· Fachbeitrag · Schadenersatz
Vermieter muss Verletzung der Mängelanzeigepflicht beweisen
von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf
Im Rahmen eines Schadenersatzanspruchs nach § 536c Abs. 2 S. 1 BGB trägt der Vermieter die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung der den Mieter treffenden Anzeigepflicht (BGH 5.12.12, VIII ZR 74/12, Abruf-Nr. 130303). |
Sachverhalt
Die Mieter rügten gegenüber den Vermietern am 9.6.08, 15.9.08 und mit Anwaltsschreiben vom 10.10.08 aufgetretene Risse an den Bodenfliesen der Mietwohnung. Wegen ausgebliebener Mängelbeseitigung minderten sie ab 10/08 die Miete um 20 Prozent und leiteten nach Ankündigung ein selbstständiges Beweisverfahren ein. Der Sachverständige bestätigte die Fliesenrisse und führte deren Auftreten auf einen mangelhaften Einbau des Fliesenbelags zurück. Die Parteien streiten darüber, ob die Mieter die Fliesenrisse bereits in den Jahren 05 und 06 - rechtzeitig vor Ablauf der werkvertraglichen Gewährleistungsfrist - angezeigt hatten. Die Mietzahlungsklage wurde in zweiter Instanz abgewiesen. Die Revision hat keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Nach dem Ergebnis des selbstständigen Beweisverfahrens lag ein bauseitiger Mangel vor, der gemäß § 536 BGB eine von den Mietern vorgenommene Minderung rechtfertigte. Sie war wegen der im Sachverhalt benannten Mängelanzeigen auch nicht im Hinblick auf § 536c Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Stand den Vermietern aber ein Schadenersatzanspruch gemäß § 536c Abs. 2 S. 1 BGB zu, weil die Beklagten schon zu einem früheren Zeitpunkt auf die Fliesenschäden hätten hinweisen müssen und sie deswegen keine werkvertraglichen Gewährleistungsansprüche geltend machen konnten, und deckte sich dieser Anspruch mit dem von der Mietminderung erfassten Betrag, musste die Klage Erfolg haben. Grund: In diesem Fall kann sich ein Mieter auf eine kraft Gesetzes eingetretene Mietminderung nicht berufen, weil es nach dem anerkannten Grundsatz „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“ einen Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellt, wenn ein Gläubiger etwas fordert, was er sofort wieder zurück zu gewähren hat (BGH NJW 87, 1072). Hieran hält der BGH fest. Streitentscheidend ist damit die Frage, wer für die Verletzung der Anzeigepflicht die Darlegungs- und Beweislast trägt.
Diese Frage wird von der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung nicht einheitlich beurteilt. Der VIII. Senat hat im Verfahren NJW 87, 1072 ohne Entscheidungserheblichkeit für den entschiedenen Fall den Vermieter/Leasinggeber uneingeschränkt für verpflichtet gehalten hat, (sämtliche) Voraussetzungen des § 545 Abs. 2 BGB a.F. (heute § 536c Abs. 2 BGB) darzulegen und nachzuweisen. Dagegen hat der für das Gewerberaummietrecht zuständige XII. Zivilsenat im Zusammenhang mit der Erörterung eines möglichen Ausschlusses der Gewährleistungsrechte des Mieters entsprechend § 545 Abs. 2 Hs 2 BGB a.F. diesem ohne nähere Begründung die Beweislast dafür auferlegt, dass er seiner Anzeigepflicht nachgekommen ist (NZM 02, 217).
Die hierdurch eingetretene Rechtsunsicherheit hat in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum zu einer uneinheitlichen Bewertung der Beweislastproblematik geführt (Nachweise Urteilsgründe Tz. 24, 25). Der VIII. Senat hält daran fest, dass der Vermieter im Rahmen eines Schadenersatzanspruchs nach § 536c Abs. 2 S. 1 BGB die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung der Anzeigepflicht trägt. Das sind die tragenden Erwägungen des BGH:
- Nach allgemein anerkannter Grundregel hat der Anspruchsteller auf der ersten Ebene die rechtsbegründenden Tatsachen und der Anspruchsgegner auf einer zweiten Ebene die rechtsvernichtenden, rechtshindernden oder rechtshemmenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen (BGH NJW 99, 352). Das heißt: Wer Ersatz eines auf eine Pflichtverletzung des Vertragspartners zurückgeführten Schadens verlangt, muss dartun und nachweisen, dass der andere Vertragsteil eine ihn treffende Pflicht verletzt und hierdurch einen kausalen Schaden verursacht hat. Dies gilt auch, wenn negative Umstände anspruchsbegründend sind (BGH BGHReport 03, 246).
