· Fachbeitrag · Organschaft
Organschaftliche Mehr- und Minderabführungen: Wichtige Zweifelsfragen sind jetzt geklärt!
von Dipl. Finanzwirt Markus Schlagheck, Berlin
| Die Thematik der organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen hat schon immer die Gerichte beschäftigt. Und die steuerbilanzielle Umsetzung ist nicht immer einfach. Grund genug, die wichtigsten Zweifelsfragen in diesem Bereich anhand der jüngsten BFH-Rechtsprechung näher zu analysieren und die Prüfungssystematik schematisch eingehend darzustellen. |
1. Regelungsgehalt von organschaftlichen Mehr- und Minderabführungen und Ausgleichsposten
Mehr- und Minderabführungen liegen „insbesondere dann vor, wenn der an den Organträger abgeführte Gewinn von dem Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht” (§ 14 Abs. 4 S. 6 KStG). Dies stellt laut BFH keine abschließende Legaldefinition dar, sondern ‒ wegen der Verwendung des Adverbs „insbesondere“ ‒ lediglich eine Umschreibung von Regelcharakteristika i. S. d. Typusbegriffs (BFH 29.8.12, BStBl II 13, 555). Die Differenz zwischen dem abgeführten Gewinn und dem Steuerbilanzgewinn kann z. B. beruhen auf:
- unterschiedlichen Ansatz- und Bewertungsvorschriften in HB/StB,
- unterschiedlichen Wertansätzen bei Verschmelzung (§ 11 UmwStG) und Einbringung (§ 20 ff. UmwStG),
- Abweichungen zwischen Steuer- und Prüferbilanz sowie Handels- und Prüferbilanz, die nicht im Fehlerjahr korrigiert wurden.
Beachten Sie | Die Ermittlung des abgeführten Gewinns richtet sich nach Aktienrecht (§§ 291, 301 AktG). Unter Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft ist der Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG vor Gewinnabführung zu verstehen.
Für organschaftliche Mehr- und Minderabführungen, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben, sind in der Steuerbilanz des Organträgers im Verhältnis seiner Beteiligung am Stammkapital der Organgesellschaft aktive oder passive organschaftliche Ausgleichsposten zu bilden (§ 14 Abs. 4 S. 1 KStG). Ist der abgeführte Gewinn kleiner als der Steuerbilanzgewinn, liegt eine Minderabführung vor, die zu einem aktiven Ausgleichsposten führt. Im umgekehrten Fall führt eine solche Mehrabführung zu einem passiven Ausgleichsposten. Die Gewinnveränderung ist außerbilanziell zu korrigieren.
Beachten Sie | Wird die Abweichung in den Folgejahren aufgrund gegenläufiger Auswirkungen der Bilanzposition abgebaut, vermindert sich auch der entsprechende Ausgleichsposten. Die damit verbundene Gewinnauswirkung ist wiederum außerbilanzell zu korrigieren. Grundsätzlich lösen sich Ausgleichsposten daher in den Folgejahren vollständig auf.
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Eine Organgesellschaft aktiviert in der Handelsbilanz ein selbst geschaffenes immaterielles Wirtschaftsgut (HB-Wert 31.12.17: 100.000 EUR; 31.12.18: 80.000 EUR). Die Abführungssperre soll nicht greifen (§ 268 Abs. 8 HGB). Für die Steuerbilanz besteht ein Aktivierungsverbot (§ 5 Abs. 2 EStG). Im Jahr 2017 übersteigt der auf den Geschäftsvorfall bezogene an den Organträger abgeführte Gewinn den Steuerbilanzgewinn um 100.000 EUR.
