· Fachbeitrag · Schutz vor Steuerschätzung
Die Bedeutung der Dokumentation betrieblicher Besonderheiten ‒ nicht nur in der Corona-Zeit
von Dipl.-Finw. Andrea Köchling, Elmshorn
| Dieser Beitrag zeigt auf, wie wichtig die Dokumentation von betrieblichen Besonderheiten im Unternehmen ist. Insbesondere wie diese hilft, bei einer Betriebsprüfung die besonderen Umstände und Herausforderungen des meist weit zurückliegenden Zeitraums zu erklären. Die Nichtbeachtung kann gerade hierbei zu erheblichen steuerlichen Nachteilen führen, indem die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden. |
1. Aufgaben der Betriebsprüfung
Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden (§ 85 AO). Der Betriebsprüfer hat die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind (Besteuerungsgrundlagen), zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen zu prüfen (§ 199 Abs. 1 AO).
Zweck der Außenprüfung ist demnach die Ermittlung und Beurteilung der steuerlich bedeutsamen Sachverhalte, um die zutreffende Besteuerung sicherzustellen. Bei der Anordnung und Durchführung von Prüfungsmaßnahmen sind im Rahmen der Ermessensausübung die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit der Mittel und des geringstmöglichen Eingriffs zu beachten (§ 2 Abs. 1 BpO). Dieses Ziel wird vonseiten der Finanzverwaltung mit unterschiedlichen Methoden erreicht.
Als Erstes werden die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde gelegt, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden (§ 158 AO). D. h., es besteht der Grundsatz der „Vermutung der Richtigkeit der Buchführung“. Dieser Grundsatz kommt in einer Betriebsprüfung auf den Prüfstand.
2. Prüfungsmethoden werden digitaler
Im Zeitalter der Digitalisierung haben sich die Prüfungsmethoden der Finanzverwaltung geändert und werden in Zukunft immer ausgefeilter. Die Überprüfung der Vollständigkeit der Betriebseinnahmen oder das Ins-Verhältnis-Setzen von abhängigen Komponenten, wie z. B. dem Warenverkauf zum Wareneinkauf, werden zum einen durch digitale Prüfungsansätze wie die Schnittstellenverprobung (SSV) oder die Summarische Risikoprüfung (SRP) erreicht. Mitunter reichen bei der Schnittstellenverprobung (SSV) sieben Verprobungsschritte, um die Ordnungsmäßigkeit von Vor- und Hauptsystem, die Vollständigkeit der Betriebseinnahmen, Schnittstellen-Problematiken in der Programmierung oder gar Manipulationen festzustellen (Danielmeyer, Neubert, Unger, StBP 11/16, S. 323 ff., Danielmeyer, taxtechblog 2.11.20, Die Betriebsprüfung im Jahr 2020).
Das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen vom 22.12.16, veröffentlicht am 28.12.16 im BGBl I, 16, kurz: Kassengesetz, verpflichtet seit 1.1.20 bei einem Einsatz elektronischer Kassensysteme zum Einsatz einer einheitlichen digitalen Schnittstelle (edS).
Die einheitliche digitale Schnittstelle (vgl. AEAO zu § 146a, Nr. 4, § 4 KassenSichV) beinhaltet die Datensatzbeschreibung für den standardisierten Datenexport aus dem Speichermedium zur Übergabe an den mit der Kassennachschau oder Betriebsprüfung beauftragten Beamten. Sie soll eine einheitliche Strukturierung und Bezeichnung der nach § 146 a Abs. 1 AO aufzuzeichnenden Daten in Datenschema und Datenfeldbeschreibung unabhängig vom Programm des Herstellers sicherstellen. Über die einheitliche digitale Schnittstelle gelangen die abgesicherten Anwendungsdaten zum Betriebsprüfer zwecks Verifikation der Protokollierung. Alle mit dem elektronischen Aufzeichnungssystem aufgezeichneten Daten müssen in einem maschinell auswertbaren Format zur Verfügung gestellt werden.
