· Fachbeitrag · Sachlich-Rechnerische Richtigstellungen
Zahnersatz: Beanstandungen der Krankenkassen verhindern (Teil 1) ‒ so geht‘s
| Im Bereich der prothetischen Versorgung wird keine Wirtschaftlichkeitsprüfung durchgeführt. Das bedeutet für Krankenkassen: Sie können Abrechnungen in diesem Leistungsbereich nur über Berichtigungsanträge richtigstellen lassen und zu Unrecht bezahlte Leistungen (hier also Festzuschüsse) zurückfordern. In Zeiten klammer Kassen überrascht es nicht, dass die Krankenkassen hiervon rege Gebrauch machen. In der mit diesem Teil startenden Beitragsserie stellt AAZ die häufigsten Beanstandungen der Kassen vor und zeigt auf, wie Praxen diese von vornherein vermeiden können. |
Grundsätze zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung
Durch die Anwendung des befundbezogenen Festzuschuss-Systems wird die Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots bei Zahnersatz im Wesentlichen gewährleistet. Daher gibt es in diesem Bereich keine Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die Festzuschüsse orientieren sich an der Regelversorgung. Diese stellt letztlich die Umsetzung des Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 SGB V dar.
Bei Zweifeln an der Richtigkeit der prothetischen Abrechnung schicken die Krankenkassen ihre sachlich-rechnerischen Berichtigungsanträge an die KZVen. Infolge des Datenträgeraustauschs bzw. der papierlosen Abrechnung haben die Kassen inzwischen gute Auswertungsmöglichkeiten der Datensätze. Sie können ‒ wie die KZVen ‒ ebenfalls Abrechnungsmodule einsetzen, um Fehler aufzudecken. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen Fehler auffallen, hoch ‒ und mithin die Anzahl von Berichtigungsanträgen.
Die Bearbeitung dieser Berichtigungsanträge löst bei allen Beteiligten einen erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand aus, weil in aller Regel ein schriftliches Verwaltungsverfahren ausgelöst wird. Neben den eventuellen Honorarberichtigungen gibt also eine Reihe von Gründen, warum Praxen es erst gar nicht zu Berichtigungsanträgen kommen lassen sollten.
Es folgen Hinweise zu drei häufigen Gründen für Berichtigungsanträge der Krankenkassen.
1. Beginn und Eingliederung vor Genehmigung durch die Kasse
Die Regelungen in § 87 Abs. 1a SGB V sehen vor, dass der Vertragszahnarzt vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien Heil- und Kostenplan (HKP) zu erstellen hat, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 SGB V nach Art, Umfang und Kosten enthält. Der HKP ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung insgesamt zu prüfen. Weiter heißt es, dass die Krankenkasse den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen kann. Ist die Versorgung notwendig, bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gemäß § 55 Abs. 1 oder 2 SGV V entsprechend dem im HKP ausgewiesenen Befund.
Daraus ergibt sich, dass der Vertragszahnarzt seinen Vergütungsanspruch verliert, wenn er mit einer Zahnersatzversorgung beginnt, ohne dass die Krankenkasse vorab den HKP genehmigt hat. Die Krankenkassen haben immer die Möglichkeit, eine prothetische Behandlungsplanung begutachten zu lassen. Wurde mit der Versorgung insoweit bereits begonnen, dass bestehende Versorgungen entfernt oder Pfeiler präpariert wurden, kann der Gutachter die Versorgungsnotwendigkeit nicht mehr bestätigen. Das gilt grundsätzlich bei Neuversorgungen. Bei Wiederherstellungsmaßnahmen können aufgrund regionaler Vereinbarungen Erleichterungen beim Genehmigungsverfahren gelten.
Ausnahme von der vorherigen Genehmigungspflicht möglich
Ein Abweichen von diesen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen kann nur in absoluten medizinischen Ausnahmefällen erfolgen, wenn die Behandlung im Sinne der Schmerzbeseitigung keinen Aufschub duldet. Dass z. B. ‒ ohne vorherige Leistungszusage der Krankenkasse ‒ vorhandene Kronen oder Brücken zur dringenden Schmerzbehandlung entfernt werden müssen, wird der absolute Einzelfall sein.