Es liegt eine Mehrabführung vor, für die in der Steuerbilanz zum 31.12.17 ein passiver Ausgleichsposten zu bilden ist. Im Jahr 2018 ist der auf den Geschäftsvorfall bezogene abgeführte Gewinn negativ (Verlustübernahme des Organträgers von 20.000 EUR). Er ist um 20.000 EUR geringer als der Steuerbilanzgewinn. Es liegt eine Minderabführung vor. Es erfolgt keine Bildung eines aktiven Ausgleichspostens, sondern der passive Ausgleichsposten wird um 20.000 EUR gemindert. |
Beachten Sie | Organschaftliche Mehrabführungen mindern das Einlagekonto der Organgesellschaft und werden damit wie eine Einlagerückgewähr behandelt. Dadurch kann das Einlagekonto negativ werden. Organschaftliche Minderabführungen erhöhen das Einlagekonto (§ 27 Abs. 6 KStG). Der Betrag der Minderabführung wird zunächst fiktiv an den Organträger ausgeschüttet und anschließend als Einlage in die Organgesellschaft zurückgeführt.
2. Zweck organschaftlicher Mehr- und Minderabführungen
Mit den Mehr- und Minderabführungen und deren steuerbilanzieller Umsetzung in Gestalt von aktiven und passiven Ausgleichsposten will der Gesetzgeber die Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge beim Organträger sicherstellen (BT-Drs 16/7036 Seite 20). Hierzu wird auch das Ergebnis aus der (gedachten) Veräußerung der Organbeteiligung oder eines Ersatztatbestandes einbezogen.
Liegt der abgeführte Gewinn unter dem Steuerbilanzgewinn, verbleibt bereits versteuertes Vermögen bei der Organgesellschaft. Laut BFH (29.10.08, BFH/NV 09, 790) wird der Erwerber der Organbeteiligung bei typisierender Betrachtung auch den Teil des Eigenkapitals der Organgesellschaft entgelten, der infolge der Minderabführungen bei der Organgesellschaft verblieben ist. Da der Organträger diesen Betrag bereits versteuert hat, würde er im Rahmen des Veräußerungsgewinns nochmals besteuert. Dies zu verhindern, ist Zweck der Bildung aktiver Ausgleichsposten, indem sie bei Veräußerung der Organbeteiligung oder der Erfüllung eines der Veräußerung gleichgestellten Vorgangs gewinnmindernd aufzulösen sind (§ 14 Abs. 4 S. 2 bis 5 KStG). Ob tatsächlich ein um die Minderabführung höherer Veräußerungsgewinn dem Grunde und der Höhe nach realisiert wird, ist angesichts der typisierenden Betrachtungsweise unerheblich.
Eine sich aufdrängende Auseinandersetzung mit zeitgemäßen Unterneh-mensbewertungsgrundsätzen, die bei der Wertfindung für Beteiligungen i. d. R. auf die Ertragskraft des Unternehmens und nicht auf die Substanz-mehrung abstellen, findet sich im Urteil leider nicht.
Entsprechendes gilt für die Mehrabführung. Ist der abgeführte Gewinn höher als der Steuerbilanzgewinn, wird bei typisierender Betrachtung angenommen, dass der Erwerber das infolge der Mehrabführung an den Organträger übergegangene und noch nicht versteuerte Vermögen nicht entgelten wird. Es unterliegt daher auch nicht der Veräußerungsgewinnbesteuerung. Mit der Auflösung des passiven Ausgleichspostens wird die drohende Nichtbesteuerung der Mehrabführung verhindert.
PRAXISTIPP | Die Ausgleichsposten sind nicht bereits bei Beendigung des Gewinnabführungsvertrags aufzulösen, sondern erst mit Veräußerung der Organbeteiligung oder Erfüllung eines Ersatztatbestandes. |
3. Rechtsnatur der organschaftlichen Ausgleichsposten
Die Rechtsnatur der organschaftlichen Ausgleichsposten ist umstritten. Nach der Rechtsprechung soll es sich weder um ein eigenständiges Wirtschaftsgut noch um einen Korrekturposten zum Beteiligungsansatz der Organgesellschaft handeln, sondern um eine steuerliche Bilanzierungshilfe in Form eines steuerlichen Merkpostens (BFH 29.8.11, BStBl II 13, 555). Sie sei ausschließlich auf die Vermeidung einer Nicht- bzw. Doppelbesteuerung gerichtet. Ob damit auch die Zuordnung zum steuerbilanziellen Eigenkapital ausgeschlossen ist, hat der BFH offengelassen.