Die zertifizierte technische Sicherheitseinrichtung (TSE) enthält künftig zwei im Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO) in Tz. 3.2.8 benannte bzw. drei Schnittstellen:
- Die Einbindungsschnittstelle
- Die Exportschnittstelle
- Die DSFinV-K
Die DSFinV-K ermöglicht, klar definierte Kasseneinzeldaten, Stammdaten, Kassenabschlüsse und weitere Angaben aus der Exportschnittstelle der TSE (Log-Nachrichten) unter Abgleich mit der Finanzbuchhaltung progressiv und retrograd zu prüfen. Im Rahmen der Datenträgerüberlassung (sog. Z3-Zugriff) erhalten die Prüfungsdienste der Finanzverwaltung csv-Dateien und eine beschreibende index.xml-Datei (Achilles, AEAO zu § 146a ‒ Manipulationsschutz für elektronische Aufzeichnungssysteme auf der Zielgerade? DB Nr. 35, 2.9.19).
3. Analoge Überprüfungsmöglichkeiten haben weiter Bestand
Neben den digitalen Überprüfungsmöglichkeiten werden aber auch weiterhin analoge Prüfungsmethoden von den Betriebsprüfern/innen angewendet. Hierzu zählt neben der klassischen Belegprüfung auch die Geldverkehrsrechnung und ganz besonders die Kalkulation.
Die Geldverkehrsrechnung basiert auf einer umfassenden Gegenüberstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben im betrieblichen und außerbetrieblichen (= privaten) Bereich in einem bestimmten Zeitraum und stellt überwiegend nur auf die Zahlungsbewegungen ab. Sie stellt also die Geldverwendung den verfügbaren Geldmitteln gegenüber (vgl. ausführliche Erläuterung in „Betriebsprüfung in der Gastronomie ‒ ein Alptraum für den Gastronomen?“, Sonderausgabe „BP in der Gastronomie“, BBP).
Aus Sicht der Autorin wird aber gerade die Kalkulation in den Unternehmen der bargeldintensiven Branchen durchaus eine „Renaissance“ erleben, wenn die Kasse aufgrund einer funktionierenden zertifizierten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE) keinen Anlass zur Beanstandung gibt und somit als formell ordnungsgemäß angesehen werden muss.
4. Bedeutung der betriebsbezogenen Besonderheiten
Warum sind nun die Aufzeichnungen der betriebsbezogenen Besonderheiten eigentlich so wichtig?
Bei einer Betriebsprüfung können diese Aufzeichnungen eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen abmildern oder gar entfallen lassen. Das kann aber nur geschehen, wenn es sich um „Ursprungsaufzeichnungen“ handelt. D. h., die betrieblichen Besonderheiten sind möglichst zeitnah aufzuzeichnen, damit sie in einer späteren Betriebsprüfung von Anfang an eingebracht werden können und so die Angemessenheit der Prüfverfahren gewährleistet sind. Glaubwürdig sind Aufzeichnungen, die im Jahr der Besonderheiten aufgezeichnet werden und nicht nachträglich im Zeitpunkt der Betriebsprüfung.
Als Erstes empfiehlt es sich, das Ereignis sowie die Ursache von den jeweiligen Besonderheiten zu dokumentieren. Danach sollte dargestellt werden, welche Maßnahmen als Reaktion darauf getroffen wurden und wie sich die Ursache und die ergriffenen Maßnahmen auf den Umsatz und den Gewinn ausgewirkt haben.
Wichtig bei der Dokumentation ist der Beginn, das Ende sowie die Dauer der betrieblichen Besonderheit. Vorhandene Belege, Fotos oder anderweitige mitgeltende Unterlagen sind zur Beweissicherung ebenfalls zu behalten und abzulegen. Nach Auffassung der Autorin sind diese Unterlagen mindestens für die Dauer der Aufbewahrungsfrist gem. § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO i. V. m. § 147 Abs. 3 AO, also sechs Jahre lang, aufzubewahren. Im Idealfall entsprechend den handelsrechtlichen Vorschriften aber zehn Jahre.
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Während eines bestimmten Zeitraums im Jahr wurden Straßenbauarbeiten vor einem Restaurant durchgeführt. Das Restaurant hat in dieser Zeit mit vorübergehender verminderter Attraktivität zu kämpfen. Es war schlecht zu erreichen und ggf. sind zusätzliche Parkplätze auf der Straße aufgrund der Baustelle wegfallen. Der Umsatz geht in diesen Monaten deutlich zurück, obwohl z. B. zusätzliche Werbung mit günstigeren Speise- und Getränkepreisen geschaltet wurde.
