· Fachbeitrag · Private Vermögensplanung
Der Einstieg in die private Vermögensplanung über „kleine Beratungsfelder“
von StB Dirk Klinkenberg, Bergisch-Gladbach, www.curator.de
| Der Oberbegriff „Private Vermögensplanung“ wird häufig gleichgesetzt mit der Erstellung einer kompletten Vermögens- und Finanzplanung. Diese gedankliche Einengung führt dazu, dass nicht nur in der Kanzlei der Aufwand zum Einstieg in die Beratung fachlich und zeitlich zu hoch eingeschätzt wird. Es führt auch dazu, dass das eigentliche Potenzial dieses Beratungsfelds unterschätzt und nicht genutzt wird. Dieser Beitrag soll zeigen, wie die Dienstleistung private Vermögensplanung aus der steuerlichen Beratung heraus entwickelt werden kann. |
1. Was können wir und was will der Mandant?
Mandanten haben nicht das Gefühl „Jetzt brauche ich eine umfassende Übersicht über mein Vermögen und meine Finanzen. Und deshalb beauftrage ich meinen Steuerberater, mir genau dieses zu liefern.“ Beratung braucht immer einen Anlass und die Anlässe sind vielfältig. Zur Beantwortung mancher Fragen wird tatsächlich eine komplette Vermögens- und Finanzplanung benötigt. Häufig reicht aber auch eine begrenzte Beratung. Deshalb sollte sich die Kanzlei zunächst darüber klar werden, welche typischen Fragen die Mandanten haben (und hatten) und wie das passende Beratungsangebot aussehen könnte.
1.1 Aufbau der kleinen Beratungsfelder
In diesem Sinne empfiehlt sich ein Vorgehen in vier Schritten
- Schritt 1: Was fragen die Mandanten bereits nach? Nachfrage ist dabei die Kombination aus inhaltlichem Interesse und der Frage, wie viele Mandanten bereit sind, für die Dienstleistung zu bezahlen. Für den ersten Schritt ist die Übersicht der „Türöffner“ (s. u.) gedacht. Sie eignet sich gerade auch in den Fällen, in den die Mandanten den Bedarf nach privater Vermögensplanung noch nicht selbst artikulieren.
- Schritt 2: Was kann die Kanzlei schon anbieten? Welche Beratungsfelder kann die Kanzlei auf Basis des vorhandenen Wissens anbieten? Es geht hier um Beratungen zu Themen wie sie unter Tz. 2 abgehandelt werden.
- Schritt 3: Welche Ressourcen können bereitgestellt werden? Hier geht es um die Bereitstellung der fachlichen, zeitlichen und personellen Ressourcen (vgl. Klinkenberg, PFB 20, 250).
- Schritt 4: Wie kann das Angebot in Akquise und Marketing ausgebaut werden? Der Punkt sei an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Sicher ist es nicht damit getan, private Vermögensplanung in den Dienstleistungskatalog der Kanzlei aufzunehmen. Diese Dienstleistung will aktiv propagiert werden, weil ‒ anders als bei der Steuerberatung ‒ eben kein gesetzlicher Zwang hinter der Inanspruchnahme steht.
Übersicht / Türöffner beim Mandanten für die private Vermögensplanung | ||
Motive | Signale | Zahl der Mandate |
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| Der Betrieb wird betriebswirtschaftlich beraten z. B. durch individuelle BWA etc. Eine Betreuung der privaten Seite findet aber systematisch weder vom Steuerberater noch von dritter Seite statt. | |
| Auskunftsersuchen der Hausbank des Mandanten, regelmäßige Überziehungen des privaten oder betrieblichen Girokontos |
vgl. Klinkenberg, Private Vermögensplanung ‒ ein zusätzliches Betätigungsfeld in der Kanzlei, Betriebswirtschaftliche Mandantenbetreuung, 12/2004, S. 321
ZWISCHENFAZIT | Sowohl die pragmatische Herangehensweise in vier Schritten, als auch die Gesichtspunkte der Risikominimierung und begrenzter Ressourcen, sprechen für den Einstieg in die private Vermögensplanung über „kleine Beratungsfelder.“ |
1.2 Zum Vergleich: Komplette private Finanzplanung
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, wie demgegenüber eine komplette private Vermögensplanung aussehen könnte. Sie ist letztlich nichts anderes als die Zusammenführung der Einzelaspekte zu einem Gesamtbild. Die komplette Finanzplanung ergibt sich zum einen aus einer Integration der hier in Tz. 2 dargestellten Teilthemen ergänzt um weitere Aspekte wie z. B. die Liquiditätsentwicklung in Verbindung mit einer strategischen Beratungskomponente.
