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· Fachbeitrag · Reform des EU-Mehrwertsteuersystems

Quick Fixe 03: Reihengeschäfte

von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dortmund

| Mit Art. 36a (neu) MwStSystRL werden erstmals die Reihengeschäfte ausdrücklich geregelt. |

 

Definition der Reihengeschäfte

Reihengeschäfte im Sinne der Neuregelung sind

  • aufeinanderfolgende Lieferungen
  • derselben Gegenstände, bei denen die gelieferten Gegenstände
  • einer einzigen innergemeinschaftlichen Beförderung zwischen zwei Mitgliedstaaten unterliegen,

 

(vgl. Richtlinie hinsichtlich bestimmter Harmonisierungs- und Vereinfachungsregeln des Mehrwertsteuersystems für die Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, Ziffer 6).

 

Abgrenzung des Dreiecksgeschäfts

Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfte als Sonderform der innergemeinschaftlichen Reihengeschäfte bereits geregelt sind (vgl. Art. 141, 197 MwStSystRL).

 

PRAXISTIPP | Die Neuregelung gilt damit für andere Reihengeschäfte als innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte.

 

Wortlaut der Neuregelung

Neu in die MwStSystRL aufgenommen wurde folgende Vorschrift:

 

  • Art. 36a (neu) MwStSystRL
  • (1) Werden dieselben Gegenstände nacheinander geliefert und werden diese Gegenstände aus einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat unmittelbar vom ersten Lieferer bis zum letzten Erwerber in der Reihe versandt oder befördert, so wird die Versendung oder Beförderung nur der Lieferung an den Zwischenhändler zugeschrieben.
  • (2) Abweichend von Absatz 1 wird die Versendung oder Beförderung nur der Lieferung von Gegenständen durch den Zwischenhändler zugeschrieben, wenn der Zwischenhändler seinem Lieferer die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer mitgeteilt hat, die ihm vom Mitgliedstaat, aus dem die Gegenstände versandt oder befördert werden, erteilt wurde.
  • (3) Für die Zwecke dieses Artikels bezeichnet der Ausdruck „Zwischenhändler“ einen Lieferer innerhalb der Reihe (mit Ausnahme des ersten Lieferers), der die Gegenstände selbst oder auf seine Rechnung durch einen Dritten versendet oder befördert.
  • (4) Die Bestimmungen dieses Artikels gelten nicht für Fälle nach Artikel 14a.
 

Beachten Sie | Die Anwendung der neuen Vereinfachung sollte ursprünglich die Anerkennung beider Beteiligten als zertifizierte Steuerpflichtige voraussetzen (vgl. AStW 03/2018, 224 ff.). Diese Voraussetzung ist entfallen.

 

Was sind „Fälle nach Art. 14a MwStSystRL “?

Unternehmer, die Fernverkäufe von aus Drittgebieten oder Drittländern eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle, z. B. eines Marktplatzes, einer Plattform, eines Portals o. Ä., unterstützen, werden ab 1.1.2021 so behandelt, als ob sie diese Gegenstände selbst erhalten und geliefert hätten.

 

Betroffen sind Betreiber von Internet-Plattformen bzw. Internet-Marktplätzen, über die solche Verkäufe abgewickelt werden. Die Fiktion in Art. 14a MwStSystRL bedeutet, dass umsatzsteuerrechtlich zwei Lieferungen (vom liefernden Unternehmer an den Plattformbetreiber und von diesem an den Endkunden) vorliegen.

 

PRAXISTIPP | Die Betreiber von Internet-Plattformen werden also

  • nicht lediglich als für die Steuer Haftende in Anspruch genommen,
  • sondern so behandelt, als hätten sie die Lieferungen, die die liefernden Unternehmer über die Plattform ausführen, selbst bewirkt.
 

In diesem Fall ist die Beförderung gemäß der Rechtsprechung (EuGH 6.4.06, C-245/04, EMAG Handel, Rs. C-245/04) einer einzigen Lieferung innerhalb der Kette zuzurechnen, um festzustellen, auf welchen der Umsätze die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen gemäß Art. 138 MwStSystRL anzuwenden ist. Diese Bestimmung legt als Voraussetzung für die Steuerbefreiung fest, dass die Gegenstände „durch den Verkäufer, den Erwerber oder auf deren Rechnung von einem Mitgliedstaat in einen anderen versandt oder befördert“ werden.

 

In diesem Zusammenhang haben die Mitgliedstaaten legislative Verbesserungen gefordert, um die Rechtssicherheit für Wirtschaftsbeteiligte bei der Feststellung der Lieferung innerhalb der Geschäftsreihe, der die innergemeinschaftliche Beförderung zuzuschreiben ist, zu erhöhen.