- Die Erfüllung der Anzeigepflicht zählt auch nicht zu den rechtsausschließenden Tatsachen, für die der Mieter die Beweislast trägt. Grund: Entstehen des Mangels und Kenntnis (oder grob fahrlässige Unkenntnis) des Mieters hiervon lösen allein noch keinen Schadenersatzanspruch des Vermieters, sondern nur die Anzeigepflicht des Mieters (§ 536c Abs. 1 BGB) aus. Erst deren Verletzung zählt dann zu den anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Schadenersatzanspruchs nach § 536c Abs. 2 S. 1 BGB. Der Mieter, der die Erfüllung dieser Verpflichtung behauptet, bestreitet nur das Vorliegen einer anspruchsbegründenden Tatsache.
- Die für den Handelskauf geltende Vorschrift des § 377 HGB, die dem Käufer die Beweislast für den Zugang einer Mängelanzeige aufbürdet, rechtfertigt es ebenfalls nicht, dem Mieter die Beweislast für die Erfüllung der Anzeigepflicht zuzuweisen. § 377 HGB und § 536c Abs. 2 S. 1 BGB verfolgen nicht die gleichen rechtspolitischen Ziele. Sie sind deshalb im Einzelnen ganz unterschiedlich ausgestaltet und unterscheiden sich auch in ihren Rechtsfolgen. Die Verletzung der in § 377 HGB geregelten Obliegenheit des Käufers löst lediglich die Genehmigungsfiktion des § 377 Abs. 2 HGB aus, während die Verletzung der Anzeigepflicht des Mieters nicht nur etwaige Minderungs- und Schadenersatzansprüche des Mieters (§§ 536, 536a BGB) entfallen lässt (§ 536c Abs. 2 S. 2 BGB), sondern auch einen Schadenersatzanspruch des Vermieters begründen kann (§ 536c Abs. 2 S. 1 BGB).
- An der Beweislastverteilung ändert sich auch nichts, wenn man den Angriff der Kläger gegen die Mietminderung nicht allein aus Sicht des § 536c Abs. 2 S. 1 BGB, sondern zusätzlich aus der Perspektive des § 242 BGB beurteilt, aus dem heraus sie nicht einen anspruchsbegründenden, sondern einen rechtshindernden Umstand geltend machen.
Praxishinweis
Muss der Vermieter die negative Tatsache der Verletzung der Anzeigepflicht beweisen, hat das Konsequenzen für die Rechtsverteidigung des Mieters. Dem Vermieter kommen Erleichterungen nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast zugute. Das heißt: Er muss nur solche Mängelanzeigen ausräumen, die der Mieter in zeitlicher, inhaltlicher Weise und räumlicher Hinsicht spezifiziert hat (BGHZ 188, 43). Das zwingt den Mieter, konkret darzulegen, wann, auf welche Weise und mit welchem Inhalt er den Mangel angezeigt haben will. Unsubstanziierte Behauptungen zur Erfüllung der Anzeigepflicht braucht der Vermieter dagegen nicht zu widerlegen. Hier haben die Beklagten behauptet, in 10/05 hätten sich sowohl ihrer Wohnung als auch in der Wohnung des Zeugen H Risse im Fliesenbodenbelag gezeigt. Daraufhin hätten sie und der Zeuge H die Kläger auf die Mängel angesprochen. Diese hätten die in ihrer Wohnung aufgetretenen Risse dann erstmals in der zweiten Hälfte 10/05 besichtigt. Damit sind die Zeitpunkte, zu denen in 05 Mängelrügen erfolgt sein sollen (Gespräch; Augenscheinstermin) und der Ort des Geschehens aus Sicht des BGH ausreichend konkretisiert. Den sonach von ihnen zu führenden Beweis einer verspäteten Anzeige der aufgetretenen Fliesenrisse haben die Kläger nicht erbracht.
Höchstrichterlich ungeklärt bleibt weiterhin, wer im Rahmen des § 536c Abs. 2 S. 2 BGB die Beweislast für die (Nicht-)Erfüllung der Anzeigepflicht trägt. Der VIII. Senat musste sich hierzu nicht äußern, da die abweichende Entscheidung des XII. Senats (NZM 02, 217) sich zu dem hier allein zu beurteilenden Schadenersatzanspruch nach § 536c Abs. 2 S. 1 BGB nicht verhält.