· Fachbeitrag · Ordnungsmäßigkeit der Buchführung
Ab 2020 gelten neue GoBD ‒ dem technischen Fortschritt sei Dank
von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dortmund
| Mit Schreiben vom 11.7.2019 hat das BMF die GoBD ‒ „Grundsätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff“ I‒ grundlegend überarbeitet und neu gefasst. Nicht zuletzt auf Anregung der Wirtschaft, die eine Anpassung des Vorgängerschreibens (BMF 14.11.14) an den technischen Fortschritt wünschte. Ende August 2019 erfolgte für alle Beteiligten unerwartet seitens des BMF ein „Rückzieher“: Die bisherigen GoBD aus dem Jahr 2014 sollten vorerst unverändert weitergelten. Mit BMF-Schreiben vom 28.11.2019 wurden die noch einmal geänderten GoBD nunmehr offiziell neu gefasst. |
Unwägbarkeiten aufgrund der weiteren technischen Entwicklung (Rz. 10)
Technische Vorgaben oder Standards (z. B. zu Archivierungsmedien oder Kryptografieverfahren) können angesichts der
- rasch fortschreitenden Entwicklung und
- ebenfalls notwendigen Betrachtung des organisatorischen Umfelds
nicht festgelegt werden.
PRAXISTIPP | Im Zweifel ist über einen Analogieschluss festzustellen, ob die Ordnungsvorschriften eingehalten wurden, z. B. bei einem Vergleich zwischen handschriftlich geführten Handelsbüchern und Unterlagen in Papierform, die in einem verschlossenen Schrank aufbewahrt werden, einerseits und elektronischen Handelsbüchern und Unterlagen, die mit einem elektronischen Zugriffsschutz gespeichert werden, andererseits. |
Zertifizierung und Software-Testate (Rzn. 179 ff.)
Die Vielzahl und unterschiedliche Ausgestaltung und Kombination der DV-Systeme für die Erfüllung außersteuerlicher oder steuerlicher Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten lassen keine allgemein gültigen Aussagen der Finanzbehörde zur Konformität der verwendeten oder geplanten Hard- und Software zu. Dies gilt umso mehr, als weitere Kriterien (z. B. Releasewechsel, Updates, die Vergabe von Zugriffsrechten oder Parametrisierungen, die Vollständigkeit und Richtigkeit der eingegebenen Daten) erheblichen Einfluss auf die Ordnungsmäßigkeit eines DV-Systems und damit auf Bücher und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen haben können.
Die Finanzverwaltung erteilt keine Positivtestate zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und damit zur Ordnungsmäßigkeit DV-gestützter Buchführungssysteme ‒ weder im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung noch im Rahmen einer verbindlichen Auskunft.
„Zertifikate“ oder „Testate“ externer Dritter können bei der Auswahl eines Softwareprodukts dem Unternehmen als Entscheidungskriterium dienen, entfalten jedoch gegenüber der Finanzbehörde keine Bindungswirkung.
PRAXISTIPP | De facto erfährt der Unternehmer erst durch die Prüfung der Finanzverwaltung, ob sein System und seine Vorgehensweise den Anforderungen der GoBD genügt. |
Verantwortlichkeit (Rz. 21)
Für die Ordnungsmäßigkeit elektronischer Bücher und sonst erforderlicher elektronischer Aufzeichnungen einschließlich der eingesetzten Verfahren ist allein der Steuerpflichtige verantwortlich. Dies gilt auch bei einer teilweisen oder vollständigen organisatorischen und technischen Auslagerung von Buchführungs- und Aufzeichnungsaufgaben auf Dritte (z. B. Steuerberater oder Rechenzentrum).
Die Archivierungspflichten muss der Unternehmer also nicht höchstpersönlich erfüllen und darf dazu auch die Leistungen eines (Fremd-)Dienstleisters einkaufen.
