· Fachbeitrag · Personal
Bewerber kennenlernen: Möglichkeiten und Risiken des Probearbeitens
von RAin Jasmin Johanna Kasper, Dr. Schmidt und Partner, Koblenz/Dresden/München/Oberhausen
| Möchte der potenzielle Arbeitgeber einen Bewerber über das Vorstellungsgespräch hinaus besser kennenlernen, stellt sich die Frage, ob und unter welchen arbeitsrechtlichen Voraussetzungen ein Probearbeiten vereinbart werden kann. Da unbefristete Arbeitsverhältnisse auch mündlich oder sogar konkludent abgeschlossen werden können, ist das bloße Probearbeiten arbeitsrechtlich schnell als Vertragsschluss eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zu werten ‒ mit Vergütungspflichten, Kündigungsfristen etc., die der Arbeitgeber zu beachten hat. Hier helfen nur eindeutige Regeln. |
Nur kurzes Einfühlungsverhältnis vereinbaren
Eine Möglichkeit des unverbindlichen Kennenlernens der potenziellen Arbeitsvertragsparteien bietet das sogenannte Einfühlungsverhältnis. Die Besonderheit des Einfühlungsverhältnisses liegt darin, dass die originären arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten nicht bestehen: Der Arbeitnehmer ist nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet und der Arbeitgeber ist nicht zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet. Es wird schlichtweg kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet. Während des Einfühlungsverhältnisses besteht daher auch kein arbeitgeberseitiges Direktionsrecht. Der Bewerber ist nur dem Hausrecht unterworfen. Dem Apotheker ist es nicht möglich, im Rahmen des Einfühlungsverhältnisses die Arbeitsleistung des Bewerbers zu testen. Sinn und Zweck des Einfühlungsverhältnisses ist vielmehr, ein Gespür für die jeweils andere potenzielle Arbeitsvertragspartei zu entwickeln.
Wichtig | Die Grenze zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses kann leicht überschritten werden. Nach der Rechtsprechung darf das Einfühlungsverhältnis nur als bloße unbezahlte Kennenlernphase ausgestaltet sein. Deshalb sollte das Einfühlungsverhältnis nur wenige Tage andauern und den Zeitraum von maximal einer Woche nicht überschreiten. Der Bewerber darf in keinem Fall Tätigkeiten für die Apotheke ausführen. Es dürfen ihm keinerlei Arbeitspflichten auferlegt werden. Nur wenn sich der Apotheker hieran hält, vermeidet er einen Vergütungsanspruch des Bewerbers.
PRAXISTIPP | Das Einfühlungsverhältnis unterliegt keinen Schriftformerfordernissen, sodass es auch mündlich vereinbart werden kann. Aus haftungsrechtlicher Sicht empfiehlt es sich jedoch, die vertraglichen Bedingungen schriftlich festzuhalten: Sollte der Bewerber während des Zeitraums des Einfühlungsverhältnisses Schäden im Betrieb verursachen, ist die private Haftpflichtversicherung zum Schadenausgleich heranzuziehen. Der Apotheker sollte sich insofern zuvor durch eine vertragliche Regelung über das Bestehen einer privaten Haftpflichtversicherung absichern. |
Befristetes Arbeitsverhältnis zur Erprobung nutzen
Eine andere Möglichkeit des Kennenlernens eines Bewerbers stellt das befristete Arbeitsverhältnis zur Erprobung dar. Der Zweck der Erprobung ist nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) ein sachlicher Grund, der die Befristung des Arbeitsverhältnisses ermöglicht. Die Parteien schließen einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der nur bis zu einem vereinbarten Stichtag andauern soll. Die Befristung muss eindeutig geregelt werden. Das damit begründete Arbeitsverhältnis endet automatisch mit Erreichen des Endtermins, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
MERKE | Zu beachten ist, dass der Erprobungszweck als sachlicher Grund für den Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses mit Sachgrund dann nicht in Betracht kommt, wenn dem Arbeitgeber die persönliche und fachliche Eignung für die vorgesehene Tätigkeit aufgrund einer vorangegangenen Beschäftigung bereits bekannt ist. Es sei denn, es handelt sich um eine deutlich andere oder höherwertige Tätigkeit. |
Schriftformerfordernis muss gewahrt sein
Die Wirksamkeit des befristeten Vertrags hängt maßgeblich davon ab, dass das für befristete Arbeitsverhältnisse erforderliche Schriftformerfordernis gewahrt wird (vgl. § 14 Abs. 4 TzBfG). Hierfür ist es zwingend erforderlich, dass beide Parteien die Vertragsurkunde vor der tatsächlichen Arbeitsaufnahme unterzeichnen. Ist diese Voraussetzung nicht erfüllt, wird das Arbeitsverhältnis als unbefristet gewertet. Für die Beendigung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses bleiben dann nur die Möglichkeiten der Kündigung unter Berücksichtung etwaigen Sonderkündigungsschutzes und des Aufhebungsvertrags, der die Zustimmung des Arbeitnehmers voraussetzt.