Diese betrieblichen Besonderheiten sind im Zeitpunkt der Baustelle (z. B. anhand von Fotos mit Datum und Uhrzeitstempel) zu dokumentieren, denn Jahre später kann sich wahrscheinlich niemand mehr an diesen Umstand mit seinen Details erinnern. Als mitgeltende Unterlagen könnten auch Zeitungsberichte oder behördliche Anordnungen sowie Informationsschreiben des Straßenverkehrsamts vorgelegt werden. Zudem sollte der Unternehmer die Unterlagen sinnvoll um weitere schriftliche Ausführungen ergänzen. |
Der Straßenbau an sich ist nichts Außergewöhnliches, aber der Restaurantbesitzer sollte dazu kurz festhalten, warum das Auswirkungen für sein Unternehmen hatte. Also z. B., wenn Laufkundschaft eine wichtige Rolle spielt, der Bürgersteig gesperrt war und keine Parkmöglichkeit bestanden hat, dass dann mit Beginn der veränderten Verkehrssituation im Restaurant im Zeitraum x nur y % Kunden ins Restaurant kamen. Denn der Betriebsprüfer kann z. B. argumentieren, dass die Baustelle außerhalb der umsatzstärksten Restaurantzeiten war und daher eine Beeinträchtigung nur tagsüber durch Lärmbelästigung vorhanden war, was das Abendgeschäft aber nicht beeinträchtigt hätte. |
Als mitgeltende Unterlagen sind u. a. folgende Aufzeichnungen sinnvoll:
- Dokumente (z. B. als PDF-Datei)
- Fotos oder Skizzen (z. B. Tisch- und Bestuhlungspläne)
- Screenshots
- Herunterladen verlinkter Dateien (Achtung: keine reinen Internetlinks abspeichern, da diese Jahre später evtl. nicht mehr funktionsfähig sind)
Dokumente über:
- Gesetzlich/behördliche Einschränkungen
- Nichterreichbarkeit von Behördenmitarbeitern, Förderbanken etc.
- Ausdrucke von Arbeitsschutzstandards der Berufsgenossenschaften
- Antrags- und Bewilligungsunterlagen über außergewöhnliche Mittelzuflüsse
- Manuelle Ersatzbelege
- Belege über Privateinlagen oder Gesellschafterdarlehen
An dieser Stelle wird auf eine ausführliche Darstellung in „Dokumentation steuerlich relevanter betrieblicher Besonderheiten“, AWV, Stand Sep. 2020 verwiesen.
Gerade auf die Belege über Privateinlagen oder Gesellschafter-/Verwandtendarlehen sollte ein besonderer Fokus liegen, denn die Betriebsprüfung wird auch überprüfen, ob z. B. der Geldgeber eines Darlehens selbst finanziell in der Lage war, dieses Geld überhaupt zu verleihen.
Nicht zu vergessen ist auch, dass dem Unternehmer bei einer Einlage von Kapital aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen, z. B. durch Buchung eines Geldbetrags in der Kasse, eine Mitwirkungspflicht zur Aufklärung trifft. Gelingt ihm die Aufklärung nicht ausreichend, so darf dies dahin gehend gewürdigt werden, dass die ungeklärten Kapitalzuführungen auf nicht versteuerten Einnahmen beruhen, und zwar auch dann, wenn hinsichtlich der Quelle der fraglichen Mittel keine Aufzeichnungspflichten bestehen. Geklärt in diesem Sinne ist auch, dass z. B. an den Nachweis von Spielgewinnen strenge Anforderungen zu stellen sind (BFH 13.6.13, X B 132 ‒ 133/12).
Die Rechtsprechung geht sogar so weit, dass der Unternehmer den Rechtsnachteil zu tragen hat, wenn sich der Sachverhalt als unaufklärbar erweist oder die Finanzverwaltung zu dem Ergebnis gelangt, dass der vom Unternehmer behauptete Geschehensablauf nicht mit dem erforderlichen Grad an Gewissheit als richtig angesehen werden kann (BFH 15.2.89, X R 16/86). Des Weiteren sollte sich der Unternehmer an das Motto halten „Wer schreibt, der bleibt“. Zur Dokumentation von z. B. Schwund und Verderb, des eigenen Verbrauchs, des Schankverlusts, der Freigetränke, bestimmter betrieblicher Rezepturen und anderen Besonderheiten verweist die Autorin auf ihren Aufsatz „Betriebsprüfung in der Gastronomie ‒ ein Albtraum für den Gastronomen?“, Sonderausgabe „BP in der Gastronomie“, a. a. O.).