PRAXISTIPP | Da der Unternehmer sich auch nach Beauftragung eines Dienstleisters gegenüber der Finanzverwaltung für dessen Tun ‒ und vor allem dessen Fehler ‒ verantworten muss, ist es unabdingbar, dass er |
Dabei sollte sich der Unternehmer von seinem Steuerberater unterstützen lassen. |
Weitgehende Technologieneutralität bei der bildlichen Erfassung von Papierbelegen (Rz. 130)
Werden Handels- oder Geschäftsbriefe und Buchungsbelege in Papierform empfangen und danach elektronisch bildlich erfasst (z. B. gescannt oder fotografiert), ist das hierdurch entstandene elektronische Dokument so aufzubewahren, dass die Wiedergabe mit dem Original bildlich übereinstimmt, wenn es lesbar gemacht wird (§ 147 Abs. 2 AO).
PRAXISTIPP | Eine bildliche Erfassung kann hierbei mit verschiedenenGeräten und insbesondere auch durch
erfolgen, wenn dadurch die sonstigen Anforderungen der GoBD erfüllt sind (Rz. 130). |
Werden bildlich erfasste Dokumente per Optical-Character-Recognition-Verfahren (OCR-Verfahren) um Volltextinformationen angereichert (z. B. volltextrecherchierbare PDFs), so ist dieser Volltext nach Verifikation und Korrektur über die Dauer der Aufbewahrungsfrist aufzubewahren und auch für Prüfzwecke verfügbar zu machen.
§ 146 Abs. 2 AO steht einer bildlichen Erfassung durch mobile Geräte wie Smartphones im Ausland nicht entgegen, wenn die Belege im Ausland entstanden sind bzw. empfangen wurden und dort direkt erfasst werden (z. B. bei Belegen über eine Dienstreise im Ausland).
Datenverarbeitungssystem: Auch Cloud-Lösungen zulässig (Rz. 20. )
Unter DV-System wird die im Unternehmen oder für Unternehmenszwecke zur elektronischen Datenverarbeitung eingesetzte Hard- und Software verstanden, mit denen Daten und Dokumente im Sinne der Rzn. 3 ff. erfasst, erzeugt, empfangen, übernommen, verarbeitet, gespeichert oder übermittelt werden. Dazu gehören das Hauptsystem sowie Vor- und Nebensysteme.
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Zu den Haupt-, Vor- und Nebensystemen zählen auch die Schnittstellen zwischen den Systemen. Auf die Bezeichnung des DV-Systems oder auf dessen Größe (z. B. Einsatz von Einzelgeräten oder von Netzwerken) kommt es dabei nicht an.
PRAXISTIPP | Ebenfalls kommt es nicht darauf an, ob die betreffenden DV-Systeme vom Steuerpflichtigen als eigene Hardware bzw. Software erworben und genutzt oder in einer Cloud bzw. als eine Kombination dieser Systeme betrieben werden. |
Umwandlung vorhandener elektronischer Daten in andere Datenformate
Umwandlung grundsätzlich möglich
Eingehende elektronische Handels- oder Geschäftsbriefe und Buchungsbelege müssen in dem Format aufbewahrt werden, in dem sie empfangen wurden (z. B. Rechnungen oder Kontoauszüge im PDF- oder Bildformat).
Eine Umwandlung in ein anderes Format (z. B. MSG in PDF) ist dann zulässig, wenn
- die maschinelle Auswertbarkeit nicht eingeschränkt wird und
- keine inhaltlichen Veränderungen vorgenommen werden (Rzn. 131, 135).
Erfolgt eine Anreicherung der Bildinformationen, z. B. durch OCR (Beispiel: Erzeugung einer volltextrecherchierbaren PDF-Datei im Erfassungsprozess), sind die dadurch gewonnenen Informationen nach Verifikation und Korrektur ebenfalls aufzubewahren (Rzn. 131).
Im DV-System erzeugte Daten im Sinne der Rzn. 3 bis 5 (z. B. Grund[buch]Aufzeichnungen in Vor- und Nebensystemen, Buchungen, generierte Datensätze zur Erstellung von Ausgangsrechnungen) oder darin empfangene Daten (z. B. EDI-Verfahren) müssen im Ursprungsformat aufbewahrt werden (Rzn. 132)
Im DV-System erzeugte Dokumente (z. B. als Textdokumente erstellte Ausgangsrechnungen [§ 14b UStG], elektronisch abgeschlossene Verträge, Handels- und Geschäftsbriefe, Verfahrensdokumentation) sind im Ursprungsformat aufzubewahren (Rzn. 133).