PRAXISTIPP | Als Konsequenz dieser Rechtsansicht sind Ausgleichsposten
Die Finanzverwaltung sieht den Ausgleichsposten als Korrekturposten zum Beteiligungsbuchwert der Organbeteiligung (BMF 26.8.03, BStBl I 03, 437, Rz. 43). Er sei für die Anwendung des § 8b KStG und der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG anlässlich seiner Auflösung mit dem Beteiligungsbuchwert zusammenzufassen (R 14.8. Abs. 3 S. 4 KStR). Ob diese Aussage im Sinne einer Beschränkung auf die genannten Paragrafen zu verstehen ist oder auch auf die o. g. Grundsätze der Einlagerückgewähr anzuwenden sein soll, bleibt unklar. |
4. Verursachung in (vor-)organschaftlicher Zeit
Die Regeln der Organschaftsbesteuerung sind nur für das Organeinkommen anzuwenden, das während der organschaftlichen Zeit erwirtschaftet wird. Für im Vergleich zur Steuerbilanz
- abgeführte unversteuerte Vermögensmehrungen oder
- der Organgesellschaft belassene versteuerte Vermögensmehrungen,
deren Ursachen in organschaftlicher Zeit liegen, sind daher Ausgleichsposten zu bilden. Vermögensmehrungen/-minderungen in organschaftlicher Zeit mit Verursachung in vororganschaftlicher Zeit unterliegen dagegen den allgemeinen Regeln für Ausschüttungen und Einlagen (§ 14 Abs. 3 KStG). Ausgleichsposten sind hierfür nicht zu bilden.
MERKE | Eine vororganschaftliche Verursachung ist gegeben, wenn der Geschäftsvorfall, der die maßgebliche Ursache für die Abführungsdifferenz bildet, mit der die späteren Mehr-/Minderabführungen verknüpft sind, in vororganschaftlicher Zeit liegt. Letztlich müssen die zur Abweichung führenden Bilanzansätze in vororganschaftlicher Zeit liegen (BFH 6.6.13, BStBl II 14, 398 m. w. N.). |
Was allerdings unter vororganschaftlicher Zeit zu verstehen sein soll, bleibt streitig. Einerseits wird hierunter die Zeit vor der Wirksamkeit der Organschaft verstanden, wobei es für die Prüfung auf die Perspektive der Organgesellschaft ankommen soll (Rödder/Joisten in: Rödder/Herlinghaus/Neumann (R/H/N), KStG, § 14 Rz. 586). Andererseits sollen hierunter die Zeiträume fallen, die außerhalb des konkreten Organschaftsverhältnisses liegen (Dötsch, GmbHR 12, 175). War die Organgesellschaft z. B. vor dem betreffenden Organschaftsverhältnis bereits Organ eines anderen Organträgers (erstes Organschaftsverhältnis), so liegt nach R/H/N das erste Organschaftsverhältnis in organschaftlicher Zeit, nach Dötsch in vororganschaftlicher Zeit.
Umstritten ist des Weiteren, ob auch eine außerorganschaftliche Verursachung wie eine vororganschaftliche behandelt werden kann. Bei außerorganschaftlichen Vorgängen geht Vermögen von Rechtsträgern, die außerhalb des Organkreises stehen, auf die Organgesellschaft über. Regelanwendungsfälle sind Umwandlungen, wobei die übernehmende Organgesellschaft handelsrechtlich Zeitwerte und steuerlich Buchwerte ansetzt.