Eine private Finanzplanung ‒ durch den Steuerberater ‒ setzt sich also zusammen aus
- einer Darstellung des Status quo mit logischer Fortschreibung von Vermögen, Liquidität und Steuern und
- einer Analyse und daran anschließenden strategischen Beratung.
PRAXISTIPP | Im ersten Schritt leistet der Steuerberater eine wesentliche Grundlage der privaten Vermögens- und Finanzplanung, wenn er sich auch in diesem Bereich auf das konzentriert, was seiner täglichen Arbeit und seiner ihm eigenen Kompetenz entspricht. |
Aus der Übersicht wird deutlich, dass der Steuerberater seine Tätigkeit nicht mit der Erstellung von Vermögens- und Finanzplanungen durch Finanzdienstleister vergleichen sollte. Vielmehr sollte er unter Berücksichtigung der Erwartungshaltung der Mandanten und seiner eigenen Kompetenz seine Tätigkeit in Analogie zur Erstellung von betrieblicher Bilanz und GuV begreifen.
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Tätigkeit | Betrieblicher Bereich | Private Vermögens- und Finanzplanung |
Datenerhebung | Finanzbuchhaltungsdaten anhand der Mandantenbelege zusammenstellen und kontieren | Private Vermögens- und Finanzdaten sammeln aus:
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Datenerfassung |
| Erfassung der Daten in einer speziell auf Steuerberater zugeschnittenen Planungssoftware (z. B. Prima plan, www.instrumenta.de) |
Datenaufbereitung | Komprimierung der Daten in eine aussagefähige BWA (monatlich, quartalsmäßig) und in Bilanz und GuV (jährlich) durch die eingesetzte Software | Komprimierung der Daten in eine aussagefähige private Bilanz und eine private GuV durch die eingesetzte Software |
Datenanalyse |
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2. Welche anlassbezogenen Beratungsfelder gibt es?
Private Vermögensplanung ist im Wesentlichen eine anlassbezogene Dienstleistung. Besondere Ereignisse im Leben des Mandanten erhöhen sehr stark die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der planvollen Gestaltung der eigenen Finanzen:
- Runde Geburtstage
- Geburt von Kindern/Enkelkindern
- Tod von gleichaltrigen Familienmitgliedern/Freunden/Bekannten
- Heirat/Scheidung
- Größere private Investitionen, wie z. B. Immobilienkäufe (VuV oder Eigenheim)
- Planung von vorweggenommener Erbfolge
Diese Gelegenheiten können sehr gut aufgegriffen werden, um die latente Beratungsbereitschaft zu aktivieren. Da der Einstieg am besten über die anlassbezogene Beratung erfolgt, werden im Folgenden mehrere Beratungsthemen dargestellt, die sich auf viele Mandanten anwenden lassen und mit denen man mit wenig Aufwand erhebliche Mehrwerte generieren kann.
PRAXISTIPP | Viele Themen bedienen einen latenten Beratungsbedarf und sind nicht darauf angewiesen, dass der Mandant die Initiative ergreift. Viele Themen ziehen für den Berater ihren Nutzen nicht nur aus der inhaltlichen Qualität, sondern führen alleine schon deshalb zu einem Mehrwert, weil sich der Berater so beim Mandanten als umsichtig und proaktiv präsentiert. |
2.1 Einfache Steuergestaltungen
Um in den Bereich der privaten Vermögensplanungen einzusteigen, bieten sich kleine Themen mit einem hohen Bezug zur Steuergestaltung an. Dies senkt die Hürde für Kanzlei und auch für den Mandanten, weil er auf Themen angesprochen wird, die er von seinem Steuerberater erwartet bzw. erhofft.
