· Qualitätsmanagement
Unterweisungen ‒ mehr als nur eine lästige Pflicht im Qualitätsmanagement

von Ute Thelen, Fachwirtin für Zahnärztliches Praxismanagement und Betriebswirtin im Gesundheitswesen, Sassenberg
| Jede Zahnarztpraxis ist verpflichtet, ihre Mitarbeiter in den verschiedensten Arbeitsbereichen zu unterweisen. Verantwortlich dafür sind die Praxisinhaber. Sie können die Unterweisungen aber auch an entsprechend qualifizierte Mitarbeiter oder externe Berater, Trainer o. Ä. delegieren. Jedoch werden in vielen Praxen die Unterweisungen eher als lästige Pflicht angesehen. Zu Unrecht, denn sie sie können den Mitarbeitern ein gesundes und sicherheitsbewusstes Arbeiten vermitteln. Es folgen einige Hintergrundinformationen und Empfehlungen. |
Wer muss unterwiesen werden?
Alle Mitarbeiter der Praxis, die durch ihren Arbeitsvertrag an die Praxis gebunden und durch den Arbeitgeber bei der Unfallversicherung gemeldet sind, sind zu unterweisen.
Zu welchen Inhalten ist zu unterweisen?
Der Gesetzgeber gibt die grundsätzlichen Themen für die Pflichtunterweisungen vor:
- Hygiene/Hygieneplan
- Röntgen
- Gerätesicherheit/Laser/Hochfrequenzgeräte/alle elektrischen Anlagen/Druckgeräte
- Medizinprodukte
- Datenschutz und Schweigepflicht
- Brandschutz
- Immunisierungsmöglichkeiten/arbeitsmedizinische Vorsorge/Hautschutz
- Jugendarbeitsschutzgesetz
- Infektionsschutz inklusive Mutterschutz
- Umgang mit biologischen Arbeitsstoffen
- Ergonomie
- Arbeitsschutz/Unfallverhütung/Gefahrstoffe/Erste Hilfe und Verhalten bei Unfällen
Die rechtlichen Grundlagen für die Unterweisungen finden sich z. B. in der DGUV (Deutsche gesetzliche Unfallversicherung) Vorschrift 1, Arbeitsschutzgesetz, Jugendarbeitsschutzgesetz, Mutterschutzgesetz, Gefahrstoffverordnung, Biostoffverordnung, Strafgesetzbuch, Medizinprodukte-Betreiberverordnung, Strahlenschutzverordnung, RKI-/BfArM-Empfehlungen, Bundesdatenschutzgesetz und Betriebssicherheitsverordnung. Diese Liste ist nicht abschließend. Ihre Zahnärztekammer stellt dafür weitere Unterlagen zur Verfügung.
Wann und wie oft ist zu unterweisen?
Erstunterweisungen für neue Mitarbeiter müssen sofort oder zeitnah durchgeführt werden; ebenso muss sofort oder zeitnah in neue Geräte, neue Arbeitsstoffe oder geänderte Abläufe unterwiesen werden.
Mit einer einmaligen Unterweisung ist es aber nicht getan. Wiederholungsunterweisungen sind
- mindestens jährlich bzw.
- halbjährlich für jugendliche Mitarbeiter bzw.
- anlassbezogen (sofort bis zeitnah) durchzuführen.
Wie lange muss eine Unterweisung dauern?
Dafür gibt es keine konkreten Vorgaben. Die Dauer der Unterweisung ist abhängig vom Thema und den Methoden, die die unterweisende Person einsetzen möchte. Für Gruppenarbeiten oder praktisches Üben ist mehr Zeit einzuplanen. Hier steigert die aktive Teilnahme die Aufmerksamkeit und den Lerneffekt.
PRAXISTIPP | Doch auch hier schwinden Aufmerksamkeit und Konzentration nach einiger Zeit. Daher können kürzere Unterweisungen von 15 bis 20 Minuten Dauer effektiver sein als eine einzelne lange. Planen Sie bei längeren Unterweisungen Pausen ein oder verteilen Sie die Unterweisungen auf mehrere Termine. |
Wie sind die Mitarbeiter zu unterweisen?
Hier wird der Fantasie des Unterweisenden keine Grenzen gesetzt. Die Unterweisung sollte adäquat dem Anlass und der Qualifikation der Mitarbeiter gestaltet sein. Eine verständliche persönliche Vermittlung wird ebenfalls vorausgesetzt. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheit- und Wohlfahrtspflege (BGW) regt dazu an: „Trotzdem bleibt der persönliche Austausch bei der gesetzlich vorgeschriebenen Unterweisung auch im digitalen Zeitalter grundsätzlich unverzichtbar.“
Vorteile von Unterweisungen
Die Vorteile von Unterweisungen für die Praxis und die Mitarbeiter geben die folgenden beiden Grafiken wieder:


Die zuständigen Zahnärztekammern liefern durch BuS-Dienste (Betriebs-ärztlicher und Sicherheitstechnischer Dienst) oder auf ähnlichen Plattformen etliche Materialien zur Umsetzung der Unterweisungen. Es gibt Formulare zu einzelnen Themen oder Sammelunterweisungen zu mehreren Themen. Aber: „Stumpf“ unterschreiben kann jeder! So leicht darf man es sich nicht machen.