5. Coronaspezifische Besonderheiten
Allerdings bringen gerade die Jahre der Pandemie 2020/2021 und vielleicht auch noch 2022 für den Unternehmer besondere Dokumentationspflichten mit sich. So empfiehlt es sich hier, betriebliche Besonderheiten festzuhalten, die die Lieferengpässe und die damit verbundene Umstellung der Lieferketten sowie die Stornierung von Kundenaufträgen und Forderungsausfälle dokumentieren. Wichtig ist auch die Dokumentation von behördlichen Einschränkungen sowie Auflagen, z. B. der Beschränkung der Verkaufs- und Dienstleistungsflächen oder die Beschränkung der Anzahl der Kunden im Verkaufsraum.
PRAXISTIPP | Notieren Sie sich unbedingt das Datum und die Zeiträume, während dessen diese Beschränkungen bestanden haben. |
Ein besonderes Augenmerk muss auf die Folgen der Umsatzsteuersatzsenkung sowie auf die daraus resultierende Anpassung des Kassensystems gerichtet werden. Zur Erinnerung hier eine Zusammenfassung der gültigen Umsatzsteuersätze in den jeweiligen Zeiträumen:
Übersicht / | |||
Inhouse-Speisen | To go | Getränke | |
bis 30.6.20 | 19 % | 7 % | 19 % |
1.7. bis 31.12.20 | 5 % | 5 % | 16 % |
1.1. bis 31.12.22 | 7 % | 7 % | 19 % |
Unter coronaspezifische Besonderheiten fallen auch die Aufzeichnungen besonderer Schutzmaßnahmen sowie die Dokumentation und Aufzeichnung besonderer Wirtschaftsgüter, deren Einsatz notwendig geworden sind. Hierzu zählen unter anderem
- die Installationen bestimmter Systeme, wie spezielle Lüftungssysteme,
- die Anschaffung eines Tools zur Abhaltung von Videokonferenzen, aber auch
- die Anschaffung von Arbeitsmitteln wie Masken, Desinfektionsmittel oder die Anschaffung von Transparenzschutzwänden.
Ein besonderes Interesse muss auch den Mitarbeitern gelten. Hier ist der geänderte Mitarbeitereinsatz zu dokumentieren, der sich z. B. aus Homeoffice, Kurzarbeit, Krankheitstagen und Quarantänetagen ergibt oder aus dem Umstand, dass die Mitarbeiter wegen Kinderbetreuung fehlten.
Sind diese Informationen mangels Dokumentation nicht vorhanden, wird eine vom Betriebsprüfer vorgenommene Kalkulation stets zu hoch sein. Treffen Sie also Vorsorge!
6. Aufbau neuer Vertriebswege
Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen. Aus diesem Grund haben einige Unternehmer ihr Unternehmen umstrukturiert. Das geht über die Umsetzung alternativer Geschäftsideen, über die Einführung digitaler Vertriebskanäle bis hin zum Aufbau eines komplett neuen Geschäftszweigs. So setzt z. B. der Restaurantbesitzer nun vermehrt auf den „Außer-Haus-Verkauf“ oder der bisher stationär anbietende Händler ruft einen eigenen Onlineshop ins Leben. Hier werden von den Unternehmen neue Wege beschritten, die nicht nur den typischen Betriebsablauf und damit den Waren- und Geldverkehr verändern, sondern auch organisatorisch und buchhalterisch abgebildet werden müssen. Die buchhalterische Abbildung des stationären Ladengeschäfts reicht in der Regel nicht aus, die komplexen Anforderungen des Onlinehandels steuerlich korrekt abzubilden.
Es bedarf deshalb dringend weiterer Aufzeichnungen und Dokumentationen. Nur so sind die Geschäftsvorfälle für einen fachkundigen Außenstehenden nachvollziehbar und entsprechen damit umso mehr den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung.