PRAXISTIPP | Bei Umwandlung oder Einbringung in die Organgesellschaft handelt es sich laut BMF (11.11.11, BStBl I 11, 1314, Org. 33+34) um vororganschaftliche Vorgänge. Das BMF differenziert nicht danach, ob Bewertungsunterschiede zwischen HB und StB schon bei der außerhalb des Organkreises stehenden Überträgerin vorlagen (Übertragungsgewinn) oder erst bei der übernehmenden Organgesellschaft generiert werden (Übernahmegewinn). Unklar bleibt, ob die Regelung in Org. 33+34 auch dann gelten soll, wenn die beteiligten Gesellschaften vor und nach der Umwandlung oder Einbringung demselben Organkreis angehören (s. im Weiteren Rödder/Joisten in: R/H/N, KStG, § 14 Rz. 601 ff.). |
5. Saldierungsverbote
Die Anzahl an Mehr- bzw. Minderabführungen kann einen erheblichen Umfang erreichen, sodass sich die Frage nach einer Komplexitätsreduktion mittels Saldierung stellt. Der BFH hat jedoch die Saldierung von vororganschaftlichen Mehrabführungen mit vororganschaftlichen und/oder organschaftlichen Minderabführungen abgelehnt (BFH 27.11.13, BStBl II 14, 651). Entsprechendes dürfte auch für den umgekehrten Fall gelten. Abzustellen sei auf den einzelnen Geschäftsvorfall, der die maßgebliche Ursache für die Mehr-/Minderabführung bilde, denn der Gesetzgeber gehe von einer Vielzahl einzeln zu bewertender Vorgänge aus. Zudem erlaubten die unterschiedlichen Tatbestände und Rechtsfolgen (verdeckte Gewinnausschüttung, Einlage, organschaftliche Ausgleichsposten) keine Saldierung.
Was unter einem Geschäftsvorfall zu verstehen ist, richtet sich nach den für die Gewinnermittlung bedeutsamen Umständen (FG Düsseldorf 15.4.13, EFG 13, 1262; BFH 27.11.13, BStBl II 14, 651). Bedeutsame Umstände in diesem Sinne seien z. B. Teilwerterhöhungen, Afa oder Rückstellungen.
MERKE | Zur Saldierung bei Bildung von organschaftlichen Ausgleichsposten hat sich der BFH noch nicht geäußert. Auch ist der Wortlaut des § 14 Abs. 4 KStG diesbezüglich nicht eindeutig. Allerdings lässt sich aus der vom BFH vertretenen geschäftsvorfallbezogenen Betrachtungsweise m. E. ableiten, dass pro Geschäftsvorfall eine Mehr- oder Minderabführung vorliegen kann, für die dann ein Saldierungsverbot mit gegenläufigen Abführungen besteht (im Ergebnis gl. A. Neumann in: Gosch, KStG, § 14 Rz. 422, a. A. Rödder/Joisten in: R/H/N, KStG, § 14 Rz. 691). |
Steuerliche Auswirkungen der unterschiedlichen Meinungen zur Saldierung ergeben sich bei Berechnung des Gewinns aus der Veräußerung der Organbeteiligung, wenn der Organträger der Körperschaftsteuer unterliegt:
- Wird die Bruttomethode angewandt, erfolgt eine getrennte Berechnung des Veräußerungsgewinns der Beteiligung und des Ergebnisses aus der Auflösung der Ausgleichsposten. Unter Beachtung des Saldierungsverbotes wird der Aufwand aus der Auflösung eines aktiven Ausgleichspostens nach § 8b Abs. 3 KStG hinzugerechnet, ein Ertrag aus der Auflösung des passiven Ausgleichspostens ist nach § 8b Abs. 1 KStG steuerfrei, wobei pauschal 5 % nicht abziehbare Betriebsausgaben anfallen (§ 8b Abs. 5 KStG).
- Bei der Nettomethode wird der Aufwand oder Ertrag aus der Auflösung der Ausgleichsposten bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns berücksichtigt, sodass sich ein Saldierungsverbot nicht auswirkt (s. ausführlich Rödder/Joisten in: R/H/N, KStG, § 14, Rz. 735 ff.).
Nach Meinung der Finanzverwaltung soll für die Anwendung des § 8b KStG bzw. der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG die Nettomethode maßgebend sein. Die Ausgleichsposten seien mit dem Buchwert der Organbeteiligung zusammenzufassen, wobei sich rechnerisch auch ein negativer Buchwert ergeben könne (R 14.8 Abs. 3 S. 4, 5 KStR 2015).