2.1.1 Doppelzahlung von Krankenversicherungsbeiträgen
Wie andere Vorsorgeaufwendungen können Krankenversicherungsbeiträge (gesetzlich oder privat) nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG steuerlich geltend gemacht werden. Sie fallen unter den Begriff des „sonstigen Vorsorgeaufwands“, sind aber nach § 10 Abs. 4 EStG betragsmäßig begrenzt. Je nach sozialversicherungsrechtlicher Stellung beträgt dieser Höchstbetrag pro Person und Jahr 1.900 EUR (Angestellte) oder 2.800 EUR (Selbstständige). Daraus ergibt sich für Eheleute, dass maximal 5.600 EUR pro Jahr steuerlich geltend gemacht werden können.
Bei den meisten Steuerpflichtigen wird dieser Höchstbetrag alleine durch die Krankenversicherungsbeiträge komplett ausgenutzt und alle anderen sonstigen Vorsorgeaufwendungen werden faktisch steuerlich nicht berücksichtigt. Dabei nehmen Krankenversicherungs-/Pflegeversicherungsbeiträge eine Sonderstellung nach § 10 Abs. 4 S. 4 EStG ein. Sie sind immer in voller Höhe zum Abzug zugelassen, selbst wenn sie den Höchstbetrag überschreiten. Auf dieser Sonderregelung basiert das Steuergestaltungsmodell. Wenn Krankenversicherungsbeiträge im laufenden Jahr zusätzlich für zukünftige Jahre vorausgezahlt werden, erhöht sich der abzugsfähige Vorsorgeaufwand im Jahr der Zahlung, weil im Bereich der Sonderausgaben das Zufluss-/Abflussprinzip gilt. Die Zuordnung zum Veranlagungsjahr erfolgt also nicht nach dem Jahr für das gezahlt wird, sondern in dem gezahlt wird.
Voraussetzung für das Steuergestaltungsmodell ist also neben der Vorauszahlung der Krankenversicherungsbeiträge die Existenz von Beiträgen zu sonstigen Vorsorgeaufwendungen. Um den Steuereffekt zu beurteilen, muss dieser anhand der konkreten steuerlichen Verhältnisse berechnet werden. Er ist aber in fast 100 % der Fälle größer als der Zinseffekt, der sich durch den früheren Liquiditätsabfluss ergibt. Grundsätzlich existiert hier keine Beschränkung, wie viel und für welchen Zeitraum vorausgezahlt wird. Der Gesetzgeber hat aber ‒ um die Wirkung dieser steuerlichen Gestaltung zu bremsen ‒ eine Grenze gezogen. Mit steuerlicher Wirkung dürfen seit dem 1.1.20 maximal drei Jahresbeiträge vorausgezahlt werden (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 S. 5 EStG).
Beachten Sie | Beitragszahlungen in die private Krankenversicherung steuerlich optimieren (Klinkenberg, PFB 19, 251); Lohnt es sich, Krankenversicherungsbeiträge vorauszuzahlen? (Klinkenberg, PFB 14, 193)
2.1.2 Ausnutzung der Höchstbeträge für den Altersvorsorgeaufwand
Nach § 10 Abs. 3 EStG können Eheleute einen Jahr für Jahr steigenden Anteil ihrer Aufwendungen für Beiträge zu gesetzlicher Rentenversicherung, Versorgungswerk und Basis-Renten (Rürup) steuerlich geltend machen. Die Abzugsfähigkeit beträgt im Jahr 2020 90 % und steigt jährlich um 1 %. Ab 2030 können dann 100 % der Beiträge steuerlich geltend gemacht werden. Auch hier gibt es einen Höchstbetrag, der für Eheleute in 2020 50.096 EUR beträgt und jährlich anhand der Steigerung der Beitragsbemessungsgrenze der knappschaftlichen Rentenversicherung angepasst wird.