PRAXISTIPP | Unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten ist es nicht zu beanstanden, wenn der Steuerpflichtige
Handels- und Geschäftsbriefe nur in Papierform aufbewahrt (Rzn. 119, 120). |
Grenze: Reduzierung einer bereits bestehenden maschinellen Auswertbarkeit
Die Reduzierung einer bereits bestehenden maschinellen Auswertbarkeit, beispielsweise durch Umwandlung des Dateiformats oder der Auswahl bestimmter Aufbewahrungsformen, ist nicht zulässig (Rzn. 129).
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Eine Umwandlung in ein anderes Format (z. B. Inhouse-Format) ist zulässig, wenn die maschinelle Auswertbarkeit nicht eingeschränkt wird und keine inhaltliche Veränderung vorgenommen wird.
Beachten Sie | Der Steuerpflichtige sollte dabei berücksichtigen, dass entsprechende Einschränkungen in diesen Fällen nicht zwingend von Vorteil sind, sondern immer auch zu seinen Lasten gehen können.
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Speicherung einer E-Mail als PDF-Datei: Die Informationen des Headers (z. B. Informationen zum Absender) gehen dabei verloren und es ist nicht mehr nachvollziehbar, wie der tatsächliche Zugang der E-Mail erfolgt ist. |
Originaldaten archivieren: Besonderheiten der E-Mail (Rz. 121)
Der Betriebsprüfer will die steuerrelevanten Datensätze so sehen, wie diese das Mandantenunternehmen verlassen (Ausgangspost) oder erreicht (Eingangspost) haben.
Bis 2014 galt die strenge Auffassung der Finanzverwaltung
Die E-Mail selbst war danach kein bloßer „Briefumschlag“. Erhielt oder versendete der Mandant ein steuerrelevantes Dokument als PDF-Anhang zu einer E-Mail, durfte er nicht nur die PDF, sondern musste zusätzlich auch die E-Mail als solche elektronisch aufbewahren.
GoBD 2020 erleichtern die Archivierung!
Wie schon die GoBD 2015 erleichtern auch die GoBD 2020 die Archivierung. Bei den Daten und Dokumenten ist ‒ wie bei den Informationen in Papierbelegen ‒ auf deren Inhalt und auf deren Funktion abzustellen, nicht auf deren Bezeichnung. So sind beispielsweise E-Mails mit der Funktion eines Handels- oder Geschäftsbriefs oder eines Buchungsbelegs in elektronischer Form aufbewahrungspflichtig. Dient eine E-Mail nur als „Transportmittel“, z. B. für eine angehängte elektronische Rechnung, und enthält darüber hinaus keine weitergehenden aufbewahrungspflichtigen Informationen, so ist diese nicht aufbewahrungspflichtig (wie der bisherige Papierbriefumschlag).
PRAXISTIPP | Damit entfällt das lästige Archivieren von Transport-E-Mails. |
Journalfunktion (Rzn. 75 ff., 90 ff.)
Die Journalfunktion erfordert eine vollständige, zeitgerechte und formal richtige Erfassung, Verarbeitung und Wiedergabe der eingegebenen Geschäftsvorfälle. Sie dient dem Nachweis der tatsächlichen und zeitgerechten Verarbeitung der Geschäftsvorfälle.
Zur Erfüllung der Journalfunktion und zur Ermöglichung der Kontenfunktion sind bei der Buchung insbesondere die nachfolgenden Angaben zu erfassen oder bereitzustellen:
Checkliste / Journalfunktion |
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Datensicherheit (Rzn. 103 ff.)
Der Steuerpflichtige hat sein DV-System gegen Verlust (z. B. Unauffindbarkeit, Vernichtung, Untergang und Diebstahl) zu sichern und gegen unberechtigte Eingaben und Veränderungen (z. B. durch Zugangs- und Zugriffskontrollen) zu schützen.