PRAXISTIPP | Daraus ergibt sich, dass ausführlich zu dokumentieren ist, wenn ein solcher Ausnahmefall vorliegt. Für den Fall einer eventuellen Planungsbegutachtung muss gegenüber dem Gutachter belegbar sein, wie sich der Ausgangszustand dargestellt hatte und was der Grund für den sofortigen Behandlungsbeginn war. Dazu sind in erster Linie Röntgenaufnahmen oder auch intraorale Fotos geeignet, aus denen sich der Grund ergibt. |
Was gilt, wenn eine Zahnersatzplanung noch nicht möglich ist?
Es gibt auch Situationen, in denen eine Zahnersatzplanung noch nicht möglich ist, weil der vorhandene erneuerungsbedürftige Zahnersatz noch nicht entfernt werden durfte. Die Pfeilerwertigkeit kann z. B. nicht beurteilt werden, solange die alte Brücke noch in situ ist.
Diese grundsätzliche Problematik stellt keine Ausnahmesituation dar, um vor dem Vorliegen der Genehmigung beginnen zu dürfen. Vielmehr muss der HKP aufgestellt und mit einem Vermerk versehen werden, dass es sich um eine voraussichtliche Planung handelt, die ggf. noch geändert wird. Dieser Vermerk sollte ‒ idealerweise zusammen mit einer ausführlicheren Erläuterung des Sachverhalts ‒ mit dem HKP der Krankenkasse zur Genehmigung vorgelegt werden.
PRAXISTIPP | Die Angabe eines falschen Datums verhindert nur kurzfristig die Meldung des Praxisverwaltungssystems und eine Richtigstellung der KZV. Spätestens die Krankenkasse stellt fest, wann der HKP tatsächlich genehmigt wurde und wird einen Berichtigungsantrag stellen. Zudem überprüft die KZV dann, ob wegen der Angabe falscher Daten ein Versuch des Abrechnungsbetrugs vorliegt. Daher sollte auf keinen Fall am Datum manipuliert werden. |
2. Rückforderung bei Eingliederung anderer Versorgungen als konkret geplant
Es wird immer wieder festgestellt, dass Praxen anderen Zahnersatz eingliedern als sie ursprünglich auf dem HKP beantragt haben und genehmigen ließen. Zum einen wird oft eine Regelversorgung beantragt und von der Krankenkasse bewilligt, aber es wird eine darüber hinausgehende Versorgung (gleich- oder andersartiger Zahnersatz) eingegliedert. Zum anderen wird festgestellt, dass nach der Genehmigung erfolgte Therapieänderungen ‒ beispielsweise aufgrund von Patientenwünschen oder wegen Befundveränderungen ‒ nicht nachträglich der Krankenkasse angezeigt wurden.
Das Risiko für die Zahnarztpraxis besteht darin, dass mit der sachlich-rechnerischen Berichtigung der gesamte HKP abgesetzt werden kann, wenn nicht die konkret geplante und von der Krankenkasse bewilligte Versorgungsform eingegliedert wird. Zudem drohen disziplinarrechtliche Maßnahmen durch die KZV, weil der Zahnarzt gegen seine vertragliche Pflicht zur „peinlich genauen Abrechnung“ verstößt. Hierzu reicht es bereits, dass z. B. eine Vollverblendung an einer Krone durchgeführt wird, die im HKP als unverblendet oder vestibulär verblendet angegeben wurde. Oftmals werden jedoch auch inserierte Implantate im HKP weggelassen oder andere Verbindungselemente angegeben, die nicht zur Regelversorgung gehören.