PRAXISTIPP | Da alle drei genannten Versicherungsformen in der Regel zusätzliche Beitragszahlungen ermöglichen, kann der Steuerberater im Herbst berechnen, welchen Freiraum der Mandant noch bis zu Höchstgrenze hat. Damit kann der Mandant dann nicht nur etwas für seine Altersvorsorge tun, sondern sich auch einen erheblichen Teil der Zahlungen über die Einkommensteuer im Folgejahr „zurückholen“. |
2.2 Finanzierung
Beratungen rund um das Thema Finanzierung gehören in vielen Kanzleien fast zum „Tagesgeschäft“. Eine gestrichene Kreditlinie oder eine Anschlussfinanzierung zu deutlich schlechteren Zinskonditionen können sowohl Unternehmen als auch Privathaushalte in eine wirtschaftliche Schieflage bringen. Deshalb macht es Sinn, sich vorausschauend mit dem Thema zu befassen und den Mandanten eine vorausschauende Dienstleistung anzubieten.
2.2.1 Finanzierungsübersicht
In Finanzierungsfragen bedeutet „vorausschauend“ in erster Linie Datensammlung und -aufbereitung im Sinne von „sich den Überblick verschaffen“. Beratung kann nur auf aussagekräftigen Auswertungen aufbauen, die sowohl den aktuellen Finanzierungsstand als auch die planmäßige Entwicklung der Finanzierungssituation berücksichtigen.
- Vertragsübersicht: Alle Darlehensverträge sollten übersichtlich dargestellt werden, damit die wesentlichen Eckdaten auf einen Blick erkennbar sind. Durch eine transparente und bankübergreifende Übersicht der verschiedenen Kreditkonditionen kann der Berater z. B. ermitteln, bei welchem Darlehen bessere Konditionen möglich sein müssten und wann Eingriffszeitpunkte (z. B. auslaufende Zinsfestschreibungen) vorhanden sind.
- Fortschreibung der Finanzierungssituation: Durch die Hochrechnung der bestehenden Darlehen wird sichtbar, über welchen Zeitraum welche liquiden Belastungen zu erwarten sind und ob Sondersituationen wie z. B. endfällige Tilgungen auf den Mandanten zukommen. Zusätzlich muss dann betrachtet werden, ob die zu erwartende Auszahlung aus dem zugehörigen Tilgungsträger z. B. einer Kapital-Lebensversicherung dazu ausreicht.
PRAXISTIPP | Auf dieser Grundlage können Finanzierungslücken frühzeitig erkannt und gestalterisch angegangen werden und die Annuitäten können hinsichtlich ihrer Steuerwirkung sinnvoll verteilt werden. |
2.2.2 Finanzierungsvergleich/-beratung
Finanzierungsberatung im Sinne der Erstellung von Finanzierungvergleichen entsteht entweder aufgrund konkreter Vergleichssituationen oder als Optimierungsempfehlungen aus der Erstellung einer Finanzierungübersicht. Es geht immer darum, mindestens zwei Finanzierungssituationen zu vergleichen, um die jeweils beste Alternative für den Mandanten zu finden.
Beachten Sie | Berechnung und Darstellung von Finanzierungsvergleichen (Klinkenberg, PFB 11, 169). Die „Kreditinspektion“ - Warum sie wichtig ist und warum sie sich lohnt (Klinkenberg, PFB 16, 81).
2.3 Immobilienanalyse
Das Thema Vermögensaufbau über Immobilien ist nicht erst seit der Finanzkrise ‒ mangels Anlagealternativen ‒ ein Dauerbrenner in der Beratung. Der Auftrag eines Mandanten zur Analyse einer Immobilie entsteht natürlich in erster Linie dann, wenn eine Immobilie gekauft werden soll. Im Kern geht es bei der Analyse um die Frage: „Rechnet sich die Immobilie oder rechnet sie sich nicht?“ Da typischerweise eine größere Zahl der Mandanten über Vermietungs-Immobilienbesitz verfügt, ist es interessant, solche Analysen aktiv auch für Bestandsimmobilien anzubieten.