PRAXISTIPP | Die steuerliche Auswirkung der Ausgleichsposten zeigt sich erst bei einer evtl. Veräußerung der Organbeteiligung bzw. bei Erfüllung eines Ersatztatbestandes. Daher ist es schon aus Gründen der Nachvollziehbarkeit ratsam, für jede einzelne Mehr-/Minderabführung einen Ausgleichsposten zu bilden und fortzuentwickeln. Die so ermittelten aktiven und passiven Ausgleichsposten können dann in der Steuerbilanz zu je einem aktiven und passiven Ausgleichsposten pro Organbeteiligung zusammengefasst werden (gl. A. wohl Dötsch in: D/P/M, KStG, § 14 Rz. 1009). |
6. Minder-/Mehrverlustübernahme
Es kann der Fall eintreten, dass sich ‒ bezogen auf den Geschäftsvorfall ‒ handelsrechtlich ein geringerer Verlust als in der Steuerbilanz ergibt. Laut BFH können der abgeführte Gewinn und der Steuerbilanzgewinn auch als negative Werte verstanden werden, also als Verlustübernahme des Organträgers und Steuerbilanzverlust der Organgesellschaft (BFH 6.6.13, BStBl II 14, 398). Mithin ist eine Mehrabführung auch in Form einer Minderverlustübernahme denkbar. Ist die Einmalbesteuerung nicht gesichert, muss auch in diesen Fällen ein passiver Ausgleichsposten gebildet werden. Entsprechendes gilt, wenn ‒ bezogen auf den Geschäftsvorfall ‒ der handelsrechtliche Verlust höher ist als der Steuerbilanzverlust.
7. Außerbilanzielle Korrektur der Abweichung
Wird die Abweichung zwischen abgeführtem Gewinn und Steuerbilanzge-winn aufgrund eines Beteiligungsverlustes aus einem KG-Anteil außerbi-lanziell korrigiert, so ist die Frage der Bildung von Ausgleichsposten an dem Grundanliegen des Gesetzgebers auszurichten, die Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge beim Organträger sicherzustellen (so BFH 29.8.12, BStBl II 13, 555). Aufgrund der außerbilanziellen Korrektur weiche die steuerliche Einkommenszurechnung nicht von der handelsrechtlichen Gewinnabführung ab. Die Einmalbesteuerung sei somit gesichert, der Zweck der Ausgleichsposten erfüllt, ihre Bildung daher nicht geboten. Zudem führten Abweichungen, die lediglich in der Technik der Einkommensermittlung begründet seien, nicht zu Mehr- oder Minderabführungen. Der BFH stützt seine Argumentation auf das Adverb „insbesondere“ (§ 14 Abs. 4 S. 6 KStG), das dieses Verständnis erlauben soll.
Die Finanzverwaltung teilt die Auffassung des BFH nicht und wendet das Urteil über den Einzelfall hinaus nur dann an, wenn die Fallkonstellation des Urteilssachverhaltes vorliegt. In allen anderen Fällen sei weiterhin nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 4 S. 6 KStG auf die Abweichung zwischen abgeführtem Gewinn und Steuerbilanzgewinn abzustellen (BMF 15.7.13, BStBl I, 921; zur Kritik vgl. Dötsch/Pung, DB 18, 1424).
PRAXISTIPP | Werden die verrechenbaren Verluste im weiteren Verlauf der Organschaft ausgleichsfähig (§ 15a Abs. 2 EStG) und ist aufgrund abweichender Bilanzierungsvorschriften (steuerlich Spiegelbildmethode, handelsrechtlich Anschaffungskostenprinzip) der abgeführte Gewinn niedriger als der Steuerbilanzgewinn, liegen bei konsequenter Anwendung der o. g. BFH-Rechtsprechung keine Minderabführungen vor (gl. A. Trautmann/Falkner, DStR 13, 293). |
Die Besonderheit dieses Sonderfalls liegt m. E. darin, dass mit Hinzurech-nung der lediglich verrechenbaren Verluste nach § 15a EStG keine endgültige Verlustversagung einhergeht. Die temporäre Hinzurechnung ersetzt die Wirkung des Ausgleichspostens, der sich bei späterem Verlustabzug ohnehin abgebaut hätte. Die BFH-Rechtsprechung kann daher m. E. nicht auf die Fälle angewandt werden, bei denen die Korrektur der Abweichung endgültigen Charakter hat.