Werden die Daten, Datensätze, elektronischen Dokumente und elektronischen Unterlagen nicht ausreichend geschützt und können deswegen nicht mehr vorgelegt werden, so ist die Buchführung formell nicht mehr ordnungsmäßig.
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Unternehmer überschreibt unwiderruflich die Finanzbuchhaltungsdaten des Vorjahrs mit den Daten des laufenden Jahres. |
Die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen sind vom jeweiligen Einzelfall abhängig.
Die Beschreibung der Vorgehensweise zur Datensicherung ist Bestandteil der Verfahrensdokumentation. Die konkrete Ausgestaltung der Beschreibung ist abhängig von der Komplexität und Diversifikation der Geschäftstätigkeit und der Organisationsstruktur sowie des eingesetzten DV-Systems.
Unveränderbarkeit, Protokollierung von Änderungen (Rzn. 107 ff.)
Nach § 146 Abs. 4 AO darf eine Buchung oder Aufzeichnung nicht in einer Weise verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, deren Beschaffenheit es ungewiss lässt, ob sie ursprünglich oder erst später gemacht worden sind.
Das zum Einsatz kommende DV-Verfahren muss die Gewähr dafür bieten, dass alle Informationen (Programme und Datenbestände), die einmal in den Verarbeitungsprozess eingeführt werden (Beleg, Grundaufzeichnung, Buchung), nicht mehr unterdrückt oder ohne Kenntlichmachung überschrieben, gelöscht, geändert oder verfälscht werden können. Bereits in den Verarbeitungsprozess eingeführte Informationen (Beleg, Grundaufzeichnung, Buchung) dürfen nicht ohne Kenntlichmachung durch neue Daten ersetzt werden.
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Die Unveränderbarkeit der Daten, Datensätze, elektronischen Dokumente und elektronischen Unterlagen (Rzn. 3 ff.) kann sowohl hardwaremäßig (z. B. unveränderbare und fälschungssichere Datenträger) als auch softwaremäßig (z. B. Sicherungen, Sperren, Festschreibung, Löschmerker, automatische Protokollierung, Historisierungen, Versionierungen) als auch organisatorisch (z. B. mittels Zugriffsberechtigungskonzepten) gewährleistet werden.
PRAXISTIPP | Die Ablage von Daten und elektronischen Dokumenten in einem Dateisystem erfüllt die Anforderungen der Unveränderbarkeit regelmäßig nicht, soweit nicht zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden, die eine Unveränderbarkeit gewährleisten. |
Anwendungsregelung (Rz. 182 ff.)
Das neue BMF-Schreiben ist auf Besteuerungszeiträume anzuwenden, die nach dem 31.12.2019 beginnen.
PRAXISTIPP | Es wird nicht beanstandet, wenn der Steuerpflichtige die Grundsätze dieses Schreibens bereits auf Besteuerungszeiträume anwendet, die vor dem 1.1.2020 enden. |
Diese Regelung ist an sich logische Konsequenz daraus, dass die GoBD ja keine materielle Rechtsänderung bewirken. Es soll klarstellen, wie den unverändert fortbestehenden Buchführungs- und Aufbewahrungspflichten Genüge geleistet werden kann.
FAZIT | Nicht zuletzt die Wirtschaft wünschte eine Anpassung der bisherigen GoBD an den technischen Fortschritt (s. o). Diese scheint dem BMF insgesamt durch
gelungen zu sein. |
Fundstellen
- BMF 28.11.19, IV A 4 ‒ S 0316/19/10003 :001, Grundsätze zur ordnungsgemäßen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD), iww.de/astw, Abruf-Nr. 212816
- BMF, GoBD/Ergänzende Informationen zur Datenträgerüberlassung vom 28.11.19, www.iww.de/s3239
- BMF 14.11.14, IV A 4 ‒ S 0316/13/1003, iww.de/astw, Abruf-Nr. 143316
- Fachbeitrag zum BMF-Schreiben vom 14.11.14, AStW 15, 293