Was unterscheidet die Analyse einer Bestandsimmobilie von der Analyse einer möglichen Immobilieninvestition? Der Unterschied liegt in den Handlungsoptionen für den Mandanten: Im Investitionsfall kann er im negativen Fall frei entscheiden, ob er die Immobilie überhaupt kaufen will. Im Bestandsfall sind seine Handlungsoptionen „Verbesserungspotenzial erkennen und heben“ oder „Immobilie verkaufen“. Beide Optionen führen zu erheblich mehr Handlungsbedarf als im Investitionsfall. Der Beratungskern ist aber für den Steuerberater identisch.
Beachten Sie | Analyse einer vermieteten Eigentumswohnung (Klinkenberg, PFB 11, 216); Investition in eine denkmalgeschützte Immobilie (Klinkenberg, PFB 14, 46); Können niedrige Finanzierungszinsen die Rendite einer Immobilieninvestition retten? (Klinkenberg, PFB 17, 316); Umfinanzierung einer Eigentumswohnung - sinnvoll oder nicht? (Klinkenberg, PFB 13, 53)
2.4 Privater Vermögensstatus
Der „Vermögensstatus“ stellt einen Überblick über Vermögen und Schulden des Mandanten her. Mögliche Anlässe hierfür können sein:
- 1. Erstellung einer Selbstauskunft nach § 18 KWG
- 2. Grundlagenerstellung für eine „Notfallmappe“
- 3. Herstellung eines Status quo „Wo stehe ich? für z. B. Testamentarische Überlegungen
- 4. Wiederherstellung des „verloren gegangenen“ Überblicks
Für den Mandanten, der eine Selbstauskunft nach § 18 KWG abgeben muss, bieten sich mehrere Möglichkeiten an, um seiner Verpflichtung nachzukommen. Er kann das Selbstauskunftsformular seiner Bank selbst ausfüllen. Er kann dies an den Steuerberater delegieren, weil er keine Zeit, kein Know-how oder einfach keine Lust hat, es selbst zu tun. Die Erstellung über den Steuerberater unterstreicht im Verhältnis zur Bank auch die „Richtigkeit“ des Zahlenwerks und kann damit Nachfragen oder das Beibringen weiterer Unterlagen reduzieren.
2.5 Darstellung der Altersvorsorgesituation
Altersvorsorgeberatung setzt sich aus mindestens drei wesentlichen Elementen zusammen. Zuerst kommt die Ermittlung und transparente Darstellung der bestehenden Altersvorsorgesituation. Dann wird über eine strategische Beratung festgelegt, wie eine sichtbar gemachte Versorgungslücke geschlossen werden könnte. Im letzten Schritt geht es dann um die konkrete Problemlösung.
Beachten Sie | Altersvorsorge-Beratung als strategisches Geschäftsfeld für die Steuerkanzlei (Klinkenberg, PFB 18, 338)
2.6 Besondere Beratungsanlässe in der Heilberufeberatung
Ist der Berater auf eine bestimmte Mandantenzielgruppe spezialisiert, dann lassen sich weitere zielgruppenspezifische Anlässe im Sinne der kleinen Beratungsfelder finden.
2.6.1 Wann sollte der (Zahn-)Arzt in Rente gehen?
Der Zeitpunkt des Rentenbeginns kann in allen Versorgungswerken für Ärzte oder Zahnärzte laut Satzung in einer relativ großen zeitlichen Spannbreite selbst gewählt werden ‒ unabhängig von der Tatsache, ob der Arzt/Zahnarzt weiter beruflich tätig ist oder nicht. Das eröffnet interessante wirtschaftliche Überlegungen, mit denen sich jeder Arzt/Zahnarzt beschäftigen sollte. Im Grunde geht es um eine Wette, bei der man sechsstellige Beträge gewinnen oder auch verlieren kann. Immer dann, wenn über das 67. Lebensjahr hinaus weiter gearbeitet wird oder der Rentenberechtigte aus anderen Gründen nicht sofort auf den Bezug der Rente finanziell angewiesen ist, kann es sehr sinnvoll sein, den Rentenbezug bewusst bis zum 70. Lebensjahr hinauszuzögern. Oft sind die Renditen, die man dadurch erzielen kann, wesentlich höher als bei jeder halbwegs sicheren Kapitalanlage.