7. Außergewöhnliche Mittelzuflüsse
Neben den zu dokumentierenden zusätzlichen Aufwendungen darf die Einnahmenseite nicht vernachlässigt werden. So sind außergewöhnliche Mittelzuflüsse zu dokumentieren. Das können die vom Bund gewährten Corona-Hilfen sein, aber auch (private) „Spenden“ oder Versicherungsleistungen. In diesen Bereich fallen auch gewährte Zahlungsaufschübe/Stundungen/Erlasse z. B. von Mietzahlungen. Nicht selten macht der Betriebsprüfer in diesen Fällen auch von der sog. Drittauskunft Gebrauch. Dann muss sich zu dem Sachverhalt die jeweilige Versicherung oder der Vertragspartner äußern. Auch das Mittel der Kontrollmitteilung i. S. d. § 194 Abs. 3 AO wird gerne von Betriebsprüfern „angezapft“. Je schlüssiger die eigenen Angaben und je nachvollziehbarer die Buchhaltung durch Dokumentationen ist, umso mehr sinkt die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme dieser Instrumente.
8. Ursache, Auswirkung und Reaktion dokumentieren
Die Auswirkungen der Coronapandemie auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben sind weitreichend, vielschichtig und komplex ‒ gleichzeitig wird „Corona“ auch als Vorwand genutzt. Es reicht also nicht aus, lediglich die Ursache „Corona“ festzuhalten. Erforderlich ist hier eine Dokumentation der Auswirkungen sowie der daraufhin vorgenommenen Veränderungen.
Auswirkungen können zum Beispiel die Schließung des Ladengeschäfts durch einen Lockdown sein oder die Unterbrechung der Warenströme durch logistische Schwierigkeiten. Ein Nachweis dieser Auswirkungen kann zum Beispiel der Schriftverkehr mit dem Lieferanten oder Logistiker sein. Zu beachten ist auch, dass insbesondere E-Mails in Form von Geschäftsbriefen aufbewahrungspflichtige Unterlagen sind. Ziel muss es sein, die Auswirkungen plausibel zu dokumentieren, damit nach einem längeren Zeitraum schlüssig nachvollzogen werden kann, wodurch die Veränderungen ausgelöst wurden.
Im nächsten Schritt sind die eingeleiteten Veränderungen so festzuhalten, dass sich später bei einer Betriebsprüfung die Situation plausibel nachvollziehen lässt.
9. Betriebsprüfung wird auch die Jahre der Pandemie prüfen
Wie bereits dargestellt, ist eine ausführliche Dokumentation unumgänglich. Eine Betriebsprüfung wird immer die Besteuerungsgrundlagen bereits (langer) zurückliegender Zeiträume überprüfen. Auch die Jahre der Pandemie werden von der Betriebsprüfung nicht verschont bleiben. Umso wichtiger ist es, dass neben den „normalen“ betrieblichen Besonderheiten, die aktuellen coronaspezifischen Eigenheiten ausführlich zum heutigen Zeitpunkt dokumentiert werden. Denn können Sachverhalte nicht aufgeklärt werden bzw. vom Unternehmer nachgewiesen werden, gehen diese zu seinen Lasten und werden unter Umständen Einfluss in eine Schätzung oder Kalkulation finden.
10. Hilfe für die Unternehmen
Kostenlose Dokumentationshilfen finden Unternehmer z. B. bei der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e.V. (AWV), die im September 2020 eine Handreichung für KMU-Betriebe mit einer Sammlung möglicher steuerlich relevanter Besonderheiten herausgegeben hat (www.iww.de/s4600, Abruf vom 6.2.21).
Daneben hat der Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) am 28.1.21 eine Muster-Corona-Dokumentation und weitere Informationen zum kostenlosen Download bereitgestellt (www.iww.de/s4222, Abruf vom 6.2.21).
FAZIT | Ziel muss es sein, dass der Unternehmer, die in der Betriebsprüfung ermittelten „Auffälligkeiten“ noch Jahre später erläutern kann. Dazu ist eine umfassende Dokumentation im Zeitpunkt der Entstehung der betrieblichen Besonderheiten unabdingbar. Diese Dokumentation kann unter Umständen eine Schätzung i. S. d. § 162 AO verhindern oder Kalkulationsdifferenzen minimieren, denn die betrieblichen Besonderheiten werden von den Betriebsprüfern bei ihren Prüfungsmethoden berücksichtigt. Wichtig zu wissen ist auch, dass es keine gesetzliche Vorgabe gibt, wie so eine Dokumentation auszusehen hat. Dem Unternehmer wird somit völlig freie Hand gelassen. Im eigenen Interesse und zum eigenen Schutz ist ihm die Erstellung der Dokumentation aber dringend anzuraten, denn wenn die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie eine Verpflichtung diese zu schätzen (§ 162 Abs. 1 S. 1 AO). |