Beispiele für praktische Unterweisungen
Ich gebe zu, dass mir zu einigen Themen auch nichts anderes einfällt, als das Vorlegen des Formulars mit der Bitte, dieses durchzulesen und zu unterschreiben. Es folgen einige Beispiele zu Unterweisungen, die auf die Mitarbeiter motivierend und wertschätzend wirken, nachhaltig sind und Erfolge erzielen.
1. Hygiene / Umgang mit Arbeitsmitteln
Hygieneunterweisungen oder Unterweisungen zum Umgang mit Arbeitsmitteln können als „Finde-den-Fehler-Spiel“ gestaltet werden ‒ verbunden mit praktischem Hintergrund. Eine eingeweihte Kollegin bereitet beispielsweise ein Behandlungszimmer nach einem chirurgischen Eingriff auf und macht absichtlich Fehler, die die anderen Mitarbeiter erkennen sollen. Die Methode wirkt sehr nachhaltig, weil sich bei einer Fehlererkennung Diskussionen, weitere Aspekte und Lösungen ergeben.
2. Ergonomisches Arbeiten
Ein Physiotherapeut könnte in die Praxis eingeladen werden und den Mitarbeitern das ergonomische Arbeiten am PC oder am Stuhl erklären. Das ist pure Wertschätzung der Mitarbeiter.
3. Umgang mit gefährlichen Stoffen
Solche Unterweisungen bedürfen einer intensiveren Vorbereitung, haben aber dadurch eine längere Wirkung bei den Mitarbeitern. Beim „Googeln“ finden Sie im Internet zu diesem Thema genügend Materialien, die für die Unterweisung genutzt werden können.
4. Datenschutz und Schweigepflicht
Datenschutzverletzungen oder schwierige Situationen, den Datenschutz in der Praxis zu gewährleisten, lassen sich in Rollenspielen sehr nachhaltig, amüsant und motivierend für alle Mitarbeiter darstellen. Bereiten Sie mit einer Kollegin Situation an der Rezeption oder virtuelle Telefonate vor und lassen Sie sich von anderen Kolleginnen unterbrechen, wenn die Datenschutzverletzung aufgetreten ist. Daraus ergeben sich Diskussionen und weitere Ideen sowie Lösungen.
5. Erste Hilfe und Verhalten bei Unfällen in der Praxis
Hier empfiehlt es sich, einen Experten einzuladen und die Unterweisung sehr praxisnah vor Ort ‒ also in der Praxis ‒ durchführen zu lassen. Möglich wäre auch eine gemeinsame Unterweisung mit befreundeten Praxen aus Ihrer Stadt.
Teambesprechungen für diverse Unterweisungen geeignet
Teambesprechungen sind geeignet, um zu bestimmten Themen wie z. B. „Röntgen“ oder „gesundes Arbeiten“ Unterweisungen durchzuführen. Dabei sollten auch die Auszubildenden mit ins Boot geholt werden. Beim Thema „gesundes Arbeiten“ z. B. könnte der Auszubildende mit Unterstützung einer ausgelernten Kollegin eine Unterweisung zum Thema „Persönliche Schutzausrüstung“ vorbereiten und dieses Thema gleichzeitig für einen Fachbericht für das Berichtsheft nutzen.
Anlassbezogene Unterweisungen sollten generell zeitnah in der Teambesprechung erfolgen und anschließend im Team besprochen werden. Solche anlassbezogenen Unterweisungen sind z. B.
- Störungen im Arbeitsablauf,
- seltene Arbeitsabläufe,
- Arbeitsplatzwechsel innerhalb der Praxis,
- Änderungen gesetzlicher Vorschriften, Verordnungen oder Vorschriften,
- arbeitsbedingte Erkrankungen,
- Unfall oder Beinaheunfall oder
- sicherheits- und gesundheitswidriges Verhalten von Mitarbeitern.
Wichtig ist, dass die Unterweisungen korrekt dokumentiert werden und die Vorschriften zu den Wiederholungen eingehalten werden. Die Termine können z. B. im elektronischen Bestellbuch oder Aufgabenplaner mit der entsprechenden zeitlichen Vorgabe der Wiederholung eingeplant werden. Die BGW stellt auf ihrer Homepage Hilfen zur Verfügung (bgw-online.de/medien).
PRAXISTIPP | Generell gilt: Der Lernerfolg von Unterweisungen ist umso größer, je mehr die unterwiesene Person mit einbezogen wird. Muss sie nur zuhören, ist der Lernerfolg eher mäßig. Besteht die Unterweisung hingegen aus „hören + sehen + diskutieren + selbst ausführen“, ist der Lernerfolg wesentlich höher. |
Vergessen Sie nicht die Wirksamkeitskontrolle. Auch hier lebt das Qualitätsmanagement nur, wenn auch die Wirksamkeit der Unterweisungen von Zeit zu Zeit überprüft wird. Sollten sich auch nach der Unterweisung weiterhin Fehler oder Fehlverhalten einschleichen, wäre das ein Grund, eine entsprechende anlassbezogene Unterweisung durchzuführen.
FAZIT | Unterweisungen müssen nicht langweilig sein, sondern können nachhaltig wirken und durch eine entsprechende Atmosphäre motivierend für alle Mitarbeiter sein. Gelebtes Qualitätsmanagement und gelebter Arbeitsschutz erhöht die Mitarbeiterzufriedenheit und senkt die Fehler- und Risikoquote sowie die Zahl der Unfälle oder Beinaheunfälle in der Praxis und auf dem Arbeitsweg. |