Beachten Sie | Die Wette auf den richtigen Zeitpunkt für den Beginn des Rentenbezugs (Klinkenberg, PFB 18, 144)
2.6.2 Mehrbeitrag ins Versorgungswerk
Viele Versorgungswerke informieren gegen Ende des Jahres darüber, welche Beiträge man in diesem Jahr noch einzahlen kann, um den Rentenanspruch zu erhöhen. Manche Versorgungswerke kommunizieren auch, welche Rentensteigerungen sich dadurch erreichen lassen, dass man den Maximalbeitrag einzahlt statt des Regelbeitrags. Kernzielgruppe sind Versorgungswerkmitglieder, die unter 62 sind und noch nicht den Maximalbeitrag einzahlen. Ein erweiterter Kreis besteht aus Versorgungswerkmitgliedern, die den Maximalbeitrag ins Versorgungswerk einzahlen, aber keine anderen Altersvorsorgebausteine aufbauen. Die Prüfung, ob das steuerlich und finanziell sinnvoll ist, obliegt dann dem Steuerberater, weil das Versorgungswerk nicht wissen kann, ob z.B. noch Rürup-Verträge existieren.
2.6.3 Lohnt eine Umschichtung vom Versorgungswerk in die Rürup-Rente?
Obwohl die Rürup-Rente eigentlich gerade für Selbstständige gedacht ist, die keine Möglichkeit haben, einem Versorgungswerk beizutreten, bieten Versicherungsberater die Rürup-Rente immer wieder z. B. Ärzten an, „weil das steuerlich ja so unheimlich günstig“ sei oder mit dem Argument, das Risiko auch in der Vorsorge zu diversifizieren. Hier muss in der Beratung zum einen die Frage geklärt werden, ob das stimmt und zum anderen gezeigt werden, wie der Berater diese Situation dafür nutzen kann, den Mandanten solide hinsichtlich seiner Vorsorgesituation zu beraten.
Der frühzeitige Abruf der Altersrente aus dem Versorgungswerk und der Abschluss einer neuen Rürup-Rente in Höhe der ersparten Beiträge scheint von der liquiden Situation her empfehlenswert zu sein. Zu beachten sind aber bei dieser Betrachtung immer auch die Zusatzleistungen, die im Versorgungswerk besser sein können als beim Rürup-Vertrag. Zusatzleistungen können Rentenzahlungen bei Berufsunfähigkeit (bis zum 65. Lebensjahr) oder die Höhe der Witwenrente im Todesfall des Hauptversicherten sein. Dies muss dann in der Darstellung informativ für den Mandanten ergänzt werden. Ein genauer Blick in die Bedingungen des Versorgungswerks gehört also dazu.
Beachten Sie | Lohnt eine Umschichtung von Leistungen vom Versorgungswerk in eine Rürup-Rente? (Klinkenberg, PFB 3, 136)
2.6.4 Entschuldung vor Eintritt in den Ruhestand
Die wenigsten Ärzte planen absichtlich Praxis- oder Immobilienfinanzierungen über den Renteneintritt hinaus. Wirtschaftlich ist die Rückzahlung mit Blick auf die zu erwartenden (niedrigeren) Renteneinkünfte besonders wichtig. Aber Planung und Realität sind nicht immer deckungsgleich. Selbst wenn man beim Abschluss der Finanzierungen immer darauf geachtet hat, dass die Laufzeit vor dem geplanten Renteneintritt endet, kann es passieren, dass dieses Ziel gefährdet ist.
Wenn der Mandant also schuldenfrei in den Ruhestand gehen möchte, sollte er nicht versäumen durch eine regelmäßig aktualisierte Finanzierungsübersicht und Planung des Entschuldungsprozesses die Übersicht zu wahren und Probleme bereits in den Anfängen zu erkennen. Dann fallen notwendige Korrekturen wesentlich leichter. Je mehr Zeit für Korrekturen verbleibt, desto einfacher und kostensparender können Anpassungen vorgenommen werden.
Beachten Sie | Schuldenfrei in den Ruhestand (Klinkenberg, PFB 17, 140)