverwaltung Fürstentum Liechtenstein: Merkblatt betreffend Selbstanzeigen, Stand Jänner 2015).
Sobald der Steuerbehörde die Daten zur Verfügung stehen, kann sie selbst ohne eigenes Zutun des Steuerpflichtigen aktiv werden. Nach Ansicht der Steuerverwaltung widerspricht deshalb die reine Möglichkeit des Aktivwerdens der Behörde dem Anspruch einer straffreien Selbstanzeige aus eigenem Antrieb, da sie ab diesem Zeitpunkt Steuerdelikte selbst aufdecken kann und nicht mehr auf den Steuerpflichtigen selbst angewiesen ist.
Die Liechtensteiner Steuerverwaltung vertritt deshalb wie die Schweizer ESTV die Ansicht, dass eine straffreie Selbstanzeige nur bis zur erstmaligen Meldung der Daten erfolgen kann. Dies ist im Regelfall der 30.09. des Folgejahres nach Inkrafttreten des AIA. Wurden mit einem Partnerstaat Meldungen ab dem 1.1.18 vereinbart, wie zwischen der Schweiz und Liechtenstein, so ist eine straffreie Selbstanzeige nur bis zum 30.9.19 möglich.
5. Selbstanzeigemöglichkeit in der Tschechischen Republik
Auch die Tschechische Republik nimmt am AIA teil. Dieser fand im vollen Umfang bislang nur zum 30.9.17 statt. Zum 30.9.18 wird ein weiterer Austausch erfolgen. Tschechische Steuersubjekte sollten bis dahin vom Institut der tätigen Reue und dadurch der Befreiung von einer eventuellen strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Fall der Steuerhinterziehung Gebrauch gemacht haben. Ein Instrument wie die Selbstanzeige in den bereits dargestellten Staaten gibt es in der Tschechischen Republik nicht.
Es existiert jedoch das Institut der tätigen Reue in zwei Varianten, die sogenannte allgemeine und die besondere tätige Reue. Bei Steuerhinterziehung kommt vor allem die Anwendung der allgemeinen tätigen Reue in Betracht. Der Steuerzahler muss hierfür die Steuer freiwillig, also nicht erst unter der Drohung von strafrechtlichen oder verwaltungsrechtlichen Sanktionen und vor einer Kontrolluntersuchung, nachträglich erklären.
Die Finanzverwaltung hat bereits 2017 vorgeschrieben, dass die Beurteilung der tätigen Reue auch nach Inkrafttreten des CRS jeweils durch die konkreten Umstände des Falls stattfinden muss. Gemäß der bisherigen herrschenden Rechtsprechung kann der Täter also vom Institut der tätigen Reue Gebrauch machen, indem er sofort nach Erhalt der Aufforderung zur Beseitigung von Zweifeln durch die Steuerverwaltung reagiert und die bislang nicht besteuerten Einkünfte umgehend nacherklärt sowie die Steuer und eine Strafsteuer bezahlt. Auf diese Weise erlischt die strafrechtliche Verantwortung, und es würde nur eine Verwaltungssanktion verhängt werden. Die Beseitigung der schädlichen Folgen muss sich dabei auch auf jene VZ beziehen, in denen die Frist für die Festsetzung der Steuer abgelaufen ist.
Um tätige Reue handelt es sich dagegen nicht, wenn die Straftat von den öffentlichen Stellen bereits entdeckt wurde und die Finanzverwaltung vom Vorliegen einer Steuerstraftat aufgrund der durch den Informationsaustausch erhaltenen Informationen überzeugt ist.
FAZIT | Der AIA stellt nicht nur die jeweiligen Finanzverwaltungen vor Herausforderungen. Auch für mit Steuerstrafrecht befasste Anwälte und Steuerberater in Deutschland ergeben sich im Rahmen der Mandatsbearbeitung neue Fragestellungen. Vielleicht kann hier der Blick über die jeweilige Ländergrenze ‒ als eine Art Informationsaustausch zwischen Strafverteidigern ‒ hinweghelfen, um neue Verteidigungsansätze zu finden. Steuerpflichtige in Deutschland, die gegenüber der Finanzverwaltung noch Sachverhalte offenlegen wollen, sollten spätestens bis zum Jahr 2020 eine Selbstanzeige abgeben, um Strafbefreiung zu erreichen. Es gilt allerdings zu bedenken, dass vor allem in Fällen, in denen bewusst verschleiernde Maßnahmen zur Verhinderung einer Besteuerung in Deutschland getroffen wurden, bis dahin verstärkt Gegenstand der Rechtsprechung sein könnten. Diese wird nicht unbedingt zugunsten der Steuerpflichtigen ausfallen. |
Weiterführende Hinweise
- Hornig, Tatentdeckung: Panzergeschäfte und Fußballprofis vor dem Hintergrund des neuen BGH-Urteils, PStR 17, 253 ff.
- Roth, Selbstanzeige: Unwirksamkeit wegen Tatentdeckung durch ausländische Behörden, PStR 17, 197 ff.