Ein solcher Fall wäre z. B. ein nicht abziehbarer Übernahmeverlust anlässlich der Verschmelzung von Organtochter auf Organmutter, wenn handels- und steuerrechtlicher Übernahmeverlust aufgrund der steuerlichen Rückwirkungsfiktion in unterschiedliche Veranlagungszeiträume (VZ) fallen. Wird im VZ der steuerlichen Erfassung des Übernahmeverlustes kein passiver Ausgleichsposten gebildet, wird die nach § 12 Abs. 2 UmwStG endgültige außerbilanzielle Hinzurechnung anlässlich einer typisierten Veräußerung der Organbeteiligung rückgängig gemacht. Die Einmalbesteuerung wäre nicht gesichert. Gleiches gilt z. B. für die unterschiedliche Bildung von KSt-Rückstellungen in HB und StB bei Ausgleichszahlungen der Organgesellschaft an außenstehende Gesellschafter.
8. Außerbilanzielle Korrektur, aber keine Abweichung
Grundsätzlich führen außerbilanzielle Korrekturen, ohne dass eine Abweichung von abgeführtem Gewinn und Steuerbilanzgewinn vorliegt, nicht zu Mehr- oder Minderabführungen, da weder unversteuertes Vermögen auf den Organträger verlagert noch der Organgesellschaft besteuertes Vermögen belassen wird. In Sonderfällen kann es zur Sicherung der Einmalbesteuerung jedoch auch in dieser Kategorie zu Mehr- oder Minderabführung kommen:
Dies ist z. B. der Fall bei der gesellschaftsrechtlich veranlassten Gewährung eines Ertragszuschusses des Organträgers an die Organgesellschaft. Wird der Zuschuss handelsrechtlich als betrieblicher Ertrag erfasst, wird er aufgrund des Gewinnabführungsvertrags gleich wieder an den Organträger abgeführt. Abgeführter Gewinn und Steuerbilanzgewinn stimmen überein. Steuerlich liegt eine verdeckte Einlage in die Organgesellschaft vor, die außerbilanziell zu kürzen ist, ihr Einlagekonto erhöht und beim Organträger zur Erhöhung des Buchwertes der Organbeteiligung führt.
Eine Saldierung von Zu- und Abfluss, die die Rechtsfolgen der verdeckten Einlage verhindern würde, ist laut BFH nicht vorzunehmen, da eine Abweichung zwischen abgeführtem Gewinn und Steuerbilanzgewinn nicht vorliegt (BFH 15.3.17, BFH/NV 17, 1276). Die Erhöhung des Beteiligungsbuchwertes aufgrund der verdeckten Einlage führe aber zu einem niedrigeren Veräußerungsgewinn der Organbeteiligung, wodurch eine doppelte Entlastung der Zuschussgewährung eintrete. Soll die Einmalbesteuerung sichergestellt werden, müsse eine organschaftliche Mehrabführung unter Bildung eines passiven Ausgleichspostens angenommen werden, der im Fall der Veräußerung der Organbeteiligung gewinnerhöhend aufzulösen sei.
PRAXISTIPP | Die BFH-Grundsätze können auf andere verdeckte Einlagen des Organträgers in die Organgesellschaft übertragen werden (gl. A. von Freeden/Lange, DB 17, 2055), nicht aber auf offene Einlagen, die in die Kapitalrücklage eingestellt werden. Sie führen zu keiner Abweichung und keiner außerbilanziellen Kürzung. Die künftige Rückzahlung stellt eine Gewinnausschüttung dar (gl. A. Dötsch in: D/P/M, KStG, § 14 Rz. 1102). |
Beachten Sie | Auch ein nicht abziehbarer Übernahmeverlust aufgrund einer Upstream-Verschmelzung von Organtochter auf Organmutter, die ihrerseits wiederum Organgesellschaft ist, führt bei übereinstimmender Erfassung in HB und StB nicht zu einem Ausgleichsposten, da die Einmalbesteuerung gesichert ist (BFH 15.3.17, BFH/NV 17, 1276).
9. Prüfungssystematik nach BFH-Rechtsprechung
Mit dem nachfolgenden Schaubild wird die BFH-Ansicht zu organschaftlichen Mehr-/Minderabführungen und organschaftlichen Ausgleichsposten systematisiert und übersichtlich dargestellt.