PRAXISTIPP | Wenn sich nachträglich Änderungen an der Therapieplanung ergeben, müssen diese grundsätzlich auf dem HKP berichtigt und der Krankenkasse zur Neufestsetzung des Festzuschusses zugeleitet werden. Auch wenn sich der Festzuschuss nicht ändern sollte, muss die Krankenkasse über eine Therapieänderung in jedem Falle in Kenntnis gesetzt werden. Dies gilt also unabhängig davon, ob die Änderung der Therapieplanung zu einer Änderung des Zuschussanspruchs des Patienten führt oder nicht. |
Hier stellt sich nun ebenfalls die Frage, wie die Kostenträger überhaupt feststellen können, dass ein anderer Zahnersatz als der auf dem HKP angegebene eingegliedert wurde. Oft ergibt sich dies aus Feststellungen beauftragter Zahnersatzgutachter, wenn der eingegliederte Zahnersatz im Nachhinein zu Problemen führte und die Krankenkasse ein Mängelgutachten in Auftrag gegeben hatte. Es kann allerdings auch ausreichen, dass die Patienten ihre Eigenanteilsrechnungen bei den Krankenkassen oder bei den Patientenberatungsstellen der Kammern bzw. KZVen prüfen lassen.
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Der Zahnarzt gibt auf dem Vertrags-HKP eine Brücke zum Ersatz des Zahns 15 als Regelversorgung an. Der Patient erfüllt die Voraussetzungen als Härtefall. Die Eintragungen auf dem HKP sind wie folgt:
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Tatsächlich wird jedoch eine vollkeramische Brücke hergestellt und eingesetzt (‒‒KM). Das führt abrechnungstechnisch dazu, dass die Krankenkasse über den doppelten Festzuschuss hinaus die vollen Kosten in Höhe von beispielsweise ca. 1.300 Euro in Rechnung gestellt bekommt, weil die KZV und die Kasse der irrigen Annahme sind, es handele sich um eine Regelversorgung.
Bei einem solchen Vorgehen läuft die Praxis nicht nur Gefahr, den sogenannten Spitzbetrag (über den doppelten Festzuschuss hinaus bis zur Höhe der Gesamtkosten) i. H. v. ca. 360 Euro zurückzahlen (= 1.300 minus 938 Euro) zu müssen, sondern den gesamten Betrag ‒ wegen der Verletzung ihrer vertragszahnärztlichen Pflichten. Stellt diese Vorgehensweise keinen versehentlichen Einzelfall dar, drohen zudem disziplinarrechtliche Maßnahmen. |
3. Bonus-Voraussetzungen bei Wiederherstellungsmaßnahmen liegen nicht vor
Praxen verlassen sich oft auf die Angaben der Patienten, wenn diese das Bonusheft nicht vorlegen können. Geben sie an, in den vergangenen fünf oder zehn Jahren regelmäßig zur Vorsorge gewesen zu sein, rechnen die Praxen nicht genehmigungspflichtige Reparaturmaßnahmen mit dem vollen Bonus von 30 Prozent ab. Oft sind diese Angaben jedoch nicht zutreffend.
Wenn der Bonus tatsächlich nicht gegeben ist, stellen die Kassen Berichtigungsanträge und lassen den Festzuschuss richtigstellen. Eine nachträgliche Änderung der Eigenanteilsrechnung ist gegenüber dem Patienten kaum kommunizierbar. Zudem handelt es sich um kleine Beträge, bei denen sich der Aufwand nicht lohnt. So bleibt der Zahnarzt wohl auf der Differenz sitzen.
Die Praxis muss auch bei den Wiederherstellungen die Bonusvoraussetzungen prüfen. Es empfiehlt sich, eine Kopie vorgelegter Bonushefte in die Dokumentation zu nehmen. Im Zweifel ist mit 0 Prozent Bonus abzurechnen.
PRAXISTIPP | Ergibt sich im Nachhinein doch ein höherer Bonus (Patient findet noch ein Bonusheft oder die Kasse bestätigt diesen nachträglich), sollte nicht die Abrechnung des Falls bei der KZV storniert oder geändert werden. Der Patient kann sich die Differenz direkt bei seiner Krankenkasse erstatten lassen. Das spart für alle Beteiligten Kosten und Zeit. |
Weiterführender Hinweis
- Der Beitrag wird mit weiteren häufigen Anlässen der Krankenkassen für Berichtigungsanträge fortgesetzt.