Keine gesetzliche Maximaldauer der Erprobung
Eine Maximaldauer der Erprobung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Für die Dauer ist maßgeblich, dass der Zweck der Erprobung im Mittelpunkt des Arbeitsverhältnisses steht. Rechtssicher dürfte in jedem Fall die Dauer von 3 bis 6 Monaten sein. Eine Befristung zur Erprobung über 6 Monate hinaus ist nur im Ausnahmefall, bei Vorliegen besonderer Einzelfallumstände, möglich.
Befristetes Arbeitsverhältnis auch ohne Sachgrund möglich
§ 14 Abs. 2 TzBfG bietet außerdem die Möglichkeit der befristeten Einstellung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zu einer Dauer von zunächst 2 Jahren. Erst zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in diesem Zusammenhang entschieden, dass dies aber dann nicht mehr möglich ist, wenn zuvor eine Beschäftigung zwischen den Arbeitsvertragsparteien („Vorbeschäftigungsverbot“) geführt wurde (BVerfG, Beschluss vom 06.06.2018, Az. 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14). Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte in der Vergangenheit angenommen, dass eine sachgrundlose Befristung jedenfalls dann nicht gegen das Vorbeschäftigungsverbot verstößt, wenn mehr als 3 Jahre seit der letzten Beschäftigung zurückliegen. Diese Gesetzesauslegung hält das BVerfG für grundgesetzwidrig:
Nach dem Willen des Gesetzgebers und dem Wortlaut des Gesetzes soll die sachgrundlose Befristung den Ausnahmefall darstellen, die unbefristete Tätigkeit die Regel, sodass nach Ansicht des BVerfG für die Auslegung des BAG kein Raum gegeben ist.
MERKE | Für die Praxis bedeutet dies, dass zum Abschluss eines sachgrundlosen Befristungsvertrags zwingend eine Neueinstellung erfolgen muss: Zwischen den Parteien darf zu keiner Zeit in der Vergangenheit ein Beschäftigungsverhältnis bestanden haben. |
Auch hier ist die Schriftform für die Wirksamkeit zwingend erforderlich. Die Nichteinhaltung führt wiederum zur Annahme eines unbefristeten Arbeitsvertrags.
Unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Probezeit als Alternative
Den Parteien steht es darüber hinaus frei, einen unbefristeten Arbeitsvertrag mit Probezeit zu vereinbaren. Diese Probezeit darf nach den gesetzlichen Vorgaben den Zeitraum von 6 Monaten nicht überschreiten. Innerhalb der Probezeit ist es dem Arbeitgeber mit einer verkürzten gesetzlichen Frist von 2 Wochen möglich, das Arbeitsverhältnis zu kündigen (vgl. § 622 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]).
Im Falle von Tarifverträgen gelten andere Fristen: Nach den tarifvertraglichen Regelungen des Bundesrahmentarifvertrags für Apothekenmitarbeiter sowie z. B. dem Rahmentarifvertrag für Apothekenmitarbeiter des Kammerbezirks Nordrhein gelten die ersten 3 Monate des unbefristeten Arbeitsverhältnisses als Probezeit, innerhalb derer das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von einer Woche gekündigt werden kann. Außerdem kann bis zu der gesetzlichen Grenze von 6 Monaten eine vertragliche Probezeit vereinbart werden, die nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen ebenfalls mit einer Frist von 2 Wochen gekündigt werden kann.
Das Kündigungsschutzgesetz findet innerhalb der ersten 6 Monate keine Anwendung. Dem Apotheker ist es daher möglich, innerhalb dieses Zeitraums ohne Vorliegen eines sozial rechtfertigenden Grundes zu kündigen.
FAZIT | Dem Arbeitgeber sind diverse arbeitsrechtliche Möglichkeiten gegeben, einen Bewerber über das Vorstellungsgespräch hinaus besser kennenzulernen. In jedem Fall muss davon abgeraten werden, einen Bewerber ohne vorher getroffene eindeutige Regelung an dem potenziellen Arbeitsplatz einzusetzen ‒ und sei es auch nur kurzzeitig. Die Möglichkeiten und Risiken der arbeitsrechtlichen Ausgestaltung sind einzelfallabhängig abzuwägen, damit Auseinandersetzungen von Beginn an vermieden werden. |
Weiterführender Hinweis
- „Die neue Mitarbeiterin - so holen Sie sie ins Boot“, in AH 12/2016, Seite 12