 

Die anderen Lieferungen der Reihe sollen besteuert werden und können die mehrwertsteuerliche Registrierung des Lieferers im Mitgliedstaat der Lieferung erfordern. Um unterschiedliche Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten zu vermeiden, die zu Doppelbesteuerung oder Nichtbesteuerung führen könnten, und zur Verbesserung der Rechtssicherheit für die Wirtschaftsbeteiligten sollte als allgemeine Regel eingeführt werden, dass die Beförderung der Gegenstände ‒ sofern bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind ‒ einer Lieferung des Reihengeschäfts zugewiesen wird.

 

Zuordnung des Transports

Für den Fall, dass die Beförderung durch oder auf Rechnung eines der Zwischenlieferer der Reihe erfolgt ist, werden Bestimmungen vorgeschlagen, nach denen die Beförderung zuzuschreiben ist:

 

  • der Lieferung an diesen Zwischenlieferer, sofern er für Mehrwert-steuerzwecke in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat der Lieferung registriert ist und den Namen des Eingangsmitgliedstaats der Gegenstände an seinen Lieferer übermittelt hat;

 

  • der Lieferung durch den Zwischenlieferer an den nächsten Wirtschaftsbeteiligten in der Reihe, wenn eine der beiden vorab genannten Voraussetzungen nicht erfüllt ist.

 

PRAXISTIPP | Bis zum Inkrafttreten von Art. 36a (neu) MwStSystRL und der Übernahme in das deutsche Umsatzsteuerrecht bleibt es für Abholfälle bei den bisherigen Empfehlungen:

  • In den Kaufvertrag ist eine der nachfolgenden Musterklauseln aufzunehmen. Der Kunde muss sich dazu also eindeutig äußern!
  • Bei einer Nettoabrechnung ist unbedingt auch die Nachzahlungsvereinbarung vom Kunden einzufordern.
  • Im Zweifel steht sich der Händler natürlich bei einer Bruttoabrechnung besser.
  • Art. 36a (neu) MwStSystRL vereinfacht ausschließlich das EU-Geschäft. Für Ausfuhrlieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. a, § 6 UStG) wird die Problematik zunächst fortbestehen.
 

Musterklauseln / 

  • 1. Information über eine weitere Übereignung noch in Deutschland

 

„Der Vertragspartner zu § … (Käufer) informiert den Vertragspartner zu § … (Verkäufer) dahingehend, dass er die Befugnis, über die Kaufsache (§ …) wie ein Eigentümer zu verfügen (Verfügungsmacht), bereits in Deutschland auf einen Dritten übertragen wird.

 

Aus diesem Grunde erklärt sich der Käufer mit einer Bruttoabrechnung (inklusive deutsche Umsatzsteuer) einverstanden.“

 

  • 2. Information über das Unterlassen einer weiteren Übereignung noch in Deutschland

 

„Der Vertragspartner zu § … (Käufer) informiert den Vertragspartner zu § … (Verkäufer) dahingehend, dass er die Befugnis, über die Kaufsache (§ …) wie ein Eigentümer zu verfügen (Verfügungsmacht), nicht auf einen Dritten übertragen wird, bevor der Gegenstand der Lieferung die Bundesrepublik Deutschland verlassen hat.

 

Sollte dies unzutreffend sein oder von der deutschen Finanzverwaltung anders beurteilt werden, wird der Käufer dem Verkäufer die gegen ihn festgesetzte Umsatzsteuer mit Nebenleistungen (Zinsen) nachzahlen.

Sollte der Käufer sich nach Abschluss dieses Vertrags umentscheiden, wird er den Verkäufer umgehend informieren und dann mit einer Bruttoabrechnung (inklusive deutsche Umsatzsteuer) einverstanden sein.“

 

Eine Bestimmung wie Art. 36a (neu) MwStSystRL ist nicht erforderlich, wenn

 

  • die Beförderung auf Rechnung des ersten Lieferers in der Reihe (in diesem Fall kann die Beförderung nur der ersten Lieferung zugeschrieben werden) oder

 

  • des letzten Steuerpflichtigen in der Reihe gemacht wird (in diesem Fall kann die Beförderung nur der Lieferung für diesen Steuerpflichtigen zugeschrieben werden).

 

Inkrafttreten

Die Neuregelung soll in den Mitgliedstaaten ab 1.1.2020 gelten. Dazu bedarf es einer Umsetzung in das jeweilige nationale und damit auch in das deutsche Recht (Transformationsgesetz). Letzteres muss damit bis zum 31.12.2019 verabschiedet werden.

 

Fundstelle

  • Richtlinie hinsichtlich bestimmter Harmonisierungs- und Vereinfachungsregeln des Mehrwertsteuersystems für die Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, www.iww.de/s2271
Quelle: Seite 148 | ID 45664406